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Hinter den Masken

von

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Grimare

Hix empfand es regelrecht als unheimlich, sich in der Nähe dieses Mannes aufzuhalten. Die Vertrautheit war rasch in eine reine Furcht umgeschlagen. Nein, Furcht empfand er nach einiger Überlegung als falsches Wort, es war eher einschüchternder Respekt, den er bei genauerer Betrachtung der Maske empfand. Aber dennoch blieb sein Blick auf dieser Maske fixiert, er war nicht fähig, die Augen davon zu lösen. Wenn man sich nur darauf konzentrierte und ausblendete, dass darunter noch ein Mensch war, sah es so aus als ob man während eines Kampfes gegen ein Untier diesem den unteren Teil des Kiefers abgerissen hätte. Aber wenn Grimare sprach, konnte man den Eindruck bekommen, dass ein Mensch lediglich die Haut des Untiers als Versteck nutzte.

Hix war so sehr in diese Gedanken vertieft, dass er nicht einmal hörte oder verarbeiten konnte, was dieser Mann sprach, nur seine ruhige, beherrschte Stimme erreichte sein Bewusstsein.

Etzel hatte es für eine gute Idee befunden, in Radat erst einmal eine Pause zu machen und ein Mittagessen einzunehmen, da sie nach eigener Aussage schon eine Weile nichts Vernünftiges mehr zu sich genommen hatten.

Statt draußen Platz zu nehmen, saßen sie im Restaurant, das viel dunkler war als sonst und nur von wenigen flackernden Lichtern erhellt war. Hix, Tengaar und Siglind saßen nebeneinander, ihnen gegenüber Nerthus, Etzel und – in der Mitte der beiden – Grimare. Er thronte regelrecht mit durchgedrückten Rücken, fast als wäre da ein unsichtbarer Stock, an den er gebunden wäre und der verhinderte, dass er in sich zusammensank.

Diese stolze Haltung trug zusätzlich zu Hix' Einschüchterung bei, denn sie erinnerte ihn schmerzlich daran, dass ihm diese fehlte, obwohl er sie sich sehnlichst für sich selbst wünschte.

Er warf aus den Augenwinkeln einen Blick zu Tengaar, die nicht Grimare ansah, sondern im Gegenteil, äußerst bemüht wirkte, das Gesicht gesenkt zu halten. Wann immer sie doch aufsah, weil Grimare zu sprechen begann, zuckte sie zusammen und senkte den Blick sofort wieder.

Hix hatte sie noch niemals so gesehen, selbst im Angesicht Neclords war sie unerschrocken gewesen. Aber der Vampir war ihr offener Feind gewesen, dieser Mann jedoch tarnte sich möglicherweise nur als ihr Freund. Hinter der Maske könnte sich ein Verbündeter, ein Feind oder eine absolut neutrale Person verbergen und sie würden es nie erfahren, weil keiner von ihnen den Mut fand, diese Maske herunterzureißen, um ihm in die Augen zu sehen.

Das Essen erschien Hix wie eine Erlösung, denn es erlaubte ihm, seinen Blick von Grimare zu wenden und sich auf etwas anderes zu konzentrieren, ohne dabei unhöflich zu wirken – auch wenn er dennoch nicht anders konnte als nach jedem Bissen wieder hochzusehen und Grimare beim Essen zu beobachten. Jedes Mal kam ihm dann wieder die Metapher mit dem Menschen in der Haut eines Ungetümes in den Sinn, er erschauerte und wandte den Blick wieder ab, ohne darauf zu achten, ob Grimare auch wirklich etwas zu sich genommen hatte.

Er bemerkte, dass Tengaar ähnlich wie er, mit wenig Appetit in ihrem Essen stocherte und nur hin und wieder etwas davon den Weg in ihren Mund fand. Nachdem sie beide wegen der Vorfreude auf die Heimkehr kein Frühstück eingenommen hatten, war es für ihn doch reichlich verwunderlich, dass sie selbst zum Mittagessen noch nicht viel Hunger verspürten. Aber er war davon überzeugt, dass das nur an diesem Grimare lag. Wie sollte dann erst die Reise mit ihm werden?

