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Zombiekönig widerwillen

von

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Zombie ist vererbbar

[style type="underlined"]Kapitel 2 [style type="italic"]oder[/style] Zombie ist vererbbar[/style]
 

Jasper war so alt, wie unerschütterlich. Ich glaube, ohne ihn wäre meine Familie schon vor Jahrzehnten jämmerlich untergegangen. Innerhalb weniger Minuten hatte er mich und Jason in die Küche verfrachtet und mit heißer Schokolade versorgt, um über den Schock hinweg zu kommen. Er selbst ging zurück in mein Zimmer um die Reste von Dad und meiner Geburtstagstorte aufzukehren. Jason und ich sprachen kein Wort miteinander. Wir tranken einfach unsere heiße Schokolade und vermieden es, einander anzusehen.

Nach ein paar Minuten kam Jasper zurück, die Ärmel hochgekrempelt und in der Hand einen Plastikbeutel, der sehr wahrscheinlich meinen Dad enthielt.

"Herrjeh! Ihr Vater ist wirklich ein Magnet für Missgechicke, junger Herr. Und ausgerechnet an Ihrem sechzehnten Geburtstag. Das er sich nicht einmal an so einem wichtigen Tag zusammenreißen kann."

Ich wusste immer noch nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass mein Butler sprach, als wären eingeäscherte Familienoberhäupter unter alltägliche Missgeschicke einzuordnen. Besonders da ich selbst mit viel existentielleren Problemen zu kämpfen hatte.

"Jasper, was passiert jetzt mit mir? Ich meine, wenn Dad... komme ich ins Heim?"

Diese Frage schien ihn tatsächlich zu überraschen. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und schnalzte dann mit der Zunge, als hätte ich etwas sehr Albernes gesagt.

"Wie kommen Sie denn darauf? Nur weil der hohe Herr vorrübergehend verhindert ist, heißt das noch lange nicht, dass Sie ins Heim müssen."

"Vorrübergehend verhindert? Jasper, mein Vater ist nicht einfach auf Geschäftsreise! Er ist tot! Verbrannt! Ex und Hopp! Der kommt nicht wieder!"

"Ja kann es denn sein, dass Ihr Vater Ihnen noch nichts gesagt hat?"

"Was gesagt?"

"Und dass, wo er sich doch extra frei genommen hat, um in aller Ruhe mit Ihnen darüber reden zu können."

"Worüber reden?"

"Also, das ist wirklich wieder typisch für Ihren Vater! Gerade, weil doch heute so ein ausgesprochen wichtiger Tag ist. Würde mich nicht wundern, wenn er das alles nur inszeniert hat, um sich der Verantwortung zu entziehen. Dabei weiß er doch ganz genau..."

"Jasper!"

"Ja, junger Herr?"

So langsam war ich es leid. Der Alte redete und redete, als müsste ich über alles Bescheid wissen, ohne mir auch nur andeutungsweise zu erklären, worüber ich eigentlich Bescheid wissen soll. Mit einem ziemlich unschönen Geräusch knallte ich meine Tasse auf den Tisch und funkelte Jasper finster an.

"Es wäre wirklich sehr hilfreich, wenn du mir endlich sagen würdest, worum es überhaupt geht! Ich meine, Dad ist ja ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage dazu."

Jasper wedelte ungeduldig mit der Hand.

"Oh, ach das! Nun, um es kurz zu machen, junger Herr, Sie sollten heute ofiziell als Thronfolger des Königs der Untoten anerkannt werden."

Man kann sich sicherlich denken, was in meinem Kopf vorging. Einerseits hielt ich das ganze für einen wirklich sehr schlechten und ausgesprochen makaberen Scherz. Andererseits habe ich Jasper Zeit meines recht kurzen Lebens noch nicht ein einziges Mal beim Scherzen erwischt. Während ich noch versuchte, diese neue Information zuzuordnen, füllte Jasper in aller Ruhe meine heiße Schokolade nach.

"Du willst mir jetzt allen Ernstes sagen, mein Dad ist ein... ein Zombiekönig?"

"Nunja, genau genommen ist Ihr Herr Vater der Regent aller Untoten. Zombies machen in seiner Gefolgschaft aber eine durchaus beachtliche Menge aus, ja."

"Das ist ja sowas von abgefahren!"

Jasper und ich sahen uns für einen Moment verwirrt an, bis wir realisierten, dass es Jason war, der gesprochen hatte. Mein bester Freund hatte den bisherigen Wortwechsel dermaßen still verfolgt, dass wir seine Präsenz schlicht vergessen hatten. Jetzt saß er auf dem vordersten Rand seines Stuhls, umklammerte seine Tasse, als wäre es der heilige Gral höchst selbst und sah mich mit vor Begeisterung geweiteten Augen an.

"Man ey, Rex! Das ist echt krass! Dein Vater der König der Untoten, enorm! Das heißt doch dann im Rückschluss, dass du eigentlich auch Untot bist, oder? Was bist du? Ein Vampir? Ein Geist? Nein warte, ich will's erraten... Eine Banshee vielleicht... Nee, wohl eher nicht. Du könntest ein Schreck sein, aber dafür bist du nicht körperlos genug..."

"So erheiternd Ihre Ideen auch sind, Mister Underwood, liegen sie doch gänzlich daneben. Der junge Herr ist natürlich ein Zombie."

"WAS!?"

Jason und ich ließen unserem Unglauben in perfekter Synchronität verlauten. Zombie, war ja nun wirklich, das Letzte was wir glauben konnten. Jedes Kind kennt doch heutzutage, dem Fernsehen sei Dank, die allgemeine Definition der Zombies: Halbverfaulte, stinkende Leichen, die ohne Sinn und Verstand durch die Gegend wankten und sich von menschlichen Gehirnen ernährten. Das passte so überhaupt nicht auf mich. Erstens war ich nicht halbverfault und stinkend. Ich achtete sogar mit einer geradezu pingeligen Reinlichkeit darauf, dass ich nicht einmal ansatzweise unangenehm müffelte. Und zweitens esse ich keine menschlichen Gehirne. Ich mag ja nicht einmal die Kaninchenhirnsuppe, die Jasons Mutter manchmal zu besonderen Anlässen kochte. Selbst, wenn Jason gern mal behauptete, ich würde mich in der Nähe von Gabriella in einen liebeskranken Zombie verwandeln, sprach eigentlich so ziemlich alles dagegen, dass ich ein Zombie sein sollte.

Doch Jasper ließ sich nicht beirren. Mit einer feierlichen Miene, die an seinem sonst immer recht verschlafen schauendem Gesicht, ziemlich deplatziert wirkte, bekräftigte er seine Aussage noch einmal.

"Ganz recht! Der hohe Herr, Rex Inmortuis, der Sanftmütige ist der zwölfte Regent aller Untoten Völker. Als Sohn der altehrwürdigen Familie Inmortuis, ist er, wie schon seine Vorväter vor ihm, ein vollwertiger Zombie, der edelsten Klasse. Folglich ist sein Sohn, Rex Inmortuis, der Jüngere, natürlich auch ein Zombie. Selbst wenn die autonome Gesellschaft der Vampire, aufgrund der Herkunft ihrer verehrten Frau Mutter, möge sie in Frieden ruhn, gern etwas anderes behaupten möchte."

Jason war hin und weg. Er klebte förmlich an den Lippen meines Butlers und sprach jedes seiner Worte lautlos nach. Während ich noch versuchte, die neuen Informationen zu verarbeiten, hauchte er ein verträumtes 'abgefahren'. Mein Butler räusperte sich, sichtlich erfreut über die ungeteilte Aufmerksamkeit meines besten Freundes. Bevor Jason noch auf die Idee kam mir spontan seine unsterbliche Nerdliebe zu erklären, musste ich mir schnell etwas einfallen lassen, um das verbale Ruder wieder an mich zu reißen.

"Das klingt ja alles schön und gut, aber kannst du das auch beweisen?"

Im Nachhinein hätte ich eigentlich bereits ahnen können, dass ich diesen Kampf verloren hatte. Das geheimnisvolle Lächeln auf Jaspers Gesicht und die Art wie er selbstzufrieden seine Ärmel wieder herunter krempelte, hätten mir Hinweis genug sein müssen.

