Zum Inhalt der Seite

Von Drachen und Zauberern

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

I.

Frustration. Sie schien zum ständigen Begleiter ihres Lebens geworden zu sein.

Mit einem resignierten Seufzer legte sie die Haarbürste beiseite und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Das Antlitz, das ihr aus dem Glas entgegenblickte, war das selbst Gesicht Hermione Jean Grangers, das ihr jeden Tag im Spiegel begegnete. Und doch war es an diesem Abend anders. Das lag gewiss nicht an ihrer Frisur, denn ihre Haare sahen aus wie eh und je, sofern sie nicht Stunden und Unmengen magischer Haarpflegeprodukte darauf verwendete, es zu zähmen. Ihre Eltern hatten immer schmunzelnd gemeint, dass sie nun mal bis in die Haarspitzen magisch sei und die Magie jedem einzelnen ihrer Haare ein Eigenleben verlieh. Hermione Granger war nämlich eine Hexe. Sie galt sogar als die intelligenteste Hexe ihres Jahrgangs, doch bedeutete das im wahren Leben, außerhalb der schützenden Mauern Hogwarts’ – jener Schule für Hexerei und Zauberei, die seit mehr als einem Jahrtausend den magisch begabten Nachwuchs Britanniens in den Grundlagen der Magie ausbildete –, herzlich wenig. Was mit dazu beitrug, dass Hermione sich derzeit eher als frustrierteste Hexe ihres Jahrgangs, vielleicht sogar ihrer ganzen Generation, betrachtete.

Noch vor fünf Jahren hatte alles so hoffnungsvoll ausgesehen. Gemeinsam mit ihren beiden besten Freunden Ron und Harry hatte sie gegen den dunklen Lord Voldemort, der all das Gute, wofür die Zaubergesellschaft stand, vernichten wollte, gekämpft und gesiegt, nachdem Harry Voldemort im finalen Kampf getötet hatte. Sie waren Helden gewesen. Und der Gesellschaft hatte sich die Gelegenheit für einen Neuanfang geboten. Ein Neuanfang, an dem Hermione sich aktiv beteiligen wollte. Dafür war sie sogar bereit, lange Stunden Büroarbeit in ihrem neuen Job zu leisten; Stunden, die sie sonst auch liebend gerne mit Ron verbracht hätte. Denn in dem Jahr, das sie gegen Voldemort gekämpft hatten, war ihnen klar geworden, dass sie beide füreinander mehr empfanden als bloße Freundschaft und sie die Energie, die sie zum Streiten verwendeten, doch genauso gut weit angenehmer nutzen konnten. Sie war sicher gewesen, dass Ron ihr Engagement im Ministerium verstehen würde. Schließlich ging es hier um ihre Zukunft. Und am Anfang hatte er es auch verstanden. Genauso, wie sie es verstanden hatte, als er die Aurorenausbildung an den Nagel gehängt und stattdessen einen Job im Ministerium für magische Sportarten angenommen hatte. Sie hatte es auch verstanden, als er seine Schiedsrichterlizenz erworben hatte und seither fast jedes Wochenende irgendwo in Großbritannien ein Quidditchspiel pfiff. Denn es war das, was ihn glücklich machte. Auror hatte er nur wegen Harry werden wollen, die Begeisterung für Quidditch, Zauberschach und all die anderen magischen Sportarten aber war etwas Ureigenes für Ron.

