Zum Inhalt der Seite

Herr der Ringe "Eine Frau in der Gemeinschaft des Ringes"

~Überarbeitete Vision~
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ungewollte Reise

Die Regentropfen schlugen hart auf den Boden auf und veranlassten die Menschen dazu, sich so schnell wie möglich nach Hause zu begeben oder sich einen Unterschlupf zu suchen. Nur die wenigsten hatten Regenschirme bei sich, da es bis vor einigen Minuten noch wolkenlos und angenehme 30 Grad war. Kiran sauste zwischen anderen Passanten hindurch und versuchte, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Sie hasste Regen. Ihre Kleider klebten wie eine zweite Haut an ihr und ihre nassen Haare wurden immer schwerer, da sie sich immer weiter mit Wasser vollsogen. Kiran schimpfte leise vor sich hin, wärend sie darauf achtete, keinen anderen Menschen umzurennen und trotzdem so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.

"Kiran!"

Kiran wand den Kopf, als sie eine vertraute Stimme hörte und entdeckte Beth, ihre beste Freundin und Mitbewohnerin, an der Bushaltestelle stehen. In dem kleinen Häuschen drängten sich schon recht viele Menschen, doch trotz allem lief Kiran zu ihrer Freundin hinüber.

"Hy Beth. Was machst du denn hier? Müsstest du nicht in der Uni sein?"

Beth wrang sich gerade ihre hüftlangen silberblonden Locken aus und richtete sich dann zu ihrer vollen, und beeindruckenden Größe von sage und schreibe 1m85, auf und winkte mit einer eleganten Handbewegung ab.

"Ach, lass mal die Uni. Würde sowieso nur noch zwei Stunden gehen. Bei dem schönen Wetter hatte ich keine Lust, mich in einen Höhrsaal mit 40 anderen Studenten zu drängeln und einem alten Professor mit einer einschläfernden Stimme zuzuhören. Ich war gerade auf den Weg in den Park, als mich das Unwetter überraschte. Und du?"

Kiran hob nur wortlos die schwere Einkaufstüte und Beth verzog verlegen den Mund.

"Sorry, Süße. Ich hab's wieder mal vergessen."

Kiran hob eine Augenbraue an.

"Wieder mal ist gut, Beth. Du vergisst ständig den Einkauf. Wieso bleibt eigendlich der Haushalt an mir hängen? Du machst nichts."

Beth warf ihre, noch immer feuchten Locken, auf ihren Rücken zurück und erwischte dabei einen jungen Mann, der ebenfals Schutz vor dem Unwetter gesucht hatte. Dieser drehte sich empört zu Beth um.

"Können Sie nicht aufpassen? Ich bin schon nass genug, da müssen Sie nicht noch für eine zusetzliche Dusche sorgen."

Beth zwinkerte Kiran schnell zu und formte mit dem Mund das Wort "Frischfleisch" und drehte sich dann mit einem betörenden Augenaufschlag zu dem jungen Mann um.

Diesem fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er in Beth sturmgraue Augen blickte und er schien jedliche Beschimpfung vergessen zu haben. Als Beth dann auch noch mit ihrer verführerischen rauchigen Stimme eine Entschuldigung flüsterte, war es endgültig um den Mann geschene. Kiran verdrehte nur die Augen.

"Wir sehen uns später."

Beth antwortete ihrer besten Freundin nicht, doch Kiran wusste, dass man sie gehört hatte. Mit einem missmutigen Blick gen Himmel machte sie sich wieder auf den Weg nach Hause.
 

***
 

Die Tür fiel geräuschvoll ins Schloss und Kiran stellte die Einkaufstüte in den Flur, damit sie sich die Schuhe ausziehen und in ihre Hausschuhe schlüpfen konnte. Seufzend hob sie die Tüte wieder auf und ging in die große Küche.

"Mel? Bist du da? Mel!"

Wärend Kiran auf ihre zweite Mitbewohnerin wartete, räumte sie die Einkäufe weg und bereitete alles zum Kochen des Abendessens vor. Nachdem sie die Kartoffeln geschält, gewaschen und in Scheiben geschnitten hatte, hörte sie eine Tür aufgehen. Kurz darauf huschte Kitty, das Haustier der drei Freundinen in die Küche, um sich an Kiran's Bein zu reiben.

"Hallo Kitty. Na, hast du wieder mal bei Mel im Bett geschlafen?"

Wie als wolle ihr die alte Katze antworten, setzte sie sich hin und mautzte Kiran an. Als sie die schlurfenden Schritte von Mel hörte, sah Kiran zur Küchentür. Eine total verschlafene Mel stand da und rieb sich müde die Augen. Ihre dunkelbraunen Haare standen ihr wirr vom Kopf und bildeten so einen stacheligen Heiligenschein. Mel blinzelte Kiran aus haselnussbraunen Augen verschlafen an und gähnte herzhaft.

"Morgen Kiran."

Kiran schmunzelte.

"Morgen? Abend wäre passender. Herr Gott, Mel, wann bist du denn nach Hause gekommen?"

Mel schlurfte in die Küche, stöberte im Kühlschrank nach etwas trinkbarem, fand den frischen Orangensaft und füllte sich etwas in ein Glas.

"Keine Ahnung. So gegen 7, glaub ich. Kann auch 8 gewesen sein. Es war die Hölle los und ich musste länger arbeiten."

Kiran schüttelte den Kopf und machte sich daran, die Möhren zu schälen und zu schneiden.

"Wieso suchst du dir nicht eine andere Arbeit? Durch das Kellnern in dieser Bar verschläfst du ja den ganzen Tag."

Mel machte ein komisches Geräusch, wärend sie an ihrem Saft nippte.

"Irgendwie muss ich ja die Miete ranschaffen. Und der Job ist gar nicht mal so schlecht. Die Bezahlung stimmt und ich bekomme Trinkgelder on mass."

"Ich weis echt nicht, wieso du dir Sorgen um die Miete machst. Ich habe dir und Beth schon oft genug gesagt, dass ich keine Miete von euch haben will. Ihr könntet das Geld echt anders anlegen."

"Na hör mal, Kiran. Wir dürfen schon bei dir wohnen, da können wir dir ja wenigstens Miete zahlen."

"Was ja eigendlich nicht sein muss."

"Hör auf zu meckern. Wann kommt Beth denn? Wir wollten uns doch heute diesen Film ansehen. Wie heißt der noch mal?"

Kiran seufzte.

"Der seltsame Fall des Benjamin Button, Mel. Der Titel ist eigendlich nicht so schwer."

"Jaja, ist ja gut. Und? Wann kommt sie?"

"Keine Ahnung. Sie hat sich wieder mal Frischfleisch geangelt. Könnte sein, dass wie sie heute gar nicht mehr zu Gesicht bekommen."

Mel lachte und nahm Kitty dabei auf ihren Arm, was diese mit einem lauten und zufriedenen Schnurren quiettierte.

"Klasse. Müssen wir uns dann diesen Button-Film ansehen? Es läuft auch Mirror. Der ist echt klasse."

Kiran verzog den Mund.

"Mirror? Das ist doch dieser Horrorfilm mit dem verspiegeltem Kaufhaus, oder?"

"Jap."

"Nee, Mel. Auf sowas hab ich echt keine Lust. Läuft denn nichts anderes?"

"Mensch, du bist echt wählerisch. Nee, heute laufen nur diese beiden Filme. Aber wenn du willst, können wir ja mal unsere persönliche Videothek durchforsten. Da sind doch ein Haufen guter Filme."

Kiran schob den Auflauf in den Ofen und wusch sich die Hände.

"Dann wird es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass wie uns zum X-Mal Herr der Ringe, X-Man oder Eragon ansehen werden. In dem Fall bin ich dann eher für Herr der Ringe. Und du?"

Mel gab Kitty einen Kuss und grinste.

"Das liebe ich so an dir. Mit dir kann man echt wunderbar verhandeln. Also gucken wir beim Essen Herr der Ringe. Haben wir denn noch Knabberzeug?"

"Ich habe zwei Tüten Chips, zwei Liter Cola und unmengen an Obst mitgebracht. Gibst du dich damit zufrieden?"

"Wie? Keine Schokolade?"

Kiran zog einfach nur eine Augenbraue hoch und Mel gab sich geschlagen.

"Ist ja schon gut. Ich werde mich eben anziehen und zum Kioske laufen. Soll ich dir auch was mit bringen?"

Kiran nickte und holte zwanzig Doller aus ihrer Tasche.

"Drei Schachtel JPS und eine Tüte Apfelringe. Restgeld bekomm ich wieder."

Mel schnappte sich das Geld und murrmelte etwas von Geizkragen, dann ging sie in ihr Zimmer, um sich fertig zu machen. Kiran seufzte und lies sich auf einen Stuhl in der Küche nieder, um sich eine Zigarette anzuzünden. Der erste nikotingetränkte Zug beruhigte sie enorm und sie legte den Kopf in den Nacken. Langsam blies sie Rauchringe in die Luft und massierte sich den Nacken. Sie sollte duschen gehen, so verspannt wie sie war. Und trockene Sachen wären ja auch nicht so verkehrt. Sie zog noch drei Mal an ihrer Zigarette, drückte sie dann im Aschenbecher aus, warf einen prüfenden Blick in den Ofen und schlenderte in ihr Zimmer. Im Flur lief ihr Mel über den Weg. Sie hatte sich eine Bundeswehrhose und einen schwarzen Rollkragenpullover angezogen und schlüpfte gerade in ihre Turnschuhe.

"Ok, ich gehe jetzt. Drei Mal JPs und eine Tüte Apfelringe für dich, fünf Tafeln Marzipanschokolade und eine Flasche Vodka für mich. Sonst noch was?"

"Ja. Nimm 'n Regenschirm mit. Draußen herrschen Monsunartige Zustände."

Mel verzog spöttisch den Mund.

"Im Gegensatz zu dir und Beth bestehe ich nicht aus Zucker und bin die Tochter eines Generals. Regen ist auch nur Wasser. Wann ist das Essen fertig?"

Kiran massierte sich den Nacken und seufzte.

"So in ner dreiviertel Stunde. Ich geh jetzt duschen und zieh mir trockene Sachen an. Danach mach ich noch Salat."

"Aber lass die Pilze weg."

"Sonst noch was? Wolltest du nicht zum Kiosk?"

Mel streckte Kiran die Zunge raus und verschwand dann durch die Haustür.
 

***
 

Kiran konnte über die unbeschwerte Art ihrer Freundin nur den Kopf schütteln und trottete in ihr Zimmer. Dort schnappte sie sich schnell ihr Handtuch und trockene Sachen, dann ging sie ins Badezimmer, dicht gefolgt von Kitty.

"Na, Wasserkatze. Willst wohl mit."

Kitty hielt es für unter ihrer Würde, bei etwas so offensichtliches zu antworten und huschte schnell ins Badezimmer, bevor Kiran es sich wieder anders überlegen konnte. Kiran lachte leise, schlug die Badezimmertür zu, schaltete das Radio an, drehte die Dusche auf, schlüpfte aus ihren nassen Sachen und stieg unter die heiße Dusche. Sie genoss es, dass heiße Wasser auf ihrer Haut zu spüren und merkte, wie sich ihre verkrampften Muskeln lockerten. Einige Minuten stand sie einfach nur da, dann massierte sie Shampoo in ihre langen Haare und wusch dies wieder gründlich aus. Als sie sich viel entspannter und wärmer fühlte, drehte sie das Wasser ab, wickelte sich in ihr Handtuch ein und trocknete sich in aller Ruhe ab. Wärenddessen sprang Kitty in die Duschkabiene und hatte ihren Spaß an der Wasserpfütze, die noch nicht in den Abfluss gesickert war. Kiran, die sich inzwischen auf den Hocker gesetzt hatte, um sich die Haare zu trocknen, sah ihrer Katze amüsiert beim Baden zu.

"Weist du, Kitty, du bist eine Katze. Und Katzen hassen Wasser. Bei dir scheint irgendwas nicht ganz richtig zu sein."

Kitty maunzte einfach nur und tapste weiter im Wasser umher. Kiran wickelte ihre fast trockenen Haare in ein frisches Handtuch und warf die beiden benutzten in den Wäschekorb, der zu ihrem Leidwesen auch schon wieder voll war. Dann griff sie nach ihrer Bodylotion und rieb sich damit ein. Als die Creme gut eingezogen war, schlüpfte sie in ihre frischen Sachen, rubbelte noch etwas an ihren Haaren und warf dann auch dieses Handtuch in den Wäschekorb, nur um sich ihn gleich darauf zu schnappen um die Schmutzwäsche in die Waschmaschiene zu stopfen. Manchmal fragte sie sich, was ihre beiden Freundinen im Haushalt machten. Kochen war es schon mal nicht. Den Einkauf erledigte sie auch selbst. Putzen tat sie auch noch jeden zweiten Tag und mindestes jeden dritten Tag hatte sie eine Maschiene Wäsche zu waschen. Sogar das Säubern des Katzenklo's und das Füttern machte sie. Kiran bürstete sich das dichte Haar, wärend sie sich einerseits über ihre beiden Freundinen aufregte und auf der anderen Seite mehr als glücklich war, die beiden bei sich zu haben. Ohne die beiden würde sie verrückt werden. Langsam schlenderte sie wieder in die Küche und warf einen Blick in den Ofen. Der Auflauf war so gut wie fertig, also konnte sie den Salat machen. Kiran holte Paprika, Gurken, Mais und Möhren aus dem Kühlschrank und machte sich daran, den Salat fertig zu machen.
 

***
 

Gerade als sie den Auflauf aus dem Ofen holte, hörte sie, wie die Tür aufging und Mel in die Küche kam, von oben bis unten klitschnass aber überaus glücklich.

"Hab alles bekommen! Hol die Gläser raus, Baby. Es gilt zwei Flaschen Vodka zu killen."

Schwungvoll legte sie die kleine Tüte mit den Besorgungen auf den Tisch und tanzte dann in ihr Zimmer, um sich umzuziegen.

"Mel! Hast du etwa schon wieder Speed gezogen?"

"Nur ein wenig. Hab unterwegs Gil getroffen und der hat mir was angeboten. Man, er hat echt immer das beste mit."

Kiran schüttelte den Kopf und holte den Auflauf aus dem Ofen. Der köstliche Duft verbreitete sich schnell in der Wohnung und lockte sowohl Mel als auch Kitty wieder in die Küche. Kiran tat Mel und sich etwas auf den Teller und eine kleine Portion für Kitty in den Fressnapf und lies es etwas auskühlen, damit ihr kleiner Liebling keine Magenschmerzen bekam. Mel gluckste vor sich hin und schüttelte sich und Kiran etwas Vodka in die Gläser und mischte sich ihren mit Orangensaft.

"Hier Schätzchen. Spül runter."

Kiran nam das Glas in die Hand und stürzte den Vodka hinunter. Die Flüssigkeit brannte in ihrer Kehle und wärmte sie von innen. Mel klatschte in die Hände, schnappte sich ihren Teller und hüpfte ins Wohnzimmer.

"Komm Süße. Film liegt schon im Player. Kitty, komm."

Kitty lief maunzend hinter Mel her und lies ihr Fressen fürs erste stehen. Wenn Mel rief, dann lief Kitty gleich los, denn sie liebte dieses verrückte Mädchen über alles. Fast so sehr wie ihr Frauchen. Aber bei Mel konnte sie immer abstauben. Kiran griff sich ihren Teller und ihr leeres Glas und folgte Mel ins Wohnzimmer. Mel hatte sich mal wieder auf das komplette Sofa gelegt, Kitty an ihrer Brust und den Teller vor sich. Kiran seufzte, stellte ihre Sachen auf den Tisch, schnappte sich einige Kissen und arangierte sie sich auf dem Boden. Sie setzte sich im Schneidersitz hin und legte ihren Teller auf ihre Knie. Mel drückte auf den Playknopf und schon lief der Film los.
 

***
 

Kiran wusste wirklich nicht mehr, wie oft sie mit Mel schon Herr der Ringe gesehen hatte, doch trotz allem heulten die beiden Freundinen bei den entsprechenden Szenen. Wärend des ganzen Film's über verputzte Mel drei ihrer fünf Tafeln Schokolade und Kiran vernichtete eine ganze Schachtel ihrer Zigaretten. Kitty hatte sich in der Zwischenzeit auf Kiran's Schoß zusammengerollt und schnurrte zufrieden. Als der zweite Teil zu Ende war, konnte Mel ein Gähnen nicht mehr unterdrücken.

"Mann, bin ich müde. Ich geh ins Bett. Wenn du willst, kannst du dir ja noch den dritten Teil ansehen."

"Ja, ich glaube, dass werde ich machen. Schlaf gut, Mel."

Mel erhob sich müde, streckte sich ausgiebig und gähnte noch einmal.

"Jo, werd ich. Kitty, komm."

Die Katze erhob sich von Kiran's Schoß und trottete hinter Mel her. Kiran stand auf, legte den dritten Teil ein und kuschelte sich dann aufs Sofa. Sie sah sich ihren Lieblingsfilm sowieso lieber alleine und in Ruhe an. Gesapannt verfolgte sie das Geschehen, doch offenbar war sie übermüdet, denn ihr fielen irgendwann die Augen zu und sie schlief ein.
 

***
 

Sie wusste nicht, wie spät es war, als sie wieder aufwachte, nur drei Dinge wusste sie mit absoluter Sicherheit.

1) Es war stockdunkel.

2) Es war saumäßig kalt.

3) Da, wo sie aufwachte, war ganz bestimmt nicht ihr Zuhause.

Kiran richtete sich erschrocken auf und fühlte kühlen Stein unter ihren sensibelen Fingerspitzen. Wieso Stein? Kiran fasste sich an den Kopf und schüttelte diesen. War sie jetzt vollkommen durchgedreht? Hatte Mel ihr irgendeine Droge ins Glas gemixt ohne das sie es mitbekommen hatte? Zuzutrauen wäre es dieser durchgeknallten Person schließlich. Vorsichtig tastete sie mit ihren Händen über den Boden und bekam dann etwas zu fassen. Nach nährem Befühlen erkannte sie ihren Rucksack. Jetzt war sie sich sehr sicher, dass es sich um einen Streich handelte. Und zwar einen der üblen Sorte. Vermutlich hatten die beiden sie in irgendeine Höhle gesteckt, wärend sie ko. war und jetzt durfte sie sich den Heimweg in die Zivilisation erforschen. Und das vermutlich mit den lächerlichen Sachen, die ihre beiden Freundinen in den Rucksack gesteckt hatten. Und wie sie vermutete, war es nicht mal etwas nützliches. Langsam stand Kiran auf und stieß sich auch prompt schmerzhaft den Kopf. Ein sehr undamenhafter Fluch verließ ihre Lippen und hallte in der Höhle wieder. Vorsichtig und sehr darauf bedacht, sich nicht noch einmal den Kopf zu stoßen, tastete sie sich an der Höhlenwand entlang. Irgendwo würde sie ja wohl rauskommen. Und wenn es ein Streich von Mel und Beth war, konnten die beiden etwas erleben. Die würden sich dann wünschen, nie diesen Streich mit ihr gespielt zu haben. Kiran wusste nicht, wie lange sie sich schon an der Wand entlang tastete, doch irgendwann sah sie einen schmalen Streifen Licht und ging zielstrebig darauf zu. Kurz darauf stand sie im gleißenden Sonnenschein und musste sich die Augen abschirmen, damit sie nicht geblendet wurde. Nachdem sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, senkte Kiran den Arm und besah sich ihre Umgebung. Grün! Alles war grün! Wo zum Teufel war sie? Das Gewicht auf ihrem Rücken erinnerte sie an ihren Rucksack. Sie streifte ihn ab, kniete sich hin und öffnete ihn, um sich ihren Besitz anzusehen. 4 Schachteln JPS, zwei Feuerzeuge, Dinge für gewisse Tage einer Frau, ihren Personalausweis, ihren Führerschein, etwas Make-Up und zu ihrem Erstaunen die Landkarte von Mittelerde. Ok, dieser Streich nahm selbst für Beth und Mel verrückte Ausmaße an. Frustriert seufzte Kiran, schulterte wieder ihren Rucksack und stapfte einfach drauf los. Irgendwo würde sie schon ankommen, und wenn es nur ein kleines Dorf war. Von dort aus würde sie den Weg nach Hause schon finden. Und dann würden ihre beiden Freundinen etwas erleben.
 

***
 

Kiran hatte aufgehört, wütend zu sein. Denn da, wo sie jetzt gerade war, war es einfach traumhaft schön. Die Farben der Natur waren viel leuchtender, viel intensiever. Die Luft war sauber und sie konnte die Tiere des Waldes hören, auch wenn sie sie nicht sah. Mitlerweile schlenderte Kiran nur noch durch die Gegend. Vergessen war die Wut auf ihre Freundinen und die Suche nach einem Dorf. Jetzt, wo sie schon mal hier war, wollte sie die Ruhe und die Natur in vollen Zügen genießen. Und wer weis. Vielleicht war es ja kein Streich der beiden, sondern eine gut gemeinte Geste. Soetwas wie ein Kurzurlaub. Weg von der Arbeit, vom Haushalt und dem Stress. Kiran leugnete nicht, das sie dringend diese Auszeit brauchte. Früher oder später wäre sie vermutlich zusammen gebrochen. Kiran schob einen dichten Ast eines Busches zur Seite und betrat eine wunderschöne Blumenwiese. Hier wuchsen die verschiedensten und schönsten Blumen, die sie je gesehen hatte. Langsam glitt sie durch das hohe Gras, lies ihre Handflächen über das Gras gleiten und erfreute sich einfach an diesem Gefühl. Kiran war so sehr in dieser wunderbaren und farbenprächtigen Welt versunken, dass sie erst sehr spät das brechen eines Astes hörte. Ruckartig blieb sie stehen, ihr ganzer Körper war angespannt und bereit. Entweder zur Flucht oder zur Verteidigung. Kiran blendete alles aus. Sie hörte nur noch auf irgendwelche Geräusche, die nicht in dieses friedliche Bild passten. Sie konzentrierte sich darauf, die Gegenwart eines anderen Wesens zu spüren. Dann, kurz bevor sie dachte, sie hätte sich das Knacken nur eingebildet, hörte sie etwas durch die Luft sausen. Blitzschnell vollführte sie eine Drehung und entging so den Pfeil, der sich an der Stelle in die Erde bohrte, wo sie eben noch gestanden hatte. Kiran duckte sich und suchte so Deckung im hohen Gras. Ihr ganzer Körper war jetzt auf Angriff gestellt und all ihre Muskeln waren angespannt und bereit, sich im Notfall zur Wehr zu setzen. Kiran konnte leise Schritte hören, die aus unterschiedlichen Richtungen kamen. Es waren also mehrere Personen. Sie schloss die Augen, verlangsamte ihre Atmung und verlies sich jetzt nur noch auf ihr Gehör und auf das jahrelange Training mit ihrer Familie. Ihre Finger spreitzten sich, so das sie mehr Abstoßfläche hatte. Ihre Beinmuskeln zuckten kurz vor Anspannung, doch sie wartete. Eine Person kam immer näher und als Kiran einen Schatten sah, befahl sie ihren Körper zum Angriff. Wie eine Katze sprang sie die Person an, die so dicht bei ihr stand und riss sie zu Boden. Ein erschrockenes und erstauntes Keuchen war zu hören, dann schlugen die beiden Körper auch schon auf dem Boden auf. Kiran rollte sich sofort ab und hielt ihren Körper in einer Haltung, die einen an eine Katze kurz vorm Sprung erinnerte. Die Person, die sie zu Boden gerissen hatte, war, wie sie jetzt sah, ein junger Mann mit pechschwarzen Haaren und sturmgrauen Augen. Er sah sie überrascht an und seltsame Worte verließen seinen Mund, die Kiran nicht verstand. Sie fauchte ihn einfach an. Er würde so schon verstehen, dass sie wütend und überaus gereitzt war. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen und Kiran fletschte ihre Zähne.

"Verstehst du mich jetzt?"

Kiran hörte augenblicklich auf, den Mann anzuknurren, als dieser sie im gebrochenen Englisch ansprach. Langsam nickte sie, behielt ihre lauernde Haltung aber bei.

"Gut, dann können wir uns ja unterhalten und du hörst auf, mich anzufauchen."

"Mit Männern, die auf wehrlose Frauen schießen, verhandle ich nicht."

Der junge Mann zog eine Augenbraue hoch, dann lachte er schallend.

"Wehrlos? Das bist du ja nun wirklich nicht."

Er stand auf und sah sich um.

"Bruder! Glorfindel! Erestor! Es ist nur ein kleines Mädchen, was gerne faucht. Nichts gefährliches also."

Es kam ihr so vor, als würde man ihr 1000 Volt durch den Körper jagen, als sie zwei ihr bekannte Namen hörte. Glorfindel? Erestor? Wieso nannte er zwei seiner Freunde wie zwei Chrakteren aus Herr der Ringe? Langsam richtete Kiran sich auf, behielt aber ihre angespannte Haltung bei. Als sie sich zu ihrer vollen Größe aufgerichtet hatte, sah sie der junge Mann erstaunt an. Und er musterte ihre Kleidung, als hätte er soetwas noch nie gesehen. Kiran sah noch drei weitere Personen auf sie zukommen und war selber erstaunt über die Kleidungsweise von ihnen. Mittelalterlich. In schlichten Grün und Brauntönen gehalten. Und sie hatten Schwerter an ihren Hüften befestigt. Und außerdem trug jeder von ihnen einen Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken, sowie einen Bogen in der Hand. Der Mann, der ihrem "Sprungopfer" zu verwechseln ähnlich sah, trat neben ihm, legte einen Arm auf die Schulter seines Bruders und nahm eine lässige Pose ein. Er musterte Kiran von oben bis unten.

"Wirklich. Es ist nur ein kleines Mädchen."

Kiran schnappte überrascht nach Luft. Sie wusste nicht, wie lange es her war, dass sie jemand klein genannt hatte. Denn mit ihren 1m80 war sie alles andere als klein. Mit einer ernergischen Geste warf Kiran sich ihre langen Haare zurück und blitzte den Mann wütend an, doch dieser lachte nur.

"Ein kleines Mädchen mit sehr viel Mut. Vater wird begeistert sein."

Ein Mann mit goldblonden Haaren trat zu den Zwillingen. Er musterte Kiran ebenfals von oben bis unten.

"Woher kommt Ihr?"

"New York. Und selbst?"

Kiran's Ton war mehr als nur angriffslustig. Das verrieten auch ihre Körperhaltung und das blitzen in den Augen. Wer zum Teufel waren diese Kerle? Hielten die hier 'ne Cosplayveranstalltung ab?

"Wo liegt denn dieses New York?"

Kiran musste lachen, als der blonde Mann New York aussprach. Er betonte es so falsch wie ein Kleinkind.

"Bitte. Jeder weis, wo New York liegt. Ihr seit doch erwachsen, oder? Schlecht in Erdkunde aufgepasst?"

Der Mann richtete sich beleidigt auf.

"Seit Euch gewiss, Madame, dass ich alle Städte und Länder in Arda kenne. Und von einer Stadt, die so heißt, habe ich noch nie etwas gehört."

Kiran erstickte fast an ihrem Hustenanfall, als der Mann das Wort Arda verwendete. Arda war das elbische Wort für Erde. Ok, die veranstalteten hier also einen HdR-Cosplay. Sollten die ruhig. Als Kiran sich wieder erholt hatte, richtete sie sich auf und hob die Hand.

"Jaja, schon klar. Spielt mal weiter. Ich geh jetzt nach Hause. Und tschüss."

Kiran drehte sich um und war gerade mal ein paar Schritte gegangen, als sie schon wieder das Surren einer Bogensehne und das Zischen eines Pfeiles hörte. Diesesmal jedoch konnte sie sich nicht schnell genug zur Seite drehen, so das der Pfeil sie am Oberarm streifte. Entgeistert drehte sie sich zu den Männern um und sah sie erschrocken und verärgert zu gleich an.

"Sagt mal, gehts noch? Man schießt nicht auf fremde Menschen."

"5."

"Was sollte das denn? Ich hab euch doch nichts getan."

"4."

"Hallo? Würde mir einer von euch mal bitte antworten?"

"3."

"Und was soll das dämliche zählen? Auf was wartet ihr denn?"

"2."

Gerade als Kiran erneut etwas sagen wollte, spürte sie eine bleiernde Müdigkeit, die sich rasend schnell in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Stöhnend fiel sie auf die Knie. Vor ihren Augen drehte sich alles und sie hatte Schwierigkeiten, sie offen zu halten.

"1."

Kiran hob den Kopf, doch sie konnte die Männer nur noch verschwommen sehen. Die Müdigkeit war so stark, dass sie nicht dagegen ankämpfen konnte und so schloss sie die Augen und lies sich einfach fallen.

"Angenehme Träume."

Das war das letzte, was Kiran hörte und ihr kam noch der Gedanke, wo sie da nur hineingeraten war.

Im Hause Elrond's

Kiran konnte die bleiernde Müdigkeit nur schwer abschütteln. Es war, als kämpfte sie sich durch dicken Morast und würde kaum vorwärts kommen. Als sie sich soweit durchgerungen hatte, die Augen zu öffnen, musste sie sie die auch gleich wieder schließen, denn es war unbeschreiblich hell in dem Raum. Vorsichtig öffnete sie die Augen jetzt Zentimeter für Zentimeter, damit sie sich an die Helligkeit gewöhnen konnte. Als es dann soweit war, wurden ihre Augen groß und staunend. Etwas schwerfällig rappelte sie sich auf und sah sich um. Himmel Herr Gott, wo war sie denn? Der Raum war riesengroß, hell und ... elbenmäßig. Ja, anders konnte sie es nicht beschreiben. Dieser Raum erinnerte sie sehr an den Raum, in den Frodo erwachte, als er nach Bruchtal gebracht worden war. Nur das dieser Raum geschlossen war. Es war ein seperates Zimmer. Kiran fasste sich an den Kopf und kontrolierte die Oberfläche. Vielleicht hatte sie sich irgendwo ziemlich derbe den Kopf gestoßen und träumte aus diesem Grund total wirre Sachen. Sie spürte, wie sich eine Panikattacke ankündigte. Schnell zog sie die Beine an und legte den Kopf auf die Knie und versuchte, ihre Atmung ruhig und gleichmäßig zu lassen. Würde sie diese Gleichmäßigkeit auch nur einen Moment verlieren, war es vorbei. Dann würde sie sich zuckend und schreiend auf dem Boden wälzen.
 

***
 

Kiran war so mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht hörte, wie jemand den Raum betrat und näher kam. Erst, als sich eine kühle Hand auf ihren Oberarm legte, schoss ihr Kopf nach oben und sie sah in ein Gesicht, welches sie nur aus einen Film kannte. Sie sah in ein überirdisch schönes Gesicht, umgeben von pechscharzen Haaren, mit weisen und gütigen sturmgrauen Augen, in denen auch Vorsicht zu lesen war. Sie sah direkt in das Gesicht von Lord Elrond, Herr von Bruchtal. Kiran entfuhr ein Schreckenslaut und in der nächsten Sekunde stand sie auf der anderen Seite des Bettes und starrte die Gestalt, die ihr gegenüber stand, sprachlos und voller Entsetzen an. Lord Elrond hatte das Gesicht verzogen und Kiran wurde klar, das ihr Schrei, der für sie nicht unbedingt laut gewesen war, für ihn schon etwas lauter gewesen sein muss.

"Ich wollte Euch nicht erschrecken, Madame. Bitte verzeiht."

Kiran stellte fest, dass Lord Elrond besser Englisch sprach als seine Söhne, denn es war fließend mit einem wunderschönen Klang. Verwirrt schüttelte Kiran den Kopf und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Der Mann, der ihr gegenüber stand, konnte unmöglich Elrond von Bruchtal sein. Denn das würde bedeuten, dass sie in Mittelerde ist. Und das konnte, rational gesehen, nicht möglich sein. Mittelerde war der Gedanke eines brillianten Mannes gewesen, der ihn mit seiner Liebe und Hingabe Leben eingehaucht hatte. Unglaubliches Leben, wenn man ehrlich war. Kiran sah sich den Mann noch einmal prüfend an. Schwarze Haare, graue Augen, elbische Gewänder. Und spitze Ohren, die zu ihrem Entsetzen verdammt echt aussahen. Sie merkte, wie sich ihr Mund öffnete und wieder schloss, doch es kam nicht ein Laut über ihre Lippen. Lord Elrond sah sie besorgt an und machte vorsichtig einige Schritte auf sie zu, doch als Kiran panisch zurück wich, hielt er inne. Er hob seine Hände zu einer beruhigenden Geste und sprach sehr ruhig mit ihr.

"Ihr braucht keine Angst zu haben, Madame. Ich werde Euch nichts tun."

Kiran hob schnell eine Hand und zeigte ihrem Gegenüber so, dass er sich einen Moment gedulden sollte. Sie atmete tief ein und aus, schloss die Augen, zählte in Gedanken bis 10 und schlug dann die Augen wieder auf.

"Ich weis, dass Ihr mich nicht erschrecken wolltet, Lord Elrond. Ich bin im Moment nur etwas überrascht, dass ist alles."

Elrond lies seine Hände wieder sinken und setzte sich kurzerhand auf das Bett.

"Ihr seit mir gegenüber klar im Vorteil, Madame. Denn Ihr kennt meinen Namen. Der Eure ist mir nach wie vor nicht bekannt."

"Kiran Anzara, Lord Elrond."

"Nun denn, Kiran Anzara. Wollt Ihr mir nicht sagen, wie Ihr nach Bruchtal gekommen seit?"

"Vielleicht solltet Ihr das lieber Eure Söhne und Eure beiden Berater fragen, denn die werden mich wohl hergebracht haben. Das letzte, was ich noch weis, ist, dass ich auf einer sehr schönen Wiese war und von den eben genannten Personen hinterhältig angegriffen wurde."

Lord Elrond's Augenbrauen ruckten in die Höhe.

"Hinterhältig angegriffen?"

Kiran reckte das Kinn.

"Ja. So würde ich es jedenfalls nennen, wenn man auf eine Person schießt, die man nicht kennt. Und das auch gleich zwei Mal. Begrüßt man hier Fremde, in dem man sie mit Pfeilen spikt?"

Lord Elrond musste sich ein Lachen verkneifen, als er die junge Dame so energisch reden hörte.

"Madame, Ihr habt Euch in Bruchtal befunden. Und in diesen unruhigen Zeiten sind wie besonders vorsichtig. Ihr seid sehr fremd, sowohl in Eurer Sprachweise als auch in Eurem Aussehen. Wie würdet Ihr mit Eindringlingen verkehren?"

"Auf jeden Fall schießen wir sie nicht mit Pfeilen ab. Und von was für eine unruhigen Zeit redet Ihr bitte? Für mich sah alles sehr friedlich aus. Naja, bis auf Eure Söhne und Berater. Die waren ja bis an die Zähne bewaffnet."

Lord Elrond stand auf und schritt ruhig durch das Zimmer.

"Ihr müsst von weit her kommen, wenn Ihr nichts über den drohenden Krieg wisst, Madame Kiran. Da habt Ihr und Eure Landsleute großes Glück, denn dieser Krieg wird der schlimmste von allen werden."

Kiran schwieg und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Hin und wieder trat sie von einen Fuß auf den anderen und bemerkte dadurch, dass ihre Füße kalt wurden. Sie sah nach untern und japste erschrocken nach Luft. Lord Elrond drehte sich sofort zu ihr um.

"Was ist? Habt Ihr Schmerzen?"

Kiran riss die Bettdecke an sich und wickelte sich darin ein, dann warf sie Lord Elrond einen zornigen Blick zu.

"Wer hat mich in dieses Nachthemd gesteckt? Und wieso sagt Ihr mir nicht, dass ich praktisch nichts am Körper habe?"

"Verzeihung, ich dachte, dass hättet Ihr selbst schon bemerkt. Wir Elben haben kein Problem damit, freizügig zu sein."

Kiran's Gesicht verfinsterte sich noch mehr und als sie zu sprechen begann, schnellte ihre Stimme mindestens zwei Oktaven nach oben.

"Wann soll ich es denn bitte bemerkt haben? Ich war die ganze Zeit über abgelenkt von Euch! Glaubt Ihr wirklich, dass es mir nichts ausmacht, vor Euch zu stehen, mit praktisch nichts auser meiner Haut?"

Lord Elrond legte den Kopf schief, ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

"Ich sehe schon, Ihr seit eine sehr energische junge Dame. Dort liegt Eure Kleidung. Zieht Euch in Ruhe an. Ihr dürft Euch frei in Bruchtal bewegen. Wenn Ihr etwas wünscht, dann sagt einfach Bescheit."

Lord Elrond verneigte sich noch kurz vor ihr, dann verlies er mit leichten Schritten den Raum. Kiran stand noch sehr lange Zeit einfach nur da und versuchte zu begreifen, was hier geschah. Sie war ohne Zweifel in Mittelerde. Doch warum? Wieso gerade sie? Sie lies sich auf die Bettkante sinken und barg das Gesicht in ihren Händen. Sie begriff das alles nicht. Sie wusste nur eins. Sie wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ob Beth und Mel ihre Abwesenheit bemerken würden? Wieviel Zeit war eigendlich schon vergangen? Alles Fragen, auf die sie eine Antwort finden musste. Kiran hob den Kopf und sah zu ihren Sachen. Erstmal sollte sie sich anziehen. Alles andere würde sich danach ergeben.
 

***
 

Nicht in ihren wildesten Träumen hätte Kiran sich die Schönheit Bruchtal's vorstellen können. Alle dachten, im Film wäre diese Elbenstadt schon traumhaft gewesen, doch die Realität war anders. Bruchtal konnte man nicht beschreiben. Nicht mit Gesten und erst recht nicht mit Worten. Andächtig schritt Kiran durch die langen Flure, besah sich jedes Gemälde, an dem sie vorbei kam oder ging über die lange Terasse. Irgendwann lehnte sie sich an die Steinfassade und blickte in das Tal hinab. Es war ein so friedlicher Ort. Der leichte Wind spielte mit ihren Haaren und gedankenversunken strich sie sich immer wieder ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Hier war es so friedlich, dass man sich fragte, welche Gefahr Lord Elrond bei ihrem Gespräch gemeint hatte. Kiran lies ihre Gedanken schweifen. Konnte es sein, dass der zweite Ringkrieg noch nicht ausgebrochen war? Das das alles noch vor ihnen lag? Es gab nur eine Möglichkeit, das zu überprüfen, ohne das Kiran irgendjemanden fragen musste. Sie stieß sich von der Balustrade ab und ging wieder in das Innere des Gebäudes. Sie würde schon finden, was sie suchte und wenn es den ganzen Tag lang dauern würde. Sie musste eine Antwort bekommen.
 

***
 

Kiran stand reglos wie die vielen Statuen und starrte auf das, was sie gesucht hatte. Insgeheim hatte sie sich ja gewünscht, ihre Suche würde erfolglos bleiben. Aber das Leben war halt nicht immer gerecht. Jetzt stand sie hier, regungslos und schluckte, als sie sich zum wiederholtesten Male das Relikt ansah.

Die Bruchstücke von Narsil.

Das Schwert der Könige von Gondor war immer noch zerbrochen und wartete geduldig und schweigend darauf, wieder zusammen gefügt zu werden. Kiran stieß ein leises Stöhnen aus und löste so ihre Starre. Sie sank auf die Knie und lies Narsil dabei nicht aus den Augen. Sie wusste schließlich, was es hieß, das Narsil noch nicht zusammen gefügt worden war. Das hieß, dass der Ringkrieg noch bevor stand. Jetzt musste sie nur noch wissen, wann es so weit war.

"Für gewöhnlich geht niemand auf die Knie, wenn er bei Narsil steht."

Kiran stieß ein leises Zischen aus und war in zwei Sekunden wieder auf den Beinen. Ihr Körper hatte automatisch eine Stellung eingenommen, in der sie sich sowohl verteidigen als auch angreifen konnte. Einer von Lord Elrond's Söhnen stand an einer Säule gelehnt und sah sie an. Kiran gab ihre Haltung nur Stück für Stück auf.

"Müsst Ihr so schleichen?"

Elladan, oder Elohier, stieß sich von der Säule ab und schlenderte langsam auf sie zu.

"Was kann ich dafür, wenn Menschen so ausgesprochen unaufmerksam sind?"

Kiran reckte das Kinn und stemmte die Hände in die Hüften.

"Darf ich Euch daran erinnern, dass ich Euch auf der Wiese zu Fall gebracht habe, Herr Elrond's Sohn. Ich habe Euch nicht gehört, da ich zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt war."

Der junge Elb starrte Kiran kurz an, dann neigte er den Kopf als Zeichen seines Respekts.

"In diesem Wortgefecht hast du gewonnen, Kiran Anzara. Für eine Menschenfrau bist du überaus schlagfertig mit Worten."

Kiran's Blick schweifte wieder zu Narsil. Jetzt gab sie kompeltt ihre angespannte Haltung auf.

"Das muss man auch sein, wenn man in einer Welt überleben will, die hauptsächlich von Männern geführt wird."

Nach kurzem Schweigen fragte sie.

"Seit Ihr Elladan oder Elohir?"

Der schwarzhaarige Elb grinste spitzbübig.

"Elladan. Woher kennst du meinen Namen und den meines Bruders?"

Kiran schüttelte den Kopf.

"Das ist nicht wichtig. Ich frage mich..."

Kiran sprach ihren Satz nicht zu Ende, sondern schweifte mit ihren Gedanken wieder ab. Elladan sah sie fragend und neugrierig von der Seite an.

"Was fragst du dich?"

Erst reagierte sie nicht, ihr Blick war seltsam entrückt, doch dann blinzelte sie ein paar Mal und ihre Augen wurden wieder klar.

"Ach, nichts. Beachtet einfach nicht meine Sätze, die ich nicht beende."

Sie lächelte ihn gewinnend an. Kiran steckte die Hände in die Taschen, dann ging sie wieder durch die Gänge. Elladan sah ihr noch eine Weile nach und wunderte sich ein wenig über diese seltsame junge Frau.
 

***
 

Ihre Schritte hatten sie zurück in das Zimmer gebracht, in dem sie vor einigen Stunden erwacht war. Jetzt saß Kiran wieder auf dem Bett und lies ihre Gedanken durchlaufen. Narsil war immer noch zerbrochen. Sie hatte weder Aragon, Gandalf oder die Hobbits gesehen und es schien auch so, als würde man weder den einen noch die anderen erwarten. Trotzdem sprach Lord Elrond von Gefahr. Da blieb ja nur noch übrig, dass Lord Elrond lange bevor Gandalf hier eingetroffen war, über die nahende Gefahr bescheit wusste. Dann stellte sich für sie noch die Frage, ob sie lieber schnell nach Hause oder ob sie hierbleiben und etwas unternehmen sollte. Wärend sie ihren Gedanken nachging, flochten ihre Finger viele kleine Zöpfe in ihr Haar. Das tat sie meistens unbewusst und für ihre Freunde war es ein Zeichen, dass sie über etwas sehr kompliziertes nachdachte. Und da sie auch so sehr in Gedanken versunken war, hörte sie nicht, wie jemand leise an der Tür klopfte und dann eintrat. Erst als eine ruhige Stimme neben ihr erklang, schrak Kiran aus ihren Gedanken hoch. Eine sehr zirrliche und junge Elbe stand vor ihr und sah sie fragend an.

"Wie bitte?"

Die kleine Elbin seufzte kurz, dann sagte sie erneut etwas. Allerdings auf Sindarin und Kiran verstand diese Sprache nicht wirklich. Von den drei Freundinen war es Mel, die sich intensiev mit der Sprache der Elben beschäftigte. Kiran schüttelte den Kopf und zuckte dann mit den Schultern.

"Es tut mir leid. Ich verstehe dich nicht. Sprichst du Westron?"

Die Elbe verzog kurz das Gesicht, dann schüttelte auch sie den Kopf. Offenbar verstand sie zwar etwas, aber sprechen konnte sie es nicht. Die beiden Frauen sahen sich einige Zeit sprachlos an, doch dann zeigte die Elbe auf sich.

"Rya."

Kiran lächelte sie an und nickte, zum Zeichen, dass sie sie verstanden hatte. Sie zeigte auf sich.

"Kiran."

Rya nickte und lächelte jetzt auch und Kiran stellte fest, dass sie, sobald sie lächelte, zwei Grübchen bekam. Rya ging zu dem übergroßen Kleiderschrank, öffnete ihn und zog ein schlichtes goldfarbiges Kleid heraus und hielt es Kiran hin. Entsetzt schüttelte Kiran mit dem Kopf. Diese Geste verstand sie auch ohne Worte. Rya verlangte von ihr, dass sie dieses Kleid anzog. Und das würde sie niemals in ihrem Leben tun. Darin würde sie sich doch gar nicht bewegen können. Rya zog ungeduldig die Augenbrauen zusammen, als Kiran sich nach erneuten Aufforderungen weigerte. Kiran versuchte ihr mit Zeichensprache zu erklären, dass sie lieber ihre Sachen anbehalten wollte. Die junge Elbe schien sie auch bis zu einem gewissen Grad zu verstehen, doch sie schüttelte energisch den Kopf und sagte nur ein Wort.

"Medi."

"Medi?"

Rya nickte und Kiran durchforstete ihr Gedächtnis nach den wenigen Wörtern, die Mel ihr beigebracht hatte. Viel waren es nicht und sie war sich sehr sicher, das "Medi" nicht darunter war. Wieder sah sie Rya verständnislos an. Diese tat dann so, als würde sie etwas essen und Kiran begriff, dass sie sich zum Essen umkleiden sollte. Was hatte ihre Mutter mal gesagt? Pass dich den Sitten des Landes an, in dem du gerade bist und du wirst es einfacher haben. Also, dann passte sie sich mal den Sitten der Elben an. Seufzend stand sie auf und ging zu Rya. Die Elbe strahlte sie an. Kiran nickte, nahm ihr das Kleid aus der Hand und zeigte ihr, dass sie sich umdrehen sollte. Kiran wollte nun wirklich nicht, dass man ihr beim Anziehen zusah. Darauf hatte sie nun wirklich keine Lust. Rya runzelte kurz die Stirn, drehte sich dann aber doch ohne irgendeine Beschwerde um. Kiran schlüpfte schnell aus ihren Sachen und in das Kleid, welches ihr wie durch ein Wunder passte. Der weiche Stoff fühlte sich seltsam auf ihrer Haut an, aber nicht unangenehm. Fast so, als hätte sie so ein Kleid nach langer Zeit das erste Mal wieder an. Kiran drehte sich zu Rya um und räusperte sich leise. Das veranlasste die junge Elbin, sich umzudrehen. Prüfend glitt ihr Blick über Kiran und blieb dann an ihren Haaren hängen. Sie stieß einen Seufzer aus, der sowohl verträumt als auch ärgerlich war, dann wies sie Kiran an, sich auf den Hocker vor dem Spiegel zu setzen. Kiran warf der Elbe einen misstrauischen Blick zu, tat dann aber, was sie wollte. Kaum das sie saß, entflocht Rya die kleinen Zöpfe und bürstete ihr dichtes Haar. Verträumt strich sie über Kiran's dichte Mähne.

"Melima."

Kiran sah in den Spiegel und begegnete dort Rya's anerkennenden Blick. "Melima". Das Wort hatte sie verstanden. Sie fand ihr Haar schön. Kiran lächelte Rya über den Spiegel hinweg an. Schnell forschte sie in ihrem Gedächtnis nach dem Wort für Danke. "Hannon le" hieß ja "Hab Dank". Als Kiran das richtige Wort gefunden hatte, sah sie Rya kurz an.

"Hantale."

Wieder lächelte Rya sie an. Sie wusste, dass die junge Frau kaum ein Wort der elbischen Sprache verstand oder sprach, da war sie über jedes Wort in ihrer Sprache glücklich. Rya flocht Kiran die Haare nach der Art der Elben. Zwei Zöpfe auf jeder Schläfenseite, die am Hinterkopf zusammen gefasst wurden. Die restlichen Haare lies sie in sanften Wellen bis zu ihrer Tallie fallen. Rya zog Kiran von dem Hocker und stellte sie vor einen Spiegel, der so groß war, dass Kiran sich ohne Probleme darin betrachten konnte. Sprachlos starrte sie die Frau im Spiegel an. Wer war das? Diese elegante junge Frau? Kiran hob ihre Hand und berührte das kühle Glas des Spiegels. Die Person im Spiegel machte die gleiche Bewegung und Kiran musste sich eingestehen, dass sie es wirklich war. Kaum zu glauben, dass sie so aussehen konnte. Sie hatte sich noch nie so herausgeputzt. Normalerweise trug sie immer irgendwelche Hosen und Oberteile. Es war ihr eigendlich herzlichst egal wie sie aussah. Hauptsache, sie konnte sich bewegen. Rya musste lauthals lachen, als sie Kiran's verdutztes Gesicht sah, dann zog sie die junge Frau einfach hinter sich her und plapperte irgendetwas vor sich hin. Kiran verstand nicht ein Wort. Vermutlich wollte Rya höflich sein und sich mit ihr unterhalten. Kiran musste schmunzeln. Rya erinnerte sie sehr stark an Mel. Genau so energisch und genau so viel am reden, ohne sich drum zu kümmern, ob irgendjemand zuhörte oder nicht. Bei den Gedanken an ihre Freundinen zuckte Kiran innerlich zusammen. Ob sie bereits vermisst wurde? Machten Mel und Beth sich Sorgen um sie? Ganz bestimmt sogar. Sie musste schnell einen Weg finden, um wieder nach Hause zu kommen.
 

***
 

Rya brachte sie in einen großen Saal, wo bereits einige Elben versammelt waren. Sie meinte, Glorfindel und Erestor zu erkennen, war sich aber nicht sicher, da Rya sie in Richtung Lord Elrond zog. Als die beiden vor dem Herrn von Bruchtal standen, machte Rya einen artigen Knicks und redete kurz mit Lord Elrond auf Sindarin. Kiran versuchte, aus irgendeinem Wort schlau zu werden, doch die beiden sprachen einfach zu schnell und so runzelte sie missmutig über ihr Versagen die Stirn.

"Bitte verzeiht, dass Ihr warten musstet, Lady Kiran. Und auch, dass es Verständigungsschwierigkeiten mit Rya gab. Sie hatte sich angeboten, Euch zu helfen und ich habe zugestimmt, ohne darüber nachzudenken, wie Ihr Euch verständig machen sollt."

Kiran senkte kurz den Kopf, zum Zeichen, dass sie die Entschuldigung annahm.

"Genau genommen haben wir uns verstanden, Lord Elrond. Wie haben unsere eigene ... Methode entwickelt, uns zu unterhalten."

Lord Elrond lächelte.

"Ja, Rya berichtete davon. Für gewöhnlich versteht jeder die Zeichensprache."

Kiran nickte zustimmend, dann lies sie ihren Blick schweifen. Alle anwesenden Elben schienen ihr Blicke zuzuwerfen. Eine Mischung aus Misstrauen, Neugier und Faszination.

"Sehe ich irgendwie komsich aus?"

Kiran hatte die Frage nicht direkt an Lord Elrond gestellt. Vielmehr hatte sie die Frage in den Raum gestellt. Und das schienen alle Elben auch zu verstehen, denn sie blinzelten kurz und beschäftigten sich das ausgiebig mit ihrem anderen Gesprächspartner. Kiran stieß ein missmutiges Schnauben aus und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Bitte verzeiht ihnen, Lady Kiran. In diesen Zeiten sind wir Fremden gegenüber äußerst misstrauisch."

"Das verstehe ich ja, Lord Elrond. Aber das gibt niemanden das Recht, eine andere Person so anzustarren."

Energisch warf sie beim sprechen ihre dichten Locken zurück auf den Rücken. Ihre Haare umspielten ihre schlanke Gestalt wie einen schützenden Vorhang und verliehen ihr eine mystische Aura.

"Lord Elrond, ich würde gerne wissen, von welcher Gefahr Ihr redet."

"Wir werden später darüber reden. Erstmal sollten wir etwas essen. Bitte, nehmt an meiner Seite Platz. Heute seit Ihr unser Gast."

Er führte Kiran zu der langen Tafel und schob ihr den Stuhl zurecht. Kiran versteifte sich leicht bei dieser ungewohnten Geste und ein wachsamer Ausdruck trat in ihre Augen, als sie sich auf dem Stuhl nieder lies. Neben ihr saß einer der Söhne von Lord Elrond und ihr gegenüber hatte Lord Glorfindel Platz genommen. Auch alle anderen Elben hatten ihre Plätze eingenommen und es hatte für Kiran den Anschein, als hätte hier eigendlich niemand seinen festen Platz, aber es hatte etwas Harmonisches, wie sie sich setzten. Leise redent und mit ruhigen Bewegungen, fast so, als würde sie nichts bekümmern.

"Habt Ihr Euch schon etwas zurecht gefunden, Lady Kiran?"

Kiran zuckte kurz zusammen, als der warme Atem ihren Hals streifte und sie wand schnell den Kopf. So, jetzt stand sie vor den Fragen aller Fragen. War das Elladan oder doch sein Bruder Elohir? Wie konnte man die beiden nur auseinander halten? Als der Elb ihren prüfenden Blick sah, lächelte er.

"Ich bin Elohir, Lady Kiran. Mein Bruder hat heute neben Lindir Platz genommen, da er schon das Vergnügen hatte, Euch kennen zu lernen."

"Es freut mich ebenfals, Lord Elohir. Ja, ich denke, dass ich mir einen guten Überblick über die Architektur von Bruchtal gemacht habe. Aber ich denke, dass ich mich trotzdem noch das ein oder andere Mal verlaufen werde."

Sie lächelte schief und ein wissender Ausdruck trat in Elohir's Augen.

"Ja, so geht es vielen. Sogar mancher Elb verläuft sich hier. Es ist also keine Schande."

Kiran lachte leise.

"Oh, ich würde es auch nicht als Schande ansehen. Eher als eine zusätzliche Besichtigung mit ungewolltem Spaziergang."

"Interessante Sichtweise, Lady Kiran."

"Kiran."

"Hab ich doch gesagt."

"Nein. Ihr sagtet "Lady Kiran". Ich bin keine Lady, also reicht Kiran vollkommen. Ohne irgendeine formvollendete Anrede, die mich zu etwas macht, was ich nicht bin."

Elohir schien darüber nachzudenken, doch dann zirrte ein schelmisches Lächeln seine schönen Züge.

"Dann werde ich Euch gerne beim Namen nennen, Kiran. Aber dann müsst auch Ihr mich bei meinem Namen nennen."

Kiran nickte.

"Dann werde auch ich das tun, Elohir. Aber ich frage mich, wie ich Euch von eurem Bruder unterscheiden kann."

Elohir nahm einen guten Schluck Wein.

"Irgendwann werdet Ihr merken, dass es einen kleinen, aber feinen, Unterschied zwischen mir und meinen Bruder gibt."

"Ihr meint, Ihr seit der hübschere."

Die beiden sahen sich in die Augen, dann lachten sie.

"Ja, dass natürlich auch."

"Da, mein lieber Bruder, muss ich dir mit aller Kraft wiedersprechen. Du magst der klügere von uns sein, aber ich bin ohne Zweifel der hübschere."

Elladan, der auf der anderen Seite des Tisches saß, etwa drei Stühle von Kiran und Elohir entfernt, hatte offenbar alles mitangehört und mischte sich jetzt in das Gespräch ein. Elohir sah seinen Bruder grinsend an.

"Du, mein lieber Bruder, bist nur dann hübsch, wenn du dich vor einen Spiegel stellst, der keine Oberfläche hat un ich auf der anderen Seite stehe."

Kiran musste über diesen Schlagaustausch der Brüder lachen.

"Sie sind immer so, denkt Euch also nichts dabei."

Kiran wand sich zu Lord Elrond um. Dieser nippte an seinem Weinkelch, doch trotzdem konnte sie das Lächeln sehen, welches auf seinen Lippen lag.

"Die beiden haben Euch sicherlich schon oft in die Verzweiflung getrieben, oder?"

Lord Elrond seufzte.

"Nicht nur mich. Ganz Bruchtal haben die beiden schon auf den Kopf gestellt. Da bin ich froh, dass meine Tochter von ruhigerer Art ist."

Kiran griff nach ihrem Weinkelch und nahm einen Schluck. Stimmt ja, Arwen. Wo sie wohl war?

"Und wo ist Eure Tochter, Lord Elrond?"

"Sie ist vor zwei Wochen zu ihrer Großmutter aufgebrochen. Sie sagte, sie wollte Lothlorien im Herbst sehen. Ich kann sie davon nicht abhalten, aber am liebsten hätte ich sie begleitet. Böses regt sich und ich sorge mich um sie. Sie ist zwar erwachsen, aber sie wird auch immer mein Kind bleiben."

"Diese Sorge verstehe ich zu gut, Lord Elrond. Ich bin mir sicher, dass Eure Tochter wohlbehaltend zu Euch zurück kommen wird."

Lord Elrond sah Kiran mit einem undeutbaren Blick an.

"Ihr sprecht, als wüsstet Ihr das bereits. Mit so viel Sicherheit und Überzeugung."

Kiran legte den Kopf schief und erwiederte Lord Elrond's Blick.

"Nun ja. vielleicht ist das so."

"Vater, so nimm doch nicht den ganzen Abend unsren reizenden Gast in Anspruch."

Elohir beugte sich zu ihnen und grinste seinen Vater an.

"Soweit ich mich erinnere, mein Sohn, hast du dich bereits sehr lange Zeit mit ihr unterhalten. Lass andere auch in den Genuss kommen."

"Das wirst du ohne Zweifel noch oft genug, Vater. Denn so wie ich dich kenne, wirst du Kiran noch oft sprechen wollen."

Lord Elrond sah seinen Sohn mit hochgezogener Augenbraue an, doch anstatt zu antworten oder seinen Sohn zurecht zuweisen, nahm er einfach nur einen erneuten Schluck vom Wein und schwieg. Schließlich hatte sein Sohn ja recht.

Unerfreuliche Nachrichten

Kiran war mitlerweile einen Monat in Bruchtal. Meistens verbrachte sie die Zeit in der Bibliothek und versuchte, soviel wie möglich zu lernen. Sie hatte in Erfahrung gebracht, dass es noch ein ganzes Jahr dauern würde, bis Frodo mit dem Ring und den anderen in Bruchtal eintreffen würde. Zeit, die sie zu nutzen gedenkte. Zum einen, um sich alles anzueignen, was sie wissen musste, wenn sie hier überleben wollte und zum anderen war es genug Zeit, um herauszufinden, wie sie wieder nach Hause kommen konnte. Über das "Warum-sie-hier-war", machte sie sich keine Gedanken mehr. Es war nun einmal so und Kiran hatte früh gelernt, dass sich manche Tatsachen einfach nicht ändern liesen. Jetzt saß sie auf einen der großen steinenden Fensterbänke, umringt von Kissen und Büchern und las begierig in einem Buch, welches über Feanor berichtete. Nach gut einer Woche hatte Kiran die erstaunliche Entdeckung gemacht, dass sie schon den größten Teil der elbischen Sprache verstand. Ein Talent, welches sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Auch sie konnte eine Sprache inerhalb kürzester Zeit alleine durch das zuhören erlernen. Die Schrift war, wenn man sie erst einmal begriffen hatte, auch nicht mehr so schwer. Obwohl es Herbst war, schien die Sonne warm und fröhlich. Seufzend schloss Kiran das Buch, lehnte ihren Kopf gegen die kühle Steinwand und lies sich die Sonne einfach ins Gesicht scheinen. Kiran hatte die Augen geschlossen und atmete tief die klare Luft ein. Dieser Ort war das reinste Paradies.

"Wage es nicht, mich zu erschrecken, Elladan."

Irritiert trat der älteste Sohn Elrond's hinter dem Bücherregal hervor und sah Kiran stirnrunzelnt an, die immer noch die Augen geschlossen hatte.

"Wie machst du das?"

"Was denn?"

"Mich und meinen Bruder auseinander halten. Personen wahr nehmen, obwohl du die Augen geschlossen hast."

Kiran seufzte leise, dann schlug sie die Augen auf und sah Elladan kurz an, dann blickte sie aus dem Fenster.

"Wie macht euer Vater das? Oder Erestor? Frag doch einen der hundert Elben, die das auch können."

Elladan verschränkte sie Arme vor der Brust.

"Das sind ja auch Elben. Aber du bist ein Mensch. Bis jetzt sind mir nur wenige Menschen untergekommen, die das können. Und das waren alles Waldläufer."

Kiran verdrehte im Geiste die Augen, weil Elladan immerzu ihr, ach so seltsames Verhalten, analüsieren musste.

"Ich bin keine Dunedain, Elladan. Ist es denn so abwegig, dass auch normale Menschen etwas können, was du nicht gleich verstehst?"

"Aber du bist nicht normal."

Kiran schlug die Augen auf und taxierte den jungen Elben mit einem Blick, der eine Mischung aus Wut, Irritation und Humor hatte.

"Ach, bin ich das nicht? Wie überaus galant von dir, mir ein solches Kompliment zu machen, Elladan. Und jetzt entschuldige mich. Ich habe zu tun."

Kiran hob das Buch so weit nach oben, dass es demonstratiev ihr Gesicht verbarg. Ein überaus deutliches Zeichen, dass für sie das Gespräch beendet war. Aber Elladsan hatte anderes im Sinn. Er ignorierte die ganz eindeutigen Zeichen, die Kiran ausstrahlte und setzte sich neben sie auf die Fensterbank.

"Kiran, du bist wirklich nicht normal. Du konntest nach einer Woche unsere Sprache und unsere Schrift. Nicht mal Aragon, einer der Waldläufer, hatte das so schnell lernen können. Er hat mehrere Jahre gebraucht, bis er sich perfekt unterhalten konnte. Geschweige denn ein Buch zu lesen. Aber du? Du scheinst das alles ohne Probleme hin zu bekommen. Und manchmal redest du so seltsam. So habe ich noch nie einen Menschen sprechen gehört und erst recht keine Frau. Und du ziehst dich an wie ein Mann. Und was noch unglaublicher ist: du kämpst wie ein Mann. Nein, Moment. Das ist falsch. Du kämpfst, als ob dein Leben davon abhinge. Deine ganze Haltung ist ... merkwürdig. Als müsstest du dich jeden Augenblick verteidigen oder angreifen."

Kiran seufzte. In dem einen Monat, in dem sie schon hier war, hatte sie eines gelernt. Wenn man Elladan keine Antworten gab, die für ihn sinnig waren, würde er einen immer weiter nerven. So lange, bis er hatte, was er wollte. Und in diesem Fall wollte er ihre Vergangenheit kennen. Etwas, was Kiran nicht preisgeben wollte. Sie legte das Buch zur Seite und sah Elladan genervt an.

"Elladan, kannst du es nicht ertragen, wenn du etwas mal nicht verstehst? Es reicht mir schon, dass dein Vater ständig nachfragt, da musst du das nicht auch noch machen. Ich möchte nicht über mein Leben reden."

"Aber es belastet dich."

In Kiran's Gesicht zuckte ein Muskel. Ein sehr deutliches Zeichen dafür, dass man ins Schwarze getroffen hatte. Für einige Augenblicke lag in ihren Augen der Ausdruck von unendlichem Leiden und Elladan bereute es, sie nach ihrer Vergangenheit gefragt zu haben. Er wollte ihr entschuldigend eine Hand auf die Schulter legen, doch als er seine Hand anhob, sprang Kiran auf. Dabei fiel das Buch, welches sie auf ihrem Schoß hatte, zu Boden und blieb dort unbeachtet liegen. In ihren goldbraunen Augen konnte Elladan Panik erkennen und sie starrte seine Hand einige Sekunden lang an. Doch dann blinzelte sie und hatte sich wieder im Griff.

"Entschuldige mich, Elladan. Ich habe noch etwas zu erledigen."

Fast fluchtartig verlies Kiran die Bibliothek und lies Elladan dort alleine zurück. Dieser seufzte, hob das Buch auf und legte es ganz oben auf den Stabel Bücher, die Kiran sich zur Seite gezogen hatte. Er staunte über die Auswahl, die sie getroffen hatte, denn irgendwie passten die Bücher nicht zusammen. Sie ergaben einfach keinen Sinn.

Feanor's Geschichte.

Ein Buch über die Entstehung Adar's.

Ein Buch über die verschiedenen Reiche in Mittelerde.

Ein Buch mit Kalenderberechnung.

Doch dann las er einen Titel, der ihn stutzen lies. Erst dachte er, er hätte sich verlesen, doch egal wie oft sein Blick über den Titel schweifte, er blieb der gleiche. Nachdenklich runzelte Elladan die Stirn. Darüber sollte er mit seinem Vater reden. Es musste was bedeuten, wenn Kiran dieses Buch las. Kurzerhand klemmte er sich das Buch unter den Arm und verlies die Bibliothek. Seine Schritte führten ihn direkt zu den privaten Räumen seines Vaters.
 

***
 

"Es war eine kluge Entscheidung von dir, mit diesem Problem zu mir zu kommen, Elladan. Das sie dieses Buch liest oder zu lesen vorhat, kann nichts gutes vermuten lassen."

Elladan stand seinem Vater gegenüber und sah ihn ernst an. Elrond hatte sich gegen den steinernden Kamin gelehnt und starrte nachdenklich in die Flammen.

"Es würde zumindest erklären, wieso sie nie über ihre Vergangenheit reden will."

Elrond schüttelte bei dieser Äußerung den Kopf.

"Nein. Ich denke, ihr beharrliches Schweigen bezüglich ihrer Vergangenheit hat einen anderen Grund. Aber dennoch. Ich werde mit ihr reden müssen."

Elladan's schönes Gesicht verfinsterte sich und er verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß.

"Wieso hast du dieses Buch eigendlich noch? Wolltest du es nicht schon längst verbrannt haben?"

"Ja, schon. Aber du kennst ja Erestor. Er beklagte die lange Arbeit."

"Aber er hat das Buch doch gar nicht geschrieben. Wieso beschwert er sich dann?"

"Ich habe nie behauptet, meinen ersten Berater, Buchführer und langjährigen Freund zu verstehen, Elladan. Ich weis wirklich nicht, was in seinem Kopf vor geht. Und ich will es eigendlich auch gar nicht wissen."

Elladan musste lachen. Ja, wirklich niemand wollte wissen, was in dem Kopf von Erestor vorgeht. Vermutlich hätte sogar Elrond, Herr von Bruchtal, Probleme damit, seinen Gedanken zu folgen.

"Elladan, ich möchte, dass du Kiran zu mir bringst. Es ist besser, ich regel die Sache gleich."

Elladan nickte und drehte sich um. An der Tür hielt er inne und sah noch einmal zu seinem Vater.

"Du solltest das Buch wirklich verbrennen. Am besten jetzt gleich, damit Erestor es nicht mit bekommt."

Elrond nickte, starrte dabei aber immer noch in die Flammen. Erst als sein Sohn das Zimmer verlassen hatte, verlies er seinen Platz am Kamin und ging zu seinen Schreibtisch. Seine Finger strichen über den Titel des Buches, dann nahm er es in die Hand und schmiss es kurzerhand ins Feuer, bevor er es sich selbst noch anders überlegte. Die Flammen leckten an den alten Seiten entlang und verschlangen das Buch begierig. Das letzte, was Elrond sah, waren die goldenen Lettern. Er seufzte. Ein Buch über schwarze Magie hatte in Bruchtal wirklich nichts zu suchen.
 

***
 

Kiran hatte sich nach ihrer Flucht vor Elladan in ihr Zimmer zurück gezogen. Jetzt saß sie an ihrem Schreibtisch und brütete über einige Zauber, die sie aus einem Buch geschrieben hatte. Frustriert kaute sie auf ihrer Unterlippe rum. Keiner der Zauber hatte die Kraft, sie in ihre Welt zu bringen. Und außerdem konnte sie ja gar nicht zaubern. Außerdem wusste sie nicht, ob man Magie so erlernen konnte oder ob es im Blut lag. Seufzend lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Sie wollte nach Hause. Sie vermisste Mel, Beth und Kitty. Verflucht noch mal, sie vermisste sogar ihre Aufgaben im Haushalt. Als es leise klopfte, schrak Kiran auf. Schnell verbarg sie ihre Notizen unter einigen anderen Blättern. Gerade noch rechtzeitig, denn die Tür ging auf und Elladan trat in ihr Zimmer.

"Kannst du nicht warten, bis man herein sagt?"

Elladan blieb stehen. Verblüfft musste Kiran fest stellen, dass er irgendwie distanziert wirkte.

"Mein Vater will mit die sprechen. Ich soll dich zu ihm bringen."

Kiran stand auf und sah Elladan dabei unentwegt an. Irgendwas stimmte hier nicht und sie war sich sicher, dass es ihr nicht gefallen würde, was Lord Elrond mit ihr zu besprechen hatte.

"Ich finde den Weg zu dem Arbeitszimmer deines Vaters auch alleine. Trotzdem Danke, Elladan."

"Er besteht darauf, dass ich dich zu ihm bringe. Komm."

Elladan hielt die Tür auf und Kiran trat auf den Flur. Das ganze war mehr als merkwürdig. Er blieb immer dicht hinter ihr, fast so, als würde er sie bewachen. Kiran fühlte sich immer unwohler und sie wollte das ganze so schnell wie möglich hinter sich bringen. Vor dem Arbeitszimmer blieben die beiden stehen und Ellasan klopfte an, dann traten beide ein.

"Vater, ich bringe dir Kiran."

"Danke, Elladan. Du kannst dich jetzt zurück ziehen."

Wortlos verlies Elladan das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Kiran sah zu Lord Elrond, der an seinem Schreibtisch saß und auf etwas sehr seltsames starrte.

"Komm ruhig näher, Kiran. Setz dich."

Langsam trat Kiran näher und lies sich wachsam auf dem Stuhl nieder, der vor dem Schreibtisch stand. Lange Zeit sagte keiner der beiden ein Wort, doch dann wurde Kiran das Schweigen unerträglich.

"Was wollt Ihr denn mit mir besprechen, Lord Elrond?"

Lord Elrond seufzte schwer und sah sie jetzt zum ersten Mal an, seit sie den Raum betreten hatte.

"Elladan hat mir ein Buch gebracht, welches du entweder gelesen hattest oder vorhattest, zu lesen. Ein Buch, bei dem sich mir die Frage auftut, wieso du es hattest."

Kiran runzelte die Stirn. Gab es da ein spezielles Buch, welches die Aufmerksamkeit der beiden Elben errungen hatte? Hatte sie ein Buch gelesen, welches sie nicht hätte lesen dürfen?

"Lord Elrond, ich kann Euch nicht folgen. Von welchem Buch redet Ihr?"

"Von dem Buch über schwarze Magie."

Fast sofort verkrampften sich Kiran's Muskeln, ihre Atmung ging schneller und ihr Blick wurde wachsamer.

"Da es in Eurer Bibliothek steht, bin ich davon ausgegangen, dass es für jeden zu lesen ist. Sollte ich Euch damit gekränkt haben, dann tut es mir leid."

"Warum schwarze Magie?"

"Es hat mich interessiert. Ich habe keine bösen Absichten, Lord Elrond, doch dieses Buch erweckte mein Interesse und so habe ich es gelesen."

Lord Elrond lehnte sich in seinem Stuhl zurück und starrte Kiran an.

"Nun ja, jetzt wird es niemand mehr lesen können."

"Was meint Ihr damit? Ich hatte es noch nicht bis zum Ende gelesen."

Panik machte sich in Kiran breit. Die ersten paar Zaubersprüche hatten ihr nicht weiter geholfen, doch die letzten, die sie abgeschrieben hatte, schienen mächtige Zauber zu sein. Sie hatte die Hoffnung, dass einer der letzten Zauber sie nach Hause bringen könnte. Doch was meinte Lord Elrond mit seiner Äußerrung?

"Ich meine es so, wie ich es sage."

Kiran's Blick glitt zu dem komischen schwarzen Haufen vor ihr auf den Tisch. Erst setzte ihr Herz ein paar Schläge aus und schlug dann schmerzhaft schnell gegen ihre Brust. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn, ihre Augen wurden trübe, ihr Mund trocken und ihre Hände feucht. Als Lord Elrond wieder sprach, kam es ihr so vor, als würde sie viele Meilen weit weg sein, so undeutlich erschien ihr die Stimme.

"Ich habe es verbrannt. Niemand wird es je wieder lesen."

Die ersten Worte von dem Herrn von Bruchtal hallten Kiran immer und immer wieder in den Ohren, einem Echo gleich. Verbrannt. Verbrannt. Verbrannt. Der verzweifelte Schrei, der sich seinen Weg aus Kiran's Kehle bahnte, hallte durch ganz Bruchtal.

Verzweiflung

"WIE KONNTET IHR DAS TUN?"

Kiran's hysterische Stimme hallte in sämtlichen Gängen von Bruchtal wieder und alle, die es hörten, zuckten vor Schmerz und Überraschung zusammen. Man hatte die junge Menschenfrau noch nie die Stimme erheben hören. Auch Elladan und Elohir, die Söhne Elrond's, erschraken. Kurz sahen sich die beiden Brüder an, dann liefen sie zusammen zum Arbeitszimmer ihres Vaters.
 

***
 

Lord Elrond war in der Zeit damit beschäftigt, Kiran zu beruhigen, denn das junge Mädchen lief panisch in seinem Arbeitszimmer auf und ab, raufte sich die Haare oder schlug mit der Faust gegen die Wand.

"Kiran, jetzt beruhige dich doch. Es war notwendig. Schwarze Magie ist gefährlich. Es ist gut, dass du es nicht bis zum Ende gelesen hast. Glaub mir."

Kiran wirrbelte zu Lord Elrond herum und sah ihn an, wie ein Tier, dass sich mit dem Jäger konfrontiert sah. Als sie wieder sprach, lag ihre Stimme zwei Oktaven höher als normal.

"Gut? Gut sagt Ihr? Ihr habt ja keine Ahnung!"

"Was ist hier los? Man hört Kiran in ganz Bruchtal schreien."

Elladan und Elohir betraten das Arbeitszimmer, dicht gefolgt von Erestor, Glorfindel und Lindir. Elrond sah seine Söhne und Berater an und zuckte mit den Schultern. Er wusste schließlich auch nicht, warum Kiran wegen eines Buches einen solchen Aufstand machte. Diese war jetzt zum Schreibtisch gegangen und sah verzweifelt auf den Haufen Asche nieder, der einmal ein Buch gewesen war. Ein Buch, welches ihr vielleicht die Heimreise ermöglicht hätte. Mit vor Wut blitzenden Augen drehte Kiran sich zu den Elben um und nahm Elladan ins Visier.

"Du! Das ist alles deine Schuld!"

Wutentbrannt sauste sie auf ihn zu und bohrte ihm ihren Zeigefinger in die Brust. Elladan wich überrscht ein paar Schritte zurück, doch Kiran folgte ihm.

"Wegen deiner Herumschnüffelei hat er es verbrannt! Das ist alles ganz allein deine Schuld! Vermutlich hast du es deinem Vater auch noch vorgeschlagen! "Es ist zu gefährlich", "Wer weis, was sie damit anstellen will". So ein Zeug hast du doch von dir gegeben, Elladan. Weist du eigendlich, was du mir damit angetan hast? Nein! Aber woher auch? Du denkst kein bisschen nach! Du hättest zu mir kommen sollen, als du das Buch beim Schnüffeln entdeckt hast! Ich hätte dir eine Antwort gegeben! Aber nein! Der werte Herr Elb muss ja gleich zu seinem Vater rennen! Und der hat nichts anderes zu tun, als es zu verbrennen!"

Kiran verpasste Elladan nach dieser langen Schimpftirade einen kräftigen Stoß vor die Brust, so das dieser gegen die Wand prallte.

"Du Hornochse von einem Elb hast alles kaputt gemacht! Ich war so dicht davor, eine Antwort auf meine Frage zu finden! So dicht!"

Wütend wirrbelte sie wieder herum und stapfte zum Schreibtisch. Sie konnte noch so viel schimpfen und zetern. Die Asche würde sich nicht in das Buch zurück verwandeln. Es war alles vorbei. Einfach alles. Jetzt musste sie für immer hier bleiben. In einer Welt, in die sie nicht gehörte. Hinter ihr bewegten sich die Elben leise. Keiner traute sich, das Wort zu ergreifen.

"Das ist so unfair. Ich habe nie etwas angestellt. Nicht geklaut. War immer ehrlich zu meinen Eltern und Brüdern. War gut in der Schule. Habe nie Drogen genommen. Bin immer arbeiten gegangen. Ich mach sogar noch den Haushalt. Wieso ich? Hät's nicht jemand anders treffen können? Warum muss ausgerechnet ich hier landen?"

Leise vor sich hin murrmelnd verlies Kiran mit hängendem Kopf das Zimmer und würdigte niemanden mehr eines Blicks.
 

***
 

Erst als ihre Schritte auf dem Gang verklungen waren, atmeten die sechs Elben wieder auf. Der erste, der sprach, war Erestor. Er drehte sich zu Lord Elrond um und fixierte ihn mit einem Blick, der jeden anderen in die Flucht geschlagen hätte.

"Habt Ihr wirklich ein Buch verbrannt, Lord Elrond? Ihr wisst doch, dass ich soetwas nicht gut heiße."

"Erestor, bei dem besagten Buch handelt es sich um eines, dass sich mit schwarze Magie befasst. Ich hätte es schon vor langer Zeit verbrennen sollen. Nur deine sture Art hat das verhindert und jetzt siehst du ja, was es gebracht hat."

"Habt Ihr sie nicht nach dem Grund gefragt, wieso sie es gelesen hat?"

Lindir's sanfte Stimme beruhigte die aufgewühlten Gemüter der anderen Elben. Der blonde Elb setzte sich auf die Fensterbank und sah hinunter in den Garten. Lindir's ruhige Art war der perfekte Ausgleich zu Erestor's Mürrigkeit und Glorfindel's kriegerischen Gebaren. Seine drei Berater ergänzten sich perfekt.

"Nein, dazu bin ich nicht gekommen. Sie hat sofort angefangen zu schreien, als ich es ihr gesagt habe. Hat nur immer wieder gemurmelt, dass ihr Leben jetzt vorbei wäre. Ich bin nicht schlau daraus geworden."

"Kann es sein, dass sie gerade einen Akzent hatte? Ich meine, als sie mit Elladan geschimpft hat?"

Die anderen Elben sahen zu Elohir. Der junge Elb hatte zum ersten Mal etwas gesagt, seit Kiran das Zimmer verlassen hatte.

"Was meinst du?"

Elohir zuckte mit den Schultern.

"Ich hatte das Gefühl, dass sich ihre Aussprache etwas verändert hat. Ich habe sie noch nie mit diesem Akzent reden gehört und desswegen ist es mir aufgefallen."

Darauf sagte keiner der anderen etwas, sondern schwiegen einfach. Lindir brach nach sehr langer Zeit das Schweigen.

"Ich glaube nicht, dass sie etwas böses vor hatte. Kiran mag zwar anders sein und wir mögen ihre Art und ihr Verhalten nicht verstehen, aber sie ist nicht böse."

Elrond lies sich seufzend auf einen Stuhl nieder.

"Ich fühle bei ihr auch nichts böses. Eher etwas vertrautes."

Erestor und Glorfindel nickten zustimmend.

"Ja, das ist uns auch aufgefallen und Erestor und ich haben auch schon darüber gesprochen. Und uns ist der Gedanke gekommen, dass sie vielleicht Elbenblut in sich hat."

Bei dieser Vermutung hoben alle anwesenden Elben den Kopf und starrten Glorfindel und Erestor an.

"Das würde erklären, wieso sie so schnell lernt. Das Wissen ist dann tief in ihr verwurzelt. Aber sie ist so menschlich."

Erestor zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht war ihr Großvater oder ihre Großmutter vom elbischen Blut und sie weis es nicht. Habt ihr sie nie nach ihrer Familie gefragt, Lord Elrond?"

"Ich glaube, dass hat hier keiner. Sie reagiert ja immer sehr abweisend, wenn man auf ihre Vergangenheit zu sprechen kommt."

"Dann würde ich sagen, sollten wir das endlich mal machen."

"Sie wird sich weigern, Erestor. Es ist ja nicht so, dass es keiner versucht hat. Aber bei diesem Gesprächsthema verschließt sie sich voll und ganz."

"Könnt ihr es nicht auf geistiger Ebene versuchen?"

Bei diesem Vorschlag des hohen Beraters schnappten alle nach Luft und Lord Elrond sprang sogar von seinem Stuhl auf.

"Das darfst du noch nicht einmal denken, Erestor. Es ist sehr gefährlich, in den Geist eines anderen Wesens einzutauchen. Im schlimmsten Fall sterben beide Personen an diesem Versuch. Und du weist auch, dass es nur bei sehr willensschwachen Personen möglich ist. Kiran Anzara ist alles andere als Willensschwach und da sie, wie wir vermuten, Elbenblut hat, dürfte es bei ihr noch schwieriger sein."

"Nicht, wenn sie es freiwillig zu lässt."

"Das wird sie aber nicht. Sie setzt so schon alles daran, sich zu schützen. Ich denke nicht, dass sie mich in ihren Geist blicken lässt."

"Aber es ist offenbar die einzige Möglichkeit, Klarheit über sie zu bekommen."

"Schluss damit, Erestor. Ich will darüber nichts mehr hören. Ich werde es nicht tun. Wir müssen es so versuchen. Elohir, zu dir und deinem Bruder hat sie das größte Vertrauen. Redet mit ihr, aber seit behutsam. Lindir, dich mag sie auch sehr, versuche du es also ebenfalls. Ich hoffe, ihr findet etwas heraus. Und jetzt geht. Ich wünsche, alleine zu sein."

Die anderen Elben verneigten sich vor dem Herrn von Bruchtal und verließen schweigend das Zimmer.
 

***
 

Kiran war, als sie das Arbeitszimmer verlassen hatte, weinend in ihr Zimmer gerannt und hatte lautstark die Tür ins Schloss fallen lassen. Das war für Rya, die ihr in einem der Gänge begegnet und ihr gefolgt war, ein sehr deutliches Zeichen gewesen. Jetzt lag Kiran immer noch weinend auf dem großen Bett. Sie schaffte es einfach nicht, sich zu beruhigen. Es war alles vorbei. Sie würde nie wieder nach Hause kommen. Mit der Verbrennung des Buches hatte sich ihre einzigste Hoffnung in ein Häufchen Asche verwandelt.

"Ich will nach Hause. Beth, Mel, bitte tut doch was."

Bei dem Gedanken an ihre beiden Freundinen krampfte sich ihr Herz noch mehr zusammen. Sie vermisste die beiden so sehr. Sie vermisste Kitty, ihre Arbeit und den stressigen Haushalt.

"Ach, verdammt!"

Kiran`s Trauer schlug von jetzt auf gleich in Wut um und sie schlug mit aller Kraft auf ihr Kissen ein. Sie schrie, schimpfte und weinte gleichzeitig. Doch irgendwann befriedigte sie es nicht mehr, auf ein blödes Kissen einzuschlagen und so raste sie wie ein Tornado durch das große Zimmer und hinterlies eine Spur der Verwüstung.
 

***
 

Rya, die immer noch draußen auf dem Gang stand, zuckte immer wieder zusammen, als sie den Krach aus Kiran's Zimmer hörte, doch ihr gesunder Selbsterhaltungstrieb hielt sie davon ab, in das Zimmer zu gehen. Und so stand sie einfach nur draußen auf dem Flur und rang die Hände.

"Rya, was machst du denn hier?"

Rya drehte sich zu Elohir um und sah ihn panisch an.

"Kiran dreht durch. So wie es sich anhört, zerstöhrt sie gerade das ganze Zimmer. Was ist denn nur passiert?"

Elohir seufzte.

"Das ist eine lange Geschichte, Rya und ich werde sie dir ein andernmal erzählen. Meinst du, ich kann zu ihr?"

Nickend wies er auf die Zimmertür, hinter der es schon seit einigen Augenblicken ruhig geworden war.

"Ich weis es nicht. Bis eben hat sie noch gewütet, aber da es jetzt still..."

Rya konnte ihren Satz noch nicht einmal zu Ende sprechen, da ertönte aus dem Zimmer ein lautes Klirren, auf dem dann Stille folgte. Die beiden Elben sahen sich kurz an, dann trat Elohir an die Tür und klopfte leise.

"Kiran, ich bin es, Elohir. Rya ist auch bei mir. Können wir rein kommen? Wir machen uns Sorgen."

"Geht weg!"

"Kiran, bitte lass uns rein."

"IHR SOLLT VERSCHWINDEN!"

Elohir zuckte zurück, als Kiran ihn so anbrüllte, doch er fasste sich sehr schnell wieder.

"Kiran, ich werde nicht eher weg gehen, bis ich vernünftig mit dir gesprochen habe."

Auf diese Aussage folgte Stille und Elohir sah Rya fragend an.

"Heißt das, wir dürfen rein kommen?"

Rya schüttelte energisch den Kopf.

"Nein, dass heißt es bestimmt nicht. Elohir, wenn sie im Moment nicht... Sag mal, riecht es hier nach Blut?"

Elohir schnupperte leicht.

"Ja, du hast recht. Aber woher..."

Er beendete seinen Satz erst gar nicht, sondern riss die Tür zu Kiran's Zimmer auf. Kurz hielt er inne und betrachtete ungläubig das Chaos, welches die junge Frau verursacht hatte, dann streifte sein Blick die auf dem Boden sitztende Kiran. Sie saß mitten in einem Haufen aus Scherben. Er trat näher an sie heran, doch als er sah, was sie tat, sprang er vor und riss ihr die Scherbe aus der Hand.

"Rya! Hol sofort meinen Vater! Er soll Verbandszeug mitbringen! Schnell!"

Rya, die in der Tür stehen geblieben war, drehte sich um und rannte in Richtung des Arbeitszimmers. Elohir kniete neben Kiran und drückte seine Hände auf die klaffende Wunde an ihrem Handgelenk. Das warme Blut sickerte durch seine Finger und tropfte auf den Boden und auf die Kleidunge der beiden. Kiran saß völlig starr auf dem Boden, ihr Blick ging ins Leere.

"Was hast du dir denn nur dabei gedacht? Kiran, was sollte das?"

Als sie ihm nicht antwortete, löste Elohir eine Hand von der Wunde und schüttelte Kiran.

"Antworte mir, Kiran. Was hast du dir dabei gedacht?"

Als Elohir die junge Frau durchschüttelte, kehrte ihr Blick zurück in die Gegenwart. Sie blinzelte ein paar Mal, dann erst schien sie Elohir zu erkennen. Einige Sekunden tat sie gar nichts, doch dann fing sie an, sich wie ein wildes Tier zu gebärden. Sie kreischte und schlug mit ihrer freien Hand nach Elohir, zerkratzte ihm sogar das Gesicht. Elohir versuchte sein bestes, Kiran zu beruhigen und gleichzeitig die Wunde zu stillen.

"Kiran! Hör auf damit!"

Doch seine Worte schienen sie nicht zu erreichen. Sie versuchte, sich von ihm zu lösen und bei diesem Versuch zerschnitten die am Boden liegenden Scherben ihre Beine und ihre andere Hand.

"LASS MICH LOS! LASS MICH AUF DER STELLE LOS! ICH WILL NICHT MEHR!"

Elohir hatte Probleme, die Ruhe zu behalten. Kurzerhand sprang er auf dei Füße, hob Kiran auf seine Arme und trug sie fort von dem Scherbenhaufen. Er setzte sie aufs Bett, riss ein Stück Stoff vom Vorhang und verband ihre Wunde.

"Kiran, jetzt beruhige dich! So verlierst du noch viel mehr Blut!"

"DAS KANN DIR DOCH EGAL SEIN! LASS MICH IN RUHE! VERSCHWINDE! NA LOS! VERSCHWINDE!"
 

***
 

"Was ist hier los?"

Elohir drehte sich um und sah seinen Vater, sowie Lindir und Erestor in der Tür stehen.

"Komm schnell, Vater. Sie hat sich das Handgelenk aufgeschnitten. Sie gebärdet sich wie ein wildes Tier. Ich kann nichts machen."

Als er seinen Satz beendet hatte, bekam er einen derben Tritt von Kiran in die Magengegend, der ihn nach Luft schnappen lies.

"VERSCHWINDE!"

Lord Elrond, Erestor und Lindir stürmten gleichzeitig zum Bett. Lindir setzte sich hinter Kiran auf das Bett und umschlang mit seinen Armen ihren Oberkörper, wärend Erestor Lord Elrond half, alles vorzubereiten. Als Lindir Kiran in die Arme nam, schrie sie wieder hysterisch auf und wehrte sich mit aller Kraft gegen den grazielen Elben, der so gar nicht nach einem Krieger aussah. Doch Lindir hielt Kiran eisern fest, flüsterte ihr aber zärtliche Worte ins Ohr, damit sie sich beruhigte. Und wie durch ein Wunder schienen die geflüsterten Worte die junge Frau zu beruhigen. Ihre Gegenwehr erlahmte, bis sie schließlich zitternd und leise wimmernd in den Armen des Bruchtalelben lag. Lord Elrond kniete sich vor sie, löste den provesorischen Verband und besah sie die Wunde. Diese blutete immer noch.

"Erestor, die blutstillende Paste und Verbadszeug. Sie hat knapp die Pulsader verfehlt."

Schweigend, aber mit grimmigen Gesicht reichte der Berater seinem Lord die geforderten Sachen und Lord Elrond ging ebenso schnell wie behutsam zu Werke. Kiran schien von all dem nichts mitzubekommen. Sie lehnte wie in Trance an Lindir's Brust und ihr Blick war leer. Lindir hatte seinen eisernen Griff gelöst und streichelte jetzt beruhigend ihre Haare, ihren Rücken und ihrn unverletzten Arm. Dabei flüsterte er immer wieder beruhigende Worte. Er hatte Angst, sie würde sich wieder gegen ihn wehren. Lord Elrond versorgte gerade den letzten Schnitt an ihren Beinen. Als er damit fertig war, seufzte er schwer und sah sich im Zimmer um.

"Wie schlimm sind die Verletzungen?"

Elrond sah zu Erestor hoch, der Kiran mit einem zugleich besorgten und wütendem Blick ansah.

"Die an den Beinen sind harmlos, nur oberflächlich. Genau wie die Schnittwunde an der Hand. Die an ihrem Handgelenk ist sehr schlimm, sie könnte sich entzünden. Wir können froh sein, dass sie ihre Pulsader verfehlt hat."

Erestor hob eine Hand und strich leicht mit der Fingerspitze über Kiran's Wange, doch sie merkte es nicht.

"Wieso hat sie das nur gemacht? Glaubt sie etwa, wir würden nicht um sie trauern?"

"Ich weis nicht, was sie gedacht hat, mein Freund. Ich werde es sie fragen, wenn es ihr besser geht. Rya."

Rya, die die ganze Zeit an der geschlossenen Tür gestanden hatte, trat jetzt leise an Elrond's Seite.

"Ja, Herr Elrond?"

"Wärest du so freundlich, das Zimmer wieder her zu richten? Und bitte bring alle scharfen Gegenstände aus ihrer Reichweite. Ich weis nicht, ob sie es wieder tun wird und wenn sie es vor hat, möchte ich es ihr erheblich erschweren."

"Natürlich, Lord Elrond. Ich werde sofort beginnen."

"Gut. Lindir, würde es dir etwas ausmachen, wenn Kiran heute Nacht bei dir schläft? Dir vertraut sie und du bist hier der einzigste, der sie beruhigen kann."

Lindir nickte leicht, stand vorsichtig auf, hob Kiran auf seine Arme und ging mit ihr in sein Zimmer, welches nur einige Türen weiter lag. Rya machte sich sofort daran, das Zimmer aufzuräumen, wärend Elrond, Erestor und Elohir wie Statuen im Raum standen.

"Es war nicht das erste Mal, dass sie sich solche Verletzungen zugefügt hat. Auf ihrem ganzen Arm sind verblasste Narben, kaum noch zu erkennen. Ich frage mich, was für einen unaussprechlichen Schmerz dieses Mädchen in sich haben muss. Wie verzweifelt sie sein muss."

Die Elben sahen sich an, doch sie schwiegen. Keiner wusste, was sie sagen sollten.

Liebesnacht

Lindir legte Kiran behutsam auf sein Bett und deckte sie zu. Sanft strich er ihr einige Strähnen aus dem Gesicht.

"Was hast du dir nur dabei gedacht, kleines Mädchen? Was geht nur in dir vor, dass du so verzweifelt bist?"

Kiran antwortete ihm nicht, sie starrte einfach vor sich hin, schien nichts wahr zu nehmen. Lindir strich ihr immer weiter beruhigend über das Gesicht und über die Arme. Er begann, ein ruhiges Lied zu singen und er hoffte, dass sein Lied ihre Seele erreichte. Irgendwann hörte Lindir auf, zu singen, um etwas zu trinken. Doch als er aufstehen wollte, griff Kiran nach seiner Hand.

"Nicht gehen."

Lindir lehnte sich etwas zu ihr und berührte mit seiner Nasenspitze ihre.

"Ich gehe nicht weg, Kiran. Ich brauche nur etwas zu trinken und du solltest auch etwas zu dir nehmen. Du hast sehr viel Blut verloren. Du musst den Flüssigkeitsverlust ausgleichen."

Langsam stand er auf und ging zu einem Tisch, um zwei Becher mit Wasser zu füllen. Dann ging er zum Bett zurück, setzte sich und reichte Kiran einen der Becher. Kiran richtete sich etwas auf und nam den Becher entgegen. Ihre Hände zitterte, als sie den Becher an ihre Lippen führte. Lindir lies sie nicht aus den Augen und sorgte dafür, dass sie den ganzen Becher leerte.

"Kiran, was hast du dir dabei gedacht?"

Sie senkte den Becher und starrte auf den Verband an ihrer Hand.

"Es ist alles nicht so einfach für mich, Lindir."

Lindir entwendete ihr den Becher und stellte beide auf den kleinen Tisch, der neben seinen Bett stand. Sanft strich er ihr über die Wange.

"Erzähl es mir, Kiran. Ich werde dir zu hören."

"Du wirst mir nicht glauben. Es ist zu verrückt."

"Versuche es."

Kiran strich mit der Hand über den Verband. Sie zitterte am ganzen Körper und Tränen liefen ihr über das Gesicht. Lindir hob ihr Gesicht an und küsste die Tränen weg. Kiran schloss die Augen und atmete zitternd ein.

"Erzähl mir alles, Kiran. Ich höre dir zu."

"Ich komme nicht von hier."

Lindir lachte leise.

"Erzähl mir etwas neues."

"Nein, Lindir, ich komme wirklich nicht von hier. Ich komme nicht aus Mittelerde."

Kiran hob den Blick und sah Lindir feste in die Augen. Lindir rückte ein Stück zurück. Er konnte keine Lüge in ihren Augen erkennen.

"Nicht...aus...Mittelerde?"

"Ich komme aus einer Welt, in der eure Welt nur eine Geschichte ist. Ihr seit nur eine Geschichte. In meiner Welt gibt es Bücher über Mittelerde und auch Filme. Ich liebe eure Geschichte. Eines Abends sah ich mir wieder die Filme an und bin darüber wohl eingeschlafen. Als ich wieder aufgewacht bin, war ich hier."

Als Kiran geendet hatte, schwiegen beide. Sie wollte ihm Zeit geben, dass, was er eben gehört hat, zu verdauen. Schließlich war es unglaublich, ja, eigendlich unmöglich.

"Na ja, es würde erklären, warum du dich so von den Menschen, die ich kenne, unterscheidest. Wieso hast du es uns nie gesagt?"

Kiran starrte Lindir an.

"Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Du hälst mich nicht für verrückt?"

Lindir lachte leise.

"Verrückt bist du, das steht außer Frage. Aber nein, ich halte dich nicht in dieser Sache für verrückt. Du musst wissen, wir Elben haben die Gabe, Lügen zu erkennen. Und du lügst nicht, Kiran. Außerdem habe ich schon von einigen Menschen gehört, die aus einer anderen Welt hierher gekommen sein sollen. Nur habe ich es nie für möglich gehalten. Du doch auch, oder?"

"Klar hab ich das. Ich bitte dich. Ich schlafe in meiner Welt ein und wache in einer anderen wieder auf. Soetwas kann es, logisch betrachtet, ja nicht geben."

"Kleines, Logik wird ganz gewaltig überschätzt. Du solltest morgen mit Lord Elrond reden. Vielleicht kann er dir helfen. Wenn du dich uns schon eher anvertraut hättest, wäre es nicht dazu gekommen."

Er zeigte mit einem Nicken auf ihre Hand und Kiran fühlte, wie sie rot wurde.

"Hast du wirklich gedacht, schwarze Magie könne dir helfen, in deine Welt zurück zu kehren?"

"Verzweifelte Situationen erfordern nun mal verzweifelte Maßnahmen, oder? Außerdem dachte ich, ihr würdet mir nicht glauben."

Lindir nickte.

"Ja, das ist verständlich. Nun, genug geredet. Schlaf jetzt. Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus. Ich weis, ein sehr dummer Spruch der Menschen, aber da du jetzt endlich redest, wird sich einiges bessern, glaub mir."

Kiran nickte, dann, ohne jedliche Vorwahrnung, schlang sie die Arme um Lindir und drückte sich an ihn.

"Danke."

Lindir schloss sie in die Arme und wiegte sie sanft hin und her.

"Nicht dafür, niben Harma."
 

***
 

Als Lindir sie "kleiner Schatz" nannte, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Er sprach die Kosung so sanft, so zärtlich aus. Es war schon lange her, dass sie jemand mit einem so liebevollem Kosewort benannt hatte. Kiran fühlte Lindir's warmen Atem auf ihrer Stirn, dann auf ihrer Wange. Sanft hob er ihr Kinn an und legte unentlich zärtlich seine Lippen auf die ihren. Kiran begann bei diesem süßen Kuss zu zittern und das Herz schlug ihr schmerzhaft gegen die Brust. Seine Hände liebkosten ihr Gesicht, strichen über ihr Haar und über ihren Rücken. Kiran hob langsam ihre Hände und fuhr mit den Fingerspitzen seine Gesichtskonturen nach. Lindir war einer der schönsten Elben in Bruchtal. Er hatte ein sanftes Gesicht, nicht so markant wie die Männer der Menschen, aber auch nicht so feminien wie die Elben. Sie hätte nie gedacht, dass in diesem grazielen Elben so viel Kraft steckte. Er sah einfach nicht aus wie ein Krieger und bis eben hatte sie in ihm immer nur einen Bruder gesehen. Doch jetzt erst sah sie ihn wie einen Mann, in dem sie sich verlieben könnte. Sie konnte die Liebe, die sie für ihn hatte, nicht so recht einordnen. War es die Liebe zu einem Bruder oder die Liebe zu dem Mann in ihm? Sie wusste es einfach nicht. Doch im Moment war es ihr egal. Lindir hatte diesen Kuss begonnen, also musste er es auch beenden, denn sie hatte im Moment nicht die Kraft dazu. Langsam drückte er sie mit seinem Gewicht auf das Bett, doch er unterbrach den Kuss nicht eine Sekunde. Seine Hände glitten jetzt zu ihrem Hals, wo sie auf ihrem rasenden Pulsschlag verweilten, dann glitten sie weiter an ihr hinab. Seine Hände schienen sie mit Magie zu umweben, denn sie konnte sich nicht bewegen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Irgendwann ergriffen seine Hände die ihren und er drückte sie über ihren Kopf in die Kissen, hielt sie dort mit einer Hand fest, wärend die andere begann, ihre Bluse zu öffnen. Als ihr Oberkörper nicht mehr von dem Stoff verdeckt wurde, verliesen seine Lippen ihren Mund. Sanft fuhren sie an ihrem Hals entlang, legten sich in die Mulde des Schlüsselbeines und wanderten weiter zu ihrer Brust. Kiran seufzte leise, als er ihre Brüste küsste. Ihr Herz schlug wie wild und sie war sich sicher, dass er es hören konnte, denn er hauchte viele kleine Küsse auf die Stelle, wo ihr Herz schlug.

"Lisse Fileg. Glin anim."

Seine Küsse gingen tiefer und und Kiran stieß einen leisen Schrei aus. Lindir schob ihr die leichte Stoffhose von den Hüften, streifte sie ihr über die Beine und anschließend landete sie auf dem Boden vor dem Bett. Er bedeckte jede Stelle ihres Körpers mit Küssen und Kiran hörte sich selbst wie aus der Ferne leise wimmern. Was tat er nur mit ihr? Solchen Zauber hatte sie noch nie erfahren. Es war so unbekannt, so beängstigent neu, doch auf eine seltsame Art auch vertraut. Sie hatte das Gefühl, als würde Lindir in ihr die Frau erwecken, die bis jetzt geschlummert hatte. Ihre Sinne waren auf eine Art seltsam geschärft und auf der anderen Seite schienen sie weit fort zu sein. Sie wusste nicht, wann Lindir sich seiner Kleidung entledigt hatte, aber irgendwann fühlte sie seinen warmen, starken Körper auf sich. Sie wand ihre Hände aus seinem Griff und strich leicht über seine Muskeln an Brust und Armen. Da bemerkte sie, dass auch er zitterte. Wieviel Anstrengung musste ihm seine Zurückhaltung kosten. Welche Kraft musste er dafür aufbringen? Kiran hauchte viele kleine Küsse auf sein Gesicht, auf seinen Hals und seine Brust. Ihre zarten Liebkosungen entlockten Lindir ein zittriges Stöhnen und er bewegte sich unruhig auf ihr. Seine Lippen waren dicht an ihrem Ohr, sein warmer Atem kitzelte sie.

"Im milya le."

Kiran sah ihn aus großen Augen an, dann stieß sie einen scharfen Schmerzenslaut aus, dem Lindir mit einem Kuss erstickte. Tränen brannten in ihren Augen und sie versuchte, Lindir von sich zu schieben, doch er umschlang sie nur fester und flüsterte Liebesworte in ihr Ohr. Sein Atem ging ruhig, doch Kiran fühlte seinen rasenden Herzschlag unter ihrer Hand. Nach einigen Minuten lies das entsetzliche Brennen nach und sie entspannte sich langsam unter Lindir's Körper. Sanft küsste er die Tränen fort und strich ihr liebevoll über die Arme.

"Verzeih mir, enya Harma. Der Schmerz wird vergehen."

Kiran lächelte zittrig, ihre Stimme war nur ein Flüstern.

"Das will ich hoffen, ansonsten kannst du was erleben."

Lindir lächelte sie strahlend an, dann küsste er sie sanft.

"Teli gwa anim na ni elen."

"Im aphad is."

Sie küsste ihn und Lindir begann, sich zu bewegen. Kiran strich ihm über den breiten Rücken und stöhnte leise. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, seinen starken Körper auf sich zu fühlen, ihn in sich zu spüren, seinen Herzschlag zu hören, seinen süßen Atem zu riechen. Die Muskeln unter ihren Fingerspitzen waren angespannt, es kostete ihm sehr viel Mühe, sich zu beherrschen. Lindir flüsterte Liebesworte in seiner Sprache in ihr Ohr und irgendwann sagte er ihr, wie sehr es ihm gefiel, in ihr zu sein. Wie heiß es in ihrem Körper war, wie wunderschön er sie fand, wie verzweifelt er sie begehrte. Kiran stöhne immer lauter und auch Lindir vermochte nicht mehr, sich zurück zu halten. Auch sein Stöhnen wurde lauter, gleichzeitig wurden seine Bewegungen schneller und gewannen an Kraft. Kiran grub ihre Fersen in die weiche Matratze und schob ihm ihr Becken entgegen. Lindir's Hände wanderten zu ihrem Po, ergriffen und kneteten ihn. Kiran hatte wirklich das Gefühl, zu den Sternen zu fliegen. Das Gefühl war unbeschreiblich und jetzt wusste sie auch, wieso Beth so hinter Männern her war. Vermutlich würde sie ab jetzt auch nicht mehr die Finger von Lindir lassen können. Jetzt, wo sie diese himmlischen Gefühle entdeckt hatte. Ein unkontrollierbares Zucken ging durch ihren ganzen Körper und Kiran hatte das Bedürfnis, aus voller Kehle schreien zu müssen, doch sie presste ihr Gesicht an Lindir's breite Brust und dämpfte so den Schrei. Lindir stieß noch zwei, drei Mal tief in sie, dann warf er den Kopf zurück und stöhne laut auf. Kiran fühlte das Zittern seines Körpers, hörte sein rasendes Herz und fühlte, wie er sich tief in ihr verströhmte. Kiran sank erschöpft in die Kissen und Lindir legte sich schwer atmend auf sie. Beide lauschten dem Herzschlaf des anderen und darüber schliefen sie letztendlich ein.
 

***
 

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch Kiran wachte dennoch auf. Müde streckte sie sich in dem warmen Bett, bis sie einen anderen Körper neben sich spürte. Ruckartig richtete sie sich auf und blickte neben sich. Lindir schlief friedlich, seltsamer Weise auf dem Bauch. Kiran atmete in rascher Folge die Luft ein und aus, als mit aller Macht die Erinnerung an letzte Nacht zurück kehrte. Sie vergrub ihr Gesicht in die Hände und stöhnte leise. Was hatte sie da nur getan? Sie war doch sonst eher der vernünftige Mensch, gab nie dem Gefühl der Leidenschaft nach. Gefühle konnten einen in die Irre führen, da war es besser, solch verwirrende wie Liebe oder Leidenschaft erst gar nicht zuzulassen. Fast mechanisch stieg sie aus dem Bett, schlüpfte in ihre Sachen und verlies leise das Zimmer, um in ihr eigenes zurück zu kehren. Dort angekommen staunte sie nicht schlecht. Rya musste Stunden damit verbracht haben, hier wieder aufzuräumen. Kiran atmete tief ein, dann, ohne groß nachzudenken, lief sie zum Kleiderschrank und riss die riesigen Türen auf. Sie griff sich ein paar Tuniken, Unterhemden und Hosen und stopfte die alle in einen Beutel. Ihre heißgeliebten Stiefel mit dem Absatz steckte sie ebenfals mit hinein. Wenn sie die jetzt anzog, würde sie nur unnötigen Lärm machen, also schlüpfte sie in weiche Lederstiefel, warf sich noch einen Mantel über und schlich dann, den Beutel in der Hand, aus ihrem Zimmer. Noch war keiner der Elben auf den Beinen, die beste Möglichkeit, um abzuhauen. Kiran huschte durch die Flure und lief zu den Ställen. In der Zeit, die sie hier war, hatte sie sich an ein Pferd aus den Ställen gewöhnt. Es war ein feuerroter Hengst mit einem überaus temperamentvollem Charakter. Er hatte sich bereitwillig von ihr reiten lassen, was, nach Glorfindel's Aussage, ein Wunder sei, da dieses Pferd bis jetzt jeden abgeworfen hatte. Kiran hatte eine seltsame Beziehung zu diesem Hengst aufgebaut. Sie beherrschte ihn nicht, dafür gestattete er ihr, auf ihm zu reiten. Sie hatte diesem schönen Tier kurzerhand den Namen "Galahad" gegeben. Und Galahad schien nichts gegen diesen Namen zu haben, denn er kam, wenn sie ihn rief. Als Kiran den Stall betrat, steckte Galahad auch schon den Kopf über dei Boxentür und schnaubte ihr entgegen.

"Hallo, mein Freund. Tust du mir einen Gefallen?"

Galahad stubste sie liebevoll und schnaubte noch einmal.

"Du musst mich so weit wie möglich von hier fort bringen, Galahad. Es wäre schön, wenn du bei mir bleiben würdest, aber das kannst du dir ja später noch überlegen."

Wieder ein Schnauben und ein Scharren mit dem Vorderhuf. Kiran lächelte, öffnete die Box und lies Galahad raus. Sanft legte sie ihm eine Hand auf die Nüstern.

"Sch, mein Freund. Wir müssen leise sein. Es darf uns niemand hören."

Als ob er sie wirklich verstehen würde, setzte der große Hengst vorsichtig einen Huf vor den anderen, darauf bedacht, ja keinen Lärm zu machen. Kiran lief zusammen mit Galahad über den Hof und die Brücke, in den Wald hinein. Dort suchte sie sich einen umgestürzten Baum und schwang sich dann auf Galahad's Rücken. Der stolze Hengst warf den Kopf nach oben und schnaubte ausgiebig. Kiran setzte sich richtig hin und hielt sich an seiner Mähne fest.

"Los, Galahad. Trag uns so weit wie möglich fort von hier. Bring uns irgendwo hin. Lauf, lauf wie du noch nie gelaufen bist."

Kaum hatte Kiran zu Ende gesprochen, stürmte Galahad los, im Zick Zack ging es durch den Wald, der Boden flog unter ihnen nur so dahin, doch Kiran hatte keine Angst davor, was jetzt vor ihr lag. Sie hatte Angst vor dem, was sie zurück lies. Eine Träne verlies ihr Auge und flog nach hinten. Irgendwann vielleicht würde sie zurück kommen und alles erklären. Aber jetzt fühlte sie sich noch nicht stark genug dafür. Sie fühlte sich nicht stark genug, Lord Elrond alles zu erklären. Und sie fühlte sich nicht stark genug, Lindir gegenüber zu treten.
 

***
 

Niben Harma = Kleiner Schatz

Lisse Fileg. Glin anim. = Süßer, kleiner Vogel. Sing für mich.

Im milya le = Ich begehre dich

Enya Harma = Mein Schatz

Teli gwa anim na ni elen = Komm mit mir zu den Sternen

Im aphad is = Ich folge dir

Wieder in Bruchtal

1 Jahr später
 

Kiran fluchte ausgiebig, als sie die erhöhte und versteckte Plattform des Aussichtsturms erreicht hatte. Schnaufend lies sie sich auf den Stein fallen und starrte in den hellen Himmel. Wie sie es hasste, hier hoch zu klettern. Am liebsten wäre sie ja irgendwo unten auf den Boden geblieben, aber da würde sie niemanden eine Hilfe sein. Also lieber klettern und fluchen. Aus weiter Ferne hörte sie das Wiehern von Galahad. Ihr treuer Freund lief in der Nähe herum, um im Notfall helfen zu können. Kiran richtete sich seufzend in eine sitzende Position auf und legte ihr Schwert neben sich. Die Sonne stand noch sehr hoch, also würde sie noch einige Stunden auf die Ankunft der Hobbits warten müssen. Die Zeit beschleunigen, dass konnte sie noch nicht. Am besten nutzte sie die noch verbliebenden Stunden, um etwas zu schlafen. Sie wickelte sich in ihren Mantel und schloss die Augen, eine Hand immer an ihrem Schwert.
 

***
 

Der schrille Schrei der Ringgeister riss Kiran aus ihrem Schlaf. Sie schlug die Augen auf und sprang im selben Moment auf die Füße. Ihr Blick glitt durch die Dunkelheit und ihre Ohren, die seit ihrem Jahr hier empfindsamer geworden waren, hörten die aufgebrachten Stimmen der Hobbits. Verflucht! Sie hatte nicht vor gehabt, so lange zu schlafen. Dafür würde sie sich am liebsten ohrfeigen, doch selbst dafür blieb keine Zeit, denn die Ringgeister hatten die Plattform der Wetterspitze erreicht. Kurzerhand zog sie ihr Schwert und sprang von ihrem Versteck in die Tiefe. Sie landete direkt vor den Hobbits. Langsam richtete sie sich auf und fixierte die Ringgeister. Diese hatten innegehalten, als sie so plötzlich vor ihnen aufgetaucht war. Kiran warf einen Blick über die Schulter.

"Bleibt hinter mir."

Dann wand sie sich wieder der Gefahr zu.

"Lasst eure Finger von ihnen oder ihr bekommt es mit..."

Kiran konnte ihren Satz noch nicht einmal beenden, da wurde sie schon von einem der Ringgeister angegriffen. Sie riss ihr Schwert hoch und blockte den Schlag ab.

"Hy, es ist unhöflich, eine Frau nicht aussprechen zu lassen. Hat deine Mutter dir keine Manieren beigebracht?"

Ein fürchterliches Fauchen ertönte und Kiran verzog kurz das Gesicht, doch dann fing sie sich wieder und griff an. Doch sie konnte nicht gegen alle der 9 kämpfen. Sie versuchte ihr bestes, aber gegen Geschöpfe der Dunkelheit hatte sie einfach keine Chance. Sie erreichten Frodo und verwundeten ihn. Der Schrei, den der Hobbit ausstieß, war fast noch schlimmer als der Schrei der Ringgeister. Mit vor Wut blitzenden Augen griff Kiran immer und immer wieder an und irgendwann tauchte Aragon auf. Wenn ihm ihre Anwesenheit verwunderte, so zeigte er es im Moment nicht. Irgendwie schafften die beiden es, die Ringgeister zu vertreiben und Aragon stürmte zu Frodo, der bleich und schwer atmet in Sam's Armen lag.

"Er wurde durch eine Morgulklinge verletzt."

Aragon verzieht das Gesicht und schmiss den Griff von sich weg.

"Ihr müsst ihn zu Lord Elrond bringen. Er braucht elbische Arznei."

Aragon sah über seine Schulter und taxierte Kiran mit einem Blick.

"Wer seit Ihr?"

"Eine Freundin. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Das Gift breitet sich schnell aus und ich bezweifle, dass ein Hobbit über genügend Abwehrkräfte verfügt."

"Ihr wisst viel."

"Darüber sollten wir jetzt nicht sprechen. Los."

Kiran drehte sich um und machte sich an den Abstieg. Aragon hob Frodo auf seine Arme und er machte sich zusammen mit den anderen Hobbits an den Abstieg.
 

***
 

Kiran lief vor den Freunden her. Ihr Schritt war gleichmäßig, schnell und kostete sie kaum Atem. Ihre Hand hatte sie immer an dem Griff ihres Schwertes, stehts bereit, sich und die anderen zu verteidigen. Sie hatte bereits einige Male nach Galahad gepfiffen, doch war ihr treuer Freund noch nicht aufgetaucht. Zwar hatte er ihr aus der Ferne geantwortet, aber er war weit weg. Sie vermutete, dass er zwei seiner Freunde holte, die immer hier in der Nähe herumzogen. Drei Pferde wären ihnen mehr als nur eine Hilfe. Sie würden wesentlich schneller ans Ziel kommen. Innerlich seufzte Kiran. Sie hatte gewusst, dass der Tag irgendwann kommen würde, wo sie sich wieder mit Bruchtal konfrontieren musste, doch war dieses Jahr auf eine seltsame Art schnell verflogen. Fast so, als hätte das Schicksal den Tag kaum erwarten können.

"Wartet!"

Kiran hielt praktisch sofort in der Bewegung inne und drehte sich zu den anderen um. Aragon hatte Frodo abgelegt und kniete besorgt neben ihm.

"Es geht ihm schlechter. Bruchtal ist noch zu fern. Wir müssen etwas tun!"

Kiran trat näher an die anderen heran und kniete sich neben Frodo nieder. Er war blass und kalt. Er entrückte bereits dieser Welt. Kiran legte eine Hand auf seine Stirn.

"Es geht zu schnell. Sein Körper hat kaum noch Kraft, gegen das Gift zu kämpfen. Die ganze Reise war zu viel für ihn."

Kiran biss sich auf die Unterlippe, dann lies sie ihren Blick schweifen. Verdammt, wo war Galahad? Er musste doch langsam mal auftauchen. Kiran stieß zwei schrille Pfiffe aus und kurz darauf ertönte das Wiehern eines Pferdes und das Aufschlagen mehrerer Hufe. Galahad stürmte durch ein Gebüsch, dicht gefolgt von zwei weiteren Pferden. Schnaubend hielten die drei Hengste vor Kiran an und Galahad lies sich von Kiran die Stirn kraulen.

"Endlich, alter Freund. Die Zeit wird knapp. Wir müssen alle so schnell wie möglich nach Bruchtal. Bringt ihr uns dort hin?"

Galahad stieß ein zustimmendes Schnauben aus und auch die anderen Pferde schienen nichts gegen einen langen Ritt zu haben. Kiran drehte sich zu Aragon und den Hobbits um.

"Streicher, ihr und Frodo reitet auf Camelot. Neben Galahad ist er das schnellste Pferd. Und ihr drei reitet auf Excalibur. Er ist stark und ausdauernd und dürfte keine Probleme haben, drei Reiter zu tragen. Steigt auf, die Zeit verfliegt und das nicht zu unseren Gunsten."

Kiran griff in Galahad's Mähne und schwang sich auf seinen Rücken. Aragon hob Frodo auf den Rücken des weißen Hengstes und half dann den anderen drei Hobbits, auf den großen Rappen aufzusteigen. Als er sicher war, dass die drei Hobbits sicher saßen, schwange er sich hinter Frodo auf den Pferderücken.

"Im Moment sind wir Euch zu sehr großen Dank verpflichtet, MyLady, aber in Bruchtal werdet Ihr mir Rede und Antwort stehen."

Kiran seufzte.

"Nicht nur Euch, Streicher, nicht nur Euch. Los jetzt. Ich gebe euch allen noch einen Rat: Lasst die Pferde laufen. Sie kennen den Weg, versucht also nicht, ihnen irgendwas zu befehlen. Sie würden sowieso nicht hören."

Kiran drückte Galahad die Fersen in die Flanken und der große Hengst schoss nach vorne, dicht gefolgt von seinen beiden Freunden. Kiran betete zu allen Göttern, die sie kannte, dass sie noch rechtzeitig in Bruchtal ankommen mögen. Und sie betete, dass sie die Begegnung mit den Bruchtalelben überlebte.
 

***
 

Sie waren nahe an der Grenze. Bald hatten sie es geschafft. Kiran spürte die Magie von Bruchtal. Kurz schloss sie die Augen und atmete tief ein. Seltsam. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie endlich heim gekehrt. Plötzlich war in diesem friedlichen Moment eine Dissharmonie und sie schlug die Augen wieder auf. Sie wand den Kopf und sah über ihre Schulter und ihr Herz setzte kurz aus. Die Ringgeister waren dicht hinter ihnen. Verflixt! Wie konnte sie sich auch nur einen Moment ablenken lassen? Heimatgefühl hin oder her. Kiran fluchte ausgiebig und spornte die drei Pferde zu einem noch höheren Tempo an, welches die drei auch bereitwillig anschlugen.

"Das werden wir nie schaffen!"

Aragon sah fast panisch aus, aber gleichzeitig auch kampfbereit. Kiran's Hand wanderte automatisch zu dem Griff ihres Schwertes.

"Wir müssen nur über den Fluss kommen. Ab da werden uns die Ahnen der Elben Bruchtal's beschützen! Haltet noch etwas durch!"

Kiran beugte sich etwas näher zu Galahad's Kopf und flüsterte aufmunternde Worte in sein Ohr. Der große Hengst schnaubte, stieß ein schrilles Wiehern aus und schien nur noch über den Erdboden zu fliegen. Camelot und Excalibur schienen ebenfals noch einmal alle Kraftreserven zu mobiliesieren, denn sie hielten mit ihrem Freund mit. Eine Welle des Lichts lies Kiran aufmerken. Dieser Energiestoß war viel zu mächtig, um ein einfacher Schutzzauber zu sein. Es waren Elben unterwegs zu ihnen und sie schienen nicht mehr weit weg zu sein. Kiran biss die Zähne zusammen. Nur noch ein bisschen. Sie mussten nur noch für kurze Zeit durchhalten. Kiran spürte die Kraft der Elben immer deutlicher und auch der Geruch des Wasser's kitzelte ihre Nase. Ein lauter Aufschrei lies sie aufschrecken und sie drehte sich um. Einer der Hobbit's war von Excalibur gestürzt und kniete benommen im Gras. Kiran fluchte und wendete Galahad.

"Reitet weiter! Ich hole ihn!"

Sie sah noch, wie Aragon ihr zunickte, dann schossen die beiden Pferde an ihr vorbei. Galahad schien zu spüren, dass es seiner Freundin wichtig war, diesen Hobbit zu retten. Mit aller Kraft schoss er nach vorne. Kiran beugte sich tiefer über seinen Rücken. Als sie bei dem Hobbit war, griff sie nach seinem Arm und zog ihn vor sich auf Galahad's Rücken. Ihr Pferd wendete scharf und raste wieder auf den Fluss zu. Kiran drückte den Hobbit tiefer über Galahad's Wiederriss.

"Bleib untern, egal was passiert. Ich verschaffe euch einen Vorsprung. Egal, was passiert, reite weiter und dreh dich nicht um."

Der junge Hobbit nickte. Kiran flüsterte Galahad etwas in sein Ohr, dann spannte sie ihre Muskeln an und sprang mit einem Rückwärtssalto von seinem Rücken. Kiran landete auf den Fußballen, drehte sich um und schleuderte zwei Wurfmesser auf die Ringgeister. Mit schrillen Schreien wichen sie aus und schlugen einen weiten Bogen. Kiran zischte wütend. Sie schloss wieder die Augen und konzentrierte sich auf die schlummernde Macht, die tief in ihr ruhte. Sie hatte sie vor einigen Monaten entdeckt und hatte gelernt, sie zu nutzen. Sie wusste nicht, woher diese Macht stammte, doch sie hatte aufgehört, sich darüber Gedanken zu machen. Sie griff nach ihr, formte sie zu einer Kugel, zog sie aus ihrem inneren, so dass sich eine Blitzkugel auf ihrer Hand bildete. Kiran schlug die Augen auf, visierte einen der Reiter an und schmiss die Energiekugel nach ihm. Sie erwischte ihn frontal. Ein schriller Schrei zerriss die Luft und der Reiter stürzte vom Pferd. Kiran gönnte sich ein kleines Lächeln, dann formte sie erneut eine Energiekugel und schickte sie auf ihr nächstes Opfer. Doch es waren zu viele, dass wusste sie. Lange würde sie das nicht durchhalten. Als sie die Macht der Elben spürte, war sie kurzzeitig abgelenkt und diesen Fehler nutzte einer der Ringgeister und stieß ihr sein Schwert in den Rücken. Kiran schnappte nach Luft und fiel auf die Knie. Vor ihren Augen verschwomm alles und sie hatte Mühe, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Als ihr Sichtfeld immer mehr verschwamm, hörte sie, wie die Ringgeister wütend zischten und schrien, dann das Geräusch von sich nährenden Pferdehufen. Wankend kam Kiran wieder auf die Füße und wurde in dem Moment, wo sie stand, am Arm gepackt, nach oben gerissen und über den Rücken eines Pferdes gelegt. Diese Aktion trieb ihr das letzte bisschen Atem aus der Lunge und sie verlor das Bewusstsein.
 

***
 

Kiran musste noch nicht einmal die Augen aufschlagen, um zu wissen, dass sie wieder in Bruchtal war. Die Präsenz der Elben war überwältigent. Tief atmete sie ein und aus und genoss einfach das Gefühl, wieder hier zu sein. Sie wollte noch nicht die Augen aufschlagen, denn wenn sie das tat, würde sie sich mit einigen Elben anlegen müssen. Es würden Fragen kommen wie: Wieso bist du ohne ein Wort gegangen? Was hast du dir dabei gedacht? Wieso bist du nie zurück gekehrt? All das und noch mehr würde kommen. Und auf das Frage-Antwort-Spiel hatte sie einfach keine Lust. Jedenfals jetzt noch nicht.

"Wenn du nicht auf der Stelle die Augen aufmachst, Kiran Anzara, dann werde ich dich in eine Wanne mit eiskaltem Wasser stecken. Und das ist keine Drohung."

Innerlich seufzte sie. Natürlich war jemand bei ihr. Was hatte sie denn auch anderes erwartet? Sich ihrem Schicksal ergebend, schlug sie die Augen auf. Lindir saß auf einem Stuhl, der direkt neben ihrem Bett stand. Kiran stellte fest, dass er sich kein bisschen verändert hatte. Das silberblonde Haar war immer noch schulterlang. Er kleidete sich immer noch in diesen weiten Roben, die seinen Körper verhüllten, was, wie Kiran fand, eine Sünde war. Das einzigste, was sich an ihm verändert hatte, war der Ausdruck in seinen Augen. Vor einem Jahr hatte er immer sanft und leicht verträumt drein geschaut, jetzt war sein Blick wie glühender Stahl. Wenn man nicht aufpasste, würde man sich an diesem Blick schneiden. Oder besser gesagt, sie würde sich an diesem Blick schneiden.

"Hallo Lindir."

Lindir gab einen zischenden Laut von sich, über den Kiran innerlich nur den Kopf schütteln konnte.

"Hallo? Du tauchst hier nach einem Jahr auf und du sagst nichts weiter als "Hallo"?"

Kiran richtete sich seufzend auf und strich ihre langen Haare zurück auf den Rücken.

"Was soll ich denn sonst sagen?"

"Wie wäre es mit einer Erklärung? Du bist einfach abgehauen. Wir haben uns Sorgen gemacht. Lord Elrond hat sogar einen Suchtrupp nach dir ausgeschickt. Was hast du dir dabei gedacht?"

Kiran schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Das weiße Nachthemd, in welches man sie gesteckt hatte, reichte ihr bis zu den Knöcheln und war aus sehr feinen Material angefertigt. Suchend sah sie sich im Zimmer um, doch sie konnte ihre Sachen niergendwo entdecken.

"Wo sind meine Sachen?"

"Im Schrank, wo sie hingehören. Rya hat sie gewaschen."

"Aha."

Ohne ein weiteres Kommentar ging sie zum Schrank und öffnete ihn. Sie holte ihre Sachen und wollte gerade das Nachthemd abstreifen, als sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Schnell drehte sie sich um und starrte zu dem Elben, der in der Tür stand.

"Aufgewacht?"

Kiran fühlte, wie Ruhe und Wärme sie bei dieser Stimme durchströhmte.

"Wie Ihr seht, Lord Elrond. Es ist lange her."

Elrond trat in das Zimmer und stellte sich neben Lindir, der immer noch auf dem Stuhl saß. Kiran legte sich ihre Sachen über einen Arm und sah die beiden Elben abwartent an.

"Erstmal möchte ich dir danken, dass du Aragon und die Hobbit's sicher nach Bruchtal gebracht hast."

Kiran nickte kurz.

"Das war selbstverständlich, Lord Elrond."

"So selbstverständlich auch wieder nicht. Kiran, du scheinst gewusst zu haben, warum sie auf den Weg hier her waren."

Kiran neigte den Kopf etwas zur Seite und sah den Herrn von Bruchtal einfach schweigend an. Auch nach einigen Minuten antwortete sie noch nicht auf den letzten Satz von Lord Elrond. Nachdem noch weitere Minuten verstrichen, sprach Lord Elrond erneut.

"Willst du dazu nichts sagen?"

"Was soll ich dazu sagen? Mein Handeln muss ich vor niemanden rechtfertigen."

Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand in das angrenzende Badezimmer.
 

***
 

"Sie hat sich ganz schön verändert, nicht wahr?"

Lindir stand auf und trat zu den großen Fenstern. Seine grauen Augen wanderten in die Ferne. Er war sehr erschrocken gewesen, als er Kiran gegen die Ringgeister kämpfen sah. Ihre ganze Körperhaltung zeugte von einem harten Jahr, in dem sie viel kämpfen musste. Die Muskeln an ihren Armen waren ausgeprägter und auch die an ihren Beinen. Sie hatte sogar leichte Bauchmuskeln bekommen.

"Das bleibt nach einem Jahr in der Wildnis nicht aus. Vor allem nicht in der jetzigen Zeit. Ork's streifen nahezu überall umher."

"Was lässt dich annehmen, dass sie gekämpft hat?"

Lindir drehte sich stirnrunzelnd zu seinem Lord um.

"Ich bitte Euch, Lord Elrond. Ihr selbst habt ihre Wunde behandelt. Ihr habt die körperlichen Veränderungen an ihr gesehen. Sie hat im letzten Jahr viel kämpfen müssen."

Elrond nickte.

"Ja, du hast recht. Sie hat viel gekämpft. Vermutlich noch viel mehr, als sie Narben hat. Bei manchen wundert es mich, dass sie so gut verheilt sind. Einige sind wirklich sehr stümperhaft behandelt worden."

"Nicht jeder ist ein so begabter Heiler wie Ihr es seit, Lord Elrond. Und diese stümperhaften Narben waren meine stümperhaften Versuche, meinen Körper in einem Stück zu lassen. Recht vielen Dank auch, dass Ihr meine Arbeit so wohlwollend beurteilt."

Die beiden Elben drehten sich erschrocken zum Badezimmer um. Kiran lehnte an der offenen Tür und trug wieder ihre alten Sachen. Ein einfaches Wildlederhemd ohne Ärmel, eine schlichte braune Lederhose und leichte dunkelbraune Lederstiefel. Ihr Schwert hing locker an dem Gürtel, der auf ihrer Hüfte lag. Kiran hatte ihre rotbraunen Haare zu einen dichten Zopf geflochten, der ihr über den Rücken fiel und knapp über ihren Po endete.

"Wie lange stehst du denn schon da?"

Kiran ging mit fließenden Schritten zu den beiden Elben.

"Lange genug. Wie geht es Frodo? Das Gift hat sich sehr schnell ausgebreitet und sowohl meine als auch Aragon's Heilkunst waren nicht ausreichend."

"Er ist auf dem Wege der Besserung."

Kiran warf einen Blick aus dem hohen Fenster.

"Wie lange habe ich geschlafen?"

"Einige Tage. Dein Körper hat sehr dringend Erholung gebraucht."

"Kein Wunder, bei meinen stümperhaften Versuchen."

Elrond konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und Kiran erwiederte es unbefangen. Der Herr von Bruchtal wusste, dass sie nicht so nachtragend war, wie sie klang.

"Wie ich gesehen habe, geht es Galahad sehr gut."

"Er ist stur und ungezähmt wie eh und je."

"Das haben wir gemerkt. Sobald wir den Hobbit von seinen Rücken geholt hatten, ist er zusammen mit den anderen beiden wieder verschwunden."

Kiran nickte lächelnd.

"Vermutlich streifen sie in der Nähe herum. Galahad ist nie weit weg von mir. Bitte entschuldigt, dass ich ihn mir vor einem Jahr ungefragt ausgeliehen habe."

"Er hat sowieso nur auf dich gehört, Kiran. Es hat mich auch irgendwo beruhigt, dass du ihn mitgenommen hattest."

"Mich nicht. Kein bisschen."

Kiran und Elrond drehten sich beide zu Lindir um. Dieser starrte Kiran wütend an. Sein ganzer Körper bebte und war von einer elektrischen Spannung erfüllt, die Kiran auf ihrer Zunge schmecken konnte. Seine Augen waren wie grauer Stahl, die jeden Millimeter ihres Körpers in kleine Scheiben schnitten.

"Hör auf, mich so anzustarren, als ob du mich gleich umbringen wollen würdest, Lindir."

"Ich will dich erwürgen, du egoistisches, nicht nachdenkendes, einfach abhauendes Menschenmädchen! Weist du eigendlich, was ich mir für Sorgen gemacht habe?"

Kiran warf einen Blick zu Lord Elrond. Dieser hüstelte leise.

"Ich werde dann mal nach Frodo sehen."

Mit leichten aber schnellen Schritten verlies der Elbenlord das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Bei diesem Kampf wollte er lieber nicht anwesend sein. In dem einen Jahr, dass Kiran verschwunden war, war Lindir immer gereizter, übellaunig und aufbrausend geworden. Der junge Elb hatte zwar nicht gesagt, was zwischen ihm und Kiran in der Nacht, bevor sie gegangen war, vorgefallen war, doch er konnte es sich denken. Schließlich hatte er die Blicke von Lindir bemerkt, die er Kiran immer dann zugeworfen hatte, wenn er glaubte, es würde niemand bemerken. Beim laufen schüttelte er den Kopf. Nein, auf diesem Schlachtfeld wollte er wirklich nicht zwischen die Fronten geraten.

Brennende Leidenschaft

Die wütende Stimmung breitete sich, sobald Lord Elrond gegangen war, rasend schnell im gesammten Zimmer aus. Unbewusst trat Kiran zwei Schritte nach hinten. Lindir war wirklich in einer Stimmung, wo sie sein Verhalten nicht vorhersehen konnte. Es war gut möglich, dass er sie erwürgen würde. Automatisch legte sich ihre Hand auf den Griff des Schwertes. Lindir bemerkte diese Bewegung und folgte ihr mit den Augen, dann sah er ihr wieder in die Augen.

"Hast du vor, mich anzugreifen?"

"Ich bin noch am überlegen. Deine Stimmung gefällt mir nicht und ich halte mir alle Möglichkeiten, wie ich auf deine Laune reagiere, lieber offen."

"Du hast dich wirklich verändert. Damals hast du nur sehr ungerne an dem Training von Glorfindel teil genommen. Und jetzt, ein Jahr später, greifst du wie selbstverständlich zu deinem Schwert."

"Ein Jahr ist in mancher Hinsicht sehr lang. Ich musste viel lernen."

Lindir atmete tief ein und aus, um seine Gefühle zu beruhigen. Er wusste selber, dass seine Wut die Luft im Zimmer tränkte. Kiran hatte sich also nicht nur körperlich verändert. Früher konnte sie zwar die Stimmung der anderen erahnen, doch nicht in dem Ausmaß, wie sie es jetzt kann. Sie schien seine Wut schmecken und auch riechen zu können, denn sie blähte immer wieder ihre Nasenflügel auf. Er zwickte sich in den Nasenrücken und schloss die Augen. Als er sich wieder in der Gewalt hatte, öffnete er sie wieder.

"Wieso bist du einfach gegangen? Ohne ein Wort?"

"Ich hatte meine Gründe."

"Ist ein Grund vielleicht, weil wir miteinander geschlafen haben?"

Kiran's Atem stockte in der Lunge, ihre Nasenflügel blähten sich erneut auf und ihr Herz begann schneller zu schlagen, als Lindir sie an die gemeinsame Nacht erinnerte. Sie hatte immer versucht, sie so gut es geht, zu vergessen. Gefühle waren hinderlich. Eine schmerzvolle Erfahrung die sie im vergangenem Jahr machen musste. Eine Erfahrung, von der sie mehr als eine Narbe zurück behalten hatte. Als sie seinen ungeduldigen Blick auf sich spürte, kehrte Kiran mit ihren Gedanken in die Gegenwart zurück.

"Ja, es war einer der Gründe, aber nicht der ausschlaggebene. Mir ist in dieser Nacht etwas klar geworden. Das ich gegangen bin, hat nichts mit dir zu tun, Lindir. Ich hatte zum Teil Angst vor den Gefühlen, die ich für dich empfunden habe. Aber unsere Nacht war nicht der ausschlaggebene Grund."

"Gefühle, die du für mich empfunden hast? Soll das heißen, du empfindest jetzt nichts mehr für mich?"

"Ich empfinde im allgemeinen nichts mehr, Lindir. Gefühle bringen einen in Schwierigkeiten. Ich habe gelernt, nur noch ratsional zu denken. Hätte ich das nicht getan, wäre ich irgendwann gestorben."

Lindir machte einen Schritt auf sie zu, dann noch einen. Doch dann blieb er stehen. Kiran hatte die Augen verengt und ihre Hand noch etwas fester um den Griff gelegt. Ein leises Zischen drang aus ihrer Kehle.

"Es ist ja wohl eine Lüge, dass du nichts mehr empfindest."

"Nein, ist es nicht. Meine Reaktion ist eine Warnung. Eine Warnung für dich. Komm mir nicht zu nahe, Lindir."

"Warum nicht? Hast du Angst?"

"Ich wäre dumm, wenn ich keine Angst hätte. Aber meine Angst hat nichts mit dir zu tun."

"Lügnerin. Du hast Angst davor, dass ich dich wieder berühre und du dann wieder das gleiche empfindest, wie du es vor einem Jahr getan hast."
 

***
 

Kiran verengte die Augen noch ein Stück und dachte über seine Worte nach. Verdammt, bis zu einem gewissen Grad hat dieses verdammte Spitzohr sogar recht. Lindir trat noch einen Schritt näher und streckte die Hand nach ihr aus. Er missachtete ihren Blick und ihre ganze Körperhaltung, die ihn warnte. Ihr ganzes Verhalten sagte ihm, dass er mehr als seine Hand verlieren würde, wenn er sich weiter in das tiefe Wasser wagte. Lindir lächelte. Und wagte sich noch weiter vor. Seine Fingerspitzen berührten ihre Wange, strichen sanft über die kalte Haut, die augenblicklich wärmer wurde. Kiran starrte ihn wie gebannt an, doch dann riss sie die Augen auf und machte hektisch ein paar Schritte rückwärts. Ihr Atem ging schneller und das entlockte Lindir ein weiteres Lächeln.

"Du empfindest sehr wohl noch etwas. Wenn du vor einem Jahr nicht einfach abgehauen wärst, hätten wir unsere Nacht gewiss sehr oft wiederholt. Du hast eine leidenschaftliche Natur, Kiran."

Kiran schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, doch irgendwie gelang ihr das nicht.

"Ich würde dir gerne wiedersprechen, doch dann würde ich wirklich lügen. Daran hatte ich gedacht, als wie miteinander geschlafen haben. Aber da ich mich entschieden habe, zu gehen, ist es nicht dazu gekommen. Und es wird auch jetzt nicht dazu kommen. Gefühle hin oder her. Ich bin nicht aus diesem Grund wieder nach Bruchtal gekommen."

"Nicht?"

Lindir hatte seine Stimme gesenkt, lies sie rauchig und verlockend klingen. Ein wohliger Schauer jagte durch ihren Körper, was Kiran innerlich fluchen lies. Lindir schien zu spüren, das sie innerlich wankte, denn er hatte die Distanz, die zwischen ihnen lag, rasch überwunden. Seine Arme schlangen sich wie Schraubstöcke um ihren Körper und sein Mund eroberte ihren leidenschaftlich. Kiran versteifte sich und hob ihre Hände, ballte sie zu Fäusten und schlug ihm gegen die Brust. Doch er achtete nicht auf ihre Gegenwehr. Seine Zunge forderte stürmisch Einlass. Eine Hand wanderte zu ihren Nacken, hielt ihn fest und hinderte sie so daran, denn Kopf einfach weg zu drehen. Kiran stieß schwer den Atem durch die Nase aus. Sie versuchte ihn von sich zu schieben, doch er war wie ein unnachgiebiger Fels. Er wich keinen Millimeter. Stattdessen drängte sich sein Körper verlangend an den ihren und seit einem Jahr erfuhr Kiran wieder körperliche Nähe. Und das rief die verschiedensten Gefühle wach. Angst, wieder so schwach wie früher zu werden. Verzweiflung, weil sie sich nicht wirklich wehren konnte. Wut darüber, dass Lindir sich einfach nahm, was er wollte. Und zu ihrem großen Entsetzen alles verbrennende Leidenschaft. All diese Gefühle kämpften in ihr, doch eines gewann die Oberhand. Und das war die Wut. Kiran riss ihre Hände nach oben. Mit einer zog sie kraftvoll an seinen Haaren und mit der anderen kniff sie ihn fast brutal in seine sensibele Ohrenspitze. Lindir stieß ein wildes Zischen aus, lies sie los und trat zwei Schritte zurück. Schwer atment starrten sich die beiden an. Kiran's bronzefarbene Augen waren ganz dunkel und eine tiefe Röte lag auf ihrem Gesicht.

"Du verdammter Mistkerl! Was sollte das?"

Jetzt machte Kiran die fehlenden Schritte, die sie und Lindir trennten und stieß ihm wütend gegen die Brust.

"Dreckskerl!"

Sie lies ihre Fäuste zwei Mal auf seine Brust niedersausen.

"Bastard!"

Erneute Faustschläge auf die Brust. Kiran schimpfte immer weiter und jedes Mal schlug sie ihn. Lindir stand einfach nur da.
 

***
 

Doch plötzlich packte sie den Kragen seiner Tunika, stellte sich auf die Zehnspitzen und presste ihren Mund auf seine Lippen. Ihr Kuss war hart und fordernd, bis zu einem gewissen Grad sogar verzweifelt. Doch Lindir's Körper reagierte einfach selbst. Er schlang seine Arme um sie, presste sie an sich. Kiran fuhr mit ihren Händen durch sein Haar. Dann wanderten sie wieder zum Kragen und mit eineim heftigen Ruck riss sie den feinen Stoff auseinander. Ihre Hände strichen über seine nackte Brust, über seinen straffen Bauch. Auch Lindir's Hände blieben nicht untätig. Er öffnete ihren Gürtel und lies ihn achtlos zu Boden fallen. Das Schwert schlug mit einem dumpfen Schlag auf. Kiran's Lippen lösten sich von seinen und die beiden sahen sich schwer atmet an. Nur für einige Augenblicke, dann streiften sich beide ihre Kleidung eigenhändig vom Leib. Kiran stieß Lindir rücklings auf das Bett und kniete sich über ihn. Seine Finger lösten den dicken Zopf und ihre wilde Mähne hüllte sie beide in einen seidigen Vorhang ein. Lindir's Hände strichen über ihren Rücken, ertasteten die dort vorhandenen Muskeln. Kiran beugte sich zu ihm runter und küsste ihn erneut. Sie zitterte am ganzen Körper, als sie sich langsam auf ihn sinken lies. Als er ganz in ihr war, hielt sie inne und atmete tief ein und aus. Dann, ganz langsam, begann sie sich zu bewegen. Ihr Körper fand von alleine den Rhythmus, den ihnen beiden gefiel. Lindir legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und genoss einfach das Gefühl, sie zu lieben. Irgendwann richtete Kiran sich auf, warf ihre langen Haare zurück auf den Rücken und bewegte sich schneller auf ihm. Lindir packte ihre Hüften und hob immer und immer wieder sein Becken. Ihr Keuche und Stöhnen erfüllte die Luft. Die feinen Häärchen auf Kiran's Armen richteten sich auf. Sie stieß einen Schrei aus, der unterschwellige Leidenschaft äußerte. Lindir merkte, dass sie sich ihm nicht ganz hingab. Ihre Vernunft kämpfte immer noch gegen ihre leidenschaftliche Natur. Kurzerhand packte er sie fester und drehte sie schnell auf den Rücken, bevor sie irgendeinen Protest äußern konnte. Er vergrub sein Gesicht an ihrer Halsbeuge und er stieß hart und schnell in sie hinein. Kiran schlang ihre Beine um ihn und drückte ihn so noch tiefer in sich hinein. Ihr Oberkörper richtete sich auf und sie versuchte, Lindir wieder auf den Rücken zu bekommen, doch er lies es nicht zu. Keuchend entbrannte ein Machtkampf, welcher der beiden die dominante Stellung einnehmen durfte. Kiran stemmte ihre Füße in die Matraze und gebärdete sich wie ein wildes Pferd, welches seinen Reiter abwerfen wollte. Ihre langen und scharfen Fingernägel hinterließen blutige Stiemen auf Lindir's ganzem Körper. Lindir schrie auf und drang jetzt ohne Rücksicht in sie ein. Schweiß bedeckte ihre beiden Körper. Kiran versuchte immer wieder zurück in die dominante Stellung zu kommen. Sie fauchte, biss und kratzte wie eine in die Ecke getriebene Wildkatze, doch es gelang ihr einfach nicht, Lindir zurück auf den Rücken zu werfen. Er packte ihre Handgelenke und drückte sie erbarmungslos in die Kissen. Er wollte, dass sie sich ihm unterwarf, sowohl jetzt im Bett, als auch später. Er wollte, dass sie bei ihm blieb. Lindir's dominantes und aggressieves Verhalten ließen Wut in Kiran aufsteigen. Mit einem plötzlichen Kraftausbruch entriss sie ihm ihre Hände und stieß ihn von sich runter. Doch er fing sich erstaunlich schnell wieder. Er packte Kiran, die sich hinknien konnte, an der Hüfte und warf sie wieder zurück in die Kissen. Ehe sie sich wieder aufrichten konnte, drehte er sie auf den Bauch und legte sich auf sie. Sein Stöhnen und sein wilder Atem kitzelten ihre empfindsamen Ohren und sie fauchte aufgebracht. Sie wusste, was er vorhatte und das gefiel ihr ganz und gar nicht. In der vorrigen Stellung waren sie sich bis zu einem gewissen Grad gleichgestellt. doch in der Stellung, in der Lindir sie jetzt haben wollte, war er derjenige, der komplett dominant war. Lindir kniete sich hin und brachte sie dazu, sich auf Händen und Knien aufzurichten. Der Griff um ihre Hüfte war unerbittlich und zielstrebig drang er wieder in sie ein. Kiran schrie leise auf und passte sich seinen Tempo an. Diese Stellung gefiel ihr ganz und gar nicht, doch es war ein unbeschreibliches Gefühl, ihn in und hinter sich zu spüren. Ihre Hände griffen nach den Kissen und sie ballte mit dem Stoff in der Hand die Fäuste. Die Spannung, die sich in ihr aufgebaut hatte, war unbeschreiblich. Lindir drang immer schneller in sie ein, seine Stöße wurden unkontrolliert. Kiran presste ihr Gesicht in die Kissen und schrie ihren Höhepunkt hinaus. Lindir stieß einen rauen Laut aus und sie fühlte, wie er sich heiß in ihr verströhmte. Schwer atment lagen die beiden nebeneinander im Bett. Beide hatten die Augen geschlossen. Beide versuchten zu begreifen, was da eben passiert war.

Befehl

Fast augenblicklich sprang Kiran aus dem Bett und starrte Lindir an, der sich langsam wieder aufrichtete. Ihr Herz schlug schmerzhaft schnell und die unterschiedlichsten Gefühle ströhmten auf sie ein. Sie strich sich mit hektischen Bewegungen durch das Haar und ihre Augen huschten unruhig im Raum umher. Was hatte sie da jetzt schon wieder angestellt? Verdammt, ein Jahr lang hatte sie ohne Gefühle und Emotionen gelebt, die tiefer gingen und kaum war sie wieder in Bruchtal und traf Lindir wieder, drehte sie durch. Schnell bückte sie sich, hob ihre Sachen auf und zog sich wieder an. Auch Lindir war mitlerweile aufgestanden und hatte sich seine Hose und seine Tunika wieder übergezogen. Keiner der beiden sprach ein Wort, was Kiran irgendwie begrüße, aber gleichzeitig auch verabscheute. Sie wünschte, Lindir würde irgendetwas sagen, damit sie ihm die Schuld an dem Ganzen hier geben konnte. Sie wollte, dass er redete, damit sich ihre Gedanken mit etwas anderem beschäftigen konnten. Und was am wichtigsten war, sie wollte wieder so schnell wie möglich aus Bruchtal fort.

"Kiran?"

Als er sie ansprach, drehte sie sich fast panisch um. Ihre Augen sagten so viel und Lindir wollte sie am liebsten in die Arme nehmen. Doch er wusste auch, wenn er das jetzt tat, dann würde sie ihn von sich stoßen und wieder weg laufen. Und das war das letzte, was er wollte.

"Kiran, beruhige dich bitte. Es ist alles gut."

"Gut?"

Ihre Stimme war um einige Oktaven nach oben geschnellt, so, dass sie sehr schrill und atemlos klang.

"Nichts ist gut! Das hätte nicht passieren dürfen! Das war falsch!"

"Wieso denkst du, dass es falsch war? Kiran, ich liebe dich. Und du empfindest doch auch was für mich."

"Gefühle leiten fehl. Ich will nichts mehr empfinden. Es war ein Fehler, dass wir erneut miteinander geschlafen haben."

"Das sehe ich nicht so."

Kiran schnallte sich den Gürtel wieder auf die Hüfte und band ihr dichtes Haar zu einem Zopf zusammen.

"Ich sehe das anders. Und eigendlich habe ich keine Lust, darüber zu diskutieren, Lindir. Ich hatte sowieso nicht vor, länger in Bruchtal zu bleiben."

Sie drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen, doch da packte Lindir sie hart am Oberarm und zog sie zurück.

"Was soll das heißen?"

Seine Stimme war wie scharfer Stahl, dazu in der Lage, alles und jeden zu zerschneiden. Seine Augen waren wie kaltes Eis, doch in ihnen tobte ein Sturm der Wut. Kiran sah auf seine Hand, die ihren Arm erbarmungslos fest hielt, dann hob sie ganz langsam den Blick.

"Lass mich los."

"Erst, wenn du mir antwortest."

"Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Und jetzt lass mich los."

"Nein! Ich lasse dich nicht so einfach abhauen, so wie vor einem Jahr! Ich lasse nicht zu, dass du schon wieder vor mir davon läufst!"

"Das ist ganz allein meine Sache, ob ich weg laufe."

"Kiran, willst du nicht begreifen?"

"LASS MICH LOS!"

Kiran schrie ihn voller Wut an und das so laut und plötzlich, dass Lindir sie wirklich los lies. Schnell wich sie einige Schritte zurück und funkelte ihn wütend an.

"Zwischen uns ist nichts, Lindir. Wir haben zwei Mal miteinander geschlafen und mehr war es nicht. Im Prinzip sind wir Fremde. Du kennst mich nicht. Du hast mich nie gekannt. Schon vor einem Jahr nicht und jetzt erst recht nicht. Also bilde dir nicht ein, mir irgendetwas befehlen zu können. Ich werde Bruchtal wieder verlassen und du wirst mich nicht daran hindern."

Mit diesen Worten drehte sie sich um und verlies wütend das Zimmer. Lindir sank, als sie das Zimmer verlassen hatte, zurück aufs Bett. Wie sollte er jetzt mit ihr umgehen?
 

***
 

Kiran lief die Gänge entlang, die ihr selbst nach einem Jahr noch schmerzhaft vertraut waren. Sie wusste nicht, wo sie hin ging, doch wie von selbst brachten sie ihre Füße zu dem Heiligtum von Bruchtal. Zu den Bruchstücken von Narsil. Schwer atment blieb sie vor der zerbrochenen Klinge stehen und starrte sie einfach an.

"Verdammt!"

Wütend schlug sie gegen einer der Steinsäulen. Was hatte sie sich dabei gedacht, nach Bruchtal zurück zu kommen? Sie hatte gewusst, dass sie sich dann mit Lindir auseinander setzen musste. Und Lindir würde nicht der einzige bleiben. Sie hätte sich von den Hobbits und diesem Waldläufer fern halten sollen. Schließlich hätten sie es auch ohne sie geschafft, nach Bruchtal zu kommen. Aber die Sehnsucht in ihr war einfach zu groß gewesen. Kiran verfluchte ihre eigene Schwäche.

"Vor einem Jahr standest du hier schon einmal."

Kiran sthnte innerlich. Konfrontation Nummer 2.

"Hallo Elladan."

Leise trat der junge Elb an ihre Seite.

"Hallo."

Schweigend standen die beiden nebeneinander. Kiran hatte nicht das Bedürfnis nach einer Unterhaltung und das schien Elladan zu spüren. Sie wat dankbar für seine Rücksichtsnahme. doch dann sagte er doch etwas.

"Es ist schön, dich wieder zu sehen, Kiran."

Kurz legte er ihr eine Hand auf die Schulter, dann ging er wieder weg. Kiran blinzelte und sah ihm erstaunt hinterher. Was? Was das alles gewesen? Normalerweise löcherte er sie doch immer mit Fragen und versuchte, alles mögliche aus ihr heraus zu bekommen. Offenbar war sie nich die einzige, die sich in dem Jahr verändert hatte.

Kiran war so sehr in Gedanken versunken, dass sie nicht hörte, wie jemand an sie heran trat.

"Ihr habt also eine Zeitlang hier gelebt, Lady Kiran."

Kiran drehte sich mit einem leisen Schreckenslaut um und stand nun Aragon gegenüber. Er hatte seine Sachen gewechselt und ein Bad genommen.

"Und Ihr habt also mit Lord Elrond gesprochen."

"Ja, das habe ich. Er sagte mir, dass man Euch vertrauen kann. Ich möchte Euch noch danken, dass Ihr uns zur Hilfe gekommen seit. Keine weis, wie es ohne Euch ausgegangen wäre."

Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass man es auch ohne sie geschafft hätte, doch dann müsste sie einiges erklären. Und dazu hatte sie weder, Lust, Zeit, noch die dafür benötigten Nerven. Also nickte sie einfach nur.

"Ist schon gut. Bitte entschuldigt mich. Ich muss mich noch in einer dringenen Angelegenheit an Lord Elrond wenden."

Sie verneigte sich kurz und verschwand dann schnell und leise in einen der vielen Gänge.
 

***
 

Kiran atmete tief ein und aus und hob die Hand. Doch sie brachte es nicht über sich, an die große Tür zu klopfen. Sie schaffte es einfach nicht. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe. Erneut hob sie die Hand und lies sie wieder sinken. Das war ja zum verrückt werden. Sie traute sich einfach nicht, an diese Tür zu klopfen. am besten drehte sie einfach um, packte ein paar Sachen und verschwand wieder. Damit ist sie letztes Jahr auch durch gekommen. Gerade als sie sich umdrehen wollte, wurde die Tür geöffnet und Lord Elrond sah sie an.

"Willst du noch Stunden vor meiner Tür stehen oder möchtest du rein kommen?"

Kiran lächelte verschämt.

"Wenn Ihr kurz Zeit habt, würde ich gerne mit Euch reden, Lord Elrond."

Er machte einen Schritt zur Seite und Kiran betrat sein Arbeitszimmer. Leise schloss er die Tür und ging dann zu seinem Schreibtisch.

"Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken?"

"Nein, vielen Dank."

Sie legte ihre Hände auf die hohe Lehne und sah sich um.

"Ihr habt hier nichts verändert."

"Ich mag keine Veränderungen."

Kiran strich mit ihren Fingerspitzen über das alte Holz. Sie fühlte sich sowohl unwohl als auch ruhig. Schließlich hatte sie nicht vor gehabt, je wieder hier her zu kommen.

"Und was möchtest du von mir?"

Sie holte tief Luft.

"Als erstes wollte ich mich bei Euch entschuldigen. Ich weis, dass Ihr euch Sorgen gemacht habt, als ich vor einem Jahr einfach so gegangen bin. Ich würde gerne sagen, dass es mir leid tut, doch ich bereue diese Entscheidung nicht. Und ich wollte mich für Eure Hilfe bedanken. Ihr habt meine Wunde versorgt. Ihr habt ja gesehen, dass ich nicht sehr geschickt darin bin, mich selber wieder zusammen zu flicken."

Lord Elrond lehnte sich mit einem Nicken in seinem Stuhl zurück und sah sie abwartend an.

"Das ist aber noch nicht alles, nicht wahr?"

"Nein, da habt Ihr recht. Ich wollte mich von Euch verabschieden. Die Wunde ist gut verheilt und ich habe mich erholt. Desswegen hatte ich vor, heute noch aufzubrechen."

"Du willst also wieder gehen. Es tut mir leid, Kiran, doch diesesmal werde ich dich nicht einfach so ziehen lassen."

Kiran starrte Lord Elrond entgeistert an. Sie hoffte inständig, dass sie sich gerade verhört hatte.

"Wie bitte?"

"Kiran, du weist, wieso die Hobbits nach Bruchtal gekommen sind, nicht wahr?"

Kiran atmete zischend aus und sie fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht.

"Ja, ich weis es."

"Woher?"

"Lord Elrond, Ihr stellt mir Fragen, auf die ich Euch keine Antwort..."

Kiran brach mitten im Satz ab, als der sonst so ruhige Elbenlord unwirsch mit einer Hand auf den Tisch schlug.

"Jetzt hör auf, Kiran! Lindir hat mir gesagt, was du ihm vor einem Jahr erzählt hast. Das du aus einer anderen Welt kommst, in der wir nur eine Erfindung sind. Aber was denkst du jetzt? Kiran, ich sitze hier vor dir! Die anderen hast du auch schon gesehen. Wir sind real!"

Kiran machte einen Schritt zurück. In ihren Augen tobte ein Sturm. Wieso hatte er es weiter erzählt? Sie hatte sich ihm anvertraut!

"Ich bringe ihn um! Er hat mir versprochen, es niemanden zu erzählen."

"Halte Lindir da raus. Er wusste einfach nicht mehr, was er machen sollte. Kiran, ich weis nicht, was genau zwischen euch beiden passiert ist, aber ich kann es mir denken. Du hast ihn mit deinem Verhalten sehr verletzt. In dem vergangenen Jahr hat Lindir sich sehr verändert. Er hat darunter gelitten, dass du einfach fort gegangen bist."

"Darüber habe ich bereits mit ihm gesprochen. Mein Fortgehen hatte einen anderen Grund als ihn."

Lord Elrond atmete tief ein.

"Ich werde mich nicht in eure Beziehung einmischen. Der Grund, warum ich nicht will, dass du gehst, ist, weil du weist, warum die anderen hier sind. Ich erwarte, dass du am Rat teil nimmst, der in einer Woche statt findet."

"Das könnt Ihr nicht machen!"

"Und ob ich das kann. Du wirst dabei sein, Kiran. Ich erwarte nicht von dir, dass du uns etwas erzählst, doch ich möchte, dass du anwesend bist. Es wäre auffällig, wenn es nicht so wäre."

"Aber Lord Elrond..."

"Kiran, stell meine Geduld nicht auf die Probe. Du wirst hier bleiben. Nach der Versammlung steht es dir frei, zu gehen oder zu bleiben. Aber du wirst beim Rat sein. Das ist mein letztes Wort. Du kannst das Zimmer beziehen, welches du letztes Jahr bewohnt hast.. Rya wird sich wieder um dich kümmern. Und jetzt geh bitte. Ich muss noch einige Dinge erledigen."

Kiran wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter mit dem Elbenlord zu streiten. Sie musste hier bleiben. Mit hängenen Schultern verlies sie das Arbeitszimmer. Wieso lief nie etwas so, wie sie es haben wollte?

Unbekannte Veränderung

Kiran saß müde auf der Terrasse ihres Zimmers und nippte abwesend an einem Glas Wasser. Sie hatte in dieser Nacht mehr als schlecht geschlafen. Besser gesagt, sie hatte kein Auge zu tun können. Lord Elrond's Befehl hatte sie bis spät in die Nacht verfolgt. Am liebsten wäre sie einfach wieder abgehauen, doch sie wusste, dass Lord Elrond sie dieses Mal zurück holen würde. Er würde ihre Flucht kein weiteres Mal tollerieren. Kiran seufzte müde und stellte das Glas wieder auf den Tisch. Am späten Abend waren noch weitere Gäste eingetroffen. Die Zwerge, Elben aus Düsterwald und Menschen aus Gondor. Jetzt waren alle, die am Rat teilnehmen würden, in Bruchtal versammelt. Und sie saß mitten im Hexenkessel. Ihr Leben war eine einzige Katastropfe geworden.

"Du musst etwas essen, Kiran."

Rya war leise zu ihr auf den Balkon getreten und hatte mit Missfallen festgestellt, dass Kiran ihr Frühstück nicht angerührt hatte.

"Ich habe keinen Hunger, Rya. Mir schwirrt zu viel im Kopf herum."

"Kiran, du hast gestern Mittag und gestern Abend schon nichts gegessen. Bitte, iss etwas. Nicht viel, aber wenigstens ein bisschen."

Kiran sah ihre Freundin genervt an, doch dann griff sie sich einen der Äpfel, die in der Schale lagen und biss demonstratiev hinein.

"Schufrieden?"

Rya lächelte, als Kiran sie mit vollen Mund genervt ansah und dabei auch noch nuschelte.

"Nur, wenn du ihn auch aufisst. Wenn du wirklich nichts mehr möchtest, werde ich das Essen zurück in die Küche bringen."
 

***
 

Mit diesen Worten griff sie nach dem Tablett und ging wieder ins Zimmer. Kiran hörte noch, wie die Tür ins Schloss viel. Sie wartete einige Minuten, dann spuckte sie das abgebissene Stück in ein Tuch. Angewiedert legte sie den Apfel zurück auf den Tisch. Vielleicht sollte sie sich an Lord Elrond wenden und mit ihm über ihre Veränderungen sprechen. Es beschäftigte sie, dass ihr Gehör von Tag zu Tag empfindsamer wurde, dass sie die Präsentz von anderen viel deutlicher wahr nam, dass sie körperlich zu mehr in der Lage war, als es für einen normalen Menschen eigendlich möglich wäre. Und was ihr am meisten Sorgen bereitete, dass sie seit geraumer Zeit keine Nahrung mehr bei sich behalten konnte. Sie würgte es immer wieder aus und irgendwann hatte sie aufgehört, etwas zu essen. Und es schien ihrem Körper nichts auszumachen. Sie hatte einfach keinen Hunger mehr. Doch dann schüttelte sie den Kopf. Nein, sie würde ganz bestimmt nicht mit Lord Elrond sprechen. Er würde ihr sowieso nicht helfen können. Langsam erhob sie sich und streckte sich ausgiebig.

"Morgen!"

Kiran stieß einen schrillen Schrei aus und sprang automatisch gut einen Meter zurück. Plötzlich waren die Zwillinge vor ihr aufgetaucht und sie hatte die beiden nicht bemerkt. Als sie den Schrei ausgestoßen hatte, waren die beiden zusammen gezuckt und sahen sie jetzt vorwurfsvoll an.

"Kiran, wir sinds doch nur. Kein Grund, hier so ein Geschrei anzuzetteln, als würdest du von Ork's gefoltert werden."

"Seit ... ihr ... beiden ... total ... wahsinnig ... geworden?"

Kiran atmete schwer ein und aus. Sie hatte Probleme, ihr Herz wieder im normalen Tempo schlagen zu lassen.

"Entschuldigung. Wir wollten dich nicht erschrecken. Wir wollten dich fragen, ob du mit uns Frühstücken möchtest."

Kiran wurde schon alleine bei dem Gedanken an Essen schlecht. Schnell winkte sie ab.

"Nein, danke. Ich habe bereits gefrühstückt."

Elohir zeigte auf den angebissenen Apfel.

"Das ist ja wohl kein Frühstück. Du hast doch höchstens einmal abgebissen."

Kiran reckte das Kinn in die Höhe.

"Und wenn schon. Es hat dich nichts anzugehen, wieviel ich esse. Und jetzt wünsche ich euch beiden noch einen schönen Tag. Ich habe zu tun."

"Ach ja? Und was denn?"

Kiran schnaubte unwirsch und stürmte in ihr Zimmer, dicht gefolgt von den Zwillingen.

"Sag schon, Kiran. Was hast du vor?"

"Wenn ihr es unbedingt wissen wollt. Ich will trainieren. Ich kann nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer hocken. Ich brauche Bewegung."

"So ganz alleine? Ohne Trainingspartner? Das soll wohl ein Witz sein. Wir werden dir Gesellschaft leisten."

Kiran war kurz vor einem Mord, nein, zwei Morden. Sie würde sie umbringen. Sehr langsam und schmerzvoll. Wütend lief sie die Flure entlang, doch die beiden Elben blieben immer dicht hinter ihr.

"Wir sind gespannt, was du alles gelernt hast. Früher wolltest du ja nicht kämpfen und hast dich immer, wenn Glorfindel dich gesucht hat, versteckt."

"Ich habe mich nicht versteckt. Ich hatte in dieser Zeit immer nur was besseres vor. Das hat absolut nichts mit verstecken zu tun."

"Nein."

"Natürlich nicht. Wie kommen wir nur auf so einen Gedanken."

Kiran verdrehte die Augen.

"Könnt ihr zwei mal aufhören, mir hinterher zu laufen?"

"Wie laufen dir doch gar nicht hinter her."

"Genau. Wir haben nur zufällig den selben Weg, weil wir auch zufällig das selbe Ziel haben."

"Ich brauche keinen Trainingspartner. Das kann ich auch sehr gut alleine."

"Aber alleine ist es doch langweilig."

"Ja, und es kann dich niemand auf deine Fehler hinweisen."

"Und du weist doch, dass wir dir immer sehr gerne behilflich sind."

"Genau. Aber wenn du willst, können wir auch Glorfindel fragen."

"Der würde mit Freuden aushelfen."

"Ja, schließlich war er mächtig sauer, als du einfach so abgehauen bist."

"Und du darfst nicht die vielen Trainingsstunden vergessen, die nie stattgefunden haben, weil du immer etwas besseres zu tun hattest."

"Das hat ihn sehr gekränkt, wirklich."

"Das hast du echt gut drauf, Kiran. Das muss man dir lassen."

"Genau. Du stößt immer denen vor den Kopf, die in dich verliebt sind."

Kiran hielt so plötzlich inne, dass die Zwillinge in sie hinein liefen.

"Hy. Wieso bleibst du so plötzlich stehen?"

"Kannst du wenigstens vorher irgendein Zeichen geben?"

Betont langsam drehte Kiran sich zu Elladan und Elohir um.

"Ihr zwei geht mir ganz gewalltig auf die Nerven. Ich brauche keinen Partner, der mit mir trainiert. Weder euch zwei, noch Glorfindel. Und jetzt seht zu, dass ihr Land gewinnt, ansonsten garantiere ich euch, dass selbst euer Vater Probleme haben wird, euch wieder zusammen zu flicken."

"Was ist denn hier los?"

"Vater! Kiran droht uns!"

"Was?"

Kiran stöhnte laut auf und schlug die Hände vors Gesicht. Wo auch immer sie hin ging, überall waren Elben. Konnte sie denn keine ruhige Minute haben?

"Lord Elrond, bitte pfeift Eure Söhne zurück. Ich brauche nun wirklich keine Wächter."

Lord Elrond zog eine Augenbraue nach oben.

"Ach nein?"

Kiran drehte sich zu ihm um und musste fest stelleb, dass er nicht alleine war. Gandalf, Aragon, Glorfindel und Legolas waren bei ihm.

"Was soll das denn heißen?"

"Das heißt, dass du schon einmal verschwunden bist. Und wie ich dich kenne, hast du wieder mit dem Gedanken gespielt, bei Nacht und Nebel zu verschwinden."

"Aber Lord Elrond, in Bruchtal gibt es keinen Nebel. Wie soll ich dabei abhauen?"

Sie hörte, wie die Zwillinge hinter ihr leise kicherten, sofort aber wieder still wurden, als ihr Vater sie mit einem scharfen Blick ansah.

"Die beiden werden dich begleiten. wo auch immer du hin gehst."

"Lord Elrond, ich brauche keine Kindermädchen! Und ganz besonders nicht diese beiden!"

"Könnt ihr alle mal aufhören, hier so rumzuschreien? Dabei hört man ja nicht einmal seine eigenen Gedanken."

Erestor hatte seinen Kopf aus seinem Arbeitszimmer gesteckt und sah alle Anwesenden böse an.

"Mit verlaub, hier müssen manche Elben arbeitn. Kiran, schrei nicht so rum. Oder hast du in deinem Abwesendheitsjahr vergessen, dass wie Elben..."

"ICH HABE DOCH GAR NICHT GESCHRIEEN!"

Alle Anwesenden zuckten zusammen, als Kiran jetzt wirklich ihr Stimme erhob. Keuchend holte sie Luft und funkelte den Herrn von Bruchtal wütend an.

"Ich brauche keine Kindermädchen und das ist mein letztes Wort!"

"Und mein letztes Wort ist, dass die beiden dich immer begleiten. Aber wenn du willst, kann das auch Lindir übernehmen."

Kiran zuckte zusammen.

"Ihr seid nicht fair, Lord Elrond."

"Das warst du auch nicht, als du einfach so gegangen bist."

"Werdet Ihr mir das vorwerfen, so lange ich hier bin?"

"Solange du lebst."

Kiran warf die Arme in die Luft.

"Großartig! Wirklich wunderbar! Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich mich am besten von den Ringgeistern umbringen lassen sollen! Die machen das wenigsten kurz und schmerzlos! Aber da die Biester jetzt weg sind, werde ich mich von der nächsten Brücke stürzen! Dann bin ich euch alle los!"

Wütend drehte sie sich wieder um und stürmte an den Zwillingen vorbei in den Garten. Elladan folgte ihr sofort, doch Elohir blieb bei den anderen stehen.

"Das war jetzt wirklich hart."

"Sie ist wütend. Das wird sich wieder legen. Bleibt immer in ihrer Nähe, ansonsten macht sie wieder irgendeine Dummheit."

Elohir nickte und folgte dann seinem Bruder und Kiran.

"Lord Elrond, bitte verzeiht die Frage, aber wer ist dieses Mädchen?"

Elrond drehte sich zu Legolas um, der ihn verwirrt ansah.

"Ihr Name ist Kiran Anzara. Sie hat vor einem Jahr kurz hier gelebt und ist dann eines Nachts einfach gegangen, ohne jemanden etwas zu sagen. Sie hat Aragon und die Hobbit's nach Bruchtal gebracht."

"Ihr sagtet zwar, man könne ihr vertrauen, aber im Moment sieht das nicht so aus."

"Im Moment, Aragon, ist sie auch sehr wütend. Ich habe ihr befohlen, am Rat teil zu nehmen und das passt ihr nicht. Sie wollte gestern schon wieder aufbrechen."

"Und Ihr habt sie nicht gehen lassen, weil sie weis, warum Frodo nach Bruchtal gekommen ist, nicht wahr?"

Elrond lächelte Gandalf schief an.

"Sehr scharfsinnig, mein alter Freund, aber so ist es. Sie bleibt erstmal hier."

"Und was war das für eine Geschichte mit Lindir?"

Ehe Elrond antworten konnte, schallte Kiran's Stimme aus dem Garten zu ihnen herüber.

"WAS ZWISCHEN MIR UND LINDIR WAR, GEHT EUCH NICHTS AN!"

Die Elben zuckten zusammen und sahen in Richtung Garten.

"Hat sie und etwa gehört?"

"Völlig unmöglich. Vermutlich haben meine Söhne sie auch auf dieses Thema angesprochen. Reiner Zufall."

Legolas runzelte misstrauisch die Stirn. Das musste ja dann schon ein sehr großer Zufall gewesen sein. Lord Elrond ging weiter und die anderen folgten ihm. Sie erhofften sich eine genauere Antwort.
 

***
 

Kiran schwang wütend ihr Schwert. Wärend ihres Trainings versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Sie konnte den Elbenlord bis zu einem gewissen Grad verstehen. Doch er hatte nicht das Recht, sich in die Beziehung von ihr und Lindir einzumischen. Das heißt, wenn es eine Beziehung gäbe. Denn die gab es ganz eindeutig nicht. Sie würde einfach diese Ratssitzung hinter sich bringen und dann würde sie zusehen, dass sie Land gewann. Möglichst weit weg von Bruchtal. Vielleicht Gondor. Oder sie ging für kurze Zeit nach Lothlorien. Oder sie flüchtete gleich in die Berge. Dort würde man sie niemals suchen.

"Kiran, du musst deine Beine weiter auseinander stellen. So hast du mehr Halt."

Elohir's Ruf durchriss ihre Gedanken und sie geriet ins staucheln. Wütend drehte sie sich zu ihm um.

"Halt die Klappe!"

"Hy, jetzt werd mal nicht gleich sauer. Ich habe dich nur auf einen Fehler hin gewiesen."

"Ich habe dich nicht um deine Meinung zu meinen Kampfkünsten gebeten, Elb!"

Kiran entfernte sich einige Meter von den Zwillingen und begann mit ihren Übungen von vorne. Elohir setzte sich seufzend neben seinen Bruder ins Gras.

"Sie hat sich ganz schön verändert."

"Ach, was du nicht sagst. Ist mir gar nicht aufgefallen."

"Werden wir jetzt sarkastisch?"

"Wundert mich, dass du das merkst."

"Würdest du mir mal bitte sagen, was mit dir los ist?"

Elladan sah seinen Bruder mit einem kurzen Seitenblick an, seufzte und sah dann wieder zu Kiran.

"Ich mache mir Sorgen um sie. Sie hat sich zu sehr verändert."

"Das weis jeder hier, Elladan."

"Ich meine nicht nur körperlich. Sieh sie dir genau an. Sie strahlt etwas aus, was ich nicht definieren kann."

"Wut?"

"Bruder, sei bitte ernst."

"Das bin ich doch. Kiran scheint immerzu von einer wütenden Aura umgeben zu sein."

Elladan seufzte.

"Ja, dass stimmt. Aber es ist auch etwas anderes. Wieso redet sie nicht mit uns darüber? Sie muss doch wissen, dass wir uns alle um sie sorgen. Sogar Vater, auch wenn er es im Moment nicht zeigt."

Elohir wusste einfach nicht, was er darauf antworten sollte. Ja, jeder machte sich Sorgen um sie. Und ja, der Herr von Bruchtal zeigte es nicht unbedingt. Aber da war sie bis zu einem gewissen Grad auch selber schuld dran. Elohir war so sehr in seinen Gedanken versunken, dass er erschrak, als sein Bruder plötzlich aufsprang.

"Kiran! Was ist los?"

Sofort glitt sein Blick wieder zu der jungen Menschenfrau. Kiran hatte sich schwer atment auf ihr Schwert gestützt. Jetzt sprang auch Elohir auf und die beiden Brüder liefen zu ihr. Als die beiden bei ihr waren, hörten sie, wie sie schwer um Luft rang und wie schnell ihr Herz schlug.

"Kiran, was ist los? Geht es dir nicht gut?"

"Geht ... gleich ... wieder."

Sie zitterte am ganzen Körper und ein feiner Schweißfilm schimmerte auf ihrer Stirn. Sie hatte die Augen vor Schmerz zusammengekniffen und sie war so blass, dass ihre Haut fast durchscheinend wirkte. Besorgt streckte Elladan eine Hand nach ihr aus und berührte sie leicht am Arm, riss sie aber fast sofort wieder zurück.

"Kiran, du glühst ja förmlich."

Kiran wischte sich mit ihrem Handrücken den Schweiß von der Stirn und stieß zitternd die Luft aus ihrer Lunge.

"Es wird ... gleich wieder ... aufhören."

Sie richtete sich vorsichtig auf, doch als sie dabei schwankte, griffen die Zwillinge gleichzeitig nach ihr, um sie zu stützen.

"Dir geht es nicht gut. Leg dich am besten wieder ins Bett. Einer von uns wird Vater holen."

"Nein!"

Energisch wand sie sich aus dem stützenden Griff der beiden.

"Ich werde mich hin legen, aber wehe ihr sagt eurem Vater irgendetwas. Mir geht es gut. Ich brauche nur etwas Ruhe."

Damit ging sie schwankend zurück in den Palast. Die Brüder folgten ihr, um einzugreifen, sollte sie stürzen.
 

***
 

"Wie müssen Lord Elrond von ihrem Zustand berichten."

Rya stand zusammen mit den Zwillingen auf dem Flur. Besorgt rang sie mit den Händen und warf immer wieder einen nervösen Blick zu Kiran's Zimmertür. Die Brüder hatten sie vor einer halben Stunde geholt, da sich Kiran's Zustand selbst bis zum Nachmittag nicht verbessert hatte. Als Rya dazu gekommen war, hatte Kiran sich wegen dem hohen Fieber im Bett hin und her geworfen. Sie hatte furchtbar geschwitzt und vor Schmerzen war sie ganz blass gewesen. Doch sie hatte mit Nachdruck klar gemacht, dass sie nicht wollte, dass man Lord Elrond holte.

"Elohir und ich wollten ihn schon heute Morgen holen, doch sie weigert sich. Sie meinte, dass sie das im letzten Jahr öfters hatte und das es bald vorbei gehen würde. Doch danach sieht es nicht aus. Ihr Zustand verschlechtert sich von Stunde zu Stunde. Was sollen wir nur machen?"

Die drei Elben waren ratlos. Kiran würde sie umbringen, wenn sie Lord Elrond holen würden. Und Lord Elrond würde sie umbringen, wenn er von ihrem Zustand erfuhr und das man ihm nicht benachrichtigt hatte. Sie steckten wirklich in einer ernsten Lage.

"Ok, wir machen folgendes. Wenn sich ihr Zustand bis heute Abend nicht verbessert, werden wir Vater benachrichtigen. Sie kann nicht von uns verlangen, dass wir tatenlos zusehen, wenn es ihr immer schlechter geht."

Elohir und Rya nickten zustimmend. Mit dieser Entscheidung konnten sie leben. Und der Abend war schließlich nicht mehr fern.
 

***
 

Kiran warf sich unruhig hin und her. Ihr war unerträglich heiß und sie schwitzte schrecklich. In dem Ausmaße hatte sie diese Anfälle noch nie gehabt. Was war nur los mit ihr? Sie griff nach dem Kelch mit Wasser und trank ihn in einem Zug aus, doch sie hatte immer noch das Gefühl, innerlich zu verbrennen. Sie musste irgendetwas dagegen unternehmen. Irgendetwas.
 

***
 

Rya's hektische Schritte hallten in den weiten Fluren wieder, als sie panisch nach den Zwillingen suchte.

"ELLADAN! ELOHIR!"

Sie suchte die beiden schon eine ganze Weile und sie wusste einfach nicht mehr, wo sie noch suche sollte. Rya rannte um die nächste Ecke und stieß schmerzhaft mit jemanden zusammen. Starke Hände bewarten sie vor einem Sturz und sie sah schwer atment in das Gesicht von Lindir.

"Rya. Was ist denn los? Man hört dich bestimmt in ganz Bruchtal."

"Wunderbar! Nur die, die ich suche, hören mich nicht. Habt Ihr die Zwillinge gesehen?"

Lindir lies sie los und sah sie stirnrunzelnt an.

"Sie sind bei ihrem Vater im Arbeitszimmer. Was ist denn los?"

"Kiran."

Als sie ihren Namen aussprach, versteifte Lindir sich und ein eisiger Schauer lief durch seinen Körper. Oh Eru, bitte lass sie nicht schon wieder weg gelaufen sein.

"Was ist mit ihr?"

"Sie ist nicht in ihrem Zimmer."

Lindir stieß hörbar die Luft aus seiner Lunge.

"Dieses Mädchen! Lord Elrond wird sie diesesmal zurück holen. Das lässt er sie nicht noch einmal durch gehen."

"Bitte helft mir, Lindir. Kiran ist krank. Und wenn sie in ihrem Zustand wirklich abgehauen ist, dann müssen wir sie schnell finden."

"Wie bitte? Sie ist krank? Wieso weis ich nichts davon?"

Rya krampfte die Hände ineinander.

"Sie wollte nicht, dass es irgendjemand weis. Die Zwillinge und ich haben beschlossen, dass wir Lord Elrond benachrichtigen, wenn es ihr heute Abend nicht besser geht. Aber als ich vor ein paar Minuten nach ihr sehen wollte, lag sie nicht mehr in ihrem Bett. Bitte Lindir, helft mir suchen. Ihr geht es wirklich sehr schlecht."

"Wir werden die anderen bitten, uns zu helfen. Wenn es ihr wirklich so schlecht geht, kann sie nicht weit gekommen sein. Was hat sie denn?"

"Sehr hohes Fieber und sie schitzt schrecklich. Und sie hat Schmerzen, auch wenn sie es nicht zeigen will."

Schnell liefen die beiden Elben zum Arbeitszimmer von Lord Elrond. Ohne anzuklopfen stürmte Lindir hinein. Lord Elrond redete gerade mit seinen Söhnen. Auch waren Gandalf, Aragon und Legolas anwesend.

"Lindir! Was ist denn los?"

Lord Elrond sah seinen Berater etwas genervt an. Gerade als Lindir antworten wollte, entdeckten die Zwillinge Rya.

"Was ist mit Kiran?"

"Sie ist weg! Wir müssen sie finden. Lord Elrond, bitte. Es geht ihr sehr schlecht!"

"WAS?"

Die anwesenden Elben zuckten zusammen, als der Herr von Bruchtal seine Stimme erhob. In letzter Zeit wurde hier viel zu viel geschrieen.

"Es geht ihr schlecht und niemand sagt es mir? Was hat sie?"

"Sehr hohes Fieber und sie schwitzt schrecklich. Außerdem hat sie Schmerzen, auch wenn sie das bestreitet. Bitte, wir müssen sie finden."

"Das werden wir auch! Los, sucht alle mit."

Elrond stürmte aus seinem Arbeitszimmer, dicht gefolgt von den anderen. Alle liefen durch die Gänge und riefen immer wieder ihren Namen, doch sie bakamen keine Antwort.

"Wo kann sie nur sein?"

"Hoffentlich ist sie nicht schon wieder weg gelaufen. Sie würde in ihrem momentanen Zustand nicht weit kommen."

"Ähm, Lord Elrond?"

Die Elben drehten sich um und sahen sich Gimli gegenüber. Der Zwerg schien peinlich berührt zu sein.

"Bitte verzeiht diese Unruhe, werter Herr Gimli. Doch wir suchen jemanden."

"Also, dann hoffe ich, dass es das junge Mädchen ist, welches gerade mitten im Springbrunnen steht."

Die Elben sahen den Zwerg verdutzt an.

"Ein Mädchen?"

"Im Springbrunnen?"

"Lange braune Haare?"

Gimli nickte und als er den Kopf senkte, liefen Lindir, Elladan und Elohir gleichzeitig los und liesen die anderen hinter sich zurück.
 

***
 

"Ist sie wahnsinnig geworden? Bei diesen Temperaturen in den Springbrunnen zu steigen?"

"Und das bei ihrem hohen Fieber."

"Offenbar will sie sich gleich umbringen."

Die drei erreichten den Hof und blieben wie angewurzelt stehen. Kiran stand, nur mit ihrem Nachthemd bekleidet, im knietiefen Brunnen und hielt ihren Kopf unter einen der eiskalten Wassersträhle.

"KIRAN! KOMM SOFORT AUS DEM WASSER RAUS!"

Lindir's Stimme hallte über den Hof und Kiran hob den Kopf. Sie sah die drei Elben kurz an, doch dann steckte sie ihren Kopf wieder unter den Wasserstrahl. Lindir rannte zum Brunnen und stieg in das eisige Wasser.

"LINDIR! HOL SIE DA RAUS!"

Lord Elrond's Stimme hallte über den Hof. Lindir lief durch das Wasser zu Kiran und packte sie am Arm.

"Bist du wahnsinnig geworden? Du holst dir noch den Tod."

Er zog sie in seine Arme und hob sie hoch. Sie zitterte am ganzen Körper und ihre Lippen waren blau verfärbt. Sie schlang die Arme um seinen Hals und lies sich wiederstandslos von ihm aus dem Wasser tragen.

"Lindir, mir ist so heiß."

"Heiß? Mädchen, du warst gerade im eisig kalten Wasser. Die kann nicht heiß sein."

Lindir übergab sie an Elladan, damit er sie hielt, wärend er aus dem Brunnen stieg. Sofort war Lord Elrond an ihrer Seite und legte eine Hand auf ihrer Stirn. Er riss die Augen auf und sah seinen Berater fassungslos an.

"Lindir, sie glüht förmlich! Sie hat wirklich sehr hohes Fieber!"

Lindir strich ihr einige der nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und bemerkte erst jetzt, wie heiß ihr Gesicht war.

"Was hat sie nur?"

"Das weis ich nicht, aber sie braucht trockene Sachen. Rya, such schon mal etwas raus und kleide sie dann um. Wenn du fertig bist, sag mir bescheit. Dann werde ich sie untersuchen."

Rya nickte und lief zurück, um neue Sachen für Kiran zu holen. Lindir nam sie wieder in seine Arme und lief mit ihr in den Palast, dicht gefolgt von den anderen. Kiran stöhnte gequält und wand sich in seinen Armen.

"Kiran, halt still."

"So heiß. Mir ist so heiß. Ich will zurück ins Wasser."

Lindir drückte sie enger an sich, damit sie aufhörte, sich zu wehren.

"Ganz bestimmt nicht. Du holst dir bei diesen Temperaturen noch den Tod."

"Bitte, Lindir. Ich will zurück ins Wasser. Bitte, bitte."

Sie legte ihre Arme um seinen Hals und flüsterte immer wieder "Bitte" in sein Ohr. Jetzt, wo sie nicht mehr im Wasser und ihm so nahe war, spürte er die unglaubliche Hitze, die von ihr ausging. Bei Eru, was hatte sie nur? Gestern ging es ihr doch noch gut. Lindir hatte ihr Zimmer erreicht und trat ein. Rya hatte bereits ein sehr dünnes Nachthemd rausgesucht.

"Rya, hol mir ein Handtuch. Nein, besser drei. Sie ist so nass, da wird eins nicht reichen."

Rya lief ins Badezimmer und kam gleich darauf mit den geforderten Handtüchern wieder ins Zimmer zurück. Lindir setzte Kiran in einen der hohen Stühle, griff sich das Handtuch, welches Rya ihm reichte und fing an, sie abzutrocknen.

"Lindir, lass das Rya machen. Komm mit raus."

Lindir warf seinem Lord einen vernichtenen Blick zu.

"Ich schlage vor, dass ihr alle raus geht. Rya und ich werden sie abtrocknen und umkleiden."

"Lindir, ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist."

"Und warum nicht?"

"Denk an ihren Ruf."

Lindir schnaubte und trocknete Kiran weiter ab. Sie hatte aufgehört zu zittern, stattdessen schwitzte sie wieder. Ihre Augen waren wegen dem Fieber glasig und sie hatte Probleme, Luft zu bekommen.

"Rya, hilf mir, sie aus dem nassen Hemd raus zu bekommen."

Rya trat näher an Kiran heran und schob ihr vorsichtig die Träger von den Schultern.

"RAUS!"

Alle anwesenden zuckten zusammen und kamen dann Lindir's Aufforderung nach. Sogar Lord Elrond verlies das Zimmer. Draußen auf dem Flur herrschte betretenes Schweigen. Elladan und Elohir liefen mit abgehackten Bewegungen, die so gar nicht zu Elben passen wollten, auf und ab. Legolas lehnte an der Wand neben Aragon und Gandalf hatte sich zu Lord Elrond gesellt.

"Er liebt sie, nicht?"

Als Gandalf's tiefe Stimme die Stille durchbrach, sahen alle auf. Lord Elrond seufzte und schloss die Augen.

"Sieht ganz so aus."

"Und sie? Liebt sie ihn auch?"

"Ich denke, auf ihre Art tut sie das. Nur nicht im gleichen Ausmaß wie Lindir sie liebt."

"KIRAN!"

Der laute Schrei von Rya schreckte alle auf uns Lord Elrond riss die Zimmertür auf. Und was er sah, lies beinahe sein Herz still stehen. Kiran lag windend am Boden, hielt sich den Bauch und wimmerte herzzerreißend. Lindir kniete neben ihr und versuchte, sie zu bruhigen.

"Was ist passiert?"

Rya drehte sich zu den anderen um, ihre Augen waren vor Panik geweitet.

"Keine Ahnung. Sie ist plötzlich vor Schmerzen zusammen gesunken."

Lord Elrond kniete sich neben sie und legte eine Hand auf ihre Stirn. Er murrmelte leise Worte und fast augenblicklich hatte Kiran sich beruhigt. Sie wimmerte noch leise, doch wand sie sich wenigstens vor Schmerzen nicht mehr.

"Lindir, leg sie ins Bett. Ich werde sie untersuchen."

Lindir hob Kiran auf seine Arme und trug sie vorsichtig zum Bett. Sanft legte er sie auf die Decke und strich ihr liebevoll über die Stirn. Sie hatte die Augen geschlossen, in ihrem Gesicht konnte er keine Anzeichen für Schmerz erkennen. Lord Elrond legte ihm eine Hand auf die Schulter.

"Geh jetzt hinaus. Ich brauche Ruhe, um sie zu untersuchen."

Jeder konnte sehen, dass Lindir hin und her gerissen war, doch letzten Endes folgte er dem Befehl seines Lords. Jeder verlies den Raum und die Tür wurde leise geschlossen.

Kiran's Geist

Lord Elrond setzte sich neben Kiran auf das Bett und legte wieder eine Hand auf ihre Stirn. Als er zu sprechen anfing, war seine Stimme leise und beruhigend.

"Kiran, hör mir genau zu. Damit ich weis, was dir fehlt, muss ich in deinen Geist eintauchen. Doch dass kann ich nur, wenn du es mir erlaubst und dich nicht gegen mich wehrst. Denn wenn du das tust, dann könnten wir beide sterben. Kiran, habe ich dein Einverständnis?"

Kiran hob flatternd die Augenlider und sah ihm fest in die Augen. Langsam hob sie eine Hand und legte sie auf seinen Arm.

"Versprecht mir, was auch immer Ihr sehen werdet, dass Ihr es niemanden erzählt. Bitte, versprecht es mir."

Lord Elrond beugte sich näher zu ihr.

"Ich verspreche es dir."

Kiran lies die Hand wieder sinken und schloss die Augen.

"Dann habt Ihr somit meine Erlaubnis, meinen Geist zu betreten."

Lord Elrond hielt kurz die Luft an. Woher kannte sie diese rituellen Worte? Wenn man diese Worte nicht aussprach, konnte niemand ihren Geist betreten. Doch sie hatte sie gesagt. Er würde später darauf eine Antwort fordern. Jetzt musste er sich konzentrieren. Elrond schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Er löste seinen Geist von seinem Körper und lies ihn in Kiran's Geist fließen. Die Seelen verschmelzten miteinander. Kurz spürte er einen Wiederstand, doch es war nur ein leichtes ziehen, kaum wahr zu nehmen. Als sein Geist in ihren eintauchte, wurde er von einem Regenbogen der schillernsten Farben umspielt. Wärme und Ruhe durchströhmte ihn. Dann schlug er die Augen auf. Er stand in vollkommener Dunkelheit, so tief schwarz, dass er nicht einmal seine Hand sehen konnte.

"Kiran, bitte wehre dich nicht. Zeig mir dein Leben."

Seine Stimme hallte wieder. Kurz darauf erschien ein Flackern in der Dunkelheit, welches stetig heller wurde. Er musste die Augen schließen, um nicht geblendet zu werden. Dann schlug er wieder die Augen auf. Vor ihm stand ein kleines Mädchen, kaum 5 Jahre alt. Sie hatte schulterlange, rotbraune Haare und bronzefarbene Augen. Der Ausdruck, mit dem sie ihn ansah, war erschreckend erwachsen. Und doch war es ein kindlicher Blick. Ein Blick, der keine Angst, keinen Hass und keine Verzweiflung kannte. Elrond wusste, dass hier Kiran vor ihm stand. Kiran, wie sie als kleines Mädchen gewesen war. Sie streckte ihm die Hand entgegen und Elrond griff nach ihr. Hinter ihr erschien eine Tür, die von alleine aufging. Sie drehte sich um und zog ihn hinter sich her. Elrond fand sich auf einer farbenprächtigen Blumenwiese wieder. Es wehte ein sanfter Wind und er trug den Geruch des Meeres zu ihm. Tief atmete er sie salzige Luft ein. Kiran lies seine Hand los und lief auf eine ältere Frau zu, die etwas weiter von ihnen weg stand. Als ob sie wüsste, dass das kleine Mädchen zu ihr lief, drehte sich sich um und fing sie auf, als sie sich in ihre Arme warf. Kiran erzälte kurz etwas, dann zeigte sie mit ihrem Finger in seine Richtung. Die Frau, die Kiran's rotbraune Haare hatte, drehte sich zu ihm um. Und dann setzte sein Herz für einen Moment aus. Er sah in ein Gesicht, welches ihm schmerzlichst vertraut war. Große bronzefarbene Augen sahen ihn verwundert an. Das Mädchen in ihren Armen zupfte an ihren Haaren und sagte wieder etwas in einer fremden Sprache, woraufhin die ältere Frau leise antwortete. Mit Kiran in den Armen ging sie zu ihm.

"Es ist lange her, Elrond."

"Milan."

Milan lächelte leicht.

"Wie ich sehe, hast du meine Enkeltochter bereits kennen gelernt."

Elrond's Augen huschten zwischen Milan und Kiran hin und her. Die Verwandschaft war nicht zu leugnen. Kiran war eine genaue Kopie von ihrer Großmutter. Nur das Milan etwas dunklere Haut hatte.

"Was führt dich her, Elrond? Du tauchst nicht ohne Grund in den Geist eines anderen Lebewesens ein."

Elrond räusperte sich.

"Kiran geht es sehr schlecht und ich suche nach der Ursache für ihr Leiden. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich dich hier finden würde."

"Nun, ich habe auch nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen. Es ist erstaunlich, dass Kiran dich in ihren Geist blicken lässt. Selbst mir hat sie es schwer gemacht. Und damals war sie erst fünf Jahre alt. Wie alt ist sie heute?"

"Sie dürfte um die 20 Jahre alt sein. Ich weis es nicht."

Milan lachte.

"Nun ja, es ist ja auch nicht wichtig. Aber du sagst, es geht ihr nicht gut? Was hat sie denn?"

"Sie hat sehr hohes Fieber, schwitzt sehr viel und hat Schmerzen. Körperlich ist aber alles in Ordnung."

Milan setzte Kiran auf den Boden ab und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Das kleine Mädchen sah zwischen den Beiden hin und her und verschwand dann im hohen Gras.

"Wieso schickst du sie weg?"

Milan wand sich wieder dem Elbenlord zu. Ihr Blick war seltsam traurig.

"Sie muss nicht wissen, was mit ihrer Mutter los ist."

"Ihrer ... Mutter?"

"Ja, ihrer Mutter."

"Soll das heißen, dieses Mädchen ist nicht Kiran?"

Milan schüttelte den Kopf.

"Nein, das ist Esme, Kiran's Tochter."

"Sie hat ein Kind?"

"Hatte, Elrond. Kiran hatte ein Kind. Sie brachte Esme vor ungefähr 6 Monaten her. Sie hatte die Kleine verloren, als sie von Ork's schwer verletzt wurde."

"Davon hat sie nichts erwähnt."

"Das wundert mich nicht. Keine Mutter verkraftet den Verlust eines Kindes. Elrond, du bist nicht hier, um über Esme zu sprechen. Du willst wissen, was Kiran fehlt? Ich sage es dir. Es ist das Elbenblut in ihr."

"Wir ahnten schon, dass sie Elbenblut hat, waren uns aber nicht sicher."

"Es wundert mich nicht, dass ihr es nicht mit Sicherheit bestimmen konntet. Das Elbenblut in ihr ist nicht so stark, schließlich war nur ihr Großvater ein Elb. Menschenblut verdünnt."

"Du warst also schwanger, als du in deine Welt zurück gekehrt bist."

Milan legte ihre Hände auf den Bauch. Liebevoll strich sie über ihn.

"Ja, mit ihrer Mutter. Doch sie zeigte keinen Anteil von Elbenblut. Genau so verhielt es sich bei meinen Enkelsöhnen. Nur Kiran, sie war anders. Ich war so froh, als sie geboren wurde. Es war, als würde durch sie Gil-galad weiter leben. Und jetzt ist sie bei dir in Bruchtal. Sie ist dort, wo sie sein soll."

Elrond strich sich durch die Haare. Jetzt verstand er. Darum war ihm Kiran so vertraut vorgekommen. Sie war Gil-galad's und Milan's Enkeltochter. Milan legte ihm eine Hand auf die Schulter.

"Mach dir keine Sorgen, Elrond. Es verläuft alles genau so, wie es sein soll. Die Umwandlung ist für sie einfach nur sehr schwer. Es wäre besser, wenn du sie, sobald du wieder zurück bist, in den Schlaf der Elben versetzt. Dann bekommt sie davon nichts mehr mit. Weist du, was es bedeutet, dass sie ihre Umwandlung erlebt? Das heißt, dass ihr Seelengefährte in ihrer Nähe ist. Das Elbenblut in ihr spürt das und reagiert dementsprechend. Mach dir also keine Sorgen."

"Lindir."

Milan legte den Kopf schief und runzelte die Stirn.

"Lindir? Dein Berater?"

Elrond nickte.

"Ja, sie haben miteinander geschlafen und er liebt sie. Sie liebt ihn auch. So muss es sein."

"Elrond, es ist nicht Lindir, der ihre Umwandlung wachgerufen hat. Damals, als ich in Galadriel's Spiegel gesehen habe, habe ich nicht Lindir an Kiran's Seite gesehen."

"Aber wer ist es dann?"

"Ich weis es nicht. Ich habe ihn nicht gekannt. Es war ein junger Elb mit silberblonden Haaren und kobaldblauen Augen."

"Milan, viele Elben haben silberblonde Haare und kobaldblaue Augen. Es könnte jeder sein."

"Du machst dir zu viele Gedanken, alter Freund. Die beiden werden sich schon finden, wenn die Zeit gekommen ist. Appropos Zeit. Es ist Zeit für dich zu gehen. Du kannst nicht länger hier bleiben, sonst wird es gefährlich. Auch wenn sie dir gestattet hat, in ihren Geist zu blicken, so duldet sie niemanden lange hier. Bitte kümmere dich gut um sie, Elrond. Sie ist doch mein kleiner Stern."

Elrond schloss Milan in die Arme.

"Keine Sorge, Milan. Ich werde mich gut um sie kümmern. Es wird ihr nichts geschehen."

"Ich danke dir. Und jetzt geh."

Milan wich einige Schritte zurück und wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht. Elrond fühlte, wie seine Seele in seinen Körper zurück kehrte, denn ein unangenehmer Sog war zu spüren.
 

***
 

Elrond schnappte keuchend nach Luft, als sein Geist wieder in seinen Körper zurück kehrte. Ihm war schwindelig und er musste sich auf der Matratze abstützen. Kiran bewegte sich neben ihm und öffnete die Augen. Sie starrte ihn abwartend an.

"Es tut mir leid wegen Esme."

Ihr Blick flatterte und ihre Hände legten sich auf ihren Bauch.

"Bitte sagt es nicht Lindir. Es reicht schon, dass ich damit zurecht kommen muss. Ich will nicht, dass er auch damit belastet wird."

Elrond legte ihre eine Hand auf die Wange.

"Ich habe dir versprochen, niemanden etwas zu sagen. Es liegt bei dir, ob du es ihm sagst. Kiran, ich weis jetzt, was dir fehlt. Erlaubst du mir, dass ich dich in den Schlaf der Elben versetze? In diesem Schlaf wirst du keine Schmerzen haben."

"Ihr wisst, was mit mir nicht stimmt, nicht wahr?"

Er nickte.

"Ja, ich weis es. Und ich werde es dir erklären, aber nicht jetzt. Du könntest jeden Moment wieder einen Anfall bekommen. Habe ich dein Einverständnis?"

Kiran schwieg einen Moment.

"Ich gebe Euch meine Erlaubnis."

Elrond legte eine Hand über ihre Augen und die andere auf ihr Herz. Die uralten rituellen Worte verliesen seine Lippen und er spürte, wie Kiran's Seele auf sie reagierte. Augenblicklich wurde ihr Atem ruhiger und ihr Herzschlag verlangsamte sich. Jetzt schlief sie den Schlaf der Elben. Und wenn sie wieder erwachte, würde sie eine Elbe sein. Eine vollkommene Elbe.

Gespräch

"Was fehlt ihr, Lord Elrond?"

Kaum war Elrond aus Kiran's Zimmer getreten, bestürmte Lindir ihn mit Fragen. Er sah seinen Berater lange an und dabei hallten ihm Milan's Worte durch den Kopf.

>Silberblonde Haare und kobaldblaue Augen<

Elrond seufzte schwer.

"In ein oder zwei Tagen wird es ihr besser gehen. Bis dahin möchte ich, dass niemand ihr Zimmer betritt. Ich werde mich um sie kümmern."

Jeder konnte sehen, dass Lindir gegen diese Entscheidung protestieren wollte, doch als er in die Augen seines Lord's sah, hielt er sich zurück. Elrond war sehr entschlossen und würde nicht nachgeben. Doch was war es, was ihn so entschlossen handeln lies? Was hatte er erfahren?

"Wie Ihr wünscht, Lord Elrond."

Lindir drehte sich um und verlies den Flur. Elrond sah ihm noch eine Weile hinterher, dann wand er sich den anderen zu. Sein Blick streifte Gandalf's und der alte Zauberer nickte fast unmerklich.

"Niemand wird ihr Zimmer betreten, habe ich mich klar ausgedrückt?"

Alle nickten. Sie stellten die Entscheidung des Lord's nicht infrage. Schließlich würde er dafür seine Gründe haben.
 

***
 

Elrond saß hinter seinem Schreibtisch und hatte nachdenklich die Fingerspitzen zusammengepresst. Er hoffte inständig, dass Kiran die Umwandlung ohne weitere Probleme überstand.

"Was bedrückt dich, alter Freund?"

Gandalf stand vor dem Schreibtisch und sah den Elbenlord einfach nur an. Elrond seufzte leise und blickte zu seinen alten Freund auf.

"Es bedrückt mich nichts, Gandalf. Ich muss nur alles begreifen, was ich erfahren habe. Weist du, ich habe mich immer gefragt, wieso Kiran mir so seltsam vertraut vorgekommen ist. Seit heute habe ich die Antwort."

"Und?"

Gandalf lies sich auf einen der Stühle nieder und wartete darauf, dass der Elbenlord weiter sprach. Doch es verstrichen noch einige Minuten, ehe Elrond zu sprechen begann.

"Du musst wissen, mein Freund, dass Kiran unter sehr merkwürdigen Umständen nach Bruchtal gekommen ist. Du hast bestimmt gemerkt, dass sie anders ist. Und vielleicht hast du an ihr ja auch etwas vertrautes wahr genommen. Jedenfalls ging es mir so. Kiran blieb einige Zeit hier und vor gut einem Jahr ist sie dann einfach so verschwunden. Die Suchtruppen, die ich ausgesand habe, kamen immer wieder ohne Erfolg zurück. Irgenwann habe ich nur noch gehofft, dass es ihr gut geht und das sie vielleicht eines Tages wieder zurück kommt. Aber mir ist nicht im Traum eingefallen, dass sie unter diesen Bedingungen zurück kehrt, wie sie es getan hat. Ich musste fest stellen, dass sie sich sehr verändert hatte und den Grund dafür habe ich heute erfahren."

Sein Blick suchte den des Zauberers.

"Gandalf, Kiran ist Gil-galad's Enkeltochter. Das Elbenblut in ihr ist erwacht und die Verwandlung in eine Elbe hatte begonnen. Ich weis aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft das ist. Und so wie ich es verstanden habe, macht Kiran das schon eine Weile durch. Wie muss sie sich gefühlt haben? So ganz alleine und ohne jeden Rat?"

Gandalf seufzte schwer und stützte seine Hände auf die Knie. Das waren wirklich erstaunliche Neuigkeiten und mit solchen hatte er nicht gerechnet.

"Gil-galad's Enkeltochter. Dieses Mädchen hat mächtige Ahnen und weis es nicht einmal. Ich nehme an, du hast sie in den Schlaf der Elben versetzt, damit sie die Umwandlung besser übersteht?"

"Natürlich habe ich das. Ich kann es doch nicht zu lassen, dass sie solche Schmerzen erleidet."

