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Dark Circle

von
Koautor:  Caracola

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56. Kapitel

Auf die Krallenspuren an der Wand legte sich ein warmer Rotton, als die Sonne unterging. Er konnte also noch nicht sehr lange geschlafen haben und dennoch brannte er bereits wieder vor Energie und Tatendrang, obwohl sein vernunftbegabter Verstand sagte, dass das alles einfach nur noch verrückt war.

Ebenso sehr wie er verrückt nach Paige war, die warm, nackt und verführerisch duftend halb auf seiner Brust lag und friedlich schlief und trotzdem hatte sie es geschafft, sein williges Fleisch zu wecken.

Aber noch war er nicht halb wahnsinnig vor Verlangen, sondern sogar sehr klar im Kopf, weshalb er Paige auch vorsichtig neben sich auf das Kissen bettete und ihr die Decke bis über die Schultern zog, nachdem er den wärmenden Kokon des Bettes verlassen hatte.

Natürlich hätte er niemals das Zimmer verlassen können. Nicht in diesem Zustand, der ihn mit unsichtbaren Ketten an diese Frau fesselte, die er weder zerreißen konnte noch wollte. Doch zumindest schaffte er es bis zum Fenster, um es weit zu öffnen.

Frische kühle Abendluft umspielte seinen vollkommen nackten Körper und die Kälte machte seinem pochenden Fleisch nicht das Geringste aus. Eher das Gegenteil. Der Kontrast auf seiner Haut stachelte es nur noch weiter an, doch Ryon ignorierte seine tieferen Körperregionen, während er eine Weile mit verschränkten Armen mit dem Rücken zum Fenster lehnte und seine schlafende Gefährtin betrachtete.

Ein sanftes Lächeln umspielte seinen Mund und ein unglaublich warmes Gefühl breitete sich in alter Vertrautheit in seiner Brust aus. Glückshormone kribbelten durch seinen ganzen Körper, während er daran dachte, dass er sie nie wieder hergeben wollte.

Er löste seine verschränkten Arme, drehte sich herum und stützte sich auf dem Fensterbrett ab, während er hinaus in die sich ausbreitende Dunkelheit blickte.

Noch glitzerte das Abendrot auf dem Wasser des Sees, doch schon bald würden sich auch dort die Schatten ausbreiten und dann, wenn es dunkel genug für die Sterne und den Mond war, würde sich der Nachthimmel darin spiegeln.

Ryon wusste es genau, denn er hatte schon oft hinaus gesehen, um nachzudenken, wenn er es nicht direkt am See tun konnte.

Eine Weile kreisten seine Gedanken um den Hexenzirkel, doch war das eher nur ein Zwang. Eine Art des Aufschubs um sich nicht weiter über wirklich grundlegende Gedanken den Kopf zerbrechen zu müssen. Dabei war die Zusammenkunft der Hexen wirklich wichtig. Aber was konnte schon wichtiger sein, als seine Frau in diesem Bett?

Gefährtin…

Es ging ihm gedanklich so leicht über die Lippen, da es sich so unglaublich natürlich und richtig anfühlte, doch was es damit auf sich hatte, war schon viel schwerer einzugestehen.

Er hatte Paige einmal erklärt, dass er nicht glaubte, jemals wieder lieben zu können. Doch die Hoffnung hatte natürlich auch in ihm immer darum gekämpft, nicht vollkommen ausgelöscht zu werden und nun hatte sich diese Hoffnung durchgesetzt.

Ryon liebte Marlene und ihre gemeinsame Tochter über alles, aber durch diese missliche Lage, in der Paige und er sich im Augenblick befanden, war er zu einer weiteren Erkenntnis gelangt, die ohne das animalische Drängen vermutlich noch länger auf sich warten hätte lassen.

Er liebte Paige ebenfalls… So sehr, dass es weh tat.

Denn sein Herz hatte dank der vergangenen Ereignisse nicht nur gelernt, dass Liebe etwas Schönes, sondern auch etwas entsetzlich Schmerzhaftes sein konnte.

Ryon konnte, wollte und würde sich nicht gegen dieses Empfinden für sie sperren, aber er war nicht so naiv zu glauben, dass diese Liebe jemals ganz ohne Schmerz einher gehen würde. Wenn Paige etwas zustoßen würde, wäre das sein Untergang und dieses Mal würde er keine Sekunde lang zögern, um diesem Leid ein Ende zu bereiten, sollte es wirklich erforderlich sein.

Doch was für eine Zukunft konnten sie beide schon haben, wenn die Aussichten so düster standen? Natürlich, er wollte positiv denken, aber manchmal … da fiel es ihm sehr schwer. Gerade in Momenten wie diesem, wenn er schmerzhaft klar erkannte, dass die Gefahr nicht nur von außen kam, sondern auch von ihm selbst ausging.

Niemals würde er Paige absichtlich Schaden zufügen, aber das Gleiche hatte er auch stets bei Marlene empfunden und nun war sie tot.

Ryon ließ den Kopf hängen und starrte auf seine geballten Fäuste.

Das Glück mit Paige schien von allen Seiten bedroht zu werden und selbst wenn sie Boudicca überleben sollten, so würde das doch nichts an ihre derzeitige Lage ändern. Außerdem … da war noch etwas, über das er eigentlich nicht nachdenken wollte, aber gar nicht verhindern konnte.

Er hatte gesehen, wie Paige mit Mia umging. Wie gut sich die beiden verstanden und die Zuneigung füreinander war deutlich zu spüren.

Paige wäre eine gute Mutter und davon war er nicht nur überzeugt, weil sie selbst garantiert dafür sorgen würde, dass ihre eigenen Kinder nicht so aufwachsen mussten, wie sie es hatte müssen, sondern auch weil sie sowohl eine starke, wie auch unglaublich liebevolle Halbdämonin war. Sie mochte zwar manchmal in Flammen stehen, wenn ihre Gefühle mit ihr durch gingen, aber bisher hatte sie ihm kein einziges Mal geschadet, obwohl sie nicht gerade Blümchensex praktizierten.

Es stand also außer Frage, dass sie auch einmal eigene Kinder würde haben wollen. Kinder mit ihm…

Die aufflammende Angst zerriss ihm beinahe das Herz und zugleich fraß ihn seine Hilflosigkeit langsam aber sicher auf, so wie sie es schon seit Jahren getan hatte.

Jeden Kampf, jedes Opfer und jeden Schmerz würde er für Paige auf sich nehmen, um ihr Leben zu schützen, doch wenn es um Kinder ging, war er machtlos. Er konnte nur daneben sitzen, nutzlos zusehen und hoffen, dass alles gut gehen würde.

Natürlich, Paige hatte die Stärke ihres dämonischen Ichs auf ihrer Seite, aber ein Kind zwischen ihr und ihm wäre ungleich stärker.

Oh Gott. Er wollte sie nicht verlieren!

Ryon legte seine zittrige Hand auf sein Gesicht, holte einmal tief Luft und strich sich dann durch die Haare, ehe er sich am Fensterrahmen fest hielt und mit nassglänzenden Augen weiter hinaus blickte.

Die ersten Sterne zeichneten sich bereits auf dem dunkelblauen Nachthimmel. Es würde heute eine klare sternenreiche Nacht werden.
 

Paige drehte sich mit einem tiefen Atemzug auf die Seite, schlang die Decke fester um ihren Körper und rollte sich ein wenig zusammen. Ihre Augen flatterten so kurz und eigenständig auf, dass die Nachricht der Erkenntnis erst Momente später wirklich in ihrem Hirn ankam.

Die Decke bis zur Nase hochgezogen blinzelte sie zum Fenster hinüber, an dem Ryon stand und hinaus blickte. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, aber seine Haltung kam ihr dennoch irgendwie … merkwürdig vor.

Auf einen Unterarm gestützt setzte sie sich auf, schob die Decke zur Seite und stand auf. Der Raum war für ihr Empfinden bereits empfindlich kalt. Ryon musste schon länger als nur ein paar Augenblicke dort stehen. So in Gedanken versunken. Gedanken, die – davon war Paige auf wenig greifbare Weise überzeugt – keine Guten sein konnten.

„Hey…“

Ihre Hand streichelte seinen Oberarm, während Paige sich etwas vorlehnte, um in sein Gesicht sehen zu können. Was sie erkannte, ließ ihr Herz schmerzhaft in ihrer Brust schlagen.

„Was ist denn los?“

Sie klang zurückhaltend – vorsichtig. Denn Paige war zugegebener Maßen nicht ganz klar, wie sie reagieren sollte. Ryon war es, seit sie sich kannten, schon öfter schlecht gegangen. Das Verhältnis zu seinen Gefühlen war – milde ausgedrückt – schwierig gewesen. Mochte es bestimmt in gewisser Weise immer noch sein. Und vielleicht war er aufgestanden, um es eben nicht mit ihr teilen zu müssen.

Sie würde Ryon immer diese Freiheit lassen, sich zurück zu ziehen. Jeder brauchte einmal Zeit für sich, um seine Gedanken und Empfindungen zu ordnen. Aber sie konnte vor sich selbst nicht leugnen, dass es ihr wehtat, sie erschreckte, ihn so zu sehen und daran zu denken, dass sie ihm vielleicht nicht helfen konnte. Weil er sich von ihr nicht helfen lassen wollte.
 

Ryon brauchte eine Weile, ehe er sich vom Anblick des Sees losreißen konnte, um Paige anzusehen, deren Hand warm auf seinem Oberarm ruhte. Es war eine simple Berührung und doch schien sie ihm unglaubliche Lasten abnehmen zu können.

Dennoch entzog er sich ihr kurz, um die Decke vom Bett zu fischen und Paige wieder darin einzuwickeln. Danach zog er sie an seine Seite.

„Mir schwirrt der Kopf von den ganzen Ereignissen in letzter Zeit.“

Er wollte ehrlich mit ihr sein und nichts verheimlichen.

Seine Hand strich durch ihr Haar, da ihn das vertraute Gefühl beruhigte. Kurz beugte er sich zu ihr herab, um ihr einen Kuss auf den Scheitel zu geben, ehe er seinen Blick wieder nach draußen richtete.

„Wir müssen zu dem Treffen dieser Hexen gehen, koste es, was es wolle. Wir brauchen Verbündete und wenn sie können, auch ihren Schutz, damit wir wenigstens hier auf dem Grundstück sicher sind.“

Ein guter, klarer Gedanke und vermutlich auch mit der höchsten Priorität, obwohl sich das nur schwer einschätzen ließ. Sein Herz hatte höhere Prioritäten im Sinn, genauso wie sein Körper.

„Ich habe über eine Lösung unserer derzeitigen Lage nachgedacht, aber ich bin nicht damit zu frieden. Sie wäre zu einseitig.“

Das war sie tatsächlich. Nur er hätte halbwegs etwas davon, Paige müsste weiterhin unter ihrer Natur leiden, mehr sogar als jetzt, da er ihr Verlangen stillen konnte. Und sich selbst für die Dauer dieses Treffens zu trennen, kam nicht in Frage. Es würde ihn umbringen, nicht in ihrer Nähe zu sein, wenn sie in diesen Zustand war. Was das anging, war mit dem Tiger nicht zu verhandeln.
 

Ihr fiel im wahrsten Sinne ein Stein vom Herzen, als er sie in die Decke gewickelt an sich zog. Doch noch wichtiger war, dass er sich ihr mitteilte. Solange er mit ihr sprach, würde sich nichts wie eine riesige, unüberwindliche Mauer zwischen ihnen auftun können.

Es mochte kitschig klingen, aber Paige war tief in sich drin wirklich überzeugt davon, dass sie alles irgendwie schaffen konnten, solange sie zusammen waren.

Was das Treffen mit dem Zirkel anging, musste sie ihm auch vollkommen Recht geben. Es war verdammt wichtig, dass sie daran teilnahmen. Und Paige brauchte nur einen Moment an Ai und Mia zu denken, um sogar absolut davon überzeugt zu werden. Wenn sie die Grenzen des Grundstücks sichern konnten, würde den beiden und auch ihren anderen Freunden nichts passieren können. Damit würden auch Ryon und Paige selbst sich besser auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können. Oder vielmehr diejenige, die sich zu einer Aufgabe gemacht hatte.

Nur wenn sie nicht um ihre Freunde bangen mussten, konnte sie wirklich und mit all ihren Kräften gegen Boudicca vorgehen.

Bei dem Gedanken an diese Hexe runzelte Paige die Stirn und löste sich etwas von Ryon, um ihm in die Augen sehen zu können. Er hatte eine Lösung für ihr derzeitiges Problem?

„Verrate es mir bitte trotzdem.“
 

Ryon schwieg noch eine Weile, dachte verbissen nach, um noch andere akzeptable Möglichkeiten zu finden. Aber keine Lösung wäre akzeptabel. Es gab einfach keine.

Schließlich seufzte er schwer und drehte sich ganz zu Paige herum. Er umfasste sie mit seinen Händen und hob sie hoch; setzte sie auf das Fensterbrett damit er ihr in gleicher Höhe in die Augen sehen konnte. Seine Hände lagen immer noch auf der Decke an ihren Seiten, während er ihr eindringlich in die Augen blickte.

„Bevor ich es dir sage, sollst du wissen, dass ich nicht damit einverstanden bin. Absolut nicht.“

Er seufzte noch mal und holte tief Luft, ehe er sich dazu durchringen konnte, es auch auszusprechen. Die Worte fühlten sich wie Steine auf seiner Zunge an, aber Paige hatte gefragt und er würde antworten.

„Du kannst mich zurückweisen und dadurch dafür sorgen, dass ich meine Finger von dir lasse. Ich werde deinen Worten immer gehorchen, sofern sie für dich keine Gefahr bedeuten.“ Vorausgesetzt sie hatte die Worte wirklich klar und ernst formuliert. Alles andere würde unter die Kategorie: Neckereien und Spiel fallen.

„Aber auch wenn mich das in meine Schranken weisen würde und ich den Ruf deines Körpers widerstehen könnte, würde sich für dich nichts ändern. Du müsstest immer noch leiden und ich will das nicht.“

Sie war seine Gefährtin, Herrgott noch mal! Nie würde er sie einfach so leiden lassen können. Aber genau dieser Umstand war es, der es ihr ermöglichte, so viel Macht über ihn auszuüben. Wäre sie nur eine Freundin für ihn, mit der er eine Beziehung hatte, hätten ihre Worte nicht diese tiefen, ursprünglichen Auswirkungen auf ihn und er könnte auch ohne weiteres seine Finger von ihr lassen, ohne dass sie etwas sagen müsste.
 

Die Worte schienen so viel mehr Informationen zu enthalten, als Ryon eigentlich ausgesprochen hatte. Schwer wiegende Informationen, wie sie in seinen goldenen Augen lesen konnte. Und doch verwirrte das Ganze Paige mehr, als sie darin eine wirkliche Lösung erkennen konnte.

Den konzentrierten Blick weiterhin auf seine Augen gerichtet, versuchte sie die Gedanken und das Gesagte in ihrem Kopf zu ordnen.

Ihn zurück weisen? Jedes Molekül, aus dem Paige zusammen gesetzt war, rebellierte allein beim Gedanken daran. Aber sie sollte das Problem und ihr Ziel im Auge behalten, wenn sie wirklich begreifen wollte, was Ryon ihr da vorschlug. Es war sogar dem ähnlich, was sie sich am Morgen unter der Dusche überlegt hatte. Sie könnte dafür sorgen, dass zumindest Ryon nicht mehr von seinen Gelüsten nach ihrem Körper gedrängt wurde.

Einfach so?

Jetzt suchte sie in seinen Gesichtszügen nach Anhaltspunkten dafür, dass er tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte. Was sollte das denn heißen: Er würde tun, was sie ihm sagte. Immer.