Die Schausteller warteten überraschend geduldig, bis auch sie ihre Schüsseln geleert hatten, dann schienen sie die Gespräche wieder aufleben lassen zu wollen und bestellten dafür extra noch etwas zu trinken.

Etzel hob den Becher an seine Lippen. „Ihr kommt also aus dem Dorf der Krieger?“

Die beiden Angesprochenen nickten wortlos. Siglind beugte sich ein wenig mit dem Oberkörper über den Tisch, den Kopf ihnen zugewandt, um ihre Gesichter von vorne zu betrachten. „Wo ist das denn eigentlich?“

„In Toran“, antwortete Tengaar, sichtlich erleichtert, dass sie nun über etwas sprechen konnte, womit sie sich auskannte, „die Lorimar-Region. Wir können voller Stolz auf eine Geschichte von mehreren hundert Jahren zurücksehen.“

„Ich habe davon gelesen“, sagte Nerthus mit sanfter Stimme. „Der Paladin Klift hat das Dorf einst gegründet, nachdem er die harmonianischen Streitkräfte zurückschlug, nicht wahr?“

Sowohl für Hix als auch Tengaar, war das Wort Paladin neu, aber der Rest der Geschichte entsprach der Wahrheit, sie hatten unzählige Geschichten darüber gehört, daher nickten sie beide.

Grimare öffnete wieder den Mund und diesmal konnte Hix mehr als nur deutlich verstehen, was er sagte, oder eher fragte: „Wie lebt es sich als Tochter des Häuptlings, Tengaar?“

Statt einer Antwort, blickte sie ihn starr an, wie ein überraschtes Tier, vor dem man urplötzlich auftauchte. Hix verstand ihre Überraschung durchaus, immerhin hatte keiner von ihnen bislang erwähnt, dass sie die Tochter von Zorak war und er wusste es dennoch.

Die drei Schausteller lächelten nur sanft, als wären sie bereits gewohnt, dass er solche Sachen einfach vollkommen grundlos wusste. Das Leben kehrte in Tengaar zurück, hastig nahm sie einen Schluck aus ihrem Becher, dann fand sie ihre Stimme wieder: „Es ist durchaus angenehm. Aber manchmal fühle ich mich nicht ernstgenommen, weil ich eine Frau bin.“

Für einen kurzen Moment glaubte Hix, etwas in ihrem Blick zu sehen, das verriet, dass sie eigentlich etwas anderes sagen wollte, aber es war so schnell verschwunden, dass er sich nicht sicher war. Stattdessen runzelte sie nun missbilligend die Stirn.

„Aber du hast einen guten Mann an deiner Seite?“ Grimare richtete das Wort nicht an Hix, als wüsste er, dass dieser ihm gar nicht antworten würde.

Tengaar warf einen verstohlenen Blick zu Hix, wieder huschte dieser Schimmer des Schweigens durch ihre Augen. „Ja, das habe ich.“

Grimare neigte wohlwollend den Kopf und richtete die Augen seiner Maske dann auf Hix, der darunter zusammenfuhr. „Es ist immer gut, einen guten Mann an seiner Seite zu haben.“

Hix zweifelte daran, dass er ein solche war und an Tengaars Blick von eben, hatte er gesehen, dass es ihr genauso erging. Zumindest war er davon überzeugt, dass es diese Bedeutung innehatte.

Um von diesem Gedanken abzukommen, überlegte Hix, ob Grimare jemals die Maske abnahm oder ob er sie beständig trug. Wenn er sie nicht einmal zum Essen abnahm, musste wohl Letzteres der Fall sein. Ob seine Begleiter wussten, wie er ohne Maske aussah?

„Ich nehme an, meine Erscheinung beschäftigt dich.“ Es war eine Feststellung, keine Frage und das ließ Hix wieder wie erstarrt innehalten.

Die Luft wirkte plötzlich geladen, wie vor einem Blitzschlag während eines Gewitters. Es brauchte nur noch einen Funken und anschließend ein Donnerschlag.

