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Wodka & Coffee

von

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Can I take you Home?

→ Suzie Hatcher
 

„Ich glaube, du solltest dich langsam wieder auf den Weg machen.“

Mein Blick wanderte auf den Boden, meine Arme hatte ich verkrampft verschränkt.

„Ich hab alle Zeit der Welt.“, sprach James vorsichtig und ließ seinen Blick auf mir ruhen.

„Aber es fängt an zu regnen.“, stellte ich als Widerspruch auf. Ich wollte, dass er wieder ging! Ich hatte eindeutig einen riesigen Fehler gemacht...und wenn er jetzt so schnell wieder verschwand, wie er aufgetaucht war, konnte ich die leise Hoffnung hegen, dass ich es nicht noch schlimmer machen würde. Doch er bewegte sich nicht einen Millimeter.

„Alles in Ordnung, wirklich. Ich hab ohnehin nichts mehr zu sagen.“ - Geredet hatte ich genug für heute. Zumindest mit ihm. „Wie du meinst.“, ergriff er erst nach einem weiteren Moment der Stille und zuckte mit den Schultern. Langsam begriff er wohl, dass ich ihn genau so ernsthaft wieder loswerden wollte, wie ich ihn am Anfang des Abends hatte hier haben wollen. Den silbernen Ständer seines Fahrrads weggeschoben, schenkte er mir einen letzten eindringlichen Blick, den ich zögernd erwiderte. Und als er mich so anschaute und ich über Jessys Worte nachdachte, handelte ich das erste mal für heute ohne zu zögern - Hatte mich doch bloß jemand aufgehalten...

[Lasst mich an dieser Stelle eingreifen, um Suzies Stolz zu verteidigen...! Für gewöhnlich verhält sich Suzie Hatcher nicht so wieder an diesem Abend - ganz sicher nicht! Suzie würde niemals auf die Idee kommen, jemanden von sich aus zu küssen...wie es sich für ein braves Mädchen gehört, wartet sie stets den ersten Schritt des Jungen in diese Richtung ab...Doch wie wir alle wissen: Sag niemals nie - denn gerade hatte sie es doch getan...]

Als ich meine Hand von seiner Wange zurückzog und einen Schritt nach hinten trat, damit er losfahren konnte, machte es jedoch kurz den Anschein, als wolle er doch nicht gehen.

Überrumpelt sah er mich an, schüttelte dann jedoch grinsend leicht den Kopf und warf mir ein ermutigendes Lächeln zu, als ich ihm signalisierte sich nun endlich auf den Weg zu machen. „Bis dann. Pass auf dich auf.“, waren seine leisen Abschiedsworte, dann verschwand er auf dem bloß leicht beleuchteten Weg. Ich hatte mich dazu gezwungen sein Lächeln zu erwidern und nickte auf seine Worte kaum merklich. Und noch ehe er um die erste Kurve gebogen war und ich ihn nicht mehr sehen konnte, rutschte mir das Lächeln völlig aus dem Gesicht. Was zur Hölle hatte ich da bitte gerade getan?!

Die kleinen Regentropfen fingen bereits an meine dünne Jacke zu durchweichen, als ich mich entschied Jessy zu suchen und den Abend zu beenden, doch nicht ich fand sie - sie fand mich. „Su, wie ist es gelaufen? Ich stand vorhin an der kleinen Brücke hinter dem Gebäude und konnte euch kurz sehen. Das hat wirklich eine halbe Ewigkeit gedauert!“

Ich winkte jedoch bloß ab und lief an ihr vorbei, zurück in das Gebäude aus dem laute Musik dröhnte und holte meine Tasche, um mich auf den Heimweg zu machen...

Wie ich hier gelandet war? Deprimiert und gedemütigt? Okay, weil ihr es seid werde ich diesen Teil der Geschichte dort anfangen, wo ich es zu Beginn der Seite bereits hätte tun sollen...
 

„Kein Alkohol Mädels, verstanden? Und ihr seid spätestens um 24 Uhr wieder Zuhause.“

Die Stimme meiner Mutter drang streng durch das Auto zu uns hinter, ich verzog auf ihre Worte jedoch bloß albern das Gesicht und brachte Jessy so zum Lachen.

„Hey! Das ist mein voller Ernst!“, verschärfte sie ihre Worte und warf uns durch den Rückspiegel einen warnenden Blick zu. „Okay, Mum.“, beschwichtigte ich sie seufzend und öffnete als der Wagen hielt sogleich die Tür, um auszusteigen.

Sie erwiderte meine Worte mit einem weiteren tiefen Seufzer, sagte aber nichts mehr und ließ uns somit ziehen. Grinsend lief ich um das Auto herum und begab mich mit Jessy den Weg entlang, der in eine kleine Halle führte wo heute verschiedene, unbekannte Bands des Umkreises auftraten und muntere Zuhörer sich einen netten Abend machen wollten.

„Hast du mit James gesprochen?“, wollte Jessy wissen, als wir durch die Eingangstür den abgedunkelten Raum betraten.

„Nein, ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht will, dass er kommt.“ - Lüge.

„Doch, tust du. Ich kenne dich, Suzie. Und ich kenne den Blick mit dem ihr euch schon die ganze Schulwoche in den Pausen anschaut. Zwischen euch beiden knistert es, das sieht selbst ein Blinder.“ - Wahrheit.

„Selbst wenn...heute Abend will ich nichts von ihm hören. Lass uns einfach einen drauf machen, wir waren lange nicht mehr unbeschwert feiern.“ - Zwei Lügen auf einen Schlag.

„Ruf ihn an. Sofort. Notfalls tue ich es! Er sucht ununterbrochen deine Nähe...und hättest du dich nicht so quer gestellt, hätte er dir das bereits alles selbst gesagt. Du hast ihn total entmutigt...jetzt wartet er, bis du auf ihn zugehst.“ - „...Ob ich es überhaupt tue...Nicht bis ich es tue.“, Jessy schenkte mir einen genervten Blick und öffnete gerade den Mund zum sprechen, als Oliver sie jedoch unterbrach. „Hey ihr beiden, heute auch hier? Cool!“

Erleichtert ließ ich mich von Oliver zur Begrüßung in den Arm nehmen und versuchte mit aller Mühe ein Gespräch mit ihm aufzubauen, damit er bloß nicht gleich wieder verschwand und Jessy keine Chance hatte, ihren Willen durchzusetzen...lange konnte ich nämlich nicht standhalten. Ich wusste, dass sie Recht hatte. Und um ehrlich zu sein, ging mir James ohnehin nicht mehr aus dem Kopf.

„Ich muss hinter die Bühne. Immerhin treten Josh und ich heute auch auf.“, die Zeit verflog viel zu schnell und zu meinem Unglück hatten mein Smalltalk Oliver nicht vom Gehen abhalten können...und Jessy war obendrein aufgefallen, was ich vorhatte.

Sich vor mir aufgebaut, stemmte sie streng die Hände in die Hüften.

„Ruf ihn an und sprich mit ihm. Stehe dazu, dass du dich in James verliebt hast und gib ihm eine Chance! Er will doch selbst nichts anderes.“, ging ihr Vortrag weiter.

Wer oder was konnte mich jetzt noch retten? Ich musste auf ein Wunder hoffen...welch ein Glück, kam dieses gerade die Tür hinein.

„Schau mal, da ist dein Mr. Redhead.“ - lenkte ich gekonnt vom Thema ab und schon hatte Jessy den Faden verloren und sah sich neugierig um.

„Nenn ihn nicht so, er heißt Patrick!“, ihre Stimme war leiser geworden, gar so als dachte sie er könne uns vielleicht hören, was mich sichtlich amüsierte.

„Okay, ich mach es dir vor! Ich werde jetzt da rüber gehen und ihn ansprechen! Und wenn ich es geschafft habe meine Mut zusammen zu nehmen, tust du das gefälligst auch!“

Die Wette gefiel mir. Bis heute hatte sie sich nicht einmal getraut ihm den Stick zurück zu geben, da sie immer der Meinung war keinen angemessenen Zeitpunkt zu finden, um auf ihn zuzugehen. „Abgemacht.“, ging ich zufrieden grinsend darauf ein und zuckte lässig mit den Schultern. „Gut, dann mal los! Bringen wir es hinter uns!“

Für einen kurzen Moment hatte sie mich überzeugt und leicht ins Schwitzen gebracht...wie sie so vor mir stand, ihre Haare ein letztes mal richtete und tief Luft holte bevor sie los lief.

Ich stand in sicherer Entfernung und wartete nervös darauf, dass sie doch umdrehte und kniff...damit würde sie mich zumindest retten. Und wofür waren beste Freundinnen da, wenn nicht unteranderem fürs Retten der besseren Hälfte?

„Hey, Suzie!“, sprang mich plötzlich aus dem Nichts Julie, Jessicas kleine Schwester, an und nahm mich fröhlich in den Arm. „Wo ist Jess?“, wollte sie wissen und folgte mit dem Blick meinem Finger, der in ihre Richtung deutete. Noch immer schlich Jessy unauffällig in der Nähe von Patrick herum, doch als ihr auffiel, dass wir sie beobachteten, wollte sie wohl wirklich ernst machen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und fixierte ihr Opfer wie eine Raubkatze auf der Jagd. Ihre Schritte beschleunigten sich und es schien so, als könne sie nichts von ihrem Ziel ablenken - doch mit dieser Annahme irrten wir.

Als sich ein blondes Mädchen vor ihr an Patricks Seite schlich und ihn offenherzig ansprach, legte Jessy eine unelegante 180° Drehung hin und machte sich feige und entmutigt aus dem Staub. „Hoffnungsloser Fall.“, lachte Julie schadenfroh und schüttelte den Kopf. Ich für meinen teil vergaß das lachen und dankte der schlanken Blondine innerlich. „Ich geh zu ihr, viel spaß noch heute Abend, Kleines.“, kaum hatte ich Jessy ausfindig gemacht, traf mich ein völlig von Selbstzweifel überfallener Blick.

„Diese blöde Kuh! Was fällt ihr ein...? Ich hätte es wirklich fast getan!“, jammerte sie betroffen. Nun ging es mir nicht mehr um unsere kleine Wette, jetzt tat sie mir lediglich Leid. Schweigend setzte ich mich zu ihr auf die Bank am Rand des Saals und streichelte ihr kurz aufbauend über den Oberarm. „Okay...ich mach den ersten Schritt.“

Wieso ich nun nachgab? Auf der einen Seite wusste ich, dass es Jessy Mut machen würde...und auf der anderen musste ich zugeben, dass mir danach war James zu sehen und mit ihm über meine möglichen Gefühle zu sprechen bevor eine andere ihn mir wegschnappte. Mein Handy aus der Hosentasche gezogen, suchte ich bereits nach seiner Nummer, während Jessy mich bloß überrascht ansah.

„Wenn du mich fragst, solltest du dich auch etwas ins Zeug legen. Von nichts kommt nichts.“, und schon hatte ich die Nummer gefunden und klingelte mein Unglück seufzend an. Was ich ihm sagen wollte? Ich hatte nicht die geringste Ahnung.

Während mich die Erkenntnis einholte, dass nicht nur Jessy mich hatte vor einer Blamage retten können, sondern auch James selbst indem er - wie gerade der Fall - nicht abhob, wanderte Jessys Blick nachdenklich durch den Raum.

Mein Handy wieder in die Hosentasche geschoben, hob ich die Schultern an.

„Scheint unterwegs zu sein.“, auf der einen Seite stellte es mich zufrieden...doch irgendwie...ärgerte ich mich auch darüber. Jetzt, wo ich wirklich diesen Schritt gewagt hätte, gab er mir nicht die Chance dazu - das Timing war wirklich erbärmlich.

„Kerle sind das Letzte. Und jetzt? Ist der Abend schon gelaufen, bevor er angefangen hat?“

Ohne etwas zu antworten suchte ich nach einer möglichen Rettung...und wieder stach mir Patrick ins Auge. Er stand alleine an der Bühne und lauschte den ersten Klängen der ersten Band des Abends. „Geh zu ihm. Noch ist er alleine, und diesmal...beeil dich.“

Jessy auf die Beine gezogen, schubste ich sie sacht in seine Richtung...und siehe da, sie lief wirklich vor und diesmal erwischte sie ihn auch. Zufrieden grinsend beobachtete ich das Geschehen und spürte, wie sich Neid in mir aufbaute. Nicht, weil ich es ihr nicht gönnte...lediglich, weil ich mir jetzt - wo sich mir die Chance heute Abend nicht mehr zu bieten schien - nichts mehr wünschte, als Jessys Rat doch durchzuziehen und ehrlich mit James über uns zu sprechen... So wie es im Moment lief, konnte es immerhin auch nicht weiter gehen. Man merkte stets, dass etwas zwischen uns in der Luft lag und wir gingen ganz anders miteinander um, als ich es eigentlich gewohnt war...und obwohl es anders war, gefiel es mir. Ich wollte nicht, dass mir die Chance von meiner ersten glücklichen Beziehung davonlief. „Su?“, nahm ich Marrys Stimme wahr. Als ich mich schwungvoll umdrehte, sah ich direkt in ihr freundliches Gesicht und grüße sie herzlich.

„Bist du nicht mit James hier? Ich dachte ihr seid in letzter Zeit nur noch zusammen aufzufinden.“ - es wäre doch zu schön gewesen, aber so war es wohl nicht.

„Ach, Unsinn.“, gab ich leise lachend zurück und vernahm plötzlich das Klingeln meines Handys. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr etwas unbedingt durchziehen wollt und es nicht funktioniert...doch wenn sich euch auf einmal doch die Möglichkeit dazu bietet, würdet ihr am liebsten kneifen? Nein? Tja...zu schade, sonst wüsstet ihr wie ich mich fühlte, als ich James Namen auf dem Display meines Handys erkannte. „Ich...muss da ran.“, entschuldigte ich mich bei Marry und hob schweren Herzens ab. „Hallo?“

„Suzie? Hey. Du hattest mich angerufen...ich hab mein Handy nicht gehört, sorry. Was gibt‘s denn?“, wollte er fröhlich klingend wissen. Jetzt oder nie. Meine Augen zusammengekniffen und mir nervös durchs Haar gefahren, legte ich mir im Kopf passende Worte zusammen, die nur angestrengt meine Lippen verließen.

„Ja, ich...wollte mit dir reden. Es ist wichtig...glaube ich.“

„Ähm...jetzt? Am Telefon?“, er hörte sich unsicher an. Doch meine Unsicherheit übertraf seine mit Leichtigkeit. Ich rannte in mein Verderben...in unser Verderben.

„Jetzt wäre perfekt. Allerdings...ist es am Telefon etwas ungünstig.“

Verlangte ich gerade, dass er hier vorbei kam? Nein, das konnte ich wohl kaum.

„Wo bist du? Soll ich vorbeikommen? Hier liegen schon alle im Bett...ich schnapp mir mein Fahrrad und fahre schnell zu dir rüber, wenn du möchtest.“

„Das...musst du nicht. Ich bin auch gar nicht Zuhause. Ich bin mit Jessy unterwegs. Auf der Feier, von der wir in der Schule geredet haben. Erinnerst du dich? In der Stadthalle.“

„Okay, schon verstanden. Ich komm kurz rüber.“ - „Nein, schon okay!“

Und schon hatte er leise lachend aufgelegt und ich starrte ungläubig auf den hell erleuchteten Bildschirm. Kam er wirklich vorbei? Und wenn ja, was sollte ich sagen?

„Ich hab es gepackt! Puuuh! Und wir haben uns ganz nett unterhalten...ich bin zwar geflüchtet, als Schweigen eingebrochen ist, weil ich es nicht ertragen konnte aber...immerhin. Wenn das mal nicht mindestens ein klein wenig Eindruck gemacht hat.“

Jessy hatte sich von hinten an mich herangeschlichen und grinste mich nun stolz an.

Von ihren Selbstzweifeln keine Spur mehr...welche Macht Männer doch haben konnten.

Sie schief angegrinst versteckte ich mein Handy hinter meinem Rücken und stand verkrampft vor ihr, was ihr jedoch erst auf den zweiten Blick aufzufallen schien.

„Alles okay? Hat James noch mal angerufen? Oder was hast du hinter dir in der Hand?“

„N-Nichts! Ich...also...eigentlich...Naja.“, stammelte ich kleinlaut vor mich her.

„Su...komm schon. Raus mit der Sprache!“

„Wir haben nur kurz telefoniert. Aber er kommt nicht vorbei.“

„Was? Wieso nicht? Hast du ihn nicht darum gebeten?“

„Nein, wozu auch? Es ist spät und außerdem...“

„Gib mir dein Handy du feiges Huhn!“, unterbrach sie mich ungeniert und streckte ruckartig die Arme aus, um mir mein Handy zu entreissen. „Lass das!“, forderte ich und schlug abwehrend ihre Arme weg, dadurch bekam sie jedoch die Hand zu greifen in der sich mein Telefon befand. „Alleine scheinst du es ja nicht auf die Reihe zu bekommen!“

„Doch, ich hab es doch versucht, aber das kann ich nicht verlangen. Ich rede wann anders mit ihm!“ - „Von wegen! Jetzt hab ich dich endlich soweit, da musst du es auch jetzt tun...morgen streitest du wieder alles ab und ich kann mit meinen Reden von vorne anfangen!“, schimpfte sie verärgert. Und kaum hatte ich einen Moment nicht richtig aufgepasst, hatte sie mein Handy in ihren Griffen. „Ha!“

„Su?“, erneut ertönte Marrys Stimme hinter mir, ich signalisierte ihr jedoch, dass ich gerade nicht konnte. „...Was macht James draußen?“, bei diesen Worten hielten Jessy und ich jedoch plötzlich in unserer Rangelei inne und drehten unsere Köpfe gleichzeitig zu ihr hinter. „James ist hier?“, fragte ich sie erschrocken und merkte, wie sich die pure Panik in meiner Magengegend durch leichte Magenkrämpfe breit machte.