Dann aber war jener Punkt gekommen, wo Ron die wenigen Stunden, die sie sich, obgleich sie zusammen wohnten, sahen, nicht mehr genügten. Zuerst hatte er ihr vorgeschlagen, dass sie ihn doch zu den Spielen am Wochenende begleiten sollte, mit der Aussicht auf ein gemeinsames Abendessen hinterher. Dabei ignorierte er total, dass sie sich herzlich wenig aus Quidditch machte. Während der Schulzeit war sie nur zu den Hausspielen gegangen, weil entweder ihre besten Freunde spielten oder neben ihr auf der Tribüne saßen. Wenn Ron aber lediglich Schiedsrichter war und sie vielleicht für Stunden zwischen Fans, die für Teams fieberten, mit denen Hermione nicht das Geringste verband, eingepfercht war, verlor der Sport für sie jeglichen Reiz. Da man aber nie voraussagen konnte, wie lange ein Spiel dauerte, konnten sie sich auch nicht einfach nur zum Abendessen verabreden. Dreimal hatten sie es versucht und dreimal hatte Hermione alleine zwischen einer halben und drei Stunden in dem jeweiligen Restaurant warten müssen. Sogar Ron hatte eingesehen, dass das keine Lösung war. Dann hatte er begonnen, ihr die vielen Überstunden, die sie unter der Woche, Abend für Abend, leistete, vorzuwerfen. Dass sie häufig sogar noch Arbeit mit nach Hause nahm und auf die Weise so etwas, wie abends mal spontan auszugehen, unmöglich war. Da mochte sie ihm noch so oft erklären, dass im Ministerium für magische Gesetzgebung Recherche und Vorbereitung alles waren, wenn man verhindern wollte, dass Gesetzeseingaben gekippt wurden, oder wenn man die Abschaffung archaischer Gesetze bewirken wollte. Kurz, wenn sie die Gesellschaft zum Positiven ändern wollte, musste sie bereit sein, dafür zu arbeiten. Hart zu arbeiten. Denn die Mühlen der Bürokratie mahlten langsam und es gab Tage, da Hermione sich wie Don Quixote in seinem Kampf gegen die Windmühlen fühlte. Nach fünf Jahren überwogen leider mittlerweile diese Tage und trugen nicht unwesentlich zu ihrer Frustration bei. Ein Umstand, der auch Ron nicht verborgen geblieben war, und den er gnadenlos in den unvermeidlichen Streits einsetzte. Wenn sie so unzufrieden mit ihrem Job war, wieso suchte sie sich nicht etwas anderes? Etwas, das es ihr erlaubte, zu einer vernünftigen Zeit heimzukommen und mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Oder besser noch, sie gab ihren Job endgültig auf und willigte endlich ein, Mrs. Ron Weasley zu werden. Als seine Frau bräuchte sie nicht zu arbeiten und überhaupt würden sie dann sicher bald Kinder haben, um die Hermione sich würde kümmern wollen. Wie wenig er sie doch kannte! Wie selbstverständlich er davon ausging, dass sie ein Leben wie seine Mutter führen wollte, die ihre Erfüllung in Heim und Familie fand. Nicht, dass Hermione eine solche Lebensweise falsch fand oder verurteilte. Es entsprach nur nicht ihrer eigenen Persönlichkeit. Wenn sie je einwilligte Mrs. Hermione Granger-Weasley zu werden, würde sie nicht nur ihren Namen behalten, sondern auch weiterhin arbeiten. Und sie würde erwarten, dass sie und ihr Mann sich die Hausarbeit teilten und sich gemeinsam um eventuelle Kinder kümmerten. So, wie sie es von ihren eigenen Eltern kannte, die die Zahnarztpraxis gemeinsam als Dr. Granger und Dr. Granger führten. Ron verstand auch nicht, dass es nicht der Job an sic war, der sie frustrierte, sondern die Einstellung der Zaubergesellschaft, die sich in der Borniertheit der meisten Ministeriumsangestellten – besonders jenen der Führungsebenen – manifestierte. Bloß weil etwas bereits seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten, auf eine bestimmte Art gemacht wurde, hieß das nicht, dass man es auf ewig so machen musste, dass es die einzig richtige Art war. Aber genau der Ansicht waren die Meisten im Ministerium. Dinge angesichts des Voldemort-Desasters in Frage zu stellen und zum Besseren ändern zu wollen, wie Hermione es tat, war ihnen fremd. Es war diese bornierte Stagnation, die der nächsten Katastrophe Vorschub leistete, die Hermione so frustrierte, und in deren Überwindung sie so viel Zeit und Energie investierte. Doch solange sie keinen anderen, besseren Weg gefunden hatte, die Gesellschaft zum Positiven zu verändern, würde sie in diesem Job weitermachen.

An diesem Punkt ihrer Betrachtung angelangt, fiel ihr ein alter Sinnspruch von Franz von Assisi ein, den ihr Vater gerne zitierte:

„Herr, gib mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

Die Gelassenheit, das Unabänderliche zu ertragen

Und die Weisheit, zwischen diesen beiden Dingen die rechte Unterscheidung zu treffen.“

Die Borniertheit ihrer Vorgesetzten gehörte offenkundig in die zweite Kategorie. Und sie würde sie ertragen, wenn es bedeutete, dadurch ihren Gesetzesentwürfen eine Chance zu erkämpfen. Ron aber… Sie wusste, dass es illusorisch war, eine andere Person ändern zu wollen. Das hieß aber nicht, dass sie deswegen seine Vorwürfe ertragen musste. Schon gar nicht solche Aussagen, dass sie ohne ihn doch gar kein Leben hätte. Eine Aussage, die er erst am vorigen Abend geäußert hatte, als sie sich einmal mehr gestritten hatten. Die Herablassung, die aus diesen Worten sprach, hatte Hermione bis ins Mark getroffen. Nein, ihre Beziehung mit Ron gehörte wohl eindeutig in die erste Kategorie. Und so fasste Hermione Jean Granger an jenem Abend den Entschluss, sich von Ronald Bilius Weasley zu trennen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück