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Die Last auf seinen Schultern

24 Wege, jemanden in den Wahnsinn zu treiben
von

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Sechster Dezember

Am Morgen des sechsten Dezembers wachte Toushirou genauso früh auf wie sonst auch, stand allerdings nicht auf, um schnell zu duschen und den Morgen für sich zu haben. Er blieb rücklings liegen und starrte an die Decke, und versuchte, nachzudenken.

Yamazaki hatte ihn auf etwas hingewiesen, was er geflissentlich verdrängt hatte. Ja, es stimmte, und ja, er wusste es – Sougo ging ein wenig rabiater vor als sonst. Okay, eigentlich war das gelogen, immerhin versuchte er eigentlich tatkräftig, ihn zu töten, anstatt ihm irgendwelche Kinderstreiche zu spielen. In den letzten Tagen hatte es keine Mordversuche gegeben, aber die kamen eben normalerweise auch nicht Tag für Tag. Einmal in der Woche vielleicht. Spontan, wenn sich Gelegenheiten ergaben.

Sougo schien momentan nicht versuchen, ihn zu töten, aber er dachte sich jeden Tag etwas Neues aus, um ihn anderweitig zu quälen. Fast wie irgendein bescheuerter Adventskalender. Und Toushirou fragte sich, ob das einen Grund haben konnte.

Wahrscheinlich hatte es einen. Sougo schien willkürlich, aber eigentlich handelte er selten ohne Grund. Für gewöhnlich hatte er bloß Gründe, die Toushirou nicht verstand.

»Ach…«, machte er leise, rieb sich mit der flachen Hand über das Gesicht und erhob sich träge von seinem Futon.

Wahrscheinlich würde er den Jungen nie durchschauen können, und vielleicht war das auch besser so. Genau genommen wollte er gar nicht wissen, was Sougo so dachte. Es blieb bei dem, was er zu Zaki gesagt hatte – er musste damit leben. Mit allem. Mit den Anschlägen und mit den etwaigen Gründen dafür, und mit der Tatsache, dass Toushirou eine ganze Reihe von Dingen einfielen, für die man ihn hassen konnte.

Er sprang rasch unter die Dusche und zog sich an – und als er vor seine Zimmertür trat und in den ersten Schuh schlüpfte, fiel ihm mit einem Mal wieder ein, wie man im Westen den Nikolaustag feierte.

Geschenke in den Schuhen.

Er hatte ein widerliches, schmatzendes Geräusch gehört und nun fühlte sich seine Socke feucht an, und es roch nach Mayonnaise.

Mit ausdruckslosem Gesicht zog Toushirou seinen Fuß wieder aus dem Schuh und betrachtete seine Socke, die tatsächlich mit Mayo getränkt war. Seufzend hob er seinen anderen Schuh vom Boden auf und drehte ihn um, und aus ihm fiel eine tote Ratte zu Boden.

Er zog eine Braue hoch. Das war nun selbst für Sougos Verhältnisse irgendwie geschmacklos.

Toushirou ließ die Schuhe stehen, wechselte die Socken und zog stattdessen seine Stiefel an. Als er die jedoch zu seiner Mittagspause auszog und nur für wenige Minuten aus den Augen ließ, musste er zu ihnen zurückkehren und feststellen, dass sie bis oben hin mit Wasser gefüllt worden waren.

Die Stiefel mussten also auch weg und Toushirou machte sich daran, seine anderen Schuhe doch mal notdürftig zu säubern. Während er das tat, informierte ihn Kondou darüber, dass er seine Getas eingefroren in der Tiefkühltruhe gefunden hatte, was Toushirou nur mit einem Seufzen und einem Kopfnicken abtat.

»Harte Zeiten bei euch, hm?«, machte er.

Toushirou schielte zu ihm und stellte den Mayonnaise-Schuh weg, um sich dem Ratten-Schuh zuzuwenden. »Scheint so«, antwortete er tonlos. »Er scheint ja Spaß zu haben…«

Er hatte erwartet, dass Kondou lachen würde, wie so oft, wenn es um Sougos kindische Streiche ging, aber der Kommandeur wandte den Blick ab und zog die Schultern hoch. »Ich weiß nicht.«

Stirnrunzelnd sah Toushirou zu ihm hoch und ignorierte den Gestank der Verwesung, der aus seinem Schuh aufstieg. »Eh?«

»Ich weiß nicht«, wiederholte Kondou nur, schüttelte den Kopf und schickte an, den Raum wieder zu verlassen. »Er wirkt verbittert.«

»Verbittert?«

Davon hatte Toushirou nichts bemerkt, aber jetzt, da er darüber nachdachte, hatte er den Kontakt zu Sougo in den letzten Tagen ohnehin gemieden. Diese ganzen kleinen Anschläge hatten ihm schon gereicht – wäre er ihm nun auch noch ständig persönlich begegnet, wäre er ihm vielleicht nur an die Kehle gesprungen, und das wäre für beide hässlich ausgegangen. Toushirou hatte keine Ahnung, ob Sougo wirklich so gut drauf war, wie seine Spielchen es vermuten ließen.

Stirnrunzelnd betrachtete er seine versauten Schuhe, dann sah er wieder Kondous Rücken an und hielt ein Seufzen zurück. Er sollte sich nicht dafür interessieren, nicht für die Launen eines Jugendlichen, der alles daran setzte, sein Leben zur Hölle zu machen, aber es ging nicht anders.

Bei Sougo ging es nie anders.

»Sprichst du mal mit ihm?«, fragte er leise.

Kondou nickte. Einen Moment war es still, dann sagte er: »Versuchen werde ich es.«

Er ging und schloss Toushirous Zimmertür. Und Toushirou saß auf dem Boden und betrachtete die Schweinerei, die Sougo angerichtet hatte. Er wollte nicht, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Er wollte nicht noch mehr Verantwortung.



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