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Nur ein Traum

von

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Nur ein Traum

Sie stehen einander gegenüber. Sie starren sich an. Ein Hauch von Schwermut liegt in ihrem Blickaustausch; Schwermut, Bedauern und Widerwillen.

Sie zögern, als würden sie auf ein unbekanntes Startsignal warten. Doch vielleicht warten sie nicht auf ein Startsignal, sondern auf ein Signal – oder einen Grund – zum Abbruch. Obwohl sie genau wissen, dass es keinen Grund zum Abbruch gibt.

Und mit jeder Sekunde, die sie zögern, wird es schwieriger.

Conan senkt seinen Blick, um in die gähnende Schwärze des Pistolenlaufs zu starren. Er atmet tief durch. Er setzt ein Grinsen auf; schief, ironisch und unecht.

Er hat immer gewusst, dass es eines Tages geschehen würde.

Dass er eines Tages sterben würde.

Schließlich hatten sie es von Anfang an so geplant.

Er atmet noch einmal tief durch. Er strafft seine Schultern. Und nickt seinem Gegenüber zu.

Tu es.
 

Shinichi krümmt seinen Finger. Langsam, bedächtig. Der Abzug senkt sich und-

„Shi- Shinichi?!“

Plötzlich steht Ran neben ihm. Ran, die ihn mit großen, verständnislosen Augen anblickt.

Shhh, Ran. Alles wird gut.

„Shinichi, was tust du da?“

Ich korrigiere einen Fehler.

Dann löst sich der Schuss. Laut, unbarmherzig, mit einer betäubenden Endgültigkeit, dringt der Knall in seine Ohren. Das Schießpulver tänzelt durch die Luft, es glänzt wie Staub im Sonnenschein. Edogawa Conan schlägt tot auf dem Boden auf. Und seine Brille, die Brille, die ihm monatelang als Maske und Schutzwall gedient hat, zerschellt auf dem Boden.

Ran schreit. Ihr Schrei ist so laut, so allumfassend, dass er sich kurzzeitig fragt, ob er ebenfalls schreit. Ob sie beide gemeinsam schreien und ob der Schrei deshalb so laut ist.

„Conan-kun!“ Jetzt läuft sie, an ihm vorbei und auf die Leiche zu, ihr Haar peitscht ihm hart ins Gesicht.

„Conan-kun ...“ Sie kniet neben dem toten Körper nieder, schüttelt die schmalen Schultern, streichelt das bleiche (blutbesudelte) Gesicht.

Shhh, Ran. Du musst nicht mehr weinen. Alles wird gut. Conan ist fort. Ich kann jetzt zurückkommen.

Ran reagiert nicht. Sie bricht neben der Leiche zusammen, ein weinendes Häufchen Elend.
 

Und dann verschwindet Ran und sie sind wieder allein.
 

Und dann kommen die Kinder.

„Hallo Conan-kun!“

„Conan-kun, wir haben einen neuen Fall!“

„Hey Conan, hörst du nicht? Wir müssen einen Fall lösen! Steh auf, du Faulpelz!“

Sie umringen die Leiche. Sie keuchen und wimmern vor Entsetzen.

„Was ist passiert?“

„Da ist so viel Blut!“

„Er hat ein Loch im Kopf!“

Mitsuhiko ist der Erste, der es schafft, sein Entsetzen zu überwinden und kühl zu analysieren, so wie es ihnen von Conan beigebracht wurde. Das ist keine Überraschung, er war schon immer der vielversprechendste Kandidat unter ihnen gewesen. Der Blick des Jungen löst sich von der Leiche, wandert herüber zu Shinichi, bleibt schließlich an der Waffe in seiner Hand kleben.

„Conan-kun wurde getötet. Shinichi-nii-san hat ihn erschossen.“

Ayumi fängt an zu schreien; ihr Schrei erinnert ihn so sehr an den von Ran; es schmerzt.

„Mörder!“ Genta deutet anklagend auf Shinichi. „Du bist ein Mörder!“

Shinichi schüttelt mitleidsvoll den Kopf.

Ich bin kein Mörder. Nur ein Lügner.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Am Anfang war Conan für Shinichi nur eine Tarnidentität, die er brauchte, um sich vor der Organisation zu schützen. Aber ich denke, dass Conan im Laufe der Zeit ein wichtiger Teil seiner Persönlichkeit wurde, und dass ihm die Beziehungen, die er als Conan mit den Kindern und Ran aufgebaut hat, sehr viel bedeuten.
Aber Shinichi kann nicht beides haben. Irgendwann wird der Tag kommen, an dem Conan von der Bildfläche verschwinden muss, und das wird für alle Beteiligten sehr schwer sein.
Dies ist ein Albtraum von Shinichi, der seine unterschwellige Angst vor diesem Tag visualisiert. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  blackangel_tsukuyomi
2015-10-15T22:41:37+00:00 16.10.2015 00:41
Hallo, ich hoffe es geht dir gut und es läuft alles bei dir. Und hoffentlich hat sich der Ärger mit dem Laptop endlich erledigt.
 
Ich hatte wieder schrecklich Lust auf eine deiner Geschichten und habe mal geschaut, was du sonst noch an Kaito/Shinichi FFs in petto hattest. Und diese ist...unbeschreiblich. Als ich anfing zu lesen, spürte ich, wie ich wieder in den Sog deines Schreibstils geriet und gespannt Zeile für Zeile folgte, nur um am Ende mit einem unbeschreiblichen Gefühl zurückzubleiben. Ich finde die Verbildlichung dieses großen Problems wirklich klasse gelungen und frage mich auch schon immer, wie er dieses Problem eigentlich lösen will. Auch gut finde ich es, dass du erst im Nachwort erklärst, dass es ein Albtraum ist, statt ihn im Text erwachen zu lassen. Das wäre wahrscheinlich die üblichere Weise gewesen, die aber auch sehr oft benutzt wird. So lässt sich der Zeitpunkt des Textes nicht genau festlegen. Shinichi könnte es erst geträumt haben und dann aufgewacht sein. Es könnte aber auch sein, dass er über den Albtraum schon länger nachdenkt, ihm sogar bei Tag in den Sinn kommt und ihn verfolgt. Oder das Ereignis sogar tatsächlich so passieren könnte, auch wenn ich gespannt wäre, wie sie getrennt voneinander existieren könnten. Und der letzte Satz fasst die Ganze prekäre und inzwischen auch ziemliche traurige Situation sehr gut zusammen.
 
Und man erkennt auch Parallelen zu Kaito, dessen Leben durch seine zweite Identität auch immer mehr durch Lügen aufgebaut wird. Wie wird es für die beiden enden? Ich glaube, dass ist der interessanteste Aspekt an dem Ende der Serie. Kann Shinichi seine Identität als Conan so einfach ablegen? Schließlich hat ihn das wieder Kind sein auch viel gelehrt und er ist dadurch gewachsen. Wenn man bedenkt, wie er am Anfang so drauf war...
 
Was wird Kaito tun, wenn seine Identität als Kid erfüllt ist? Was erwartet ihn überhaupt in Sachen Pandora? Ist der Stein am Ende nur Lug und Trug? Auch wenn er keinen Menschen zu Schaden kommen lassen will, so haben seine Taten doch ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur Sachschäden und Geld für massig Einsätze, oder Menschen, die doch verletzt wurden. Was hat er seelisch angerichtet? Welche Veränderungen sind da geschehen? Und wird es Aoko erfahren? Fragen über Fragen.
 
Um zum Abschluss zu kommen. Dieser kurze aber schöne OS hat mir wirklich gut gefallen und ich würde mich freuen, wieder etwas von dir lesen und natürlich auch wieder von dir hören zu können. :)
 
LG


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