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Weihnachtsabend

denn auch wen kalt und frostig einem die weiße Winterpracht entgegen schlägt, so kann sie durch der Menschen Liebe zum Schmelzen gebracht werden…
von

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Unfassbar, wie die Zeit manchmal verstreicht, auch wenn manchmal Tage und Stunden sich wie eine zähflüssige Masse in die Länge ziehen und man sich nur wünschen würde, dass die Zeit schneller vergehen möge. Und wenn man dann nach einer Weile zurücksieht, dann merkt man, dass es doch schnell gegangen ist.

Zwei Monate sind schon vergangen.

Es war Ende Oktober, als ich mit meiner kleinen Tochter an diesem strahlend schönen Herbsttag im Wald spazieren gegangen war, und eine ganz besondere Person in mein teilweise eintöniges Leben getreten war. Wir hatten uns versprochen dass es jetzt nicht mehr so lange dauert, bis wir uns wieder sehen würden, und so war es auch gekommen. In der Zeit, die sie noch zuhause bei ihrer Familie gewesen war, da hatten wir uns jeden Tag gesehen, und auch als sie in die Stadt zurückmusste, in der sie arbeitete, hatten wir uns versprochen dass wir uns spätestens an Weihnachten wiedersehen würden.

Es war allerdings nicht bei diesem Versprechen geblieben, Ende November war sie auch nochmals hier gewesen, viel Zeit hatte sie aber nicht gehabt, es war vielmehr ein ganz außerplanmäßiger Ausflug in die Heimat, nicht weil etwas passiert war, nein, es hatte andere Gründe gehabt, für mich sehr schmerzhafte Gründe. Sie hatte einer bestimmten Person ihre Familie vorstellen wollen und mich und meine Kleine besuchte sie praktisch im „Vorbeifahren“.

Und als am ersten Advent die erste Kerze brannte nahm sie mich nur kurz in den Arm, hauchte mir ein freundschaftliches Küsschen auf die Wange, strubbelte der Kleinen durch die Haare und verabschiedete sich dann wieder in der Hoffnung auf die Feiertage.

Aber die Frage die mich beschäftigte, war, ob sie denn auch alleine wieder zu Besuch kommen würde, nicht so wie jetzt, und als sie ging fühlte ich mich fast genauso alleine wie die ganze Zeit vorher.

Zum Glück war dann auch schon bald der erste Dezember und ich konnte mich ein wenig mit den Vorbereitungen auf Weihnachten ablenken. Ich band mir eine Schürze um, die ich zuletzt vor ein paar Jahren getragen hatte, so ein richtig altmodisches Teil und übte mich im Plätzchenbacken, während ich Weihnachtslieder hörte, und wenn meine Kleine dann am Nachmittag aus dem Kindergarten kam strahlte sie wieder bis über beide Backen und probierte ein Plätzchen nach dem anderen, bis meine Mutter sagte sie sollte aufhören weil sie noch Bauchschmerzen bekommen würde. Meine Kleine winkte aber nur ab und hielt ihr selbst ein Plätzchen entgegen.

„Mama hat die doch ganz fein gemacht, probier doch mal.“

Sie tat wie ihr geheißen und gleich darauf lobte sie mich sogar dafür. „Ich sehe schon, du bist eben doch ein wenig nach mir geraten… es hat nur eine Weile gedauert bis du das erkannt hast.“

„Ja…“ Ich seufzte abgrundtief, wollte nicht an früher denken.

„Mama…“ Die Kleine zupfte an meinem Rock. „Guck nicht so traurig, iss lieber ein Plätzchen, das tröstet über alles.“

Wie einfach war doch die Kinderwelt, so heiter und unbekümmert war sie, kleine Sorgen ließen sich mit Plätzchen vergessen und dass draußen vor den Fenstern sich der Regen langsam in die ersten Schneeflocken verwandelte machte ihr auch keine Sorgen, im Gegenteil, sie freute sich sehr über den ersten Schnee. Fasziniert stellte sie sich vor dem Fenster auf einen Stuhl um besser nach draußen sehen zu können. „Es schneit.“ Sie strahlte.

Es schneite sogar die ganze Nacht durch und am nächsten Morgen hatte sich der Schnee wie eine Decke über Häuser, Straßen und Wiesen gelegt. Glücklicherweise war ich nicht auf das Auto angewiesen sondern konnte zuhause bleiben und zudem war Wochenende.

Zumindest dachte ich das, denn wie ich erwartet hatte, wollte die Kleine unbedingt im Schnee herumtoben, einen langen Winterspaziergang machen.

„Ich kann mich ja auf den Schlitten setzen und du ziehst mich ein bisschen wollen wir das machen?“ Sie war ganz begeistert und ich konnte meinem kleinen Sonnenschein absolut nichts abschlagen. „Und wenn wir zuhause sind, machen wir eine Schneeballschlacht im Garten…“

„Wenn wir zuhause sind dann mach ich dir erstmal eine schöne Tasse heißen Kakao und du wärmst dich ein bisschen auf, Sonnenscheinchen.“

„Drinnen sein ist so langweilig.“ Sie schmollte ein bisschen, aber als meine Mutter sich einmischte war sie schnell still. Denn meine Mutter hatte schon ein paar gute Argumente. „Was ist wenn du krank wirst und es dir dann sogar bis Weihnachten nicht gut geht und du das Christkind verpasst?“

Nein krank werden und Weihnachten zu verpassen, das wollte meine Kleine nicht und so kehrten wir nach unserem Spaziergang kehrten wir nach Hause zurück. Wir waren wie meistens den üblichen Weg gegangen, aber heute war sie uns natürlich nicht begegnet, es war mir ja eigentlich schon klar gewesen aber unbewusst hatte mich mein Weg wieder dort hin zurückgeführt.

Diesen ersten Spaziergang im Schneegestöber, aber auch einige die noch folgten in den nächsten Tagen, und was einem die Adventszeit verschönerte, wir gingen in die Stadt auf den Weihnachtsmarkt, dekorierten schon einmal die Räume noch etwas feierlicher als sonst, stellten am Nikolaustag unsere Stiefel vor die Tür, bauten im Garten Schneemänner und sahen, wie es am Adventskalender immer weniger geschlossene Türen gab und das Fest immer näher rückte.

„Wo ist denn die liebe Tante eigentlich?“ erkundigte sich meine Kleine als wir am letzten Adventswochenende, das in diesem Jahr nur zwei Tage vor dem Heiligen Abend lag, der 24. Dezember fiel nämlich auf einen Dienstag, nach einem weiteren Spaziergang zusammen im Wohnzimmer auf dem Sofa saßen, Tee tranken und Plätzchen aßen während ich ihr aus einem Weihnachtsbuch vorlas, ja, manchmal war sie schon ziemlich schlau. „Hab sie schon so lang nicht mehr gesehen…“

Ja, lange war es mir auch schon vorgekommen, knapp vier Wochen wieder, angesichts der vielen Jahre eigentlich gar nicht mehr so lang, aber doch eine kleine Ewigkeit…

„Sie hat ganz viel zu tun, da wo sie wohnt… und wollte an Weihnachten wieder kommen“, entgegnete ich.

„Oh hoffentlich schafft sie das, ich hab ihr nämlich im Kindergarten was gebastelt.“ Sie bekam ganz runde Kulleräuglein, verschwörerisch flüsterte sie mir ins Ohr. „Sie soll denken dass das Christkind ihr das gebracht hat, aber eigentlich ist das dann von mir.“

„Und meinst du ich bekomm auch noch etwas vom Christkind?“

- „Wenn du ganz brav gewesen bist, ja.“ Sie nickte. „Aber du bist doch immer lieb, drum denke ich schon.“ fügte sie dann altklug hinzu.

Mein größter Wunsch wäre es wirklich wenn ich sie an Weihnachten wiedersehen konnte, und zwar länger als am letzten Novemberwochenende, und alleine, dass wir uns in Ruhe wieder unterhalten konnten… ohne Leute die störten und die es eilig hatten…

Irgendjemand auf dieser Welt schien es aber wohl nicht zu finden, dass ich das Jahr über sehr lieb gewesen war – denn am nächsten Tag überbrachte mir meine Mutter eine Hiobsbotschaft. Wir würden am Heiligen Abend nicht alleine sein, sie hatte noch jemanden eingeladen…

Mein Herz klopfte schneller, als sie das sagte, ich vermutete zu diesem Zeitpunkt noch eine bestimmte Person, aber natürlich nicht, wie hätte ich das nur denken können… sie erschrak mich vielmehr indem sie mir sagte, dass sie meine alte Liebe und Vater der Kleinen eingeladen hatte.

