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Die graue Welt

von

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Sie stand im Schatten eines grauen Gebäudes. Die ganze Stadt war grau. Grau in grau. Die Menschen trugen grau, ihre Gedanken waren grau, ihre Welt. Das Mädchen trug eine längere, dunkelblaue Jacke, ein enges schwarzes T-Shirt, einfach Jeans, die Hüften umschlungen von einem einfachen,schwarzen Gürtel, graue Schuhe. Niemandem wäre sie aufgefallen. Sie sah aus wie alle. Fast. In ihren dunklen, fast schon schwarzen Augen lag eine unendliche Kälte, ihre Züge zeigten keinerlei Emotion, ihr langes, braunes Haar wehte aufgelöst im böigen Wind. Doch all dies wurde nicht bemerkt, denn die Menschen sahen einander nicht ins Gesicht, sie hasteten aneinander vorbei, gedankenlos und selbstverliebt, von A zu B ihre Welt ignorierend. Eine Welt, die man nicht ansehen wollte. Graue Städte erstreckten sich in öden weiten, Kontinente wurden umspült von eisigem grauen Wasser,alles leben verschlingend. Diese Menschen verleugneten sich selbst, sich selbst und ihre Welt, wenn nicht sogar ihre Existenz. Sie hatten sich in Arbeit vergraben, spürten nichts mehr, nahmen nicht mehr war, wer ihre Gedanken lenkten.

Das Mädchen wand sich ab, sie wollte dies nicht mehr sehen. Eilig erklomm sie eine eiserne Treppe, die sich in einer Häuserschlucht erstreckte. Die Menschen tief unter ihr sahen bald nur noch aus wie ein einzige graue Masse. Es gab schon lange kein Individuum mehr, kein freier Gedanke. Verachtung lag in der Aura des Mädchens, kalter, blanker Hass und endlose Geduld. Doch das warten war vorüber.

Sie stand an der Dachkante eines riesigen Hauses, verglast und verwaist, lange war keiner mehr hineingegangen. Doch es störte sie nicht, sie mochte keine Menschen. Einen Augenblick lang schloss sie ihre Augen, genoss die endlose schwärze, das Nichts. Sie spürte ihren Hass. Ein kalter Wind umspielte ihren zerbrechlichen Körper, die Sonne war verborgen hinter einem grauen Dunstschleier, zu lange schon hatte sei keiner mehr gesehen.

Das Mädchen sprang. In Richtung des gegenüberliegenden Gebäudes. Es bildete fast den totalen Gegensatz. Völlig in schwarz gehüllt, massiv und spiegelnd stand es da, ein Zentrum von etwas, das man nicht greifen konnte. Während sie durch die Luft flog, zog sie zwei Messer aus ihren Ärmeln, schwarz wie die Nacht. Sie rammte sie in die gläserne Fassade des Gebäudes. Sekundenlang hing sie an ihren Messern in der Luft. Dann erklang ein grauenvolles Geräusch. Knirschend und knackend erschien ein Riss im Glas, der sich immer weiter verzweigte und wenige Augenblicken das ganze Gebäude umfasste. Es sah aus wie ein Netz aus feinen Adern, fast erwartete man, Tropfen von schwarzem Blut zu sehen. Doch niemand sah zu. Keiner bemerkte die Vorgänge, denn kaum jemand hatte überhaupt je dieses Gebäude bemerkt.

Das Mädchen stieß sich von dem Gebäude weg und mit einem Ohrenbetäubenden Krachen fiel die Fassade, jene gläserne Hülle die doch nie einen Blick hindurch erlaubt hatte, in sich zusammen, sank als Regen aus tausend messerscharfen Splittern hinab, auf die Straße, auf jene grauen Menschen. Hätte jemand sich nach dem Grund gefragt und nach oben gesehen, gen jenen grauen Himmel, so hätte er festgestellt, dass unter der Hülle etwas unerwartetes verborgen gelegen hatte.