Gut, sie selbst würde seinen Wünschen auch jederzeit entsprechen, wenn er sich selbst dadurch nicht gefährdete. Aber ihre Triebe würden seine Worte bestimmt nicht von einem Moment auf den Anderen ausschalten können. Doch sie glaubte sehr wohl, dass Ryon ihr diese Option nicht offenlegen würde, wenn es nicht funktionierte. So absurd es auch war, sie hatte anscheinend wirklich die Macht mit einer Ablehnung dafür zu sorgen, dass sich der Schleier der Hormone um seinen Verstand lichtete.

"Ist das dein Ernst?"

Sie fragte ganz offen und ruhig. Als würden sie sich darüber unterhalten, dass er sich ein neues Auto in Quietschgelb kaufen wollte. Allerdings konnten sie beide an der Atmosphäre, die zwischen ihnen herrschte, sehr wohl erkennen, dass es sich ganz und gar nicht um so etwas Profanes handeln konnte.

"Ich meine, mir ist klar, dass es dein Ernst ist, aber ... ich begreife nicht, wie ich so eine Macht über dich, nein, über euch beide haben kann."

Denn das war es doch. Die Worte, die seine Triebe in Schach halten sollten, wären mehr an den Tiger, als an den Mann gerichtet. Und dass dieser ihr gehorchen würde ... das fühlte sich eher unwahrscheinlich für sie an. Immerhin war sie dem Tier in seiner eigenen Gestalt wenn überhaupt nur für sehr wenige Momente begegnet.
 

Wenn das überhaupt noch möglich war, so wurde sein Blick noch intensiver, eindringlicher, obwohl er noch nicht einmal den Mund aufgemacht hatte.

In diesem Augenblick wäre es für Ryon unmöglich gewesen, sich diesen dunklen Seen in Paiges Augen zu entziehen. Stattdessen versuchte er ihr bis auf die Seele zu blicken, damit sie auch begriff, welche Tragweite seine Worte hatten, auch wenn es vielleicht nicht die waren, die sie gerne hören wollte.

Doch eines stand fest. Ein Gestaltwandler würde niemals eine Frau als Gefährtin ansehen, wenn er sie nicht lieben würde. Da er das aber erst jetzt erkannt hatte, war er noch zu verwirrt darüber, um das Thema offen anzugehen.

„Paige…“ Seine Stimme war leicht rau, also schluckte er einmal und versuchte es erneut, während seine Hände sich unter die Decke direkt auf Paiges nackte Seiten legten.

„Meine Rasse kann sehr aggressiv werden, vor allem wenn es um unsere Frauen geht.“, begann er schließlich versucht nüchtern, aber es gelang ihm nicht vollkommen. Seine Emotionen schwangen dennoch mit.

„Wir würden ohne zu zögern, jeden töten, wenn wir uns nicht vollkommen beherrschen können und man unsere Frauen auf irgendeine Weise bedroht. Mag es auch nur verbal sein. Das macht uns gefährlich. Aber die Natur hatte einen Plan, als sie uns erschuf. Unsere Frauen sind … wesentlich beherrschter als wir Männer und daher kann eine … Gefährtin ihren Partner in seine Schranken weisen und er wird gehorchen, wenn es notwendig ist.“

Ryon holte noch einmal tief Luft, da ihm der nächste Satz wahnsinnig viel Kraft kostete.

„Du … kannst mich in meine Schranken weisen, weil wir dich als unsere Gefährtin … auserwählt haben…“
 

Paiges Gedanken rasten. Im Kreis oder im Sechseck, es war völlig egal. Auf jeden Fall raubte ihr das aufgeregte Flattern, das sich über das gesamte Netz ihrer Nerven, durch ihren Kopf und vor allem bis in ihr Herz hinein zu ziehen schien, vollkommen den Sinn für Zeit und Raum. Und anscheinend auch für Kommunikation. Denn das, was sie glaubte zu hören, konnte Ryon gerade nicht wirklich gesagt haben.

Oder sie hatte es falsch verstanden. Vollkommen falsch! Denn das, was in ihrem Kopf als seine Worte wie Flummis herum hüpfte, konnte er nicht meinen. Es würde all dem widersprechen, was er ihr von Anfang an beteuert hatte. Es würde bedeuten...