„Guter Junge!“, stieß Jessy glücklich aus und warf mir mein Handy wieder zu.

„Und jetzt raus mit dir, tu was du tun musst. Ich zähle auf dich. Und keine Panik...alles wird gut. Ich verspreche es dir, meine Liebe.“, sie nahm mich aufbauend in den Arm und schickte mich dann erneut raus in die Dunkelheit.

Es dauerte einen Moment bis ich mir vor der Halle einen Überblick geschaffen hatte...überall standen Jugendliche. Sie tranken, kifften, lachten, brüllten...

Und als ich gerade wieder reingehen wollte, weil ich dachte, dass Marry sich geirrt haben musste, traf mein Blick James‘.

Mir auf die Unterlippe gebissen, sah ich ein, dass es kein Entkommen mehr gab und lief zu ihm hinüber. Ob ich auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht hatte, was ich ihm sagen wollte? Nein, und genau das würde sich gleich bemerkbar machen.

„Du hättest nicht kommen müssen...“, ergriff ich das Wort unsicher noch bevor ich vor ihm stand. James sah mich an und zuckte gleichgültig mit den Schultern: „Ich weiß.“

Meinen Blick gesenkt, suchte ich bereits jetzt nach Worten, die den Anfang machen sollten.

Genau aus diesem Grund machte ich so etwas nicht...dazu hatte ich nicht die Eier in der Hose. Zwar war ich eine Frau und wunderbar im Reden, doch mit der Gefühlsduselei hatte ich es nicht so. Die Freiheit offen und ehrlich über meine Gefühle zu sprechen hatte ich als Kind eindeutig nicht mit Löffeln gefressen...

„Es hat sich wichtig angehört...also? Was ist los, Su?“

„Also...ich...Ich bin nicht gut in so was. Und eigentlich hab ich auch nicht darüber nachgedacht, was genau ich dir sagen wollte. Das war...mehr eine spontan Aktion.“, verrannte ich mich in Worte, während er sich an sein Fahrrad lehnte und mich geduldig anblickte. „Zwischen uns hat sich einiges geändert...zumindest werde ich das Gefühl nicht los und...ich hab dich wirklich sehr gerne.“, nach diesem Satz hielt ich inne und holte tief Luft, mein Blick hing noch immer am Boden.

„Und wer weiß...vielleicht könnte das mit uns...“, und wieder kam ich nicht gleich weiter.

„Ja?“, hakte er nach einem Moment nach. Doch anstatt weiter zu sprechen, sah ich ihn an und verzog ratlos das Gesicht, was ihn auf eine seltsame Art und Weise zu unterhalten schien. Anstatt weiter nachzufragen, griff er meine Hand und zog mich in den Arm.

„So kenn ich dich gar nicht. Sonst stellst du dich nicht so an.“

„Ja, mach dich noch lustig über mich. Streu richtig Salz in die Wunde, darauf steh ich.“

„Ich mache mich nicht lustig über dich. Ich versuche dir nur zu vermitteln, dass es keinen Grund gibt, dass du so um Worte rangst.“, seufzend vergrub ich mein Gesicht an seiner Brust und atmete ruhig bis ich mich etwas entspannt hatte.

„Okay, also...was ich dir sagen wollte.“, fing ich erneut an und ließ von ihm ab.

„Ich glaube, dass das mit uns mittlerweile mehr ist als bloß eine gute Freundschaft.“

Und obwohl es reine Worte waren, die ich da sprach fühlte es sich an, als würden sie bloß aus meinem Mund strömen, um mich innerlich zu verprügeln...James ließ mich nun nicht einmal mehr weiter sprechen, als ich erneut Luft holte.

„Ich weiß nicht mehr genau, was das mit uns ist. Du bist einer der wichtigsten Menschen meines Lebens. Und ich könnte es nicht ertragen, ohne dich zu sein, Su. Aber...seit wir letzte Woche gesprochen haben, habe ich viel nachgedacht. Und vielleicht hast du Recht. Vielleicht bringt es nichts dir deine Freiheit zu rauben und ich sollte nach den Mädchen schauen, die direkt vor meiner Nase herumtanzen.“, ich zog angestrengt die Augenbrauen zusammen. Moment...hatte er mir gerade gesagt, dass mein letzter Plan aufgegangen war und ich ihm eine andere schön geschwätzt hatte? Das war nicht sein Ernst...