Das Mädchen ließ sich auf einen Breiten Sims des Gebäudes fallen, der nun sichtbar geworden war. Zu ihren Füßen lag ein majestätisches Gebäude aus längst vergangener Zeit. Ein Meisterwerk aus Stein, Schwarzem Marmor, Sandstein und Granit. Mächtige Bronzene Staturen von Löwen thronten neben einem gigantischen Eingangstor. Unbeeindruckt sprang sie scheinbar mühelos zu einem mächtigen Fenster, nicht einfach nur Glas, sondern mit einem Rahmen und grazilen Streben, das Licht brach sich tausendfach in geschliffenen Ornamenten. In völliger Ignoranz dieser Schönheit gegenüber, die sie nicht wahrnahm, da sie nicht wusste, was Schönheit bedeutete, schlug sie die Scheibe mit einer einzigen, fließenden Bewegung ein. Es war kein dumpfes klirren, als das Glas zersprang, sondern ein silberhelles.

Das Mädchen sprang über den Sims und landete auf einem Weichen Teppich. Sie ließ ihren Blick schweifen. SO etwas hatte sie noch nie in der Wirklichkeit gesehen. Prächtige Möbelstücke standen im Raum, wohl drapierte Stoffe und sorgsam ausgewählte Bilder schmückten ihn. Doch all dieser unbegreifliche Reichtum interessierte sie nicht.

Die Tür wurde aufgerissen, Männer mit leerem Blick stürmten hinein, griffen sie an. Einen Wimpernschlag später lagen sie tot auf dem Teppich, ihr Blut sickerte in den dicken Floor ein. Ein leicht gebogenes, graziles Schwert lag in den Händen des Mädchens, sie war Tod und Erlösung zugleich. Wie ein unsichtbarer Dämon strich sie in dem prachtvollen Bau umher, ungesehen und ungehört, den ihr Herz war kalt, ihre Gefühle schon lange verschwunden und in ihrem Kopf leuchtete kein einziger Gedanke. Sie dachte nicht, sie umgab sich mit völliger Stille. Eine Aura unbändiger Kälte umgab sie und Blut triff von ihren Händen. Viele jener grauen Menschen, die dumpf ihren unmoralischen Befehlen gefolgt waren, starben einen lautlosen Tod, ohne das eine Stimme Bedauern darüber kundgetan hätte.

Vor einer großen, zweiflügligen Tür, reich verziert mit Intarsien, stand sie kurz still, schöpfte Atem. Dann stieß sie dir Tür auf, gefasst auf alles, nur nicht auf das, was sie vorfand. Ein alter Mann saß hinter einem mächtigen Tisch, alleine, grau wie die Welt vor jenen Fenstern. Sie trat näher, doch der Mann bewegte sich nicht. Seine Haut war vertrocknet, seine Augen eingefallen und das leben entwichen, vor langer, langer Zeit. Was hat dieser Wahnsinn für einen Sinn, alter Mann, wenn du doch tot bist? Ihre gedachte Frage hallte in dem riesigen Raum. Sie wandte sich ab, wollte den Anblick nicht länger ertragen. Im Schatten eines großen, marmornen Engel, dem einzigen weiteren Objekt des Raumes befand sich eine Tür. Voller Verachtung blickte sie zu dem Engel hoch. Du hast Glück versprochen, damals. Doch du hast Leid gebracht, unsagbares Gräuel. Du bist Lediglich die schönere Seite, denn du bist auch Dämon. Unantastbar und grausam, und doch zugleich unendlich nah und schön.Zwei Seiten des gleichen Gegenstandes, untrennbar verbunden und doch sehen die Menschen jene grausame Seite nicht.

Sie öffnete die Tür. Ein kleines Mädchen saß da. Langes schwarzes Haar umwand ihren feingliedrigen Körper, verband sich mit der dunkelroten Farbe ihres Kleides. Sie wirkte wie eine Puppe, leblos und fast schon Tod.

»Ich habe dich vermisst, Schwester.<<



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