"Aber da ihr Elbenblut erwacht, muss ihr Seelengefährte in der Nähe sein. Willst du es Lindir sagen?"

Elrond seufzte.

"Er wird es früh genug erfahren. Aber es wird ihn schmerzen, denn er ist es nicht, der mt ihr verbunden ist."

Gandalf sah seinen alten Freund irritiert an.

"Er ist es nicht? Wie kann das sein? So weit ich das mitbekommen habe, haben die beiden das Lager miteinander geteilt."

"Das muss nicht heißen, dass sie Seelengefährten sind, Gandalf. Als ich in Kiran's Geist eingetaucht bin, ist mir Milan, ihre Großmutter, begegnet. Du hast bestimmt in den alten Schriften von ihr gelesen. Nun, sie sagte mir, dass der Elb, der mit Kiran verbunden ist, silberblonde Haare und kobaldblaue Augen hat. Und Lindir hat graue Augen. Ich frage mich nun, wer es ist."

Gandalf schüttelte den Kopf. In manchen Angelegenheiten waren die Elben wirklich merkwürdig. Er fragte sich, ob er dieses Volk jemals verstehen würde.

Schweigen breitete sich aus, denn keiner wusste, was er noch sagen sollte. Sie waren sich auch so einig, dass diese Situation kompliziert war.

"Was ist mit Legolas?"

Elrond sah auf und blickte zu Gandalf.

"Was soll mit ihm sein?"

"Legolas hat silberblonde Haare und kobaldblaue Augen. Könnte Milan ihn gemeint haben? Wäre es möglich, dass er Kiran's Seelengefährte ist?"

Man konnte dem Elbenlord ansehen, dass er über diese Möglichkeit noch nicht nachgedacht hatte, denn er richtete sich auf und legte die Fingerspitzen an seine Lippen. Ein leicht abwesender Ausdruck trat in seine Augen.

"Du hast recht. Über diese Möglichkeit habe ich wirklich noch nicht nachgedacht. Aber ich habe Legolas, um ehrlich zu sein, auch gar nicht in Betracht gezogen. Aber Kiran berichtete, dass sie diese Attacken schon öfters hatte und das ist ja nur möglich, wenn Legolas in ihrer Nähe ist."

"Oder sie in seiner. Vielleicht war sie auf ihrer Reise in der Nähe des Düsterwaldes."

Bei dem Gedanken, dass Kiran sich diesem gefährlichen Wald genährt haben könnte, verfinsterte sich sein Blick. Der Düsterwald beherbergte nicht nur Ork's. Nein, wenn man Pech hatte, fand man dort auch Spinnen in einem sehr großem Ausmaße. Und das würde dann das letzte sein, was man je zu Gesicht bekommen würde. Oder wenn man den Spinnen entging, gab es da immer noch die vielen giftigen Pflanzen, die selbst er nicht kannte. Aber die größte Gefahr waren immer noch die dort lebenden Elben. Die Elben des Düsterwaldes mochten Fremde nicht und gestatteten selbst anderen Angehörigen ihres Volkes den Eintritt in ihr Reich nur sehr selten.

"Ich mag noch nicht einmal daran denken, dass Kiran in der Nähe des Düsterwaldes war. Das werde ich sie fragen, sobald sie aufwacht. Die folgenden Tage werden sehr anstrengend. Sowohl für sie als auch für uns. Wir müssen sie sehr behutsam an ihr Dasein als Elbe heranführen. Vieles wird sie erschrecken und nicht verstehen. Weist du, Gandalf, es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl, eine Halbelbe hier in Bruchtal zu haben. Es ist schon sehr lange nicht mehr vorgekommen, dass sich diese beiden Völker vermischen."

Gandalf lächelte nachsichtig. Elrond verdrängte es immer sehr gut, dass seine einzige Tochter sich in einen sterblichen Mann verliebt hatte.

"Was glaubst du, wann ihre Umwandlung abgeschlossen sein wird?"

Elrond zuckte mit den Schultern.

"Da Legolas, wenn er es ist, hier in Bruchtal weilt, wird es sehr schnell von statten gehen. In ein oder zwei Tagen dürfte sie dann aufwachen."

Gandalf nickte. Elrond hatte recht. Kiran würde sehr geschockt sein und jeder wird ihr helfen müssen, ihr neues Dasein zu akzeptieren. Das würde wirklich eine sehr aufregende und ereignissreiche Woche werden.

Erwachen

Lord Elrond saß in einem Sessel, der vor dem Kamin stand. Abwechselnt sah er in das Feuer und zu Kiran, die friedlich im Bett schlief. Ihre Umwandlung ging gut voran und Elrond war sich sicher, dass Kiran in ein paar Stunden aufwachen würde. Und dann würde hier ein Sturm der Emotionen los brechen. Ein leises Klopfen an der Tür lies ihn aufschrecken und er erhob sich, um nachzusdehen, wer an der Tür war. Er war nicht sonderlich überrascht, als er sich Lindir gegenüber sah.

"Bitte verzeiht die Stöhrung, Lord Elrond, aber ich wollte wissen, wie es Kiran geht."

"Sie ist auf dem Weg der Besserung. Du brauchst dir keine Sorgen machen, Lindir. Sobald es ihr besser geht und sie wieder bei Bewusstsein ist, kannst du zu ihr."

Lindir trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und spielte mit den langen Ärmeln seiner Tunika.

"Bei allem Respekt, den ich vor Euch habe, Lord Elrond, aber ich würde sie gerne sehen."

Elrond seufzte leise. Er konnte Lindir's Gefühle durchaus verstehen, doch wollte er dem jungen Elben den Schmerz noch etwas ersparen. Zwar liebte er Kiran, aber er war nicht ihr Seelengefährte. Er konnte sich nur im geringen Maße vorstellen, wie Lindir sich fühlen würde, wenn er alles erfuhr.

"Das halte ich für keine gute Idee, Lindir. Ich werde dich holen lassen, sobald sie aufwacht. Geh jetzt. Ich kümmere mich um sie."

Ehe Lindir noch irgendwie protestieren konnte, verschloss der Herr von Bruchtal die Tür.
 

***
 

Nur sehr langsam erwachte Kiran aus dem tiefen Schlaf, in den Lord Elrond sie versetzt hatte. Nebel verschleierte ihre Gedanken und Gefühle, es war fast so, als würde sie sich durch Treibsand kämpfen. Sie fühlte, dass sich etwas in ihr verändert hatte. Das sie sich verändert hatte. Ein Licht, tief in ihrer Seele, erstrahlte heller als jjede Fackel und verbreitete eine angenehme Wärme. Tief atmete sie ein und aus, nahm Gerüche in sich auf. Sie roch die frischen Laken, in denen sie eingehüllt war. Das Holz, vor kurzem erst aus dem Wald geschlagen, welches neben dem Kamin lag. Das Holz, das im Kamin verbrannte, verbreitete ebenfals einen ganz eigenen Geruch. Sie roch sogar den Wind, der um das Gebäude wehte. Auch der Geruch des nahen Waldes erfüllte ihre Sinne. Langsam lichtete sich der Nebel, der auf ihr lag und sie bewegte vorsichtig ihre Finger. Das weiche Laken kitzelte ihre sensiblen Fingerspitzen. Erneut atmete sie tief ein und aus und beschloss, die Augen aufzuschlagen. Irgendetwas war anders und sie beschloss, sich dem zu stellen. Flatternd hob sie ihre Augenlider und musste sie gleich wieder schließen. Das Licht war für ihre Augen zu grell und es schmerze sie. Kiran merkte, wie sich die Matratze senkte und sich eine kühle Hand auf ihre Stirn legte.

"Es freut mich, dass du aufgewacht bist, Kiran. Öffne ganz langsam deine Augen."

Kiran wusste, dass sie sich nicht gegen Lord Elrond durchsetzten konnte, also versuchte sie es erst gar nicht. Sie öffnete wieder langsam die Augen und blickte direkt in die grauen des Elbenlords. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, als er sie ruhig und abwartend ansah. Kiran konnte nicht anders, sie erwiederte das Lächeln. Lord Elrond zog seine Hand zurück und setzte sich bequwemer hin.

"Wie fühlst du dich?"

Kiran atmete tief ein und richtete sich vorsichtig auf. Ihre langen Haare fielen ihr ins Gesicht und sie wollte sie zurück streichen. Doch als ihre Fingerspitzen sacht über ihre Wange glitt, lies diese leichte Berührung einen Schauer durch ihren Körper rinnen. Verwundert suchte sie den Blick des Elbenlords.

"Was ist passiert?"

Elrond sah ihr prüfend ins Gesicht. Er konnte sehen, dass sie verwirrt und ängstlich war. doch auch neugierig und offen für die Dinge, die auf sie zu kommen würden. Ein leises Seufzen verlies seine Kehle. Gut, er würde sich nachher nicht mit einem hysterischem Mädchen auseinander setzen müssen.

"Du bist jetzt eine Elbe, Kiran. Dein Elbenblut ist erwacht und in den letzten Stunden ist deine Umwandlung abgeschlossen."
 

***
 

Kiran reagierte fast so, wie Lord Elrond es sich gedacht hatte. Sie blinzelte erst einige Male, dann sprang sie förmlich aus dem Bett, hechtete zu einem Spiegel und betrachtete ihre Ohren, die jetzt spitz zu liefen. Er rechnete sogar mit einem hyterischem Schrei, doch der blieb aus. Stattdessen strich sie vorsichtig an der sensiblen Spitze entlang. Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen und ihrem Nacken und sie starrte ihr Spiegelbild mit großen Augen an. Kiran bewegte ungläubig die Lippen, doch man hörte keinen Laut. Elrond trat sehr vorsichtig einige Schritte näher. Ja, Kiran war jetzt durch und durch eine Elbe. In ihren Augen leuchtete jetzt der Glanz der Sterne, machten sie noch geheimnisvoller. Ihre Haut war weich und zart und wirkte fast durscheinend, fast so wie die blassen Strahlen des Mondes. Auch ihr Körper hatte sich verändert. Zwar war sie nicht größer geworden, doch im Gesamtbild war sie schlanker. Ihre Talie war schmaler und ihre Hüften ein klein wenig runder geworden. Auch waren die ganzen Narben, die sie als Mensch hatte, verschwunden. Kiran hob ihre Hand und strich sich über die Wange, doch schnell zog sie die Finger wieder zurück. Die kleinste Berührung bereitete ihr seltsame Gefühle. Sie fühlte intensiever, sie roch intensiever und sie höhrte intensiever. Viele sahen die Gaben der Elben als Geschenk an, doch für Elben, die sich eben erst für dieses Leben entschieden hatten, war das alles mehr als fremd und beängstigent. Elrond war froh, dass Kiran nicht wie ein Häufchen Elend zusammen brach oder wie wild hin und her lief und dabei ohrenbetäubend schrie. Nein, sie stand einfach nur da und besah sich im Spiegel.

"Kiran?"

Schnell drehte sie sich zu Elrond um und blickte ihn verwirrt und fasziniert zugleich an.

"Wie ist das möglich? Wieso bin ich eine Elbe?"

Elrond lächelte leicht. Kiran schlug sich sehr tapfer.

"Du warst schon immer eine Elbe, oder besser gesagt, eine Halbelbe. Dein Großvater stammt von hier."

Kiran fühlte, wie ihre Beine nach gaben und sie musste sich auf den kleinen Hocker, der vor dem Spiegel stand, setzen. Sie starrte auf ihre Hände und krümmte geistesabwesend die Finger.

"Ich hatte die Geschichten meiner Großmutter immer für Unsinn gehalten. Aber ich hätte mir denken können, dass sie wahr sind. Schließlich bin ich hier, wieso also sollte alles andere eine Lüge sein? Doch woher wisst Ihr es?"

Kiran hob den Kopf und sah den Herrn von Bruchtal prüfend an.

"Als ich in deinen Geist geblickt habe, da ist mir deine Großmutter begegnet. Sie hat mich über alles aufgeklärt."

Ein trauriger Ausdruck trat in Kiran's Augen und ihr ansonsten so schönes Goldbraun wurde dunkler und erinnerte an die Farbe der Erde nach einem heftigen Regenschauer.

"Daher wisst Ihr also von Esme."

Elrond überwand die kleine Entfernung zu ihr, kniete sich vor sie und nahm vorsichtig ihre Hände in seine. In seinen Augen konnte Kiran tiefes Mitgefühl lesen.

"Ja, deine Großmutter hat mir alles erzählt. Ich bin mir sicher, dass Esme ein bezauberndes kleines Mädchen geworden und Lindir ein guter Vater geworden wäre. Sie hat sehr viel von dir und ich muss zugeben, als ich sie das erste Mal sah, dachte ich, sie wäre du."

Kiran runzelte verwirrt die Stirn und sah Elrond fragend an.

"Wie gesagt, sie ähnelt dir sehr. Ich dachte, du wärst als kleines Mädchen in deiner Erinnerung. Das Esme deine Tochter ist, habe ich erst durch Milan erfahren."

"Ah. Und wieso ist mein Elbenblut erwacht? Ich meine, ich hatte diese Anfälle im letzten Jahr einige Male, doch erst hier wurden sie schlimmer. Was war der Grund?"

Elrond atmete tief ein und sah Kiran wachsam an.

"Kiran, warst du im vergangenem Jahr im Düsterwald oder vielleicht in der Nähe?"

Erneut runzelte Kiran die Stirn.

"Ja, ich war in der Nähe, vielleicht zwei oder drei Tagesritte entfernt. Aber was hat das mit dem Düsterwald zu tun?"

"Weist du, manche Menschen, so wie su, wissen nicht, dass sie Elbenblut in sich haben. Die menschlichen Gene überlagern die unsrigen. Doch manchmal, so wie bei dir, erwacht es und die Umwamdlung beginnt. Der ausschlaggebende Grund dafür ist, dass der Seelengefährte in der Nähe ist. Das Elbenblut in den Menschen reagiert darauf."

Jetzt war Kiran wirklich verwirrt.

"Seelengefährte? Was soll das sein?"

"Das ist der, der für uns bestimmt ist. Wenn sich die Seelengefährten finden, bleiben sie für immer zusammen. Es ist ihnen unmöglich, einander zu betrügen und zu belügen."

"Ihr wollt mir sagen, irgendwo in meiner Nähe gibt es einen Elben, der mein Seelengefährte ist? Er ist für mich bestimmt und ich für ihn? Soetwas wie Eheleute, nur ohne Chance auf ein Nein?"

Elrond musste bei diesem Vergleich lachen.

"Ja, dass trifft es genau."

"Und was hat der... Oh!"

Er konnte sehen, dass sie eins und eins zusammen gezählt und begriffen hatte.

"Aber ich kenne ihn doch gar nicht."

"Das spielt keine Rolle. Das Schicksal hat euch füreinander bestimmt. Ihr werdet lernen müssen, damit zu leben."

"Bei allem Respekt, Lord Elrond, dass Schicksal hat sie nicht mehr alle. Wie soll das denn funktionieren? Ich gehöre doch gar nicht hier her."

"Zur Hälfte schon."

Kiran kaute auf ihrer Unterlippe und versuchte, das, was sie eben gehört hatte, zu verarbeite. Sie und Legolas sollten Seelengefährten sein? Nun ja, er war ihr Liebling im Film gewesen, aber gleich Seelengefährten?

"Weis er es?"

Elrond schüttelte mit dem Kopf.

"Nein. Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Aber eines weis ich. Auch für ihn wird es ein Schock sein. Wir Elben wachsen zwar in dem Wissen auf, einen Seelengefährten zu haben, doch die Chancen, dass wir ihm begegnen, sind sehr gering. Er wird sich auch erst einmal an diesen Gedanken gewöhnen müssen."

"Aber mein Elbenblut hat ihn erkannt. Tut das seine es nicht?"

"Doch, das wird es noch. Er wird sich zu dir hingezogen fühlen, ohne wirklich den Grund zu kennen. Er wird eifersüchtig auf andere Männer sein, ohne zu begreifen, wieso das so ist. Er wird dir gegenüber Besitzansprüche stellen. Irgendwann wird er begreifen."

Kiran zog ihre Hände aus denen von Lord Elrond, stand mit einer fließenden Bewegung auf und schritt leichtfüßig durch das Zimmer. Irgendwann blieb sie stehen und drehte sich zu Lord Elrond um.

"Müssen wir es ihm sagen? Ich meine, kann er das nicht von sich aus merken? Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, an einen Mann gebunden zu sein, ohne das ich dem zugestimmt habe."

Elrond erhob sich langsam.

"Das ist deine Entscheidung. Aber jeder, der sich mit den Bräuchen der Elben auskennt, wird wissen, wieso du dich gewandelt hast. Sie werden Fragen stellen oder Vermuungen äußern. Ist dir das lieber?"

"Ja. Ich muss mich selber noch an den Gedanken gewöhnen."

Sie senkte den Blick und strich nervös über ihr Nachtewand.

"Lord Elrond, was ist mit Lindir? Weis er es schon?"

"Nein, ich habe mit niemanden außer Gandalf darüber gesprochen."

Kiran seufzte leise.

"Es wird ein Schock für ihn sein. Wird irgendetwas mit ihm passieren?"

"Er wird mit dem Schmerz einer nicht erwiederten Liebe zu kämpfen haben und mit der Gewissheit, dass irgendjemand anderes für dich bestimmt ist. Ich finde, dieser Schmerz reicht."

"Ich würde es ihm gerne ersparen, aber es ist wohl nicht möglich, mich für immer hier im Zimmer zu verstecken, oder?

Sie sah zu ihm und schenkte ihm ein schiefes Lächeln, welches ihm sagte, dass sie die Antwort längst kannte. Elrond fühlte Mitleid in sich aufsteigen. Auch wenn Kiran Lindir nicht auf die gleiche Art liebte wie er sie, war es auch für sie nicht leicht. Schlie´ßlich hatte sie genug für den jungen Elben empfunden, um mit ihm das Lager zu teilen. Und sie hatten sogar ein Kind miteinander gezeugt. Doch er bewunderte auch, mit welchen Maß an Fassung sie alle Neuigkeiten verarbeitete. Viele umgewandelte Elben wären bei solchen Neuigkeiten zusammen gebrochen. Doch sie stand aufrecht und akzeptierte ihr Schicksal, auch wenn sie noch ein wenig davor weg lief. Langsam ging er zur Tür.

"Ich würde vorschlagen, du machst dich frisch und ziehst dir etwas anderes an. Dann komm in die große Halle. Du wirst bestimmt Hunger haben."

Als Elrond etwas zu Essen erwähnte, gab ihr Magen ein lautes Knurren von sich und Kiran sah bestützt zu dem Elbenlord, doch der lächelte einfach nur.

"Keine Sorge, das ist vollkommen normal, dass du nach der langen Zeit Hunger hast. Wir sehen uns gleich in der Halle."

Damit verschwand er und ließ Kiran alleine im Zimmer zurück.

Schicksal

Als Lord Elrond den Raum verlassen hatte, war Kiran für einige Minuten auf das große Bett gesunken. Es war so viel, was sie begreifen musste und sie wusste nicht, wie sie das bewergstelligen sollte. Lord Elrond gegenüber hatte sie die Fassung bewahrt, sie wollte nicht vor ihm einen hysterischen Anfall bekommen. Wie von selbst wanderte eine Hand zu den nun spitzen Ohren und sie fuhr vorsichtig die Konturen nach. Ein Schauer rann über ihren Rücken und sie lies sie schnell wieder sinken. Für's erste war es keine gute Idee, ihre Ohren anzufassen. Fasziniert besah sie sich ihre helle Haut und strich darüber. Sie war samtweich und zu ihrem großen Erstaunen waren die Narben, die sie hatte, verschwunden. Kiran schloss die Augen und atmete tief ein und aus.

>Nein, du wirst keinen hysterischen Anfall bekommen. Nein, das wirst du nicht.<

Immer und immer wieder sagte sie sich die Worte in Gedanken auf und es begann, ihr zu helfen. Sie fühlte, wie die aufsteigene Panik langsam verschwand und wie Ruhe sie erfüllte. Zufrieden lächelte sie. Ja, machmal konnte sie wirklich stolz auf sich selbst sein. Seufzend sah sie zu der Badezimmertür und sie beschloss, ein langes und ausgiebiges Bad zu nehmen.
 

***
 

Sie fragte sich, wie die Elben mit ihren überempfindlichen Sinnen zurecht kamen. Als sie einen Fuß in das Wasser getaucht hatte, hatte sie ihn schnell wieder raus gezogen. Es war kochend heiß gewesen, dabei hatte sie alles so gemacht wie immer. Seufzend setzte sie sich auf den Badewannenrand und starrte in das dampfenden Wasser. Sollte sie etwa nie wieder ein heißes Bad nehmen können? Was war so toll daran, zu dem elbischen Volk zu gehören, wenn selbst heißes Wasser ihre Sinne überanspruchte? Sie würde Lord Elrond fragen müssen, wie sie damit zurecht kommen sollte. Geistesabwesend kämmte sie ihre langen Haare mit den Fingern und war erstaunt, wie seidig sie geworden waren. Offenbar hatte sie noch sehr viel zu entdecken. Sie warf einen erneuten Blick auf das dampfende Wasser und ein entschlossener Ausdruck trat in ihre goldfarbigen Augen. Sie würde sich ganz bestimmt nicht von heißem Wasser besiegen lassen. Das lies ihr Stolz nicht zu.
 

***
 

Zufrieden lächelnd lag Kiran nun im Wasser der Badewanne und seifte sich ein. Sie hatte einfach noch etwas kaltes Wasser in die Wanne gegossen und der Rest war dann ganz einfach gewesen. Zähne zusammen beißen und rein ins Wasser. In den ersten paar Minuten hatte es zwar unangenehm gebrannt, aber sie hatte ja schon immer einen Dickschädel gehabt. Und sie würde sich ganz bestimmt nicht von heißem Wasser in die Flucht schlagen lassen. Genüsslich schäumte sie sich auch die Haare mit einer angenehm duftenden Seife ein und lies es etwas einwirken. Verträumt legte sie ihre Arme auf den Badewannenrand und lies sich von dem Duft der Kräuter, die sie in das Wasser gegeben hatte, einlullen. Sie schaffte es sogar, nicht über alles, was Lord Elrond ihr erzählt hatte, zu grübeln. Leise seufzte sie und beschloss, nun die Seife aus ihren Haaren zu waschen. Langsam tauchte sie unter und als sie die Augen aufschlug, woben ihre langen Haare hin und her. Mit sanften Bewegungen wusch sie die Seife heraus und tauchte wieder auf. Nach einigen Minuten, in denen sie einfach nur das warme Wasser auf sich wirken lies, beschloss sie, aus der Wanne zu steigen, um sich anzuziehen. Sie griff nach einem Handtuch, welches auf einem Schemel lag und wickelte sich darin ein. Das flauschige Material kitzelte ihre Haut, die vom Bad noch sensibler geworden war und ein leichter Schauer jagte über ihren Rücken. Wann würde sie sich an ihre neuen Sinne gewöhnen? Und vor allem, wie sollte sie sich daran gewöhnen? Gab es da ein spezielles Training, welches sie machen konnte oder lies Lord Elrond sie einfach in die gespitzen Messer laufen, die irgendwo, heimtückisch und hinterrücks, auf sie warteten? So viele Fragen die so dringend eine Antwort benötigten. Kiran seufzte, griff nach einem weiteren Handtuch und begann damit, ihre Haare zu trocknen. Wieder einmal fragte sie sich, wieso sie die dichte Mähne noch nicht los geworden war. Sie war unhandlich und schwer und hinderte sie bei vielen Dingen. Doch immer wenn sie das Messer angesetzt hatte, wurde sie mit Wehmut erfüllt und sie verschob das Haareschneiden auf einen anderen Tag. Als sie ihre Haare getrocknet und durchgekämmt hatte, ging sie in ihr Schlafgemach, um sich passende Kleidung herauszusuchen.
 

***
 

Unschlüssig stand sie nun vor dem großen Bett, auf dem sie einige Sachen gelegt hatte. Sollte sie die schwarze Tunika mit der dazugehörigen Hose wählen? Oder doch lieber das feuerrote Brokatkleid mit den goldenen Perlen an Saum, Ärmeln und Ausschnitt? Oder das azurblaue Seidenkleid mit den durchsichtigen Ärmeln und dunkelblauen Ornamenden, die von der Mitte des Rockes bis zum Saum gingen? Seufzend strich sie sich durch die Haare. Es war wirklich schwer, eine Entscheidung zu treffen. Am liebsten würde sie ja die Tunika anziehen, aber das wäre Lord Elrond und seinen Gästen gegenüber unhöflich. Und da der Elbenherr sie an seine Tafel geladen hatte, sollte sie sich dementsprechend kleiden. Kiran kniff sich in den Nasenrücken und entschied sich kurzerhand für das azurblaue Seidenkleid. Sie mochte blau. Blau war eine schöne Farbe und sie harmonierte mit ihren Haaren und Augen. Kiran lies das Handtuch, in welchem sie immer noch eingehüllt war, fallen und schlüpfte in das ausgesuchte Kleid. Die dazu passenden Schuhe fand sie in einer kleinen Komode, die neben der Tür stand. Als sie einen Blick in den Spiegel warf, beschloss sie, sich noch einmal die Haare zu kämmen. In einer kleinen Schattule entdeckte sie schlichten Haarschmuck und kurzerhand flocht sie einige Perlen in ihre Haare. Zufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild und fand, dass sie gar nicht lächerlich aussah. Nein, im Gegenteil sogar. Sie fühlte sich seit langer Zeit mal wieder wie eine Frau. Ein glückliches Lächeln legte sich auf ihre Lippen und sie straffte die Schultern. Sie würde nicht vor ihrem Schicksal davon laufen. Sie würde ihm entgegen treten, hoch erhobenen Hauptes und mit festen Willen. Sie würde zeigen, dass sie kein ängstliches Mädchen war, sondern eine stolze Kriegerin. Ihr Spiegelbild sah sie aufmunternt an.

"Du wirst nicht weg laufen, sondern das beste aus deinem Schicksal machen, Kiran Anzara. Gelegentliches Verstecken ist in Ordnung, aber du wirst hoch erhobenen Hauptes dein Leben meistern."

Sie kam sich zwar etwas albern vor, als sie das ihrem Spiegelbild sagte, aber es half ihr, sich an ihrem Entschluss zu halten. Mit einer schwungvollen Bewegung drehte sie sich um und verlies ihr Zimmer.

Vorstellung

Nach einigen Minuten war Kiran beim großen Saal angekommen, doch sie brachte es noch nicht über sich, ihn zu betreten. Tief atmete sie ein und aus und versuchte dadurch, ihre Nerven zu beruhigen. Sie wusste schließlich nicht, was ab jetzt alles auf sie zu kommen würde und das machte ihr etwas Angst. Zwar würde ihr Lord Elrond zur Seite stehen, aber auch der Herr von Bruchtal konnte ihr nicht bei allen Dingen helfen. An oberster Stelle stand diese Seelengefährten-Sache mit Legolas.

Wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten?

Wie würde er sich ihr gegenüber verhalten?

Wie würde Lindir auf ihre Wandlung reagieren?

Würde er wissen, dass er nicht der ausschlaggebende Punkt dafür war?

So viele Fragen und all die dazugehörigen Antworten musste sie selber heraus finden. Kiran atmete noch einmal tief ein, strich über einige Falten des Rockes und überwand die kleine Entfernung, die sie vom Saal fern hielten, mit leichten Schritten.
 

***
 

Als Kiran den Saal betrat, verstummten alle Gespräche augenblicklich. Sie fühlte die Blicke der Anwesenden mehr, als das sie sie sah, denn sie ging mit gesenktem Kopf zu der kleinen Gruppe, die Lord Elrond beiwohnte. Ihre Ohren brannten, dass fühlte sie und am liebsten wäre sie wieder aus dem Saal gelaufen, um sich vor aller Welt zu verstecken. Doch sie tat es nicht, denn was würde es ihr nützen? Das Problem wäre nur vor sich hin geschoben. aber nicht aus der Welt geschaffen. Lieber gab sie sich jetzt allen preis, als später, wo sie nicht mehr die Unterstützung von Lord Elrond hatte. Als sie den Blick hob, stand sie bereits vor dem Herrn von Bruchtal. Sie konnte in seinen Augen sehen, dass er stolz auf sie war und das gab ihr neue Kraft. Kiran verbeugte sich leicht vor dem Elbenherren und begrüßte ihn in seiner Sprache, die jetzt auch die ihrige war.

"Seit gegrüßt, Lord Elrond. Ich danke Euch für die Einladung zu diesem Fest."

"Ich freue mich, dich hier zu sehen, Kiran. Heute Abend bist du der hellste Stern von allen."

Kiran richtete sich wieder auf und grinste Lord Elrond an, der das Lächeln erwiederte. Ein leises Räuspern lenkte sie Aufmerksamkeit der beiden Elben auf die anderen anwesenden Personen.

"Ah, bitte entschuldigt, meine Freunde, dass ich euch diesen bezaubernden Stern noch gar nicht richtig vorgestellt habe."

Lord Elrond nahm Kiran's Hand und stellte sie dicht neben sich, ein deutliches Zeichen, dass die junge Frau unter dem Schutz von Bruchtal stand und eine besondere Beziehung zu dem Elbenfürsten hatte.

"Kiran, ich möchte dir Gandalf, den Grauen vorstellen. Er ist ein mächtiger Zauberer und ein enger Freund von mir."

Kiran lächelte Gandalf gewinnend an und reichte ihm ihre Hand, die er zu ihrer Überraschung, küsste.

"Es freut mich, Euch nun einmal besser kennen zu lernen, Lady Kiran. Zwar hörte ich viel von Euch, aber Eure Gesellschaft blieb mir bis eben versagt."

Kiran schenkte dem alten Zauberer ein schiefes Grinsen.

"Auch mir ist es ein Vergnügen, Euch entlich einmal persönlich kennen zu lernen, Mithandir. Ich las sehr viel über Euch in Schriften und noch mehr hörte ich von Euch auf meinen Reisen. Ich bin gespannt, ob all die Geschichten über Euch wahr sind."

"Zu meinem Leidwesen neigen viele Angehöriger aller Völker zur maßlosen Übertreibung."

Ein schelmischer Glanz trat in ihre Augen.

"Ihr verbergt sehr viel, Mithandir, mitunter Eure wahre Stärke. Desswegen bin ich der Überzeugung, dass die Geschichten, die ich gehört habe, in vielerlei Hinsicht der Wahrheit entsprechen, auch wenn es dem Erzählenden nicht bewusst ist. Nun, wir werden sehen, zu was Ihr im Stande seit, Mithandir. Auf jeden Fall werde ich Eure Gesellschaft genießen, wie lange sie auch dauern mag."

"Es ist schön zu sehen, dass ihr zwei euch schon mal zu verstehen scheint. Kiran, Aragon und du hattet ja bereits das Vergnügen, doch wirklich einander kennen lernen konntet ihr ja nicht."

Auch Aragon ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss auf deren Rücken. Sie stellte fest, dass er, wenn er sich nicht in der Wildnis aufhielt und die Möglichkeit zur Pflege hatte, sehr gut aussah. Besser noch als im Film. Und das war ein Kunststück.

"Lady Kiran, ich möchte mich noch einmal bei Euch bedanken. Wenn Ihr nicht gewesen wärt, hätte alles sehr schlimm ausgehen können."

"Mitnichten, mein Herr Aragon. Ihr seit ein guter Kämpfer und ich weis, dass ihr alle sicher nach Bruchtal gebracht hättet. Da gibt es für mich keinen Zweifel. Aber es ehrt mich, ein Lob aus Eurem Mund zu hören und sollte ich irgendwann mal etwas tun, was Euer Missfallen erregt, werde ich Euch an unsere erste Begegnung erinnern, damit Ihr nicht mehr erzürnt über mich seit."

Dann, mit einer schnellen Bewegung, beugte sie sich zu ihm vor und flüsterte sehr leise in sein Ohr.

"Der weiße Baum wartet auf Euch. Ihr dürft nicht vor Eurer Bestimmen davon rennen, so wie ich nicht vor der meinen. Der Unterschied zwischen uns ist der: Ihr wisst, welcher Weg für Euch bestimmt ist, den meinen muss ich erst noch finden. Haltet stehts fest an Euren Glauben und an Euren Freunden."

Als sie ihm in die Augen sah, konnte sie deutlich seine Verwirrung sehen. Sie schenkte ihm noch ein letztes Lächeln und wand sich dann dem nächsten Gast zu.

"Es freut mich, Euch wieder bei bester Gesundheit zu sehen, Frodo Beutlin. Wir alle waren in ernster Sorge um Euer Wohl."

Frodo schenkte Kiran ein strahlendes Lächeln.

"Ich muss mich bei Euch bedanken, Lady Kiran. Aragon hat recht. Durch Eure Hilfe haben wir es geschafft, Bruchtal zu erreichen. Ihr seit eine wahrlich schöne und mutige Frau, Herrin."

Kiran strich sich einige Haarsträhnen hinter die Ohrspitzen und grinste.

"Ich danke Euch für diese Komplimente, Herr Beutlin. Ich hoffe, ich werde Eure Gesellschaft noch einige Zeit genießen können."

Der junge Hobbit nickte lebhaft.

"Auch wir möchten Euch danken, Lady Kiran. Und wir schließen uns Frodo's Meinung über Euch an."

Die junge Frau blickte die anderen drei Hobbit's verschmitzt an.

"Euer Dank ehrt mich, werter Herr. Und ich hoffe auch auf Eure Gesellschaft in den nächsten Tagen."

Auch die drei nickten. Sie wollten auf jeden Fall mehr über die junge Frau erfahren.

"Und dies ist Boromir, Sohn Denethor's, dem Truchess von Gondor."

Kiran sah Boromir fest in die Augen und sie sah einen jungen Mann, der viel Verantwortung zu tragen hatte. Sie sah Mut und Klugheit, aber auch jetzt schon lag ein Schatten auf seiner Seele.