„Das habe ich eigentlich gar nicht so gemeint...eigentlich meinte ich, dass...“

„Vielleicht sollten wir noch einmal in Ruhe reden, wenn wir beide sicher wissen, was wir wollen. Halbe Sachen sind nicht so mein Ding.“

„Ich glaube, dass ich dich will!“, nun wurde meine Stimme lauter.

„Ja...ich glaube auch, dass ich dich will. Aber glauben ist nicht wissen. Und wer weiß, vielleicht liegt es mir auch besser mein Singleleben zu genießen.“

Seine Worte ließen mich fast aus den Schuhen kippen, ich hatte nichts, was ich darauf sagen konnte, also schwieg ich und verschränkte bloß nachdenklich die Arme.

[Und damit wären wir wieder am Anfang des Kapitels angelangt...jetzt habt ihr alle Hintergrundinformationen des Abends und miterlebt, wie ich meinen ersten Korb ausgeteilt bekommen hatte. Es war nicht so, dass ich sauer auf ihn war. Oder ihn nicht verstand. Nein, ganz im Gegenteil - Ich verstand ihn sehr gut. Und eigentlich war ich auch bloß sauer auf mich...und meine Feigheit. Hätte ich bloß vor einer Woche nicht gekniffen! Aber das hatte ich...und dadurch hatte ich meine James-Freikarte in eine Menge von wildfremden Mädchen geworfen, die sich nun darum schlagen durften. Wieso ich mich doch dazu durchrang ihm zum Abschied einen Kuss aufzudrücken? In Filmen half das doch immer, oder? Hätte man mich mal lieber ein weiteres mal daran erinnert, dass das Leben kein Film war, denn da stand ich nun, als James wieder gefahren war. Alleine im Regen - perfekt.]

„Su...du hast ihn geküsst, stimmt‘s? Ich wollte nicht schauen...aber ich war so neugierig. kaum zu glauben, dass du wirklich immer bekommst, was du willst. Bei jedem Kerl davor war es auch so. Ich muss mir echt Nachhilfe von dir holen, Su. Du bist mein großes Vorbil-!“ - „Er will keine Beziehung. Ich habe verloren, nicht gewonnen.“, unterbrach ich ihr aufgeregtes Gerede trocken und wich ihrem Blick aus.

„W-Was?“, flüsterte sie leise und schraubte ihre Aufregung zurück.

„Nein, das ist unmöglich...die Zeichen waren so eindeutig.“

„Anscheinend ja nicht.“, entgegnete ich ihr nun fast schon giftig. Merkte sie nicht, dass ich nicht darüber reden wollte? Dass ich schlechte Laune hatte? Dass der Abend der wohl schlimmste für mich seit langem war? „Ich hasse Männer.“

Und noch bevor Jessy passende Worte fand, klingelte mein Handy erneut - Percy.

„Was gibt‘s?“, hob ich missmutig ab und machte mir keine Mühe, freundlich zu klingen.

„Süße! Guten Abend!“, hallte mir seine Stimme angeheitert und laut entgegen.

„Hast du niemand anderes gefunden, den du besoffen anrufen kannst?“

„Wir sind auf dem Weg zu euch. Jessy hat mir vor ein paar Tagen gesagt, dass ihr heute feiern geht. Und wir haben ein bisschen vorgeglüht und wollen nun mit euch die Nacht zum Tag machen, also kommt raus. Wir sind gleich da.“ - Und schon hatte er wieder aufgelegt. „Wer war das?“, wollte Jessy gleich wissen und traf meinen nachdenklichen Blick. Eigentlich war ich alles andere als in Feierstimmung... doch irgendwie klang das besser, als nach Hause zu fahren und zu schmollen.

„Percy, wir sollen rauskommen. Er wartet mit irgendjemand anderes auf uns.“

„Percy? Ich dachte, du willst nichts trinken heute Abend...“

„Da hatte man mich auch noch nicht überraschenderweise abserviert.“
 

Von Stunde zu Stunde wurde das Getummel vor der Halle größer.

