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Hinter den Masken

von

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Im Schein des Feuers

Als Hix und Etzel das Lagerfeuer erreichten, war die Sonne bereits vollkommen untergegangen und abgesehen von den Flammen war es dunkel auf der Plattform. Die Frauen saßen bereits um das Feuer herum und unterhielten sich lächelnd, Grimare saß ihnen gegenüber im Schatten des Berges. Die zuckenden Flammen, die tanzende Schatten auf der Maske des Mannes erzeugten, ließen ihn noch unheimlicher erscheinen als sonst.

Etzel setzte sich ohne Umschweife zu den Frauen und klinkte sich direkt in ihr Gespräch mit ein, so als wäre er ein Fragment gewesen, das zu Beginn gefehlt hatte und nun die Lücke füllte. Hix dagegen lenkte seine Schritte, ohne darüber nachzudenken, zu Grimare, neben dem er sich niederließ. Erst als er saß und über das Feuer hinweg die anderen betrachtete, die so unendlich weit weg erschienen, wurde ihm bewusst, was er getan hatte. Aber die plötzlich einsetzende Angst hinderte ihn daran, wieder aufzustehen, etwas zu murmeln, das nach einer Entschuldigung klang und sich ebenfalls zu den anderen zu begeben.

Nein, wenn er so darüber nachdachte war es keine Angst, es war-

„Du denkst, dass du nicht zu ihnen gehörst.“

Hix fuhr zusammen, als Grimares Stimme erklang. Einen kurzen Augenblick war ihm als müsste er diese Stimme von irgendwoher kennen, aber ihm fiel einfach nicht mehr ein, wo er sie bereits gehört haben könnte. Der Gedanke schwand auch direkt im nächsten Moment, als er bestätigend den Kopf neigte. „I-ich bin nicht so geeignet dafür, mit Menschen umzugehen und gute Laune zu verbreiten...“

Andere Menschen machen mir eher Angst.

Er sprach es nicht laut aus, aber dennoch glaubte er, dass Grimare ihn verstehen könnte. In diesem Moment, in dem nur sie beide auf dieser Seite des Feuers, im Schatten, existierten, war es als ob sie beide miteinander verbunden wären, auf eine Art und Weise, wie man sonst nicht mit Menschen verbunden war.

„Bei Tengaar scheint es dich nicht zu stören.“

Die Augen der Maske waren nach wie vor auf das Feuer gerichtet, aber unter dieser war es gut möglich, dass Grimares Augen auf die Frauen und Etzel blickten. Hix dagegen blickte aus den Augenwinkeln zu seinem Nachbarn, versuchte erfolglos, einen Blick unter die Maske zu erhaschen. „Bei Tengaar ist es etwas anderes.“

Warum war ihm nicht bewusst, aber schon seit er denken konnte, war ihm immer nur Tengaar wichtig gewesen. Was sie über ihn dachte, was sie von ihm hielt, immer nur Tengaar... er verehrte sie geradezu, nicht nur weil sie an ihn glaubte, egal was alle anderen dachten.

Er war gerne bei ihr, aber nach der Prüfung des Einhorns hatte sich etwas verändert: Ihre Erwartungshaltung an ihn. Sie erwartete von ihm, dass er ein Mann wurde und sie um ihre Hand bat und er würde ihr letzteren Wunsch erfüllen, auch wenn er sich selbst nach wie vor nicht als gut genug befand, um das nächste Oberhaupt des Dorfes zu werden.

„Denkst du, dass du der richtige Mann für sie bist?“ Grimares Frage kam nicht überraschend für ihn, er wäre im nächsten Augenblick auch von selbst wieder darauf gekommen, aber normalerweise, wenn er sich das gedanklich fragte, brachte er Dutzende von Versicherungen, dass er es war.

Dieses Mal aber war seine Antwort ein Kopfschütteln. Es sich einzugestehen und es zuzugeben, brach ihm geradezu das Herz, aber es war nun einmal so, er glaubte nicht daran, ein guter Mann für Tengaar zu sein. Dennoch war er so egoistisch, sie nicht hergeben zu wollen, er wollte sie nicht freigeben, damit sie einen Mann fand, der besser für sie war. Er lebte nur für sie, er gehörte ihr und im gleichen Maße sollte sie auch ihm gehören.

„Aber dennoch traust du dich nicht, ihr dein wahres Ich zu zeigen.“

Hix wandte ihm abrupt den Kopf zu, die Augen vor Überraschung geweitet. „... Was?“

Grimare blickte unbewegt ins Feuer, er atmete so flach, dass es kaum zu erkennen war und man den Eindruck gewinnen könnte, dass er überhaupt nicht Luft holen musste, um weiterzuleben. „Du denkst, dass Tengaar dich braucht, um sich überlegen zu fühlen, oder?“

Hix wollte empört widersprechen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Ganz so verkehrt war es nicht. Er glaubte, dass Tengaar es brauchte, besser als jemand anderes zu sein, dass sie nur deswegen damals die Freundschaft mit ihm gesucht hatte, weil er schon immer ein Schwächling und Feigling gewesen war. Wenn er ihr nun also offen zeigte, dass diese Zeiten vorbei waren, dass er sie nicht mehr brauchte, weil er inzwischen besser war als sie, würde das dann nicht dazu führen, dass ihr Interesse an ihm verlieren und sich jemand anderem zuwendete?

„Du willst also dein Leben lang jemand sein, der du nicht bist, um sie an dich zu binden?“

Ganz langsam wandte Hix seinen Blick wieder von dem Mann ab und sah erneut zu Tengaar hinüber. Durch den Schein der Flammen hindurch, betrachtete er sie so genau wie möglich. Das Lächeln, das sie im Moment zur Schau trug, war nur aufgesetzt, er sah an ihren Augen, dass sie traurig war und er fragte sich, was es war, das sie so bedrückte. War es er? Fürchtete sie, dass er ihr entglitt? Oder im Gegenteil, war sie betrübt, dass er sich so an sie band?

Warum hatten sie nie gelernt, wirklich miteinander über solche Dinge zu sprechen? Warum schwiegen sie all diese Dinge tot und hofften, dass sie sich von allein regeln würden?

Trotz des Feuers wurde ihm kalt, ein Schauer lief seinen Rücken hinab und ließ ihn erzittern.

„Was soll ich denn tun?“, murmelte mit gesenktem Blick.

Ein Funken stob aus dem Feuer in die Luft empor, wurde vom Wind zu ihnen herübergetragen und verharrte für einen Moment scheinbar schwerelos in der Luft. Grimare hob die Hand, um den Funken aufzufangen und auf seiner Handfläche wandelte er sich zu einer kleinen Flamme, die ohne jede Nahrung brannte. Hix beobachtete das ein wenig verwundert, aber die Aura, die diesen Mann umgab, ließ ihn das Geschehen einfach hinnehmen, statt zu hinterfragen, wie er das anstellte.

„Du weißt, dass Feuer normalerweise etwas braucht, das verbrennen kann, sonst ist es nicht fähig, zu existieren, nicht wahr?“

Er nickte. „Ja, ich weiß.“

„Aber was soll Tengaar tun, wenn du vollkommen verbrannt bist?“

Also sollte er den Platz des Holzes in dieser Metapher einnehmen? Und Tengaar das Feuer?

„Ohne das Holz wird sie erlöschen.“

„Sie findet dann schon jemand anderen“, wehrte Hix kurzerhand ab. „Sie findet dann mit Sicherheit jemanden, der besser ist für sie als ich.“

„Ich kann dir versichern, dass sie das nicht will.“

Schlagartig fühlte Hix Wut und Ärger in seinem Inneren aufwallen. Er wollte hier nicht mit diesem unheimlichen Mann sitzen und mit ihm über eine Beziehung sprechen, die nicht optimal verlief. „Was geht dich das überhaupt an? Wer bist du denn überhaupt? Du versteckst dich hinter deiner Maske und nutzt irgendwelche Tricks, um mich auszufragen!“

Das musste es sein! Grimare wusste diese Sachen gar nicht, er war nur ein aufmerksamer Beobachter und fähig, jemanden auszufragen, ohne dass dieser es bemerkte. Aber Hix ließ sich nicht so einfach hinters Licht führen!

Die Personen auf der anderen Seite des Feuers hielten in ihrer Unterhaltung inne und wandten sich ihnen beiden zu, wieder schien es als würde ein Gewitter aufziehen, mit Hix und Grimare als Zentrum. Der Mann wandte ihm nun ebenfalls das Gesicht zu, die Maske verhöhnte ihn, es hätte nur noch eine keck hervorstehende Zunge gefehlt, um seine Demütigung komplett zu machen.

„Wenn du wissen willst, was sich unter meiner Maske befindet, musst du sie mir nur abnehmen.“

Hix streckte bereits die Hand aus, um sie zu ergreifen, hielt allerdings inne, noch bevor seine Fingerspitzen das lackierte Holz berührten. Es schien wie eine einfache Handlung, aber immer noch war da die Furcht unter der Maske nur eine weitere Bestie vorzufinden.

Die Wut verrauchte augenblicklich, er ließ die Hand wieder sinken.

Aber dieses Mal verzogen sich die Gewitterwolken nicht, stattdessen stand Grimare plötzlich ruckartig auf. „Wenn du dir noch immer unsicher bist, werde ich dir deine größte Last abnehmen, damit du endlich dein eigenes Leben lebst.“

Den Kopf in den Nacken gelegt, fragte Hix sich, wovon er sprach. Er beobachtete Grimare dabei, wie dieser direkt durch das Feuer hindurchlief. Die Flammen leckten nicht einmal an ihm oder seiner Kleidung, es sah aus als würden sie einfach nur ausweichen und hinter ihm wieder an ihren Platz zurückkehren, für einen kurzen Moment, in der Mitte des Feuers, sah er aus wie ein Flammenteufel, der inmitten seines neuesten Brandes stand, um sich daran zu erfreuen.

Ohne innezuhalten griff Grimare auf der anderen Seite des Feuers nach Tengaars Arm und zog die Frau nach oben.

„He!“, protestierte sie sofort. „Was soll das!?“

Kaum hörte er ihre Stimme, erwachte Hix aus seiner Starre und sprang auf. „Tengaar!“

Grimare zog sie mit sich und in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass sie ihn brauchte, anders als sonst. Sie benötigte nicht den unsicheren Hix, den sie herumkommandieren konnte, sondern den, der wild entschlossen war, ihr zu helfen.

Grimare lief nach wie vor weiter, direkt auf den Abgrund zu, die anderen wiederum bewegten sich nicht, sondern beobachteten das ganze Schauspiel nur verwirrt.

Tengaar stolperte dem Mann hinterher, während Hix durch die Flammen hindurch sprang, um schneller zu ihnen zu kommen. Die intensive Hitze des Feuers schmerzte seiner Haut und versengte Haar und Kleidung, doch das alles wurde von ignoriert, während er das Ziel weiterhin vor Augen behielt.

Grimares Fuß verließ den steinernen Boden und trat ins Leere. Doch statt abzustürzen, als sein zweiter Fuß nachfolgte, schien er in der Luft zu schweben, so dass er seinen Weg fortsetzen konnte.

Hix zögerte nicht lange, er zauderte keinen Moment, sondern trat ebenfalls ins Leere. Kaum kam sein Fuß auf dem Weg von Grimare auf, erkannte er, dass es sich um eine Brücke handelte, die aus durchsichtigem, kaum erkennbaren, Gestein zu bestehen schien. Wie das sein konnte, war ihm unbegreiflich, aber er kümmerte sich auch nicht weiter darum, sondern lief weiter, Grimare hinterher, der einen beträchtlichen Vorsprung erreicht hatte.

Am Ende der Brücke hielt Grimare wieder inne. Tengaar hatte den Widerstand inzwischen aufgegeben und klammerte sich an den Mann, da sie offenbar fürchtete, in den Abgrund zu stürzen, zumindest wenn Hix ihren Blick nach unten richtig deutete.

Auf eine Handbewegung Grimares öffnete sich ein rundes Portal, das er mit Tengaar durchschritt. Hix war noch wenige Schritte entfernt, als er feststellte, dass sich das Portal wieder zu schließen begann. Er zögerte nicht mehr länger, sondern nutzte den Schwung seines Laufs, um mit einem Sprung durch das Portal zu hechten. In diesem Moment war ihm die Gefahr, in die er sich damit begab, einerlei. Er musste Tengaar retten, das war alles, was zählte.

Das Portal schloss sich hinter ihm wieder und ließ eine durchaus verwirrte Schausteller-Gruppe zurück, die alle nicht wussten, was gerade geschehen war.



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