Das war doch nicht auszuhalten, wer gab ihr denn das Recht dazu, also hielten sie immer noch Kontakt miteinander, das war unfassbar! Die ganzen Jahre hatte sie wahrscheinlich nur die liebe Oma und meine liebe Mutter gespielt und den ganzen Familienzusamenhalt und jetzt? Hatte sie mich in so einer Art hintergangen dass es mir ganz schlecht wurde. Und überhaupt, dachte sie denn nicht an seine eigene Familie, das was sie so aufgeregt hatte als sie davon erfahren und mir Vorwürfe gemacht hatte…

Und auf den letzten Drücker erzählte sie mir das jetzt sogar, total beiläufig, eine festgeschriebene Tatsache. Wie lange hatte sie es gewusst?

Ich schaffte es jedoch wieder mich zu beherrschen. Die Kleine war erstaunt von der Aussicht, ihren Vater wiederzusehen und ich sagte ihr dass er eben viel zu tun gehabt hatte, bevor ich nicht mehr an mir halten konnte, in mein altes Zimmer zurückging, die Tür hinter mir zu knallte und in Tränen ausbrach. Das konnte doch nicht wahr sein, warum nur…
 

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Am nächsten Tag verbarrikadierte ich mich erst in meinem Zimmer, verfiel in meine alten Muster, wollte niemanden sehen und niemanden hören, Hunger hatte ich auch keinen. Ich hoffte nur, dass der Schnee so weiter fiel, einfach immer weiter, so dass alle Züge ausfallen wurden und unser kleiner Ort abgeschnitten werden würde von der Welt..

„Sei doch vernünftig, was wird denn deine Tochter von dir denken?“ fragte meine Mutter vorwurfsvoll und dies war natürlich ein unschlagbares Argument, auch wenn mein kleines Sonnenscheinchen ja wusste dass ich manchmal nachdachte und traurig war…

„Weißt du was wir könnten ja heute abend in die Stadt fahren und ihn abholen, vielleicht bleibt er ja über die Feiertage doch hier, ich hatte es schon vorgeschlagen aber er hat sich nicht überzeugen lassen, aber wenn du ihm das vorschlägst… ach… vielleicht wird das doch noch gut gehen, mit euch beiden, und…“ Meine Mutter klang von ihrer eigenen Idee total begeistert. Natürlich hatte sie es mitbekommen dass ich meine liebste und beste Freundin wieder gesehen hatte, und da hatte sie bestimmt angenommen dass sie schnell versuchen musste, auch eine andere Beziehung von früher wieder zu beleben…

„Das wird es nicht und du weißt das“, entgegnete ich. „Und wir werden ihn nicht abholen.“

Für ihn hätte ich mich nicht ans Steuer des Autos gesetzt und wäre über die ungeräumten Straßen gerutscht, nein… für sie, jederzeit, sobald sie mir geschrieben hätte dass sie am Bahnhof war wäre ich bei den widrigsten Verhältnissen losgefahren, aber nicht für ihn.

„Ich verstehe dich nicht.“

- „Und ich, ich kann dich nicht verstehen.“ Unsere alten sinnlosen Unterhaltungen, einen Tag vor dem Fest der Liebe. Ich zog mein Handy aus der Tasche und tippte eine kurze Nachricht, so kurz wie sie sonst gar nicht meine Art war:

» WO BIST DU NUR????????????? :’( «
 

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Die Nachricht blieb unbeantwortet, und mein Mut sank weiter. Den Rest des Tages verbrachten wir mit Vorbereitungen für den nächsten Tag, und außer das Essen vorzubereiten und den Weihnachtsbaum zu schmücken, was meiner Kleinen so einen unheimlichen Spaß machte, geschah am 24. Dezember erstmal nichts Besonderes. Pünktlich zum Kaffeetrinken trat der von meiner Seite aus ungeliebte Gast auf den Plan, plauderte nett wie immer mit meiner Mutter, aber die Kleine war natürlich total schüchtern und versteckte sich sogar regelrecht hinter mir. Natürlich war sie schüchtern, er, der ihr Vater war, war nichts anderes als ein Fremder für sie, der sich all die Zeit auch nicht blicken lassen hatte.

„Aber das ist doch nicht schlimm, jetzt erinnert sie sich vielleicht noch daran, die Jahre vorher hätte sie mich doch auch nicht bewusst erkannt…“ überlegte er nach einer Weile. „Wie heißt denn meine Tochter?“ Er betonte die beiden Worte so nachdrücklich, dass ich ihm am liebsten meinen Kaffee über den Kopf geschüttet hätte, aber nein, ich musste ja wieder einmal gute Miene zum bösen Spiel machen… wie so oft, ach ich war es so leid gewesen….