Jessy und ich hatten uns auf überdachte Fahrradständer gesetzt und unsere dünnen Jacken enger gezogen. Mittlerweile hatte es heftiger begonnen zu regnen und von den Jungs war noch keine Spur...„Vielleicht haben sie sich betrunken verlaufen.“, überlegte Jessy laut und warf einen Blick auf die Uhr. „In einer Stunde werden wir abgeholt und müssen wieder Heim. Das lohnt sich sowieso nicht.“ Mein Kleid zurecht gezogen und die Leggins betrachtet, die ich trug, entfuhr mir ein leises Seufzen.

„Mädels!“, rief man uns überraschenderweise übermütig entgegen.

Sie hatten sich also doch nicht verlaufen. Percy schwankte munter auf uns zu, gefolgt von einem mir unbekannten brünetten Kerl, der noch um einiges sicherer auf den Beinen zu stehen schien. „Das ist Tobi.“, klärte mich Jessy kurzer Hand auf, da sie Percy öfter sah als ich und seine Freunde dementsprechend besser kannte. Kaum standen die beiden vor uns ließ Percy sich feierlich empfangen und stellte seinen Rucksack vor uns auf dem Boden ab. „Okay, also...damit ihr Bescheid wisst - Der Inhalt ist heilig!“

Lachend beobachtete ich Percy beim sprechen und schüttelte den Kopf über ihn.

Tobi stellte sich mir zurückhalten vor und vergrub seine Hände in den Jackentaschen. Er schien um einiges ruhiger und schüchterner zu sein als Percy, vielleicht brauchte er aber auch bloß einen Moment um aufzutauen.

„Und was hast du uns mitgebracht?“ - „Ne Menge...wir haben Bier,Met und natürlich darf euer bester Freund,der Wodka, nicht fehlen. Entweder ihr trinkt ihn pur, oder ihr missbraucht zum Mischen unsere Cola. “, Percy zog eine Flasche nach der anderen aus dem Rucksack und stellte sie behutsam vor uns auf den Boden.

„Ich bleibe unserem Wodka treu.“, legte Jessy fest und beäugte die Flaschen skeptisch.

Nickend öffnete Percy die Flasche und reichte sie Jessy, die einen Schluck nahm und das verführerische Gift dann weitergehen ließ.

„Ein Wunder, dass dir nicht kalt ist.“, richtete Tobi die ersten Worte an mich und begutachtete mein schwarzes Stoffkleidchen,welches mir bis zur Mitte meines Oberschenkels reichte. „Leggins halten warm.“, gab ich lächelnd zurück. Leider hatte er jedoch recht...es war durchaus frisch. „Du frierst immer. Selbst im Sommer - hier.“

Percy hatte im null komma nichts seine Lederjacke ausgezogen und legte sie mir um die Schultern. Sie lag schwer auf mir und war so lang wie mein Kleid.

Ohne mich zu wehren grinste ich ihn an und schlüpfte mit den Armen bereitwillig in die viel zu langen Ärmel. Mich wieder gesetzt, ging der typische Smalltalk los, während wir uns immer wieder an dem vorhandenen Alkohol bedienten.

Die Zeit verflog wie am Schnürchen und sogar meine Gedanken ließen mich langsam los.

Doch hatte Alkohol eine ganz einfache Wikung auf mich...bereits nach den ersten Tropfen fing ich an zu reden wie ein Wasserfall. Und so kam mein Problemchen schnell wieder auf den Tisch und auch Jessy erfuhr endlich die ganze Geschichte.

„Er ist ein Arsch, vergiss ihn.“, mischte sich Tobi ein, Percy stimmte ihm zu.

„Nein, Unsinn! Du hättest nun mal nicht sagen sollen, dass du bloß glaubst ihn zu wollen. Lerne Klartext zu sprechen, Mäuschen!“, mischte Jessy mit.

Die Augen verdreht, ließ ich meinen Kopf kurz angestrengt auf die Schulter von Tobi fallen, der neben mir saß. „Das hilft bei so Kerlen eh nicht. Such dir jemand anderes.“, widersprach Tobi ihr. Meinen Kopf wieder angehoben, nahm ich noch einen Schluck aus der Wodkaflasche und lauschte ihrer Diskussion.

„Du kennst ihn doch garnicht Tobi, er ist kein schlechter Mensch!“

„Mir langt, was ich gehört habe. Was sollte das?“

„Du übertreibst...er war sicher auch bloß unschlüssig.“, Jessy drehte den Kopf patzig von Tobi weg und sah mich streng an. „Noch ist nichts verloren!“ - doch ich hörte sie garnicht.