„Wäre es dir lieber, wenn ich die Maske abnehme?“

Hix' Augen weiteten sich bei der Vorstellung, dass es so einfach sein könnte, er müsste nur noch den Kopf neigen, um ein Nicken anzudeuten, das wäre alles. Aber dann dachte er auch wieder daran, dass es bedeuten würde, das Gesicht hinter der Maske zu sehen, jenen Menschen, der sich in der Haut eines Ungetümes verbarg. Dieser Gedanke lähmte ihn augenblicklich und verhinderte jede noch so kleine Bewegung, die es gekostet hätte. Er fürchtete sich davor, das zu sehen, was unter der Maske verborgen lag.

Sein anhaltendes Schweigen, wertete Grimare vollkommen richtig als Ablehnung dieses Vorschlags. „Dann werde ich sie aufbehalten.“

Mit diesen Worten entfernte sich das Zentrum des Gewitters von dieser Taverne, ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben worden wäre, die Atmosphäre zu entspannen. Stattdessen war es nun als könnte man in der Ferne den niederfallenden Regen riechen und nur noch süßes Bedauern über das Vorbeiziehen empfinden, während man weiterhin der elektrisch geladenen Luft ausgesetzt war.

Aber Tengaar fand zumindest endlich den Mut, etwas diesbezüglich zu fragen: „Warum trägst du diese Maske denn? Also... dauernd, meine ich.“

Im Nachhinein hätte Hix schwören können, dass die gelben Augen der Maske bei dieser Frage aufleuchteten, aber in jenem Moment war er mit der Furcht beschäftigt, dass sich auch unter der Haut des Ungetümes kein Mensch, sondern nur ein weiteres Monster verbarg.

Seine Haut begann zu prickeln, während er auf Grimares Antwort wartete, die Zeit schien sich wie eine Ewigkeit hinzuziehen.

Die Lippen unter der Maske kräuselten sich zu einem Lächeln. „Ich wurde als Kind schwer entstellt und will keinem in meiner Umgebung Furcht einflößen.“

Sowohl Hix als auch Tengaar nickten verstehend, ganz so als wären sie eine Einheit und nicht zwei einzelne Wesen.

Das Gewitter endete ohne Blitz und Donner, aber die statische Aufladung in der Luft blieb.

Die Schausteller schoben die leeren Becher von sich.

„Wir sollten langsam gehen“, bemerkte Etzel. „Die Pferde dürften ausgeruht genug sein, dass wir es bis auf den Pass hinauf schaffen.“

„Können wir da oben denn rasten?“, fragte Nerthus.

Tengaar, die sich auch während ihrer Reise mit Hix stets um die geografischen Details gekümmert hatte, nickte sofort. „Ja, es gibt eine Art Plattform auf der Spitze, auf der wir ausreichend Platz haben sollten.“

Siglind sprang enthusiastisch auf. „Worauf warten wir dann noch? Gehen wir.“

Ihre beiden Geschwister – Hix war sich sicher, dass sie während der Unterhaltung am Tisch etwas in der Art erwähnt und somit seinen Verdacht bestätigt hatten – nickten ebenfalls und erhoben sich, Hix und Tengaar blieben sitzen. Keiner von beiden fühlte sich in diesem Moment wie ein Teil dieser Gruppe, eher wie ein Fremdkörper, der eigentlich kein Recht hätte, auch nur an diesem Tisch zu sitzen. Grimare blieb ebenfalls sitzen, auch wenn Hix nicht so recht verstand, weswegen, er gehörte immerhin zu den anderen.

Tengaar warf Hix einen Blick zu, dann erhob sie sich ebenfalls. Er dagegen blieb nach wie vor sitzen und sah Grimare an, versuchte, durch die Maske hindurch und in die Augen dahinter zu sehen. Der Versuch war aussichtslos, Schauer fuhren seinen Rücken hinab, die stärker waren als er, so dass er schließlich den Blick abwandte und ebenfalls aufstand. Er sah auf den Tisch hinunter und bemerkte, dass der Becher von Tengaar noch gefüllt war, genau wie sein eigener – und auch der von Grimare. Doch der Gedanke wurde sofort weggewischt, als sein Gegenüber sich ebenfalls erhob und noch einmal den Mund öffnete: „Ja, lasst uns gehen.“



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