War ihr gerade tatsächlich die Kinnlade herunter gefallen?

Paige klappte auf jeden Fall den Mund zu und öffnete ihn gleich wieder, um irgendetwas zu sagen. Nichts denkbar Kluges oder Angebrachtes. Aber irgendetwas! Sie konnte ihn doch da nicht so stehen lassen. Die warmen Hände auf ihren Seiten, mit einem Gesichtsausdruck, der so viel mehr darüber aussagte, als alles, was sie fragen konnte - sie hatte ihn richtig verstanden.

Sie hatte es schon öfter gesehen, doch jetzt schien es in Ryons Augen regelrecht zu leuchten. Das Gefühl, das Paige so verzweifelt gesucht und doch ignoriert hatte, weil er ihr gesagt hatte, er würde es für sie nie empfinden können. Die goldenen Seen waren... Ryons Augen waren voller Liebe.

"Ich... Ich weiß nicht, was ich..."

Statt einer wohl formulierten Antwort schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. Ihre Natur hielt sich still, trat sogar einen Schritt zurück. Denn das hier hatte nichts mit Trieben zu tun. Sondern mit etwas, das sogar noch sehr viel tiefer ging.

"Ich war noch nie so glücklich...", hauchte sie gegen seine Lippen, bevor sie ihn sofort erneut küsste. Hexenzirkel hin, Lustprobleme her, in diesem Moment wollte Paige an nichts von alledem denken. Sie hätte am liebsten die ganze Welt umarmt.
 

Ryon hätte über Paiges Reaktion schmunzeln können, als er erkannte, dass die wahre Bedeutung seiner Worte bei ihr angekommen waren, doch ihm war im Augenblick ganz und gar nicht nach Erheiterung. Wonach ihm eigentlich wirklich war, konnte er nicht genau sagen, aber Paige nahm ihm dieses Rätsel ab, als sie die Arme um seinen Hals schlang und ihn küsste.

Ja, genau das wollte er. Sie küssen und fest halten, bis sie beide kaum noch Luft bekamen. Und das tat er auch.

Seine Arme schlangen sich um ihren Körper, er schob sein Becken zwischen ihre Beine, um ihr noch näher zu kommen und sie auf seiner Haut spüren zu können, während seine Lippen sich auf die seiner Gefährtin legten und er vollauf zufrieden die Augen schloss.

Zu hören, dass er sie glücklich machen konnte, war wie honigsüßer Balsam für ihn.

Trotz der Triebe, der Wachsamkeit seiner Raubkatze und der Tatsache, dass Paiges Duft ihn förmlich umhaute, wurde er weich, nachgiebig und anschmiegsam.

Sein Brustkorb vibrierte deutlich spürbar voller wohligem Schnurren, während seine Hände Paiges Rücken streichelten.

Er konnte seinen Mund nicht von ihrem nehmen. Nicht einmal, um irgendetwas ohnehin nicht Geistreiches zu sagen. Und obwohl sie noch immer Probleme ohne wirklicher Lösung hatten, so waren diese doch in diesem Augenblick weit weit weg. Hier war nur Paige und das war gut so.

Sie gehörte ihm, gehörte zu ihm und das sollte sich niemals wieder ändern!

Die Intensität ihrer Küsse raubte ihm am Ende so sehr den Atem, dass er sich gezwungen sah, von Paiges köstlichen Lippen abzulassen.

Doch er rieb stattdessen seine Wange an ihrem zarten Hals, küsste ihre Schulter, während er reichlich nach Luft schnappte.

„Es tut mir leid… Ich hatte es nicht früher erkannt… Erst, als du mich mit deiner Natur völlig eingenommen hast, ist mir richtig klar geworden, dass ich dich nicht einfach nur sehr mag, sondern du für mich die Einzige bist. Die Eine für die ich alles tun würde… Alles geben würde… Solange du bei mir bleibst…“

Es war nur geflüstert, ein Hauch dessen, was seine Stimme sonst ausmachte, doch es lag auch ebensoviel Schmerz wie Liebe darin. Denn so war es doch. Es tat weh, Paige zu lieben, da er nur zu gut das Gefühl von Verlust kannte. Von wirklichem Verlust, nicht einfach nur die Ahnung davon. Und dennoch, auch wenn er Angst hatte, sein Herz war für Paige so weit geöffnet, wie es nur ging. Er verschloss es nicht mehr vor ihr.
 