Die Kleine lächelte ebenfalls.

„Mama hat mich nach einer ganz lieben Freundin von ihr benannt“, entgegnete sie unbeirrt, sprach diesen Namen aus und knickste, wie sie es in einem ihrer geliebten Prinzessinenfilme gesehen hatte. „Sehr erfreut.“ fügte sie unbeirrt hinzu und strahlte über beide Wangen, langsam wich die Schüchternheit ein bisschen.

„Musste das denn…?“

„Ja, dich hat es sowieso nie interessiert“, versetzte ich, stellte meine Kaffeetasse ab und erhob mich, wandte mich meiner Tochter zu. „Wollen wir ein bisschen rausgehen?“

„Wo willst du denn jetzt hin? Findest du das jetzt nicht unhöflich, so einfach zu gehen?“

Ich war überhaupt nicht dieser Meinung, das war nur mein üblicher Fluchtinstinkt, außerdem war es doch sicherlich überall schöner als hier.

„Wir gehen… in die Kirche, dass wir rechtzeitig zum Abendessen wieder zurück sind.“ Diese Idee fiel mir auf einmal ein, an diesem Tag an dem ausgerechnet mein Zuhause nicht mehr der Ort war an dem ich mich geborgen und wohl fühlte wie es eigentlich zum Weihnachtsfest sein sollte, würde ich mich eben in die Zuflucht der Kirche flüchten, wo ich sonst immer einen Bogen darum gemacht hatte.

„Wieso..?“

- „Frag einfach nicht, sondern lass mich in Ruhe… ich erkläre es dir später.“ Vor meiner Kleinen wollte ich mich nicht mit ihnen beiden herumstreiten. Ich ging in mein Zimmer, zog etwas feierlicheres an, die schwarzen Stoffhosen die ich so oft trug und den roten Pulli tauschte ich gegen ein dunkelblaues Kleid mit langen Ärmeln, ich hängte mir meine liebste Kette mit einem silbernen Medaillon um den Hals und schlüpfte in meine Stiefel und meinen schwarzen Lieblingsmantel, ein Erinnerungsstück an eine meiner alten Arbeitsstellen, an meinem letzten Tag dort hatte man ihn mir geschenkt und obwohl das auch schon so lange her war passte er immer noch wie angegossen. So viele schöne Erinnerungen…

Nachdem ich auch meine Kleine schön warm eingepackt hatte, wickelte ich mir noch meinen bunten Lieblingsschal um den Hals, zog Handschuhe über und wir beide machten uns auf den Weg in die kleine Kirche unseres Dorfes, die schon zwanzig Minuten vor dem Beginn der Messe gut gefüllt war, woran wahrscheinlich nicht nur die Messe an sich ursächlich war, sondern eine Darbietung von Weihnachtsliedern des örtlichen Gesang- und Musikvereins, die sich der Messe anschließen sollte. Alle zwei Jahre war das so Brauch, ein sehr schöner Brauch, wie ich fand, denn auch wenn mich die Kirche selbst nicht so begeisterte, hatte ich immer gerne die Konzerte des Musikvereins besucht als ich noch jünger war, gemeinsam mit meinen Eltern und meinen Brüdern.
 

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Der Festgottesdienst verlief in der alljährlichen Routine, ich erinnerte mich daran wie ich ihn früher immer gehasst hatte weil es alles so vorhersehbar war – aber als die Gemeinde entlassen war , die meisten aber natürlich für das Konzert noch sitzenblieb, traute ich meinen Augen nicht. Der Vereinsvorstand kündigte einen besonderen Gast an der sie dieses Jahr tatkräftig unterstützen würde – und mir blieb das Herz beinahe stehen, denn wer da vorne ans Rednerpult, auf dem die gelangweilte Gemeindesprecherin vorher im Gottesdienst die Lesungen vorgetragen hatte, trat, war die Person, die ich heute so gerne gesehen hätte. Sie trug einen Mantel in einem kräftigen Blau, in dem sie zwischen all dem Schwarz, Weiß und Grau der Kirchenbesucher nur so herausstach und wirkte ein bisschen verlegen, jetzt wie sie sagte nach all der Zeit an diesem besonderen Ort singen zu dürfen.