"Nun, wie wäre es, wenn wir einfach Ihre Vorfahren fragen, junger Herr?"

"Und wie soll das gehen? Den letzten, mir bekannten Vorfahren trägst du gerade in einem Plastikbeutel herum."

Besagten Plastikbeutel umsichtig in den Kühlschrank stellend, bedeute er Jason und mir aufzustehen.

"Folgen Sie mir."

Neugierig, wie Jasper diese Unterhaltung mit meinen Vorfahren bewerkstelligen wollte und auch ein wenig besorgt, er könnte es tatsächlich schaffen, stieg ich schließlich, Jason im Schlepptau, hinter meinem Butler die Treppe zum Keller hinab. Mir war anfangs nicht ganz klar, was Jasper ausgerechnet im Keller wollte. Ich war schon unzählige Male dort unten gewesen und außer verschiedenen angestaubten Möbeln, meinem Fahrrad und ein paar Gläsern Apfelmus gab es dort unten nichts zu sehen.

Unten angekommen gingen wir an all diesen Dingen zielstrebig vorbei, bis wir vor der Wand stehen blieben, die der Treppe genau gegenüberlag. Ich sah den alten Butler, dessen geistige Zurechnungsfähigkeit ich zunehmend bezweifelte, ratlos an.

"Und was wollen wir hier?"

Doch noch ehe Jasper zu einer Antwort ansetzen konnte, meldete sich Jason, der die Nachricht, dass sein bester Freund angeblich ein Zombieprinz sei, scheinbar erfolgreich verarbeitet hatte, zu Wort.

"Mensch Rex, das ist doch offensichtlich! Hast du dich denn nie gewundert warum die Burg deiner Familie so riesig ist, euer Keller aber nicht einmal halb so groß, wie eure Eingangshalle? Hier gibt's bestimmt irgendwo einen geheimen Mechanismus, der die Tür zu einer geheimen Gruft oder so öffnet!"

Also Gedanken habe ich mir schon manchmal gemacht, aber welcher halbwegs normal denkende Mensch, würde da denn bitte an geheime Gruften denken? Sowas gab's doch nur in billigen Horrorstreifen und Abenteuerfilmen. Wobei, wenn man's ganz genau nahm, traf das auch auf Zombies zu.

Jasper hüstelte trocken, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.

"Wenn Sie bitte einen Schritte von der Wand weg gehen würden, Mister Underwood."

Kaum tat Jason wie geheißen, drückte Jasper auf einen Stein in der Wand, der besonders dadurch hervorstach, dass er sich, anders als seine umliegenden Artgenossen, die allergrößte Mühe gab, wie ein ganz durchschnittlicher Stein auszusehen. An dieser Stelle erwartet man eigentlich ein dumpfes Rumpeln, oder das ferne Rasseln von Ketten, die unbekannte Mechanismen betätigen. Zumindest aber das trockene Schaben von Stein auf Stein. Tatsächlich aber ertönte ein kurzes Gebimmel, nachdem sich die Wand neben dem Stein lautlos zur Seite bewegt hatte und den Blick auf einen verspiegelten Raum von ca vier Quadratmetern Fläche freigab. Eine Frauenstimme, die klang, als hätte die Dame seit 80 Jahren ununterbrochen kettengeraucht, verkündete emotionsneutral: "Kellergeschoss. Zu den Kerkern eins bis fünf drücken Sie bitte U1. Zu den Kerkern sechs bis zehn drücken Sie bitte U2. Zur Familiengruft drücken Sie bitte G1. Zur Grabstätte des ersten Ahnen drücken Sie bitte G2."

Während wir den vermeintlichen Fahrstuhl betraten, versuchte Jasper mit etwas verlegener Miene den unsäglichen Anachronismus zu erklären.

"Ihr Herr Vater ist der festen Ansicht, um sein Volk in die moderne Zeit führen zu können, müsse er zuerst bei sich selbst anfangen. Aus nostalgischen Gründen wurde allerdings zumindest das Treppenlabyrinth zum westwertigen Eingang der Gruft erhalten."