Ich machte mir meine eigenen Gedanken...aufgeben? Das war nichts für mich. Ich würde ihn schon noch bekommen! Irgendwie...Irgendwann...

„Suzie-Schatzchen!“, mischte sich plötzlich lautstark Percy ein und zog mich zu sich auf die Beine. Grinsend kam er meinem Gesicht mit seinem Näher und legte mir den Arm um die Schulter. „Merkst du nicht, was Tobi versucht? Er bietet sich dir an. Nimm doch ihn.“

Und noch bevor ich etwas sagen konnte, hatte er mich zu ihm geschubst, sodass ich ihm geradewegs in die Arme fiel. „Percy! Lass den Unfug!“, schimpfte ich ihn und rutschte wieder von Tobi weg. „Genau, das ist Schwachsinn!“, stärkte mich Jessys Stimme, doch unser Schauspiel wurde von einem lauten Hupen unterbrochen.

„Huh?“,unsere Köpfe drehten sich gleichzeitig auf die Seite. Jessys Stiefvater war bereits hier und wartete darauf uns einzusammeln und Taxi spielen zu können.

„Oh, Mist! Hoffentlich steht er noch nicht lange da...komm Su.“, Jessy war schnell aufgesprungen und vorgelaufen, mich hielt Percy jedoch fest.

„Bleib doch noch ein bisschen. Wir bringen dich später Heim.“

„Achja? Und wie? Laufen können wir nicht, zu mir ist es zu weit. Und zum Fahren bist du nicht mehr fähig.“ - „Wir legen etwas Geld zusammen und fahren mit nem Taxi.“

„Su, kommst du?“, rief mir Jessy zu und winkte mich zum Auto hinüber. Zögernd biss ich mir auf die Unterlippe und sah die beiden Jungs abwechselnd an.

„Würde uns freuen.“, Tobi sprach leise und lächelte mich schief an.

Mir kurz das Haar über die Schultern geworfen, sah ich zu Jessy und hob die Schultern an.

„Die Jungs nehmen mich mit heim. Frag doch, ob du auch noch etwas bleiben darfst. Dann nimmt er halt jetzt nur deine Schwester mit.“ - doch Jessy durfte nicht und so blieben wir zu dritt zurück, was bedeutete, dass eindeutig zu viel Alkohol vorhanden war. Zu unserem Unglück...nach ein paar weiteren Schlücken, einer Menge Gesprächsstoff und unauffälligen Annährungen, fand ich mich irgendwann im Arm von Tobi wieder. Mittlerweile befand sich kaum noch jemand vor oder in der Halle und auch ich begann müde zu werden. „Jungs? Lasst uns gehen.“, dass ich um 12 bereits hätte Zuhause sein sollen und nun viel zu spät ankommen würde, war mir egal...auf ein bisschen mehr Ärger an diesem Abend kam es auch nicht mehr an. Wir bestellten uns also ein Taxi, quetschten uns zusammen auf die Rückbank und unterhielten uns bestens mit dem Fahrer. Ich wurde zuerst bei mir abgesetzt und verabschiedete mich dankbar bei den beiden Jungs, die sich alle Mühe gegeben hatten, meine Laune zu heben. „Und denk dran, Su. Du bist ein Mensch, der das Glück hat immer zu bekommen, was er will. Lass dich also bloß nicht unterkriegen.“, Percy tätschelte mir grinsend den Kopf, dann ließ man mich gehen.

Mir alle Mühe gegeben leise zu sein, schlich ich durchs Treppenhaus hinauf in unsere Wohnung. Nicht einmal meine Schuhe ausgezogen, schloss ich die Haustür auf. Ohne das Licht anzuschalten tapste ich durch unser Esszimmer, um in den Flur und dann in mein Zimmer zu gelangen. Von dem Esszimmer aus konnte man in unser Wohnzimmer blicken, wo sich meine Mutter auf der Couch eingenistet hatte und schlief. Immer diese Aufpasser...seufzend pustete ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wollte weiter gehen. Zu meinem Unglück stolperte ich über meine eigenen Füße und konnte mich nur schwer vor einem Sturz bewahren...und um alles noch schlimmer zu machen, weckte ich meine Mutter durch meine Ungeschicktheit auf und durfte mir einen langen Vortrag über die Gefahren der Nacht anhören. „Das war es mit dem Weggehen für dich!“, waren ihre letzten Worte und ich flüchtete endgültig in mein Zimmer...Hausarrest. Wenn ich Glück hatte, musste ich auch nicht in die Schule. James wollte ich ohnehin nicht sehen...



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