„Das ist doch…“ rief meine Kleine begeistert aus, grade als sie ihre kleine Ansprache beendet hatte in die Stille hinein und sofort sahen sich alle zu uns umdrehten. « Wie peinlich » dachte ich mir mit einem Kopfschütteln, aber da hatte sie uns auch schon entdeckt und winkte uns sogar zu.

„Ich freu mich ganz besonders heute hier zu sein“, wiederholte sie den Satz den sie vorher ausgesprochen hatte, und fügte dieses Mal noch etwas hinzu: „und ein paar besondere Personen wiederzusehen. Das erste Lied das wir singen, das ist nur für euch beide.“ Sie zwinkerte uns zu und ich hatte das Gefühl, dass es jetzt selbst in diesem kalten Kirchengebäude ein bisschen wärmer wurde.

Es war so schön sie singen zu hören, Raum und Zeit hoben sich wieder einmal auf und ich vergaß alles um mich herum, am liebsten wäre es mir gewesen sie hätte nie aufgehört zu singen.

Aber leider ließ sich die Zeit nicht ganz aufhalten, das wunderschöne kurze Konzert war viel zu schnell vorüber und ich konnte leider nur einen kurzen Blick auf sie erhaschen, weil natürlich ihre Familie mit ihr hergekommen war und sie auch mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer noch reden musste.

Und ich musste doch auch wieder zurück nach Hause.

Sie rief mir noch irgend etwas zu, was ich aber nicht ganz verstehen konnte , aber wenigstens hatte ich jetzt vielleicht die Erklärung warum sie sich nicht gemeldet hatte. Natürlich, sie hatte bestimmt viel vorzubereiten gehabt für ihr eigenes Weihnachten zuhause und dann auch noch dieser außerplanmäßige Auftritt…
 

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Das Weihnachtsessen und die Bescherung war erwartungsgemäß unterkühlt, auch wenn wir bemüht waren möglichst unbefangen und fröhlich zu sein, damit die Kleine nichts mitbekam. Es war aber wieder so schwierig, ich war es nicht mehr gewöhnt mich zu verstellen.

„Vielleicht komme ich euch beide ja jetzt öfter einmal besuchen“, bemerkte er plötzlich und sorgte dafür, dass ich mich vor Erstaunen fast an meinem Nachtisch verschluckte. „Immerhin bin ich ab Mitte Januar nur noch eine knappe Autostunde entfernt… das Schicksal hat es gut mit uns gemeint dass es mich hier her verschlagen hat, findest du nicht auch, meine Liebe?“

„Was ist mit…?“

Ich sprach den Satz nicht aus, ließ die Worte in der Luft hängen, hoffte dass er wusste was ich meinte, dass ich mir ernsthaft die Frage stellte, was aus seiner eigenen Familie geworden war, … der Familie < vor mir >…

„Gar nichts mehr, das ist vorbei.“ Meine Mutter musste bei diesen Worten grinsen aber mir war es immer schlechter und das nicht, weil ich zuviel gegessen hatte. Und dann kam doch wieder dieser Satz. „In dem Fall… könnt ihr drei vielleicht ja eine richtige Familie werden.“

- „Entschuldigt mich mal“, murmelte ich und suchte mein Heil in der Flucht, ich wusste gar nicht wo ich jetzt hingehen wollte, ich musste nur weg, dieses unschöne Gefühl…

Den Protest der anderen hörte ich gar nicht, ich stürmte regelrecht durch den Flur und nach einem kurzen Zögern schlüpfte ich im Flur wieder hektisch in meine Stiefel und den Mantel und ging nach draußen, wo sich der Schneefall inzwischen wieder verstärkt hatte, es war ein regelrechtes Schneegestöber…

Die Straße war inzwischen auch ziemlich glatt, so dass ich, als ich in meiner Eile mit jemandem zusammenstieß ausrutschte und unsanft im Schnee landete – zum Glück nicht auf der vereisten Straße, sonst wäre das noch viel schmerzhafter geworden.

„Oh, … entschuldigen Sie… ähm… du bist es?“

Erstaunt sah sie mich an, hielt mir ihre Hand entgegen um mir aufzuhelfen und ich klopfte mir den Schnee von den Sachen.

„Wohin wolltest du denn bei dem Wetter jetzt so schnell?“

„Zu dir“, brach es aus mir heraus, „dieses Weihnachten ist einfach eine Katastrophe…“ Schon begann ich zu weinen.