So fuhren wir dann mit einem hochmodernen Fahrstuhl, der sogar mit der obligatorischen und grässlich entnervenden Fahrstuhlmusik ausgestattet war, hinunter zur Gruft meiner Familie. Unten angekommen wurden wir erneut enttäuscht. Statt, wie erwartet, staubigen Verwesungsgeruch zu atmen, roch es dezent nach Zitrone und Desinfektionsmittel. Zumindest mit steinernen Sarkophargen wurde hier nicht gegeizt. Links und rechts die Wände entlang standen die Särge aufrecht, nur gelegentlich von der einen, oder anderen Urne unterbrochen, hinter verschlossenen Schaukästen aus Panzerglas. Ein wenig beunruhigend war die Tatsache, dass sich die Schaukästen auch von innen verschließen ließen. Jasper ging an den Grabstätten meiner Vorfahren vor bei, wobei er mir jeweis erklärte, wer darinnen zu finden war. Zuerst meine Mutter - eine Urne - dann kamen meine Großmutter und mein Großvater, die sich wohl schon zu Lebzeiten so wenig leiden konnten, dass zwischen Ihren Glaskästen noch zusätzlich eine schmucklose Betonwand stand. Ich lernte die Särge diverser Onkel, Tanten, Großtanten, und Großonkel, Urgroßmütter und Familienoberhäupter kennen. Unnötig zu erwähnen, dass ich mir kaum einen Namen gemerkt habe. Schließlich blieben wir vor einem Steinsarg stehen, der sich nur dadurch von den anderen unterschied, dass der Deckel schon reichlich ramponiert aussah. Grad so, als wäre er schon des öfteren runtergefallen. Jasper öffnete den Schaukasten und bedeutete uns hinter ihn zu treten, nachdem er sich selbst ein wenig seitlich zur Öffnung positioniert hatte, als hätte er Angst, ihn würde gleich etwas aus dem Sarg anspringen. Als der Butler ein paar Mal gegen den Sarg klopfte, wurde mir etwas mulmig zumute. Nannte man sowas nicht Störung der Grabruhe?

Doch mir blieb nicht viel Zeit darüber nachzudenken, wer hier wessen Ruhe störte. Kaum hatte er hastig seine Hand zurückgezogen, kippte der Deckel vom Sarg und krachte mit lautem Getöse zu Boden. Aus dem Sarg sprang ein recht kräftig gebauter Mann in Militäruniform, bewaffnet mit zwei Krummsäbeln. Das Haar, dass ihm auf dem Kopf fehlte, schien gänzlich für seinen enormen Schnauzbart verbraucht worden zu sein. Im ersten Moment hielt ich ihn für eine Steinfigur, bis mir auffiel, dass seine gräuliche Farbe eher von dicken Staubschichten herrührte. Ich hätte jetzt gern gesagt, dass er sich mit wildem Blick nach potentiellen Feinden umgesehen hatte, leider waren seine Augen aber blind. Als er sprach, klang er, als hätte er einen ziemlichen Frosch im Hals.

"Ist es soweit, Jasper?"

"Nein, Herr. Noch ist es nicht soweit."

Der staubige Soldat sackte ein wenig in sich zusammen und stierte dann schmollend in die ungefähre Richtung, aus der er Jaspers Stimme vermutete. Anscheinend war er auch noch etwas schwerhörig. Jasper stand genau auf der anderen Seite.

"Warum weckst du mich dann, du unsäglicher Hund? Weist du denn nicht mehr, dass ich erst dann aufzuwachen wünsche, wenn es soweit ist?"

"Natürlich Herr. Leider bedarf ich aber eurer Hilfe, bei der Einweisung des jungen Kronprinzen. Da sein Vater sich dazu derzeit außer Stande sieht."

"Was ist es es denn, dass ihn verhindert, häh? Ich hoffe doch keine bösartige Krankheit?"

"Nein Herr. Seine Majestät hat sich versehentlich auf die Geburtstagstorte des Prinzen geascht."

"Hah! Na das kann dauern! Ich weiss noch, als sich meine geliebte Edeltraud einmal versehentlich im Gemüsebeet entzündet hat. Hat dich ganze neun Monde gekostet, sie da wieder rauszuklauben, was? Und den Sand zwischen den Zähnen ist sie nie wieder los geworden."

" Ganz recht, Herr. Wie Sie nun sicher verstehen können, benötige ich also Ihre Unterstützung bei der Einweisung des jungen Kronprinzen. Ich darf vorstellen: Rex Inmortuis, der Jüngere, Kronprinz des Großkönigreichs der Untoten. Junger Herr, dies ist ihr Vorfahre, Rex Inmortuis, der Streitbare, achter Altkönig des Großkönigreichs der Untoten."

Bei der Namensvergabe der Königskinder schien meine Familie nicht gerade sehr viel Einfallsreichtum an den Tag zu legen. Noch ehe ich über diese Erweiterung in meiner persönlichen Liste der familiären Kuriositäten nachdenken konnte, schob mich Jasper auf meinen Urururopa zu und ich sah mich plötzlich gezwungen etwas zu sagen.

"Äh... Hallo."

Immerhin ein Anfang. Der Soldatenopa setzte so etwas, wie eine väterliche Miene auf, wobei eine beachtliche Menge Staub von den vielen Falten rieselte, in die sich sein Gesicht verzog. Während er mit mir sprach, lächelte er unverwandt einen Punkt ungefähr zweieinhalb Meter links von mir an.

"Na, mein Junge! Du hast doch sicher viele Fragen. Nur zu, immer raus mit der Sprache!"

So plötzlich den buchstäblichen Säbel auf die Brust gedrückt zu bekommen, überrumpelte mich dann doch ziemlich. Panisch nach einer klugen Frage suchend, sagte ich das erste, was mir in den Sinn kam.

"Sind Sie tot?"

Die Art, wie Jason sich die Hand vor den Kopf schlug, sagte mir, dass meine erste Wahl wohl nicht unbedingt meine beste gewesen war. Aber wenn man plötzlich mit seinem säbelschwingendem, offizell verstorbenem Urururgrossvater konfrontiert wird, dann kann einem so ein Patzer durchaus schonmal passieren. Opa Streitbar schien das ganze aber weniger schlimm zu finden, ganz im Gegenteil. Er fing sogar an lauthals zu lachen. Er lachte so heftig, dass sein ganzer Körper sich schüttelte und der Staub wie feiner, grauer Schnee an ihm herabrieselte.

"Der Junge gefällt mir! Wirklich ein guter Witz, Junge. Ein guter Regent sollte sich immer eine gehörige Portion Humor bewaren. Ich erinner mich noch, als ich einmal den ganzen Tag in Reimen geprochen habe und damit den Botschafter aus Weißrusland ganz verrückt gemacht habe, weil er Reime nicht ausstehen konnte."

Mit einem dezenten Hüteln lenkte Jasper die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Gott sei Dank!

"Mein Herr, bedauerlicherweise kam seine Majestät noch nicht einmal dazu, ihm seine Herkunft genau zu erklären. Ich fürchte, ihr müsst mit eurer Einweisung ganz von vorn anfangen."

Der achte Altkönig blinzelte überrascht, wodurch er mit seinen Wimpern kleine Staubwölkchen vor seinen Augen produzierte.

"Ja da beiß mich doch ein Nachtmahr! Nicht einmal das hat der ate Schluderjahn auf die Reihe gebracht. Er mag ja ein ganz augezeichneter Regent sein, wenn's ums diplomatiche geht und seine Modernisierungsmaßnahmen sind an sich ja auch ganz nützlich, aber er sollte wirklich mal was gegen seine unmögliche Schusseligkeit tun. Weisst du noch, wie er sich ein mal versehentlich im Labyrinth zum westlichen Eingang verlaufen hatte? Zwei Wochen mussten wir nach ihm suchen! Die ganze Verwandtschaft haben wir mobilisiert. Ich war unentwegt damit beschäftigt, seine Eltern von einander fern zu halten, damit sie sich nicht gegenseitig in Stücke reißen!"

