Zum Inhalt der Seite

Splitter

Kleinstgeschichten
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zivil-Splitter

Durch seine halb geöffneten Augen drang das noch schwache Licht der hinter den Bergen aufgehenden Sonne. Es kam ihm wie eine Strafe vor auf die Helligkeit des Tages angewiesen zu sein. Erschöpft ließ er den Kopf sinken. Bei Nacht war es hier unendlich friedlich gewesen. Die Dunkelheit

hatte einfach alles verschluckt, was der Tag angerichtet hatte. Verborgen hatte sie die Überbleibsel des Schreckens wie eine dicke, schwarze Decke, die man über einen Haufen Unrat wirft. Wäre er des Weges sicherer gewesen, er hätte seine Reise nur noch im Schutz der Nacht fortgesetzt.

Über ihm raschelten die Blätter des Baumes, an dessen knorrigen Stamm er sich anlehnte.

Er spürte den Wind mit seinen Haaren spielen. Früher, hatte er das genossen. Wenn er die Stadt für ein paar Tage verlassen und sich hierher zurückgezogen hatte, war es immer der Wind gewesen, der ihm das größte nur vorstellbare Gefühl von Freiheit hatte empfinden lassen.

Nun, da er hier hockte, zerlumpt, ausgezerrt und von oben bis unten mit einer Kruste aus getrocknetem Schlamm überzogen, wollte er nichts sehnlicher als eine dicke, isolierte

Wand zwischen sich und dem Wind, seinem einstigen Freund aus einer Zeit, in der er Straßen und Häuser noch als eine die Landschaft verschandelnde Notwendigkeit betrachtet hatte.
 

Langsam hob er den Kopf. Unter ihm erstreckte sich eine weite, unendlich wirkende Landschaft. Sanft geschwungene Hügel von einem satten, gesunden Grün

prägten ihr Bild. Ein Fluss, an dessen Namen er sich nicht erinnern wollte, schlängelte sich wie eine riesige, silbrig glänzende Schlange durch sein Blickfeld.

Er hasste ihn, denn er würde ihn überwinden müssen. Auch hasste er diese Landschaft, die ihm keinen Schutz bieten würde. In den Bergen hatte er sich sicher gefühlt, denn dort konnte man sich nur mühsam fortbewegen. Verfolger hätten ihn zu Fuß jagen müssen. Im Flachland aber war er leichte Beute.

Vielleicht waren es die dunklen Vorahnungen, die seinen Magen rebellieren ließen, als er sich stöhnend erhob, vielleicht war es auch der Hunger, beide waren seine ständigen Wegbegleiter.

Der Himmel hatte eine gräulich blaue Farbe angenommen. Er kam ihm vor wie ein tiefer, stiller See, unendlich kalt - wie die Welt unter ihm.

Schnell setzte er sich in Bewegung. Ihm war klar, dass er sich hätte umdrehen sollen, doch er fürchtete, was er dann sehen würde.

Seine Füße brannten schon nach wenigen Schritten. Im Gegensatz zu Wind und Wetter hieß er den Schmerz willkommen. Er ließ ihn nicht vergessen, dass er noch lebte...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück