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Dark Circle

von
Koautor:  Caracola

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24. Kapitel

Ryon schlief nur ein paar Stunden. Sein Schlaf war unruhig, das Erlebte wollte ihn einfach nicht los lassen.

In seinen Träumen war da aber nicht dieser Mann, sondern vielmehr der Eindruck eines Schattens, der Paige verletzte. Ihr Gesicht, wie sie weinte, sich an ihn schmiegte, sein Ohr kraulte… Dann war da wieder das Bild, als er dabei zusah, wie fremde Lippen ihr Blut ableckten, ihren Hals entlang strichen, Paiges unbeteiligte Haltung … wie eine Marionette…

Spätestens, als er geträumt hatte, wie der Magier oder was auch immer er gewesen war, sein Werk vollendete, ohne dass Ryon etwas dagegen hätte tun können, war der Zeitpunkt, an dem er schweiß bedeckt erwachte und beschloss, diese alptraumhaften Bilder zu vergessen.

Stattdessen duschte er kalt, zog sich bequeme Kleider an, um in die Küche zu gehen. Dort war noch niemand, aber irgendwo konnte er Stimmen im Haus hören, also war er nicht der Einzige, der schon wach war.

Mit unruhigen Fingern machte er sich einen großen Becher voll Milchkaffee, zupfte sich einen Zweig Weintrauben aus der Obstschale. Isabellatrauben, soweit er wusste. Doch erst, als er sich eine in den Mund steckte und den unvergleichlichen Geschmack von Süße und etwas vollkommen unbeschreiblichen schmeckte, war er sich auch sicher.

Das waren seine Lieblingstrauben, ob sie nun so hießen oder nicht.

Zusammen mit dem kleinen Buch, das Paige ihm gebracht hatte, setzte er sich an seinen Denkerplatz am See.

Es lag noch Tau auf den Planken des Stegs und die Luft war kühl, aber frisch und rein, so wie er sie liebte.

Er setzte sich, legte seine Mitbringsel neben sich und steckte erst einmal seine entblößten Füße ins Wasser und sah dabei zu, wie die kalten Wellen seine Haut umspielten.

Über dem See hing noch ein leichter Dunst von der Nacht. Wasservögel waren zu dieser Jahreszeit schon ein seltener Anblick geworden. Bestimmt würden sich bald die letzten auf den Weg in wärmere Regionen machen.

Nach einer Weile, als der Milchkaffee schon längst kalt geworden war, steckte sich Ryon noch eine Traube in den Mund, ehe er das Buch zur Hand nahm und es aufschlug.

Es handelte sich tatsächlich um so etwas wie ein Tagebuch. Handgeschrieben berichtete es über eine Ausgrabung in Ägypten. Schweifte sogar ab und zu ab, mit Berichten über das Land und die Leute. Schilderte Eindrücke in den Augen eines Fremden. Schwärmte von einem Land so voller Wunder und Mysterien, wie die Kultur selbst sie ausstrahlte, die dort einst herrschte.

Ryon war sich nach einer Weile des versunkenen Lesens wirklich sicher, dass, wenn sie tatsächlich etwas über das Amulett heraus finden wollten, sie auch dort weitersuchen mussten und zugegebenermaßen, wäre das schon ein interessantes Abenteuer. Trotz der Hitze, die er bestimmt nicht gewöhnt sein würde, aber für Paige musste das sicher eine schöne Abwechslung zu der kalten Jahreszeit sein. Höchstens Nachts könnte sie draußen frieren.

Paige…

Der Bastard hatte ihr weh getan, um ihn und das Amulett zu bekommen. Besser gesagt, sie war ein Geschenk, was alles nur noch schlimmer machte.

Vielleicht wäre es doch besser, wenn sie so weit wie möglich weg von ihm wäre. Dann könnte man ihr wenigstens seinetwegen nicht noch mehr schaden. Noch eine weitere Schuld dieser Art könnte er nicht mehr tragen. Seine Schultern waren auch so schon zu schwer und außerdem verdiente sie ein besseres Leben.
 

Paige war mit einem richtigen Brummschädel und einigermaßen schlechter Laune aufgewacht. Sie hatte sich auf ein wenig Ruhe und Erholung gefreut und bekommen hatte sie nur Albträume und den Nachhall der schmerzenden Verletzungen.

Unter der heißen Dusche sah sie an ihren Körper hinab, prüfte zuerst die Seite, die ein wenig rot und geschwollen aussah und dann ihren Oberschenkel. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe, drehte sich einmal langsam im Kreis und schätzte ab, ob sie es wagen konnte. Wenn sie heraus finden wollte, ob sich ihre dämonische Seite erholte, gab es dafür nur eine Möglichkeit...

Mit zusammen gebissenen Zähnen drehte sie die Dusche so kalt und stark auf, wie es ging und ließ ihre Schuppen sprießen. Ihr Feuer loderte kontrolliert und sacht über ihren Körper, während Paige sich ein wenig verdrehen musste, um mit ihren langen spitzen Nägeln über alle Schuppen an der Verletzung fahren zu können. Sie drückte untersuchend daran herum, versuchte Flammen über die Stelle laufen zu lassen und gab es dann wenig begeistert auf. Er schien Einiges an Gewebe angekratzt zu haben, denn ihr Feuer wollte sich nicht recht über die Verletzung ausbreiten.

Mit einem Seufzen stellte sie die Dusche ab und kehrte in ihre menschliche Form zurück, bevor sie aus der Duschkabine trat.

"Oh..."

Da hatte sie wohl mehr Dampf verursacht, als sie vorgehabt hatte. Der kleine Raum stand vor Dunstschwaden und der große Spiegel war selbst nach mehrmaligem Wischen mit dem Handtuch nicht blank zu bekommen.

Da ihr nichts Besseres einfiel, öffnete Paige die Tür zum Gästezimmer und dort auch beide Flügel des Fensters, um den Dampf nach draußen zu lassen. Sie schätzte sich glücklich, da es im Haus zumindest an dieser Stelle keinen Feueralarm zu geben schien.

"Na, das wäre ja mal peinlich geworden...", murmelte sie vor sich hin, bevor sie ins Bad zurück ging, sich die Zähne putzte, um sich schließlich anzuziehen und in der Küche etwas zu Essen zu suchen.

Sobald sie den großen, gemütlichen Raum betrat, fiel ihr auf, dass es bereits recht spät sein musste. Tyler stand am Herd und brutzelte etwas, das interessant und ein wenig exotisch roch. Paige schlich sich hinter ihn, nachdem sie alle begrüßt hatte und lugte über die Schulter des Butlers in die große Pfanne, in der er tonnenweise klein geschnippseltes Gemüse hin und her schob.

"Das riecht einfach köstlich."

Ihr lief das Wasser im Munde zusammen. Obwohl sie im selben Moment mehr oder weniger der Schlag traf.

Geruch. Das musste es gewesen sein!

Paige hatte sich schon seit dem Aufstehen das Hirn darüber zerbrochen, wie der Magier sie hatte derart manipulieren können. Es musste dieser süßliche Geruch gewesen sein, der sie so stark eingehüllt hatte. Aber warum war dann Ryon bei Sinnen geblieben? Wo doch seine Nase so viel besser sein musste, als ihre...

Grübelnd ging sie zum Schrank hinüber, holte Teller heraus und deckte den Tisch. Ai versuchte den Anwesenden gerade zu erzählen, dass eine ihrer früheren Kolleginnen bei einer Show umgeknickt war und nun nie wieder würde modelln wollen. Na, als hätte niemand größere Probleme als einen verstauchten Knöchel.

Als sie sich umdrehen wollte, um auch Besteck aus der Schublade zu holen, erschrak sie ein wenig, als sie beinahe mit Ryon zusammen prallte.

Er war völlig lautlos ins Zimmer gekommen und sah nun mit den üblichen leeren Augen auf Paige hinunter.

"Hi.", meinte sie nicht besonders einfallsreich und zog ihre Hand weg, auf der sie sich vor einem Fall an seinem Arm abgestützt hatte.

"T'schuldige...", murmelte sie leise und schob sich dann an ihm vorbei zur Küchenzeile.
 

Gut durchgelüftet vom Freien, kam er schließlich, wie magisch von den herrlichen Düften angezogen, zurück zum Haus, legte das Buch bei Seite, stellte seinen leeren Becher in den Geschirrspüler und wäre dabei fast mit Paige zusammen gestoßen, die er zwar am Rande wahrgenommen, aber letztendlich doch nicht rechtzeitig gesehen hatte.

„Hi.“, grüßte er ebenso einfallslos zurück und machte ihr Platz, damit sie zu der Bestecklade konnte, an die sie gerade noch hatte herankommen wollen. Dabei ließ er sie keinen Moment aus den Augen.

Während sie den Tisch zu Ende deckte, Ai ausführlich über etwas berichtete, das er gar nicht mitbekam und Tyler fröhlich in der aromatisch duftenden Pfanne herum werkelte, stand er einfach nur da und beobachtete die Feuerdämonin mit den Augen eines aufmerksamen Jägers. Tennessey, der am Tisch saß und schon wieder in Notizen herum kritzelte, blendete er sogar ganz aus.

Er konnte keine ihrer Verletzungen sehen, da ihre Kleidung sie verdeckte. Ihr schien es gut zu gehen, auch wenn sie sich noch etwas vorsichtig bewegte. Aber letztendlich war das, das Einzige was zählte.

Trotzdem ließ ihm die Sache keine Ruhe. Alleine die Vorgehensweise dieses Zirkels hatte deutlich gemacht, dass sie mehr über ihn und vielleicht auch über Paige wussten, als gut für sie beide sein konnte.

Noch einmal würden sie sich wohl nicht mehr so sorglos durch die Stadt bewegen können. Das hieß, auch die zukünftigen Samstage würde er streichen müssen.

Ein tiefer Seufzer des Bedauerns entkam ihm, ging aber in dem brutzelnden Geräusch der Pfanne unter.

Ryon riss sich von Paiges Anblick los und machte stattdessen Saft für alle, den er in einem großen Krug auf den Tisch stellte und dazu noch die Gläser auf jedes Platzdeckchen platzierte. Danach setzte er sich und richtete seine Aufmerksamkeit auf Tennessey.

„Schon wieder Ideen für eine Fallstudie?“, wollte er wissen, um über etwas Unverfängliches sprechen zu können. Den Vorfall würde er auch später noch mit Paige durchgehen müssen. Vor allem, wie sie Treffen dieser Art in Zukunft vermeiden konnten.

Der Arzt blickte hoch und lächelte unschuldig.

„So könnte man es nennen, ja.“

„Und um was geht es?“

Musste man diesem Mann wirklich alles aus der Nase ziehen? Wenn es um dessen Arbeit ging war er doch sonst überaus gesprächig.

„Das bleibt vorerst ein Geheimnis, aber ich kann schon mal so viel sagen. Einer der Probanden stellt sich als ganz schöne Herausforderung heraus und du weißt doch, wie sehr ich die liebe. Also, mach dir keinen Kopf deswegen. Es war sowieso Zeit, dass ich einmal wieder etwas habe, mit dem ich mich richtig beschäftigen kann.“

Mit diesen Worten wandte er sich wieder seinen Notizen zu und drehte sie so, dass sein Arm den Blick darauf verwehrte. Als würde Ryon jemals heimlich die Gedanken eines anderen lesen. Zumindest nicht absichtlich.

Tyler trug endlich das Essen auf, als alle bei Tisch waren. Ryons Magen knurrte schon so dermaßen, dass man fast meinen könnte, sein Tier würde hinter ihm stehen. Aber was das anging, so herrschte Funkstille. Als wäre es beleidigt oder würde auf etwas lauern. Ihm konnte es auf alle Fälle nur recht sein. Seine inneren Kämpfe waren ermüdend und das konnte er sich bei der Gefahr, die um sie herum herrschte, nicht wirklich leisten.

Bevor noch ein richtiges Tischgespräch in Gange kommen konnte, rutschte Ryon die Frage einfach so heraus. Andererseits, so sehr wie sie in ihm gebohrt hatte, war das auch kein Wunder.

„Wie fühlst du dich, Paige?“

Er sah sie über den Tisch hinweg an, sein Teller noch immer leer, als würde er erst zugreifen, wenn er eine Antwort erhalten hatte. Seltsamerweise war auch das Geklapper des Geschirrs leiser geworden, als würden alle anderen Beteiligten zwar so tun, als interessiere sie dieses Thema nicht, obwohl sie insgeheim lauschten.

Hatte er sich vielleicht im Tonfall vergriffen? Nein, das sicherlich nicht.
 

Paige hatte das Gefühl ihr Kopf müsse bald bersten von den ganzen Gedanken, die darin herumspukten.

Der Magier, der sie mit Duft hatte manipulieren können. Sie war ihm schon einmal begegnet und ihm damals nur um Haaresbreite entkommen. Noch immer war er da draußen unterwegs. Was wäre nun ein geeignetes Mittel, sich beim nächsten Zusammentreffen vor ihm zu schützen?

Sie konnte sich ja schlecht die Nase zustopfen. Zumal sie in ihrer dämonischen Form auch mit der Zunge Gerüche auffangen konnte. Und atmen musste sie auch noch. Einfach in ihrer menschlichen Form zu bleiben wäre eine Möglichkeit. Aber wie sollte sie sich dann gegen einen Angriff mit einem Dolch wehren?

Grübelnd setzte sie sich zu den anderen an den Tisch, neben Ai und dem Arzt gegenüber. Da er ihr etwas Essen aufgeben wollte, hielt sie ihm ihren Teller hin, sah aber immer noch nicht wirklich hin, was er da machte.

Erst als sie den Teller abstellte und sich dem Essen wirklich widmen wollte, stieg ihr wieder der Duft in die Nase, der sie sofort zur Gabel greifen ließ. Neben vielem Gemüse und Fleischstücken in einem Mantel aus Nüssen, gab es Safranreis und eine Sauce, die Paige noch nie gesehen hatte. Geschweige denn gekostet. Aber darauf freute sich ihr Magen genauso wie der Rest.

Mit der Gabel hatte sie den ersten Bisse bereits fast bis zum Mund geführt, als Ryons Frage sie innehalten ließ. Mit leicht geöffnetem Mund, dem Bissen in greifbarer Nähe und weiten, fragenden Augen sah sie ihn an.

Erst nach einer halben Ewigkeit, wie es ihr selbst schien, begriff sie, was er gemeint hatte und legte die Gabel wieder auf dem Tellerrand ab, um sich am Tisch umzusehen. Niemand schien so verblüfft zu sein, wie sie selbst.

"Ähm, gut. Gut, danke."

Als sie an die Dampfschwaden dachte, die sie im Badezimmer verursacht hatte, musste sie lächeln.

"Noch nicht ganz wieder hergestellt, aber dein Leibarzt hat sich gut um mich gekümmert."

Das ließ Tennessey mit einem halben Lächeln hochsehen, bevor er sich sofort wieder seinem Teller widmete. Was war denn nur los mit allen?

Damit so etwas wie Normalität aufkam, hielt sie Ryon die Hand hin und nahm mit der anderen den Servierlöffel, der neben der immer noch mehr als halb vollen Pfanne mit dem Gemüse lag.

"Soll ich dir was auftun?"
 

Das wollte Ryon dem Doc auch geraten haben. Aber natürlich hatte sein Freund sich gut um Paige gekümmert. Sonst hätte er sie wohl kaum in seine Hände gegeben. Dennoch war es fast so etwas wie eine Erleichterung, aus ihrem eigenen Mund zu hören, dass es ihr gut ging. Es war, sozusagen, noch eine Bestätigung zur Sicherheit.

Allerdings fragte er sich, ob sie der Vorfall trotz des glimpflichen Ausgangs immer noch so sehr wurmte wie ihn. Alleine wenn er an diese Szene dachte, wie der Magier sie … Ryon erschauderte innerlich, während zugleich das beleidigte Tier ein zustimmendes Knurren abgab, ehe es wieder verstummte.

Paiges darauf folgende Frage und die ausgestreckte Hand überrumpelte ihn förmlich, auch Tyler und Tennessey hielten mitten in ihren Bewegungen inne, als würden sie voller Spannung darauf warten, wie er auf diese Frage reagierte.

Kein Wunder.

Essen hatte bei Raubkatzengestaltwandlern eine große Rolle. Immerhin, wenn man an seine tierischen Artgenossen im Amurgebiet dachte, dann war das auch klar nachvollziehbar. Immerhin brauchte ein ausgewachsener sibirischer Tiger bei den kalten Temperaturen jeden Tag um die neun Kg Fleisch. Wie gut Ryon das doch nachvollziehen konnte!

Da es ohnehin schon merkwürdig genug war, wie er Paiges Hand ansah, als hätte er so etwas noch nie gesehen, hob er schließlich mit vorsichtigen Bewegungen seinen leeren Teller hoch und reichte ihn Paige.

„Ja, bitte…“, brachte er schließlich hervor und spürte ein seltsames Kribbeln seine Wirbelsäule hinunter jagen.

Für einen Moment durchbrach strahlendes Gold das dumpfe Schwarz seiner Augen, wie ein Sonnenstrahl, der sich einen Weg durch düstere Gewitterwolken gekämpft hatte. Und mit einem Mal war sich Ryon der Präsenz seines Tiers so deutlich bewusst, als würde es ihm über die Schultern blicken. Aber es gab keinen Mucks von sich. Ließ ihn vollkommen in Ruhe, was Gefühle anging und doch, es war da, beobachtete, sog jeden Eindruck in sich auf, bis Ryon sich merklich unbehaglich fühlte, denn er wusste, das war ein seltener Augenblick und empfand doch nichts. Wie blank gewischt. Es war einfach absurd, weil es nicht zusammen passte und auch nicht konnte.

Der Sonnenstrahl wurde wieder erstickt, als er seinen Teller zurück bekam und ein leises Danke murmelte, völlig mit seinen Gedanken beschäftigt.

Er nahm noch nicht einmal die Augenpaare war, die auf ihm ruhten. Das wissende Grinsen auf Tylers Gesicht, das er zu verbergen suchte. Tennesseys blendende Laune, die vorhin noch nicht so blendend gewesen war… Außerdem hatte Ryon gemurmelt. Was er normalerweise nicht tat.

Das Essen schmeckte wirklich fantastisch und obwohl er dieses Gericht schon des Öfteren genossen hatte, schien es heute noch viel besser zu schmecken. Als hätte Tyler etwas an dem Rezept verändert. Was er aber nicht getan hatte. Es lag nicht an einem neuen Gewürz oder andere Zutaten, es lag ganz alleine daran, dass Paige es gewesen war, die es ihm gegeben hatte. Denn manchmal war es wirklich nur der Gedanke, der zählte.
 

Sie war kurz davor gewesen die Hand zurück zu ziehen und sich zu entschuldigen, als Ryon doch mit vorsichtigen Fingern seinen Teller fasste und ihn ihr übergab wie eine Art Geschenk.

Mit der Frage im Kopf, ob er wohl glaubte, dass sie ihn auf diesem Wege vergiften wollte, häufte sie ihm eine riesige Portion auf das weiße Prozellan, bevor sie es ihm mit einem Lächeln zurück gab.

Auf das gemurmelte Danke hin nickte sie nur und stürzte sich anschließend mehr oder weniger auf ihr eigenes, leckeres Mittagessen.

Die Stimmung der Tischrunde blieb die gesamte Zeit über etwas merkwürdig. Paige hatte das Gefühl, Tyler wäre aufgedrehter als sonst und Ai würde ihr sehr oft einen strahlenden Seitenblick zuwerfen. Zumindest Tennessey schien sich aus dieser unausgesprochenen Hochstimmung ein wenig heraus zu halten. Er unterhielt sich mit Paige über ihre dämonische Natur. Darüber, dass er nachgelesen habe, ihre Verwandten in den heißen Gebieten würden tatsächlich in einer Kältestarre überwintern.

"Nein, das habe ich noch nie getan.", meinte sie lachend auf eine seiner Fragen, bezüglich ihrer eigenen Gewohnheiten.

"Ich denke, dafür ist meine menschliche Seite zu stark ausgeprägt. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, ich hätte zu viel Angst, etwas zu verpassen. Ein Winter ist lang, da kann Einiges vor sich gehen. Ich würde ungern im Frühling aufwachen und mich erstmal über alles informieren müssen."

Wobei es auch Vorteile hätte. Immerhin müsste sie sich über Monate hinweg keine Sorgen um Nahrung und andere Verpflegung machen. Das warf auch der Arzt ein, der sich wohl für eine Weile an diesem Thema festgebissen hatte, um seinem Forscherinteresse Genüge zu tun.

Als Tyler schließlich die Nachspeise auftrug - selbstgebackene Schokowaffeln mit Erdbeereis - sprach Paige mit ernster Miene noch einmal Ryon an.

"Hast du dir das Buch angesehen, das ich dir mitgebracht habe? Was hältst du davon? Hört sich sehr nach einer Spur an, wenn du mich fragst."
 

Manchmal wusste Ryon wirklich nicht, ob er Tennessey den Buckel zerkratzen oder ihm um den Hals fallen sollte.

Heute auf jeden Fall, wäre Letzteres angebracht gewesen, denn seine Fragen an Paige lenkten ihn von seinen eigenen Gedanke ab und so konnte er das Essen genießen und zugleich noch mehr über Paiges Natur erfahren.

Für ihn war es durchaus nachvollziehbar, dass sie auf eine Winterstarre verzichtete, da alles Mögliche in dieser Zeit geschehen könnte, ohne dass sie es mitbekam. Vor allem musste sie in dieser Zeit auch unglaublich schutzlos sein, wenn sie sich nicht ein sicheres Erdloch oder sonst irgend ein derartiges Versteck ausgesucht hatte.

Trotzdem, alleine die Möglichkeit einer Kältestarre überstieg sein Einfühlungsvermögen. Da ihm so unglaublich selten kalt war, konnte er sich diesen Umstand auch nur schwer an eigenem Leib vorstellen. Aber einen ersten Eindruck hatte er mit Paige zusammen in den Tunneln schon einmal bekommen.

Um ehrlich zu sein, er wollte so etwas nicht noch einmal mit ihr erleben. Nicht nur die Nähe, war nicht leicht gewesen, sondern auch die Tatsache, dass er nicht hatte wissen können, ob sie wieder aufwachte, ob sie dabei nicht sogar sterben könnte oder sonst irgendetwas, das hätte schiefgehen können. Diese Unwissenheit war es, die ihn dazu animierte, jetzt noch genauer zuzuhören.

Als er sich einen Löffel voll Erdbeereis gerade auf der Zunge zergehen ließ, richtete sich Paiges Aufmerksamkeit auf ihn und auch er wurde sofort wieder ernst, obwohl das an seinem Erscheinen keinerlei Unterschied aufwies.

„Ich habe es heute Morgen durchgelesen. Es war … interessant. Wie du schon sagtest. Ich denke, wir können schon einmal mit den Vorbereitungen der Reise beginnen. Wenn wir irgendwo weitere Hinweise finden, dann bestimmt dort.“

Es waren nicht nur die Aussichten auf weitere Informationen über das Amulett, die ihm so etwas wie Vorfreude verursachten, sondern das Land selbst, mit seinen Geheimnissen, Schätzen und der ausgeprägten Kultur. Allerdings gab es eine Sache, auf die er sich ganz und gar nicht freute.- Die dort herrschenden Temperaturen. Außerdem würden sie sicherlich nicht nur in einer Luxusabsteige ihre Zeit verbringen, sondern sich auch auf Feldforschung begeben müssen. Was hieß, dass keine Klimaanlage die Hitze etwas mildern könnte.

Aber ansonsten hatte er nichts dagegen, spärlich besiedelte Regionen zu erforschen, anstatt inmitten von dichtem Beton und Glas, zwischen armen und reichen Leuten, etwas zu suchen.

„Es gibt da ohnehin noch ein paar Dinge, über die ich mit dir sprechen muss. Es wäre angenehm, wenn wir das draußen an der frischen Luft erledigen könnten.“ Immerhin würde er wohl schon bald keine Bäume, Gras, viel Wasser und frische Luft mehr haben. Die Reise nach Ägypten war immerhin nicht nur etwas weiter als nach Paris, sondern bestimmt auch von längerer Dauer. Denn die Hinweise wurden langsam immer älter und somit auch immer schwieriger, ihnen nachzugehen. Obwohl das Bauch sehr gut geschrieben war.
 

Ryon wartete am See auf Paige, die sich noch etwas überziehen hatte wollen, da es heute bewölkt und somit relativ frisch war. Allerdings hinderte ihn das nicht daran, barfuß und nur mit einem dünnen, kurzärmeligen Hemd und leichter Hose bekleidet hier draußen zu stehen.

Als Paige kam, deutete er auf einen kleinen Pfad, der sich entlang des Sees wand, aber auch immer wieder etwas in den Wald hinein führte, wie eine Schlange, die sich um das Gewässer schlängelte.

„Lass uns ein Stück gehen.“, kündigte er an, was sie dann auch taten.

Die humusreiche Erde unter seinen Füßen, das feuchte Laub, die kleinen Steinchen, das alles schien er regelrecht in sich aufzusaugen. Während sein Blick erkundend durch die Gegend schweifte, er Gerüchen nach spürte und sich nach neuen Dingen umsah, die ihm in der Zeit seiner Abwesenheit entgangen waren. Hier und da fehlte ein Baum, andere wiederum waren in die Höhe geschossen und würden die alten ersetzen.

Man glaubte es vielleicht nicht, aber Ryon kannte dieses Grundstück so genau, als hätte er es persönlich angepflanzt. Jeder Stein, jeder uralte Stamm war ihm vertraut und selbst die Neuigkeiten waren schon bald wie etwas Altbekanntes. Das war sein Revier, ob er es nun zugab oder nicht.

„Wie haben sie dich erwischt?“, fragte er schließlich, nach dem sie ein Stückchen schweigend nebeneinander her gegangen waren.

„Hast du auch etwas angefasst, das dir das Bewusstsein geraubt hat? Bei mir zumindest war es ein Teddybär.“

Besiegt von einem Plüschtier. Gut, dass das sonst keiner gesehen hatte. Das würde ihm sonst vermutlich ewig nachhängen.
 

Es war ein schöner Tag und Paige genoss kurz den Blick auf den Blumengarten, während sie ihn im Laufschritt durchquerte, um zum See zu kommen. Das Gras war immer noch so feucht, dass es nasse Flecken auf ihren Stiefeln hinterließ. Alles sah frisch und grün aus und ließ auch Paiges Laune stark ansteigen. Selbst die Albträume waren inzwischen aus ihrem Kopf verschwunden. Im Gegensatz zu der leichten Scham, als sie Ryon nun so allein gegenüber trat.

In Gegenwart der anderen Hausbewohner hatte sie davon ausgehen können, dass die Vorfälle in der letzten Nacht nicht zur Sprache kommen würden. Oder auf jeden Fall nicht in einer Weise, die ihr wegen ihres persönlichen Verhaltens unangenehm werden würden.

Aber Ryon steuerte genau auf diesen Punkt zu, während er auf der Wald zugewandten Seite des Weges neben ihr herging. Wenn sie sehr viel Glück hatte - woran Paige mehr als nur zweifelte - dann würde er Taktgefühl beweisen und es nicht ansprechen. Aber ob sie damit rechnen konnte?

Mit großen Schritten versuchte sie sein Tempo zu halten, das Ryon bestimmt noch einigermaßen gemächlich vorkam. Seine Beine waren nunmal länger als ihre und wenn er es einmal wieder darauf anlegen sollte, ein Wettrennen mit ihr zu veranstalten, würde sie auch ein zweites Mal verlieren.

Interessiert sah sie eine Weile auf seine nackten Füße, während sie seine Frage beantwortete. Die Kälte machte ihm wirklich überhaupt nichts aus. In diesen Breiten konnte Paige das nur bewundern und ein wenig neidisch sein.

"Ja, ich hab was angefasst. An deinem Auto hing ein kleiner Zettel. Eingeklemmt unter dem Scheibenwischer. Ich dachte, dass es vielleicht eine Nachricht von dir ist. Danach war Sendepause."

Und bei ihm war es ein Teddybär gewesen? Paige lächelte, als sie nun doch zu seinem Gesicht hochsah. Ihr war klar, was er gemacht hatte, bevor sie ihn erwischt hatten.

"Die waren anscheinend vorbereitet. Der Bär war dort platziert, weil du mit den Kindern dort warst."

Sie hätte ihn gern gefragt, warum er das tat. Diese freiwillige Arbeit mit den Kleinen.

Was es jedem Anderen gebracht hätte, konnte Paige sich vorstellen. Aber Ryon? Wo er doch keinerlei Gefühle zuließ - sie nicht zulassen wollte. Sollte es nicht wie Säure auf seiner Haut sein, die Kinder zu sehen?

Es musste ihn doch an sein eigenes erinnern...

Wieder einmal verstand sie ihn nicht. Würde es wahrscheinlich niemals tun. Und obwohl es das Leichteste wäre, wollte sie das nicht hinnehmen.
 

„Anscheinend genauso gut vorbereitet, wie du. Ich will gar nicht wissen, wer mir noch alles hinterher spioniert.“

Dass sie das mit den Kindern wusste, hätte ihn ebenfalls genauso wurmen sollen, wie die Tatsache, dass er hier wohl so wenig Privatleben hatte, wie bei Big Brother. Allerdings empfand er nichts. Nicht einmal bei der Vorstellung, dass er zum Schutz der Weisenkinder die zukünftigen Samstage solange ausfallen lassen würde, bis sie diesen Zirkel erledigt hatten oder sie selbst erledigt waren. Dass ihn das eigentlich hätte schmerzen müssen, war ihm klar. Doch das tat es nicht. Da war einfach nichts.

Eine Weile schwieg Ryon, während sie nun etwas tiefer in den Wald gelangten. Es war wunderschön hier, weil es ein Mischwald war. Die Bäume standen nicht so eng aneinander und ließen durch ihr Blätterdach genügend Licht, um auf dem Boden Farn, Moos und sogar ein paar Kräuter wachsen zu lassen.

Zum Anpirschen war es vielleicht teilweise etwas ungeeignet, da kein sehr dichtes Unterholz herrschte, doch in seinem Revier befanden sich ohne hin keine großen Wildtiere, die er hätte erlegen können. Dazu war er früher immer außerhalb seiner Grenzen auf die Pirsch gegangen.

Er konnte sich kaum noch erinnern, wie es sich anfühlte, zu jagen.

„Paiges, ich muss etwas wissen.“, begann er schließlich, als der See langsam wieder zum Vorschein kam.

„Dieser Mann … dieser Magier oder was auch immer. Er hat deinen Willen kontrolliert. Das konnte ich nicht übersehen.“

Allerdings war er sich dessen nicht von Anfang an bewusst gewesen. Beim nächsten Mal würde er jedoch Bescheid wissen, nur sollten sie dafür sorgen, dass es kein nächstes Mal gab. Weswegen er auch genau dieses Thema ansprach. Vorsorge.

„Allerdings weiß ich nicht, wie er das geschafft hat. Nur dass er ein unglaubliches Talent dafür hat, so zum Himmel zu stinken, dass mir ganz schlecht wurde.“
 

Da ging der Wunsch nach Taktgefühl wohl für's Erste dahin. Obwohl er es nicht tat, was Paige mit einem kurzen Blick kontrollierte, fühlte sie sich von Ryon angestarrt.

So wie es sich anfühlte, mussten ihre Ohren mit ihren Wangen rot um die Wette leuchten und sie hoffte inständig, dass sie die Antwort ohne Stottern hinter sich bringen würde.

Ryon hatte sofort erkennbar gemacht, dass er von der Manipulation wusste. Es war nicht wirklich Paige gewesen, die sich von diesem Magier auch noch körperlich angezogen gefühlt hatte. Er hatte ihren Verstand vernebelt und sie auf diese Weise willenlos gemacht. Sie in seine Hände gespielt.

Und trotzdem schämte sie sich. Wäre da nicht die Tatsache, dass sie ihm sogar entgegen gekommen war, es wäre nur halbso schlimm und peinlich gewesen.

Sie schlang sich das große sandfarbene Tuch, das sie über dem Pullover trug fester um die Schultern und verschränkte die Arme, während sie weiter neben Ryon herging. Der Anblick des Sees wäre bestimmt schöner gewesen als der Weg und ihre Fußspitzen, aber sie konnte sich im Moment nicht von dieser Aussicht lösen.

"Ich denke, dass genau das der springende Punkt ist."

Ihre Stimme war leise und ruhig. Eher so, als wäre sie am Überlegen, als peinlich berührt. Auch wenn man das an ihrer Körperhaltung nur zu deutlich ablesen konnte.

"Das, was dir Übelkeit verursacht hat ... konnte mich in eine Art Hypnose versetzen. Ich habe mich schon darüber gewundert, dass der Geruch bei dir nichts Ähnliches ausgelöst hat."
 

Als sie ihm antwortete, warf er einen flüchtigen Seitenblick auf Paige, die ihren Blick auf den Boden geheftet hatte. Man erkannte sofort, dass ihr das Thema unangenehm war. Aber es würde wohl jedem so gehen, der zum Stillhalten gezwungen wurde, während man ihn verletzte.

Nicht mehr die Kontrolle über seinen eigenen Körper und Verstand zu besitzen, war etwas sehr Schlimmes. Ryon wünschte, der Magier wäre nicht so schnell abgehauen. Er hätte gerne noch länger an ihm herum genagt, trotz des erbärmlichen Gestanks.

„Nein, bis auf den Brechreiz, hat es bei mir nichts ausgelöst. Vielleicht ein Vorteil, den wir noch nutzen müssen. Obwohl ich wirklich hoffe, dass sich diese Szene nicht noch einmal wiederholt. Aber trotzdem sollten wir uns etwas einfallen lassen, wie wir dich davor schützen können.“

Auch wenn er im Augenblick absolut keine Ahnung hatte, wie das gehen sollte. Man konnte ihr ja schlecht verbieten, zu atmen. Doch vorübergehend wechselte Ryon das Thema.

„Wie glaubst du, wirst du in Ägypten zurecht kommen? Also, ich meine wegen der heißen Temperaturen. Das ist doch ein Vorteil für dich, oder?“

Bis auf Nachts, da wurde es ziemlich kalt. Wenn auch nicht so kalt, wie vermutlich in einer Wüste.
 

"Ryon?..."

Sie sah nun doch zu ihm auf, schob sich eine dunkle Haarsträhne hinters Ohr und blieb schließlich sogar stehen. Es fiel ihr nicht so schwer, wie man vielleicht glauben mochte, aber was sie zu sagen hatte, wollte sie mit Blick in seine Augen tun. Auch wenn es für Ryon selbst wahrscheinlich keinen Unterschied machte.

"Du hast mir nicht nur die Haut, sondern das Leben gerettet."

Wie sie erwartet hatte, verzog er keine Miene und nichts änderte sich an seinen Augen, obwohl sie so tief sie konnte, hinein sah. Immerhin hatte sie nicht nur dem Mann zu danken. Sie hoffte, dass die Worte bei beiden ankamen.

"Danke."

Mit einem Lächeln und keinem weiteren Wort zu dem Thema wandte sie sich wieder um und folgte dem kleinen Pfad entlang des Ufers. Jetzt hatte sie auch so viel Last von ihrem Herzen, dass sie die Natur um sich herum richtig würdigen konnte. Ob der See wohl natürlichen Ursprungs war? Oder hatte man ihn eigens hinter dem Haus angelegt?

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich mal neugierig erlebe.", meinte sie völlig wertfrei.

"Aber vermutlich hast du Recht. Die Hitze sollte zumindest meiner dämonischen Seite schmeicheln. Anders als bei euch Wandlern und Vollblutdämonen kann ich mit meiner menschlichen Seite noch Einiges kompensieren."

Sie grinste ihn an und meinte dann fast mitfühlend:

"Du wirst nicht der Einzige sein, der ins Schwitzen gerät, glaub mir."

Sie gingen noch eine Weile, die vielleicht bei einem anderen Gesprächspartner mit einem Scherz und einem Lachen überbrückt worden wäre.

"Denkst du denn, dass du echte Schwierigkeiten haben wirst? Ohne Fell sollte es doch hoffentlich auszuhalten sein?"
 

Als Paiges Schritte sich verlangsamten und sie schließlich stehen blieb, tat er es ihr gleich, drehte sich zu ihr herum und sah sie an.

Abwartend, was jetzt kam, blickte er ihr unverwandt in die Augen, die sich so sehr von seinen unterschieden, wie Leben und Tod. Paige war für ihn pures, flammendes Leben, das nicht auf den Mund gefallen war, auch ganz schön kratzbürstig sein konnte, wenn es die Situation verlangte und doch war sie ebenso fürsorglich, höflich, zuvorkommend, wie sie energisch, zielstrebig und gefährlich sein konnte. Wenn es etwas gab, das all diese Wesenszüge in einem Körper vereinen konnte, dann war es eine Frau. Dem konnte man nichts anderes mehr hinzufügen.

Ihren Dank nahm er nickend zur Kenntnis. Es wäre nicht nötig gewesen, aber darauf wollte er sie nicht hinweisen. Sie waren vielleicht nur Partner, aber aufeinander aufzupassen lag für ihn in der Selbstverständlichkeit dieser Beziehung. Nur so konnten sie ihr Ziel überhaupt ansteuern. Wäre es anders, sie hätten nicht einmal die gestrige Hürde geschafft.

„Nun, ich bin gerne vorbereitet und je mehr ich über dich weiß, umso sicherer wird unsere gemeinsame Reise sein. Du bist eine Frau mit Eigenschaften, die ich noch nie gesehen habe.“, gestand er ihr schließlich unumwunden, während er nach einem kleinen Zweig auf dem Boden griff und ihn sich ansah.

Die Nadeln und Zapfen deuteten auf eine Kiefer hin. Einer seiner Lieblingsbäume, da er sie nicht nur wunderschön fand, sondern sie auch so unglaublich gut rochen. Weshalb er auch den Zweig an seine Nase hielt und mit geschlossenen Augen den aromatischen Duft einsog.

„Um ehrlich zu sein, damals in den Tunneln habe ich kaum gewusst, was ich tun soll. Du hättest auch an Unterkühlung sterben können. Oder auch nicht, wenn man dein Wesen bedenkt, aber das konnte ich nicht wissen.“

Er öffnete wieder die Augen und richtete seinen Blick in den Himmel. Er war noch immer leicht bewölkt, aber die Sonne glitzerte schon ab und zu zwischen den Baumkronen hindurch. Vielleicht würde es heute doch noch schön werden.

„Was die Hitze bei mir selbst angeht, kenne ich die Antwort leider nicht wirklich darauf. Außer, dass ich vermutlich weniger Bedürfnis nach etwas zu Essen haben werde, da mein Körper die Nahrung nicht verbrennen muss, um meine Temperatur aufrecht zu erhalten, damit ich nicht friere.“

Aber das mit dem Schwitzen war schon richtig. Leider könnte das nicht das Einzige unangenehme werden. Ryon wusste aus Erfahrung mit heißen Sommern hier, dass er ganz schön mit Ermattung zu kämpfen haben würde. Hitze zwang ihn förmlich zur Ruhe, ob er es nun wollte oder nicht. Dann könnte er den ganzen Tag schlafen, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.

Als Ryon den Zweig wieder zu Boden gleiten ließ und seinen Blick wieder gerade aus richtete, konnte er schon das Haus zwischen den Bäumen hindurch scheinen sehen. Sie waren fast da und hatten somit den ganzen See umrundet.

Nun, er war nicht wirklich riesig, aber auch so hatte der Spaziergang ganz gut getan. Manchmal brauchte er diese Form der Erdung einfach. Besonders, vor und nach langen Reisen, die ihn in eine Umgebung zwangen, die eigentlich nicht die seine war.

„Was meinst du, sollen wir uns an die Reisevorbereitungen machen?“



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