Im Stillen hatte ich meinen Urururopa bereitst in Rex Inmortuis, der Gesprächige umgetauft. Der Alte wusste scheinbar zu allem eine Anekdote zu erzählen. Wenn er dabei nur nicht immer so wild mit den Säbeln gestikulieren würde. Die Chancen standen von Jaspers riss meinen Vorfahren in die Gegenwart zurück. Scheinbar war der alte Butler an derlei Eskapaden gewohnt. Die Tatsache, dass der staubige Schwatzkopf trotz allem Jaspers erste Wahl gewesen war, weckte in mir die Frage, welche sonderbare Exzentriker wohl in den anderen Särgen ruhten.

Den Blick wieder in meine ungefähre Richtung - ca. anderthalb Meter über meinem Kopf - richtend, begann er endlich mit der ominösen Einweisung, auf die Jasper anscheinend großen Wert zu legen schien.

"Jetzt hör mir gut zu, Junge! Ich mag es nämlich nicht, wenn ich mich wiederholen muss."

Irgendwie bezweifelte ich das, aber ich behielt meine Gedanken lieber für mich und nickte artig. Als mir einfiel, dass er das wahrscheinlich nicht sehen konnte, fügte ich noch ein angemessen unterwürfiges 'Jawohl, Sir' hinzu. Das schien ihm zu gefallen, denn er setzte wieder sein väterliches Lächeln au, und ließ sich sogar dazu herab, etwas weniger ausladend mit den Säbeln zu gestikulieren, während er sprach.

"Also, Junge. Das mag dir jetzt ein wenig komisch vorkommen, aber du kommst aus einer altehrwürdigen Familie von Zombies. Natürlich meine ich nicht diese halbverfaulten, stinkenden Kriecher, die entstehen, wenn man einer gewöhnlichen Leiche mit etwas Magie künstliches Leben einhaucht. Ich rede selbstverständlich von einer der edelsten und mächtigsten Klasse von Zombies."

Jasper warf mir einen Blick zu, den ich ohne große Anstrengungen als ein nonverbales "Ich hab's dir ja gasagt" deuten konnte.

"Unsereins ist von Geburt an untot und bleibt auch sein Leben lang untot. Wobei man in unserem Fall wohl eher von Nicht-Leben reden muss. Unsereins gibt es seit Anbeginn der Zeiten und, ganz gleich was diese affektierten Mistkerle aus der autonomen Gesellschaft der Vampire auch behaupten mag, ist unsere Rasse quasi der Ursprung aller Untoten auf dieser Welt."

Okay, ich war also sowas wie ein Urzombie. Cool. Sonderlich beeindrucken tat mich das jetzt noch nicht, ganz im Gegensatz zu Jason. Wo er Jasper noch eher respektvoll angesehen hatte, betrachtete er meinen Vorfahren mit unverholener Verehrung. Wenn es sowas wie einen Gott für Paranormal-Nerds gab, dann kam Rex Inmortuis, der Streitbare dem wohl sehr nahe. Da mein in Sachen Zombies, Geister und Co. sonst immer recht zuverlässiger Freund gerade in seinem persönlichen Traum schwelgte, blieb es an mir hängen, auszusprechen, was hier ganz offensichtlich nicht ins Bild passte.

"Aber Zombies sind doch eigentlich Leichen, oder? Wie können sie da Kinder bekommen?"

Hier meldete sich Jasper wieder zu Wort.

"Nicht alle Zombies waren ursprünglich Leichen, junger Herr. Der Begriff Zombies ist heutzutage durch das Bild der Medien geprägt. In Wahrheit ist Zombie aber eher eine Art Sammelbegriff, der sämtliche fleischlichen Untoten umfasst."

Um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, fiel der Soldatenopa meinem Butler hastig ins Wort.

"Mit Ausnahme der Vampire. Diese arroganten Mistkerle bestehen darauf, als eigenständige Gattung angesehen zu werden. Aber wenn du mich fragst, sind sie einfach nur Zombies mit einem sehr ausgefallenen Ernährungsplan."

Also waren Vampire sowas wie Hipster-Zombies. Damit konnte ich leben. Ich stand sowieso nicht auf diesen ganzen Vampir-Hype, dem die Mädels in der Schule alle verfallen waren.

"Jedenfalls ist unsere Familie seit Generationen dazu bestimmt, über die Völker der Untoten zu herrschen. Das betrifft sowohl die Zombies, als auch die Geisterwesen, Monster und die Formwandler."

Also schön. So langsam war ich doch ein wenig beeindruckt. Wenn das alles stimmte war mein Vater gewissermaßen der König von all den Monstern und paranormalen Erscheinungen, auf die Jason so abfuhr. Das schien Jason auch langsam aufzugehen. Denn jetzt sah er mich mit großen Augen an.

"Alter! Wenn dein Vater jetzt weg ist, bedeutet das dann, dass du..."

Bevor mein bester Freund den Gedanken aussprechen konnte, vor dem es mir so graute, fiel ihm Jasper ins Wort.

"Nun wollen wir mal nicht übermütig werden, Herr Underwood. Es wird mich zwar ein wenig Zeit kosten, seine Majestät von der Geburtstagstorte zu trennen. Aber das ist etwas, was ich mit einer Pinzette und ausreichend Geduld hinbekommen werde. Sobald ich alle Ascheteilchen beisammen habe, braucht es nur eines einfachen Zaubers und der König ist wieder hergestellt."

Das brachte mich auf eine andere Frage.

"Was ist eigentlich mit meiner Mutter? Vater meinte, sie wäre an einem schweren Fall von Sonnenallergie gestorben."

Mein Urururgrossvater schnaubte verächtlich und Jasper sah auf einmal ziemlich verlegen drein.

"Nunja, eure verehrte Frau Mutter war kein Zombie. Sie war ein Vampir. seine Majestät hatte sich, während eines diplomatischen Besuches in Transilvanien in sie verliebt und die beiden haben trotz starkem Widerspruchs von seiten beider Familien geheiratet. Unglücklicherweise teilte die Lady Isabell Ihres Vaters Hang zu Missgeschicken. Auf Ihrer gemeinsamen Hochzeitsreise auf Bali, entschied sie sich ausgerechnet kurz vor Sonnenaufgang einen Spaziergang am Strand zu machen. Einen verbrannten Vampir kann man mit Zombiemagie leider nicht wieder erwecken. Man benötigt das Blut einer gesegnenten Jungfrau, freiwillig gegeben."

Gut, das hatte ich verstanden. Eine Jungfrau, noch dazu eine gesegnete fand man heutzutage garantiert nicht so einfach. Obendrein musste man das Fräulein noch dazu überreden, ihr Blut freiwillig einem verbrannten Vampir zu spenden. Klang in der Tat ein wenig kompliziert.

Jasper seufzte dramatisch.

"Seither sind die Beziehungen zur autonomen Gesellschaft der Zombies äußerst gespannt."

"So gespannt, dass die in die Burg einbrechen würden?"

Jasons angespannt klingende Stimme überraschte uns. Wir sahen in die Richtung, in die Jason so beunruhigt starrte und tatsächlich: Direkt vor dem Fahrstuhl lungerten drei Gestalten herum, die man bei näherem hinsehen durchaus als Vampire identifizieren konnte. Zumindest waren die spitzen Eckzähne, die sie uns mit einem lässigen Grinsen präsentierten, sowie die Tatsache, dass einer von ihnen an einem Blutspendebeutel nuckelte, als wäre es ein Tetrapack, ziemlich eindeutige Indizien. Ansonsten sahen sie eher wie Rowdeys aus einem 80er-Jahre Greaser-Streifen aus . Der Typ, der ganz vorn stand, deutete eine Verbeugung an und zeigte ein Raubtierlächeln.

"Oh, lasst euch von uns nicht stören! Wir können den Thronfolger auch töten, wenn ihr zuende gequatscht habt."



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hotepneith
2012-12-19T14:56:25+00:00 19.12.2012 15:56
Eine wirklich originelle Idee und amüsant umgesetzt.
Ich fürchte Jasper wird noch alle Hände voll zu tun bekommen - immerhin dürfte weder der gerade zu meuchelnde Thronfolger noch dessen bester freund eine Ahnung davon haben, was nun zu tun ist. Und ob Säbelschwingen da die richtige Methode ist...? Ein Holzpflock wäre da wohl auch nicht schlecht.
Jedenfalls ein unvergeßlicher 16. Geburtstag...

bye

hotep





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