Ein Rundgang durch Bō
Kuro legte an einem Pier im südwestlichen Teil des großen Hafenbeckens an. Alle Anlegestellen und auch alle Docks und Piere waren aus einem dunklen Holz gearbeitet und teilweise durch Schnitzereien verziert. Der etwas oval angelegte Hafen aus dem dunklen Holz der nahen Wälder bildete einen angenehmen Kontrast zu dem strahlenden cremeweiß der großen Stadt.
Bei einem Hafenwächter, der wohl ein Tiermensch der Gattung Hund war, füllte sie die die nötigen Papiere aus und zahlte die Miete für die nächsten zwei Tage schon im Voraus, wie es hier so üblich war. Sie kannte die Leute dieser Gegend noch gut von ihren vorherigen Besuchen und hatte immer nur den Namen Kuro angegeben, weswegen es keinerlei Probleme gab.
Nachdem dies alles erledigt war, ging Kuro in einen kleinen, schummrig und alt wirkenden Laden im Keller eines nahen Gebäudes. Dort hatte sie etwas in Auftrag gegeben, das Auffinden eines Gegenstandes. Eben war sie darüber informiert worden, dass der Auftrag zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht worden war. Sie tauchte in die vielschichtigen Schatten des Ladens unter, um kurz darauf mit einem in Stoff gewickelten Gegenstand wieder aufzutauchen.
Kuro verschwand kurz zwischen zwei Häusern, um den Gegenstand unbemerkt auf ihre Dschunke zu telepotieren. Sie musste ihre Kräfte verbergen, da sehr starke Magier manchmal als Bedrohung angesehen wurden. Und Kuro war sehr stark, sie hatte die vier natürlichen Elemente Feuer, Wasser, Stein und Wind sowie die verlorenen Elemente Zeit und Materie und das verbotene Element der Energie gebändigt und trug für jedes der gebändigten Elemente den Titel Sensei.
Sie trat wieder ins Licht der Nachmittagssonne und schlenderte
zum nächstgelegenen, kleinen Marktplatz. Dort kaufte sie sich einen
neuen Portstein, der für den nächsten Zyklus des Kleinen Mondes
halten würde, länger würde sie wohl kaum in Bō bleiben Mit dem
schwarzen Stein in der Hand schlenderte Kuro etwas umher und
entdeckte kurze Zeit später bei einem Schmuckhändler, aus dem Westlichen Reich, einen breiten, silbernen Armreif, der antik wirkte. Dieser besaß eine leere Fassung in die ihr neuer Portstein perfekt hineinpasste. Nach einem kurzen Dialog mit dem Händler erstand sie das Schmuckstück für einen angemessenen Preis, statt dem ursprünglichen Wucher.
Derzeit befand sie sich noch immer etwa auf höhe mit dem
Meeresspiegel, da sie aber ein wenig die Aussicht der
alabasterfabenen Stadt genießen wollte, ging sie zu einer der
nächsten Portalscheiben und wählte als Ziel den höchsten für sie
erreichbaren Punkt von Bō aus.
Auf der Spitze des Grundfelsens war nämlich das wichtigste
Verwaltungsgebäude der Stadt – in dem zugleich auch die
Stadthalterin wohnte – und somit war es für normale Bürger und
Besucher der Stadt unerreichbar. Nicht, dass Kuro die Portale
nicht hätte manipulieren können um dort hin zu gelangen, doch das
wäre äußerst unhöflich gewesen und somit begab sie sich auf die
vorletzte Ebene der Stadt.
Dort wohnten nur wenige, da es dort im Grunde nur einen recht
große, nicht sonderlich breite, ringförmige Terrasse gab, die
sich etwas unterhalb der Mauern des Palas der Statthalterin
erstreckte und den Grundfels einmal umschloss.
Jeweils exakt in Nord; Süd; Ost und Westrichtung waren jedoch
kleine Plätze mit Springbrunnen und einigen Türen im Fels, die ins
Innere führten. Einige Lebensformen und Wesen mochten nämlich
kleine, feuchte Höhlen in luftiger Höhe.
Kuro begab sich zur Meeresseite. Dort erblickte sie in der Ferne die
Lavainsel und einige weitere kleine Inseln, die unmittelbar vor dem
Meereswall von Bō lagen. Langsam begann es zu dämmern und
überall wurde Licht angezündet. Die großen, mit feinen
Verstrebungen versehenen Fenster der großen Häuser, Türme und
Paläste von Bō leuchteten in der Dunkelheit ebenso schön, wie die
einfachen Fenster der normalen Häuser oder die Fensterchen der
Hütten der Lehmsiedlung vor dem Tor der Stadt.