„Aber warum denn? Es sollte doch schön werden dieses Jahr, wenn ich dich besuchen komme und du mich ja auch vorhin schon sehen konntest…“ Sie zog mich in ihre Arme und hielt mich einfach nur fest, es war beruhigend obwohl sie etwas kleiner war als ich. „Komm, wir gehen zu dir zurück, ich möchte doch meine kleine Patentochter auch wieder sehen und keine Sorge, heute habe ich alle Zeit der Welt für dich…“

Ich protestierte, dass ich lieber zu ihr gehen würde, es fiel mir schwer, es ihr zu erklären, aber bereits als ich unseren ungebetenen Besuch erwähnte, legte sie mir einen Finger auf meine Lippen. Trotz der Kälte fühlten sich ihre Hände warm an.

„Du brauchst gar nicht mehr sagen, das ist… ungeheuerlich, dass er ausgerechnet heute hier auftaucht.“

„Ja, als ob meine Mutter meint, sie müsste… könnte…“ So viele Gedanken auf einmal die aus mir herauswollten, dass sie mich verstand, aber stattdessen stotterte ich nur hilflos herum.

„Ich hätte die Kleine ja heute wirklich gerne gesehen aber wir sollten vielleicht doch besser zu mir gehen. Ich komme morgen nochmal zu euch.“ fasste sie einen Entschluss und langsam gingen wir die verschneite Straße entlang zu ihrem eigenen Elternhaus.

Dort fühlte ich mich wie schon früher etwas wohler, viel war von ihrer Familie wie auch von meiner nicht mehr übrig geblieben, aber ihre Mutter freute sich immer, mich zu sehen, und sofort wurde ich auch darum gebeten, noch etwas von dem restlichen Weihnachtsessen zu nehmen und mit am Kamin einen Punsch zu trinken.

Und dort war es auch, dass sie den Kopf zur Seite neigte, mich aus ihren wunderschönen Augen ansah und mir erzählte, was mein Weihnachtsgeschenk sein sollte. Sie würde mich und die Kleine im kommenden Frühjahr, wenn die Tage wieder länger wurden, zu einem verlängerten Wochenende einladen, in ihre Lieblingsstadt, in der sie auch eine ganze Weile gewohnt hatte. Inzwischen hatte sie es, wie sie mir erzählte, ausgerechnet in dieselbe Stadt verschlagen wie der Vater meiner kleinen Tochter.

„Es wird dir sicherlich sehr gut gefallen, dir und der Kleinen, wieder einmal etwas anderes zu sehen, nachdem du doch die ganzen letzten Jahre nicht mehr so viel von der Welt gesehen hast…“

- „Aber das kann ich doch nicht annehmen“, entgegnete ich. Freudentränen traten mir in die Augen und sprachen eine ganz andere Sprache, ich freute mich sogar darüber und würde nichts lieber tun als mit ihr diese Stadt zu besuchen, mit ihr und meiner Kleinen. Frühjahr…

„Ich möchte aber dass wir das machen“, meine liebe Freundin nickte mit dem Kopf, dass ihr ein paar Haarsträhnen ins Gesicht hingen.

Ich nickte, strich ihr die Haare weg und lächelte sie an.

„Ja, ich doch ebenfalls… das wird.. bestimmt sehr schön. Aber… ich hab jetzt… gar kein Geschenk für dich, nur… meine Kleine, zuhause…“

„Dass du zugesagt hast und mich vorhin in der Kirche gesehen hast war mir Geschenk genug. Fröhliche Weihnachten.“ Sie erwiderte mein Lächeln und es war mir nochmals ein kleines bisschen wärmer ums Herz.

So schnell waren die letzten beiden Monate doch vergangen, so schnell würden auch die nächsten vergehen, aber wir beide gaben uns in dieser verschneite Weihnachtsnacht ein ergänzendes Versprechen, nämlich dass wir uns bis zu dem Tag unseres Ausflugs doch jetzt öfter wieder sprechen würden…

Vor Ostern würden wir diesen Ausflug machen wollen… zweieinhalb Monate, bis die Tage schon wieder länger waren und der Schnee schon langsam wegschmolz, wie dieser Moment auch meine Seele, die schon wieder dabei gewesen war, durch die kalten Schatten der Vergangenheit etwas einzufrieren, dazu brachte, aufzutauen….



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