So sehr sie ihre dämonische und damit sehr ursprüngliche Natur auch bestimmte, in diesen ruhigen Momenten hätte nichts schöner sein können, als sich nur zu küssen, sich in den Armen zu halten und Ryons Wärme zu spüren.

Paiges Herz schien ihr gesamtes Wesen in gewisser Weise einzunehmen, wie eine große, glühende Kugel zu umschließen.

Umso mehr trafen Ryons geflüsterte Worte genau ins Schwarze. Etwas, das sie nur als Entsetzen bezeichnen konnte, hielt sie für einen Moment gefangen, bevor sie sich dazu durchringen konnte, zu antworten.

Mit leicht zitternden Händen zog sie seinen Kopf wieder zu sich herauf und blickte ihm so tief in die Augen, wie sie es nur vermochte.

"Sag bitte nie, dass dir sowas Leid tut. Das soll es nicht. Du hast mir gesagt, was du in diesem Moment empfunden hast. Das ist so viel besser, als wenn du mir nur das vorgegaukelt hättest, was ich hören wollte."

Paige schloss auch bei dem sanften Kuss nicht die Augen. Relativ schnell ließ sie wieder von ihm ab und lächelte.

Sie hatte ihre Entscheidung schon getroffen, als Ryon ihr den Vorschlag unterbreitet hatte. Es war die einzige Möglichkeit. Und die würden sie ergreifen müssen.

Ihre Augen funkelten, als Paige ihre Hände von Ryons Gesicht löste und sie stattdessen auf seinen Seiten legte, an denen sie dann langsam und genüsslich nach unten strich.

Das Treffen war erst Morgen...
 

„Ich werde dich nie anlügen.“ Es war zwar noch immer nicht das, was er genauso gerne sagen würde, wie er es auch nicht aussprechen konnte, aber zumindest entsprach es der Wahrheit und würde es immer tun.

Ryon könnte Paige nie hintergehen. Nicht, seit dem er so viel für sie empfand, wie jemand seiner Art nur für jemanden empfinden konnte.

Paiges Blick und ihre Hände, die seine Seite nach unten strichen, sagte mehr als Worte es je hätten tun können. Sie hatten noch Zeit, auch das drängende Verlangen war noch nicht so schlimm, dass sein Tiger ihm nicht diese Augenblicke der Ruhe gegönnt hätte. Das Tier verstand es nur zu gut und wollte seine Gefährtin ebenfalls mit Liebe und Zärtlichkeit in Besitz nehmen. Für rohen Sex war später immer noch genug Zeit. Ob sie nun wollten oder nicht. Die Natur war in diesem Fall die beherrschende Macht.

Ryon schob sich noch ein bisschen näher an Paiges Körper heran, so dass er halb mit unter die Decke kroch, die immer noch ihre nackte Haut vor der kühlen Abendluft schützte, die er so gerne roch. Er mochte den Duft von Natur und vermischt mit dem von Paige, war es das Beste, was man nur wittern konnte. Selbst wenn man kein Gestaltwandler war.

Er küsste zärtlich ihre Lippen, ihre Mundwinkel, ihre Wangen hinauf, hin zu ihren Augenlidern, über die temperamentvoll geschwungenen Balken ihrer Augenbrauen hinab zu ihrer Schläfe und blieb erst stehen, als sein Mund direkt auf ihrer pochenden Halsschlagader lag.

Seine Zunge glitt heiß und rau darüber, während seine Hände die Konturen ihres Körpers entlang streichelten. Noch hatte sie ihm nicht gesagt, er solle von ihr ablassen und solange sie das nicht tat, würde er es auch nicht können. Niemals. Außerdem war das Treffen mit den Hexen erst morgen und diesen Umstand würde er ausnutzen...



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