"Es ist mir eine Ehre, Euch kennen zu lernen, Herr Boromir. Ich sah einmal die weiße Stadt und daher weiß ich, wie schön Eure Heimat ist. Es ist Euch bestimmt schwer gefallen, sie zu verlassen."

Boromir ergriff ihre Hand und hauchte ebenfals einen Kuss darauf.

"Es ehrt mich, dass eine so anmutige Lady meine Heimat erblickte. Und ja, es fällt mir immer schwer, die weiße Stadt zu verlassen. Und doch, wenn ich es nicht getan hätte, hätten meine Augen niemals Eure Schönheit erblickt und Euer Anblick wäre mir verschmäht worden."

"Ich danke Euch für dieses Kompliment, Herr Boromir. Wenn sich die Zeit ergibt, müsst Ihr mir mehr über die weiße Stadt erzählen, damit sie mir nicht mehr allzu fremd ist. Es müssen wahre Wunder in ihr verborgen sein."

"Mit Freuden werde ich Euch alles erzählen, was Ihr zu erfahren wünscht, Lady Kiran. Und ich denke, für ein Gespräch findet man immer Zeit. Besonders mit einer solch liebreizenden Dame, wie Ihr es seit."

Kiran lächelte kurz und nickte ihm noch einmal zu, bevor sie dem nächsten Gast vorgestellt wurde.

"Dies ist Gimli, Gloin's Sohn. Er ist ein Zwerg, der von weit her kommt."

Kiran beugte sich zu Gimli runter und grinste ihn an.

"Es ehrt mich, Euch kennen zu lernen, Herr Gimli."

Alle Anwesenden blickten sie erschrocken an, als sie dem Zwerg in seiner Sprache begrüßte und auch Gimli war nicht minder überrascht, eine Elbe die Sprache seines Volkes sprechen zu hören. Ein wissender Ausdruck trat in seine Augen.

"Ich war vorher ein Mensch, Herr Gimli und ich habe einige Zeit in der Gesellschaft von Zwergen verbracht, die so freundlich waren, mich Eure Sprache zu lehren. Und Ihr solltet kein so schlechtes Bild über die Elben haben. Auch sie haben sich geändert, aber das werdet Ihr noch früh genug selber fest stellen."

"Wie dem auch sei, Lady Kiran, es ist schön, jemanden in meiner Sprache sprechen zu hören. Es hat Euch bestimmt sehr viel Mühe gekostet, sie zu erlernen. Unsere Wortlaute sind sehr kehlig."

"Mitnichten, Herr Gimli. Ich habe ein Talent dafür, Sprachen zu erlernen. Und jede Sprache ist auf ihre eigene Art ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig. Und so ganz unter uns, die Sprach der Elben ist auch nicht sehr einfach. So viele Wörter für die gleiche Sache, da kann man schon einmal durcheinander kommen."

Die beiden grinsten sich verschwöhrerisch an. Sie mochten sich schon jetzt und beide waren sich sicher, dass sie noch einige lustige Momente miteinander verleben würden. Lord Elrond sah sie überrascht an und sein Blick sagte ihr, dass sie ihm noch einiges zu erklären hatte.

"Und nun möchte ich dir Legolas. dem Prinz des Düsterwaldes, vorstellen. Sein Vater und ich kämpften in vielen Schlachten zusammen und Legolas hat sein Geschick geerbt."

Kiran's Herz begann zu rasen und schmerzhaft gegen ihre Brust zu schlagen. Langsam hob sie den Blick und ihr Atem stockte. Legolas sah einfach nur atemberaubend aus. Sein Haar wirkte wie helle Mondstrahlen, die noch von der untergehenden Sonne geküsst wurden und seine Augen waren von einem solch intensieven kobaldblau, welches sie noch nie gesehen hatte. Er war groß, breitschultrig, aber schmal in den Hüften. Er trug eine edle dunkelgrüne Tunika und hatte sein Haar so zurück geflochten, wie es bei den Elben von hohem Stand üblich war. Kiran schaffte es nicht, ihm lange in die Augen zu sehen und so verbeugte sie sich vor ihm.

"Es ist mir eine Ehre, Euch kennen zu lernen, Eure Hoheit. Ich hoffe, Eure Reise war angenehm?"

"Durchaus, wenn auch teilweise etwas hinderlich."

Kiran richtete sich wieder auf und die beiden Elben maßen sich abschätzend mit Blicken. Jeder konnte sehen, dass es eine gewisse Spannung gab, doch keiner konnte sich erklären, was der Grund war. Keiner bis auf Elrond und Gandalf, die ja Bescheit wussten.

Wein

Kiran atmete erleichtert auf, als der Herr von Bruchtal zu Tisch bat. Sie legte eine Hand auf ihre Brust und stellte fest, dass ihr Herz zu schnell und zu heftig schlug. Vermutlich hörte jeder Elb dieses stürmische Schlagen. Ihr Blick folgte Legolas Bewegungen und sie stellte fest, dass eine bestimmte Sehnsucht in ihr erwachte, jetzt, wo sie ihn richtig gesehen hatte und mit dem Wissen, dass er ihr Seelengefährte war. Ihr ganzes Sein schien nach ihm zu rufen, nach seiner Stimme, seinen Blicken, seinen Bewegungen. Energisch schüttelte sie den Kopf. Das war doch alles vollkommener Schwachsinn. Ein Krieg stand unmittelbar vor der Tür und sie sehnte sich nach den Berührungen eines Elbenprinzen. Was war sie doch für ein dummes Ding. Kiran war so sehr in ihren Gedanken vertieft, dass sie Lindir erst bemerkte, als er direkt neben ihr stand und eine Hand auf ihre Schulter legte.
 

***
 

Mit einem leisen Laut, der zeigte, dass sie sich erschreckt hatte, machte Kiran einen Schritt zurück und sah Lindir vorwurfsvoll an. Dieser lies seine Hand wieder sinken und schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln.

"Verzeih, ich wollte dich nicht erschrecken."

Kiran schloss kurz die Augen und atmete tief ein, dann sah sie wieder Lindir an.

"Ist schon gut. Im Moment bin ich einfach sehr schreckhaft."

Lindir trat näher an sie heran und legte eine Hand auf ihre Hüfte. Die andere umschloss ihr Kinn, so dass sie ihm in die Augen sehen musste. Seine grauen Augen suchten die ihren und sie konnte Freude, Verwirrung aber auch unendliches Leid darin lesen. Sein Blick blieb an ihren spitzen Ohren haften.

"Es freut mich, dass es dir besser geht. Aus Erzählungen habe ich gehört, wie schmerzhaft und anstrengend eine Umwandlung ist. Du hattest großes Glück, dass es hier in Bruchtal passiert ist und dir Lord Elrond helfen konnte."

In seiner Stimme lag so viel Traurigkeit und Kiran fühlte, wie ihr das Herz schwer wurde. Vorsichtig hob sie eine Hand und legte sie auf seine Wange. Lindir schloss die Augen und genoss die Berührung. Als sie sprach, war ihr Stimme rau und kaum mehr als ein Flüstern.

"Es tut mir leid."

Mehr schaffte sie nicht, zu sagen und mehr musste es auch nicht sein. Lindir schlug seine Augen wieder auf und schenkte ihr das Lächeln, welches sie so an ihm liebte.

"Du musst dich nicht entschuldigen, enya Harma. Du kannst nichts für das Schicksal."

Sanft zog er sie in eine Umarmung und schmiegte seine Wange an ihrem Haar.

"Wir sind nun mal nicht füreinander bestimmt, aber ich weis, dass du mich liebst, wenn auch nicht auf die gleiche Weise, wie ich dich. Und allein das Wissen um deine Liebe macht mich glücklich. Mach dir um mich keine Sorgen, enya Harma, ich schaffe das schon. Ich bin für dich das, was immer du gerade brauchst."

Kiran legte ihre Arme um seine Schultern und drückte sich an ihn. Sie hätte nicht gedacht, dass ihr diese Worte so gut tun würden. Sie war froh, dass er trotzdem an ihrer Seite blieb und ihr mit Rat und Tat zur Seite stand.

"Danke."

Lindir gab ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte sie aufmunternd an.

"Wie sieht es aus? Wollen wir uns zu Tisch begeben? Lord Elrond hat angewiesen, dass du neben mir und Erestor Platz nehmen sollst."

Sie nickte nur und zusammen gingen sie zur langen Tafel. Mit Lindir an ihrer Seite würde sie den heutigen Abend schon überstehen.
 

***
 

Sie hatte sich geirrt. Diesen Abend würde sie nicht überstehen, trotz das Lindir an ihrer Seite war. Als sie neben Erestor Platz genommen hatte, war ihr die distanzierte Haltung des hohen Beraters aufgefallen. Normalerweise war Erestor immer sehr freundlich zu ihr und ging auf die Gespräche, die sie anschnitt, ein. Doch diesmal streifte sein Blick sie mit winterlicher Kälte und danach strafte er sie mit Nichtachtung. Fragend hatte sie sich dann zu Lindir umgedreht, doch dieser hatte nur den Kopf geschüttelt und mit den Schultern gezuckt. Kiran ballte die Hand zur Faust und fragte sich, was sie Erestor getan hatte, dass er jetzt so zu ihr war. Mal davon abgesehen das er noch nie der angenehmste Zeitgenosse gewesen war, so hatte er sie doch immer höflich behandelt. Diese Nichtachtung traf sie tief und sie schwor, sich den Berater Elrond's zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen. Doch Erestor's rüde Art war nicht das einzige, was ihr zu schaffen machte. Ihr gegenüber hatte Legolas Platz genommen, keinen Meter von ihr entfernt war er nun. Sie schluckte den Kloß, der in ihrem Hals fest saß, hinunter und griff nach ihrem Weinkelch, um sich einen Schluck daraus zu gönnen. Sie spürte den Blick des Elbenprinzen und als sie es wagte, aufzuschauen, sah sie, dass er sie seltsam betrachtete. Und als Lindir ihr eine Hand auf die Schulter legte, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, wurde sein Blick merkwürdig dunkel.

"Ist alles in Ordnung?"

Kiran wand sich Lindir zu, dankbar dafür, ihren Blick von Legolas abwenden zu können.

"Ja, es wird schon gehen."

Seine Fingerspitzen strichen rasch und federleicht über die Haut an ihrem Hals und Kiran's Pulsschlag ging augenblicklich schneller. Sie kniff die Lippen zusammen und wand den Blick nun auch von Lindir ab. Ihre Sinne waren wirklich zum verrückt werden. Selbst diese sanfte Berührung lies Schmetterlinge in ihr erwachen.

"Du wirst dich daran gewöhnen."

Kiran sah wieder zu Lindir, der gerade einen Schluck Wein trank.

"Was meinst du?"

"Deine Sinne. Du musst dich erst an sie gewöhne und wenn das passiert ist, dann machen dir solche nebensächlichen Berührungen wie eben, nichts mehr aus."

Kiran hielt die Luft an. Lindir war in mancher Hinsicht wirklich ein Mistkerl. Er wusste, was solche Berührungen in ihr verursachten und er förderte es auch noch. Er schenkte ihr ein schelmisches Lächeln und nippte wieder an seinem Kelch. Kiran wusste, dass sie das, was sie jetzt vor hatte, irgendwann zurück bekommen wurde, doch im Moment hielt sie es für die beste Idee. Sie grinste ihn an und trat ihm mit leichter Kraft gegen das Schienbein. Lindir zuckte so stark zusammen, dass der Wein in seinem Kelch über den Rand schwappte und eine blutrote Pfütze auf dem Tisch hinterlies.

"Ihr seit heute etwas ungeschickt, Lindir."

Legolas Stimme durchbrach die Stille, die bei Lindir's Missgeschick eingetreten war und Kiran's Nackenhaare stellten sich auf. Sie konnte deutlich die Schadenfreude heraus hören und sie vermutete, dass sie auch den anderen anwesenden nicht verborgen blieb. Lindir stellte seinen Weinkelch wieder auf den Tisch und tupfte mit einem Tuch den Fleck vom Tisch.

"Nun, auch ein Elb hat mal seine unachtsamen Momente, Prinz. Ganz besonders wenn eine entzückende junge Frau als Tischnachbar zugeteilt wurde. Aber in diesen Genuss seit Ihr ja nicht gekommen."

Die beiden blonden Elben warfen sich bitterböse Blicke zu und Kiran sah hilfesuchend zu Lord Elrond, der nur zwei Plätze weiter, am Anfang der Tafel, saß. Doch der Elbenlord führte einfach nur grinsend seinen Weinkelch an die Lippen und dachte nicht im geringsten daran, sich in diesen Streit einzumischen.

"Ich bedeide Euch um Eure Tischnachbarin kein wenig, Lindir. Sich mit einer neugeborenen Elbe herumschlagen zu müssen, danach steht mir wirklich nicht der Sinn. Aber Ihr scheint ja gerne das Kindermädchen zu spielen, wie ich gehört habe. Auch wenn Ihr die Pflichten ganz nach Eurem Gutdünken auszulegen scheint, wenn man mal betrachtet, wie Ihr Eure Schutzbefohlende anseht."

Leises Gemurrmel ging durch die Reihen, als der Prinz des Düsterwaldes diese Beleidigung in freundlicher Form beendet hatte. Kiran kniff erneut die Lippen zusammen und atmete hektisch ein und aus. Was erlaubte dieser aufgeblasene Elb sich eigentlich? Und so etwas eingebildetes sollte ihr Seelengefährte sein? Da mussten sich Lord Elrond und Gandalf gewaltig irren. Auch Lindir schien von der Äußerung tief getroffen zu sein, denn er saß nun stocksteif auf seinem Stuhl und erwiederte auf diese Beleidigung nichts. Kiran tat es jetzt schon leid, dass sie ihn getreten hatte. Denn nur desswegen war dieses Streitgespräch entstanden. Wütend und mit funkelnden Augen sah sie Legolas an. Ihr Gehirn setzte aus und ehe sie wusste, was sie tat, hatte sie ihren Weinkelch, der noch gut gefüllt war, genommen und wortlos in Legolas Gesicht geschüttelt.

Unterhaltung

Es war so still, selbst ein Mensch hätte eine Stecknadel fallen gehört. Hin und wieder war das aufschlagen der Weintropfen zu hören, die von Legolas herunterliefen. Kiran hielt immer noch den Kelch umklammert und sah den Elbenprinzen wütend an. Und dieser starrte entgeistert und sprachlos zurück. Aus dem Augenwinkel konnte Kiran sehen, dass Lord Elrond sichtlich um Beherrschung rang, wie auch seine beiden Berater Erestor und Glorfindel. Lindir saß, einer Statue gleich, auf seinen Platz und blickte abwechselnd Kiran, den Kelch in ihrer Hand und den Prinzen des Düsterwaldes an.
 

***
 

Langsam stellte Kiran den Kelch wieder auf den Tisch. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, sie strahlte unendliche Ruhe aus. Doch als sie zu sprechen begann, war ihre Stimme wie kalter Stahl, der alles zerschneiden konnte.

"Was glaubt Ihr eigentlich, wer Ihr seid? Ein Prinz eines der drei Elbenreiche sollte sich etwas würdevoller benehmen und sich nicht zu solchen Äußerungen hinreißen lassen. Und außerdem geht Euch meine Beziehung mit Lindir überhaupt nichts an. Zügelt also Eure Zunge und haltet Eure Nase aus Angelegenheiten, die Euch nichts angehen, heraus."

Als sie geendet hatte, setzte Kiran sich mit hoch erhobenem Kopf und gestraffter Körperhaltung wieder auf ihren Stuhl.
 

***
 

Legolas starrte die junge Frau sprachlos an. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. In seinem ganzen Leben, und das war schon sehr weit fortgeschritten, wurde er noch nie so zurechtgewiesen. Nicht einmal von seinen eigenen Eltern. Und da kam diese junge, neugeborene Elbin daher und bot ihm die Stirn. Eigentlich hätte er jetzt jedes Recht, sie zurechtzuweisen, doch er brachte kein Wort über die Lippen. Nein, er empfand sogar eine gewisse Bewunderung für ihren Mut und ihren Stolz. Etwas, was er sich nicht erklären konnte.
 

***
 

Innerlich gab Kiran sich eine Ohrfeige. Wie hatte sie sich nur zu solch einer Dummheit hinreißen lassen können? Sie war doch sonst sehr besonnen und lies sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Doch als Legolas Lindir so schändlich beleidigt hatte, hatte sie sich nicht mehr zügeln können und ihm kurzerhand den Inhalt ihres Kelches ins Gesicht gekippt. Jetzt wartete sie auf eine Reaktion, sowohl von ihm als auch von dem Herrn von Bruchtal. Doch nichts geschah. Legolas starrte sie nur weiterhin an und ihr war, als würde sie Bewunderung in seinen Augen lesen. Doch da musste sie sich irren. Wer bewunderte schon jemanden, von dem er Wein ins Gesicht bekommen hatte? Höchstens ein Verrückter. Langsam wand sie den Kopf zu Lord Elrond und blickte ihn herausvordernd an. Sollte er sie doch zurecht weisen, weil sie einen der hohen Ehrengäste beleidigt hatte. Dieser hochmütige Elbenprinz hatte es schließlich nicht anders verdient und sie würde keinen Zoll von ihrer Meinung weichen und sie würde sich auf keinen Fall entschuldigen. Jedenfals nicht, bis sich Legolas bei Lindir entschuldigt hatte. Doch da Lord Elrond bekanntlich immer für eine Überraschunf gut war, wurden auch diesesmal alle nicht enttäuscht.
 

***
 

Zuerst war nur ein leises Glucksen zu hören, doch nur ein paar Sekunden später hallte das laute und heitere Lachen des Elbenlord's durch den großen Saal. Alle Anwesenden sahen sprachlos zu dem Herrn von Bruchtal und wussten nicht, ob sie sich soeben verhörten. Lachte Lord Elrond, einer der mächtigsten und würdevollsten Elben von Arda, über diesen Streit? Doch lange wurde darüber nicht gegrübelt, denn schon bald fielen auch Erestor, Glorfindel, Lindir und ein paar weitere hochrangige Elben in das Lachen mit ein, bis anschließen wirklich jeder lachte. Jeder, bis auf Kiran und Legolas, die sich ein stummes Blickduell lieferten.
 

***
 

Der weitere Abend verlief sehr ruhig. Legolas hatte sich bei seinem Gastgeber entschuldigt und erschien dann kurz darauf in einer frischen Tunika und mit trockenem Gesicht. Kiran würdigte ihm den restlichen Abend keines Blickes mehr, sondern unterhielt sich leise mit Lindir. Dieser hatte ihr recht schnell zu verstehen gegeben, dass er ihr Verhalten nicht billigte, aber zu erheitert über das Gesicht des Elbenprinzen gewesen war, als das er ihr lange böse sein konnte. Irgendwann hatte er dann ihre Hand ergriffen und sie seit dem auch nicht mehr los gelassen. Immer und immer wieder strich er mit seinen Daumen über die sensible Stelle am Handgelenk, dort, wo ihr Puls schlug. Am Anfang hatte sich der Pulsschlag von Kiran erhöht, doch nach einer Weile hatte sich ihr Körper an die sanfte Liebkosung gewöhnt und so spürte sie zwar seinen Daumen auf ihrem Handgelenk, doch es machte ihr nicht mehr so viel aus wie zu Anfang. Die beiden waren so sehr in ihrem Gespräch versunken, dass sie erst sehr spät mitbekamen, dass Lord Elrond die Runde aufgehoben hatte und so alle Anwesenden in der Halle umhergingen, um sich mit den anderen Anwesenden zu unterhalten. Erst als ihnen beiden jemand eine Hand auf die Schultern legte, sahen sie auf. Lord Elrond stand vor ihnen und lächelte die beiden an.

"Wollt ihr zwei etwa den ganzen Abend hier sitzen bleiben? Kommt, singt und tanzt mit uns."

Lindir nickte und zog Kiran mit sich auf die Beine.

"Lindir, ich würde gerne eben ein Wort mit Kiran wechseln. Würdest du uns bitte alleine lassen?"

Kurz blickte Lindir in Kiran's Augen, doch dann nickte er und ging zu Erestor und Glorfindel hinüber, die ihn sofort in das Gespräch, welches sie geführt hatten, mit einbezogen.
 

***
 

Kiran wusste, dass jetzt die Strafpredigt anstand, doch sie dachte nicht daran, demütigend ihren Kopf zu senken, sondern sah Lord Elrond direkt in die Augen.

"Mir scheint, du erwartest eine Predigt von mir, Kiran."

"Nun ja, dass ist auch so. Und? Bekomme ich eine?"

"Nein, wieso solltest du auch? Für das, was du mit Legolas gemacht hast, hattest du einen guten Grund. Das hat er sich ganz alleine zuzuschreiben. Diese Angelegenheit müsst ihr unter euch klären. Nein, der Grund, warum ich mit dir reden möchte, ist ein anderer."

Kiran sah ihn neugierig und abwartend an. Was wollte er dann?

"Du verstehst dich nachwievor sehr gut mit Lindir und ich habe durchaus bemerkt, dass er dich an die sensiblen Sinne der Elben gewöhnt."

Langsam nickte sie. Wieso wollte er denn mit ihr darüber sprechen? War es etwa, weil ihr Lindir ihr helfen wollte? War es falsch?

"Ich möchte euch beiden nun wirklich keine Vorschriften machen, aber ihr solltet eure Gefühle nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Sogar wir Elben tratschen gerne und eure Beziehung hat für reichlich Gesprächsstoff gesorgt."

"Lord Elrond, wollt ihr mir und Lindir verbieten, in der Öffentlichkeit Umgang miteinander zu haben? Läuft es darauf hinaus?"

Der Herr von Bruchtal seufzte leise und schüttelte dann den Kopf.

"Ich weis wirklich nicht, wieso ich mit dir darüber rede. Ich kenne deinen Dickkopf und du wirst dich sowieso nicht an das halten, was ich sage. Seit einfach nur sehr vorsichtig und übertreibt es nicht mit eurer Zuneigung zueinander. Und jetzt komm. Feier ein wenig mit uns, denn schon bald werden die Feste ausbleiben."

Bei den Gedanken an den bevorstehnden Krieg legte sich ein dunkler Schatten über Kiran's Gesicht. Sie hatte es ganz gut geschafft, den drohenden Krieg zu vergessen, doch er war nicht zu leugnen. Am besten hielt sie sich an Lord Elrond's Rat und genoss einfach noch die wenigen unbeschwerten Tage, die ihr blieben. Denn schon bald war es mit der Ruhe vorbei. Irgendwie schaffte sie es, eine fröhliche Miene aufzusetzen und Lord Elrond anzulächeln.

"Wie immer sprecht Ihr weise, Lord Elrond. Ich wünsche Euch viel Vergnügen."

Die beiden Elben nickten sich noch zu, dann ging jeder seiner Wege. Lord Elrond's Schritte führten ihn zu seinen Söhnen, die sich mit Gandalf unterhielten und Kiran ging auf die Suche nach Lindir.

Erzählung

Verwirrt blickte Kiran sich um. Wo war er? Vor wenigen Augenblicken hatte sie ihn noch bei Erestor und Glorfindel stehen sehen, doch jetzt war er wie vom Erdboden verschluckt. Seufzend drehte sie sich um und beschloss, auf einen der etwas kleineren Balkone zu gehen, um frische Luft zu schnappen. Es waren ihr eindeutig zu viele Lebewesen im Saal. Überfüllte Räume hatte sie noch nie gemocht und mit einem schiefen grinsen dachte sie an die letzte Geburtstagsparty von Mel zurück. Die Wohnung, in der die drei Freundinnen gelebt hatten, war riesen groß gewesen und Kiran hatte immer bezweifelt, dass man sie voll bekommen würde. Doch als Mel ihren 20 Geburtstag gefeiert hatte, wurde sie eines besseren belehrt. Am Ende hatte sie sich sogar in ihrem Zimmer eingeschlossen, um etwas Ruhe vor der feiernden Meute zu haben. Als sie nach draußen trat, funkelten bereits die Sterne am Himmel und Kiran setzte sich auf die breite Brüstung, um ihre Gedanken etwas schweifen zu lassen.
 

***
 

Wehmut erfüllte sie, als sie an ihr Zuhause dachte, an Mel und Beth. Wie es den beiden wohl ergangen war? Schließlich war sie seit einem Jahr in dieser Welt und die beiden wussten nicht, wo sie war. Bestimmt hatten sie sie als vermisst gemeldet und warteten jeden Tag auf einen erlösenden Anruf. Leise gluckste sie, als sie sich Mel vorstellte. Sie hatte ein ungestümes Wesen und so wie sie ihre Freundin kannte, hatte sie ihren Vater beauftragt, nach Kiran zu suchen. Und Beth, die neben ihrem Studium auch noch bei einer Zeitung arbeitete, würde in regelmäßigen Abständen einen Bericht über sie verfassen, in der Hoffnung, irgendein Leser hätte sie gesehen. Hoffentlich dachten die beiden daran, Kitty zu füttern. Die arme Katze konnte schließlich nichts für ihr Verschwinden und sie hoffte sehr, dass sie nicht darunter leiden musste. Leise seufzte sie und spielte gedankenversunken mit ihrem Haar.

"Ach, hier bist du."

Als sie Lindir's Stimme hörte, schlug ihr Herz augenblicklich schneller und sie wand sich ihm zu. Er stand am Eingang des großen Saals und blickte zu ihr hinüber, in jeder Hand einen Kelch mit Wein. Langsam trat er an sie heran und reichte ihr einen der Trinkgefäße, aus dem sie augenblicklich einen tiefen Schluck nahm. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie durstig sie war, bis sie den Kelch gesehen hatte. Als sie ihre trockene Kehle befeuchtet hatte, stellte sie ihn ab und sah Lindir an.

"Wo warst du? Ich habe dich eben gesucht, dich aber nicht gefunden."

Lindir stützte seine Ellbogen auf dem Geländer ab und sah in die Gärten, die unter dem Balkon begannen.

"Ich hatte eine Unterredung mit Lord Elrond und dazu haben wir den Saal verlassen. Es musste nicht jeder mitbekommen, worum es ging."

Sie sah ihm ins Gesicht und stellte fest, dass ihn etwas bedrückte, doch konnte sie nicht erraten, was es war. Normalerweise war Lindir ein offenes Buch für sie, doch jetzt konnte sie nicht in ihm lesen. Sanft legte sie eine Hand auf seine Schulter.

"Was ist mit dir? Was ist es, was dich bedrückt? Lindir, du weist, dass du mit mir über alles sprechen kannst und wenn ich es vermag, werde ich dir auch helfen."

Ein leiser Seufzer entwich der Kehle des Elben und langsam richtete er sich zu seiner vollen Größe auf. Sein Blick war fest, doch er hatte die Lippen zusammen gepresst und spielte mit den langen Ärmeln seiner Tunika.

"Es ist, nun ja, wie soll ich sagen, nicht sehr einfach für mich. Deine Umwandlung, meine ich. Lord Elrond hat mir gesagt, wer dein Seelengefährte ist und ich muss sagen, dass ich damit nicht einverstanden bin."

Kiran seufzte und schüttelte den Kopf.

„Lord Elrond ist eine alte Klatschtante. Ich hatte ihn gebeten, es dir nicht zu sagen, da ich dich nicht damit belasten wollte,“

Er ergriff ihre Hände und sah sie an.

„Hälst du mich für so schwach, enya Harma? Du solltest mich besser kennen.“

Kiran lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Ich weiß, dass du alles andere als schwach bist, Lindir. Aber Gefühle haben nichts mit Schwäche zu tun. Sie sind da und man kann sie nicht abstellen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Und wenn es dich tröstet, ich bin auch mit der Wahl meines Seelengefährten nicht einverstanden.“

„Ja, er ist wirklich schrecklich.“

Die beiden Elben lachten leise und begannen ein Gespräch darüber, wie schrecklich der Prinz des Düsterwaldes war. Hin und wieder gönnten sich die beiden einen Schluck Wein, doch ansonsten wurde ihr Gespräch von nichts unterbrochen. Nach einiger Zeit setzte Lindir sich neben sie und nahm sie in die Arme. Sie kuschelte sich an ihn und genoss seine Wärme und seinen Duft, der ihre Sinne erfüllte. Seine Hand strich liebevoll über ihr dichtes Haar und die andere strich über ihre zarte Haut am Handgelenk.

„Magst du mir erzählen, was du in dem letzten Jahr gemacht hast? Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht und mich immer gefragt, wo du gerade steckst.“

Kiran stockte kurz der Atem und sie antwortete eine Zeitlang nicht. Als sie ihm antwortete, war ihre Stimme ein leises Flüstern.

„Ich bin viel umher geritten und war an vielen Orten. Hin und wieder bin ich einigen Ork's begegnet, gegen die ich kämpfen musste. Ich habe viel über mich nachgedacht und über den Grund, wieso ich hier her gekommen bin. Ich frage mich immer noch, ob mein Großvater noch der einzige Grund ist, wieso ich dazu auserwählt war, hier her zu kommen. Und dann frage ich mich noch, wieso meine Großmutter in diese Welt kam. So viele Fragen, deren Antwort ich nicht gefunden habe.“

Als sie endete, herrschte Schweigen zwischen den beiden. Kiran wollte ihm nicht alles erzählen und das merkte Lindir. Er wusste, dass sie noch etwas bedrückte, doch er wollte sie nicht zwingen, es ihm zu sagen. Sanft strich er über ihren Arm und bemerkte da zum ersten Mal, dass die vielen Narben, die sie noch vor ihrer Umwandlung hatte, verschwunden waren.

"Kiran, wo hattest du all diese Narben her? Die, die wir vor einem Jahr bei dir gesehen hatten? Lord Elrond sagte, dass du sie dir selber zugefügt haben musst. Ist das so?"

Mit einem Ruck befreite Kiran sich aus seiner Umarmung und sprang von der Brüstung, um unruhig auf und ab zu gehen. Sie hatte ihre Arme um ihren Körper geschlungen und schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein. Ihm kam es so vor, als wäre sie in der Vergangenheit, denn sie hatte wieder diesen seltsamen Ausdruck in den Augen. Lindir wusste, dass er sie jetzt auf gar keinen Fall bedrängen sollte, denn dann würde sie weg laufen. Also wartete er einfach. Und seine Geduld wurde nicht enttäuscht. Irgendwann blieb sie vor ihm stehen, hatte aber den Blick zu Boden gerichtet.

"Als ich 16 war, gab es in meiner Schule eine Veranstaltung. Die Schule, auf der ich ging, war berühmt für ihre begnateten Schüler, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern. Bei der Veranstaltung führten einige aus einer höheren Klasse einen Versuch vor. Sie hatten ihn schon etliche Male gemacht, sie wussten also, was zu tun war. Doch einer der Schüler war sehr nervös, er hatte noch nie vor Puplikum arbeiten können und so verwechselte er eine harmlose Chemikalie mit einer hochexplosiven. Diese Chemikalie allein hatte schon eine unglaubliche gefährliche Explosionskraft, doch mit den Chemikalien, die schon im Reagensglas waren, war die Wirkung noch verherender. Als einer seiner Mitschüler den Fehler bemerkte, war es bereits zu spät, da sie Flüssigkeiten schon erhitzt wurden und ehe man den Saal hätte räumen können, passierte es. Die Chemikalien vermischten sich und explodierten. Das letzte, an das ich mich erinnern kann, war, dass sich mein Vater schützend über meine Mutter warf und meine Brüder versuchten, mir irgendwie zu helfen. Dann wachte ich erst wieder im Krankenhaus auf. Ich war an vielen Geräten angeschlossen, die die Funktionen meiner Organe überwachten und eine Schwester war bei mir, als ich wieder zu Bewustsein kam. Die Ärzte waren sehr froh, dass ich aus dem Koma erwacht war, doch verhielten sie sich immer sehr merkwürdig, wenn ich nach meiner Familie fragte. Und eines Abend's, wo die Schwestern dachten, ich würde schlafen, haben sie sich über den Unfall an meiner Schule unterhalten."

Kiran brach ab und strich geistesabwesend über ihren Unterarm, dort, wo noch vor kurzem die Narben gewesen waren.

"Ich erfuhr nur durch einen dummen Zufall, dass fast alle Menschen bei dieser Explosion gestorben waren. Und das ich nur überlebt habe, weil meine Brüder mich beschützt hatten. Als ich das erfuhr, verfiel ich in Deppressionen, doch da ich wieder gesund war, entließen mich die Ärzte, da sich die Eltern meines Vater's um mich kümmern sollten. Nun ja, was heißt hier, kümmern? Sie leben in einem Land, weit entfernt von dem meinen und so hatten sie mir die Eigentumswohnung meiner Eltern überschrieben und dafür gesorgt, dass ich jeden Monat genung Geld zum Leben hatte. Und so war niemand da, mit dem ich reden konnte, bei dem ich mich ausweinen konnte. Ich wusste nicht, wohin mit all meiner Wut und Trauer und ehe ich mich versah, hatte ich mir für jedes verlorene Familienmitglied einen Schnitt am Arm zugefügt. Und das tat ich jedes Jahr. Zu ihren Geburtstagen, zu Feiertagen und zu ihrem Todestag. Wenn ich Mel und Beth nicht kennen gelernt hätte, hätte ich immer so weiter gemacht, doch die beiden haben mich aus dem Loch, in das ich gefallen war, heraus geholt und dafür bin ich ihnen mehr als dankbar."

Langsam hob sie den Kopf und blickte Lindir in die Augen. Sie war darauf gefasst, Abscheu oder Mitleid zu sehen, doch in seinen Augen stand nur, dass er sie verstand. Wortlos zog er sie in seine Arme und umhüllte sie mit seiner Wärme. Kiran schmiegte ihr Gesicht an seine Brust und lies ihren Tränen freien Lauf. Keiner der beiden sagte etwas und das war auch nicht nötig. Zwar waren sie nicht füreinander bestimmt, doch trotzallem waren sie in ihren Seelen verbunden. Und das war es, was im Augenblick für sie beide zählte.

Kiran's Familie

Kiran wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch irgendwann löste sie sich aus der tröstenden Umarmung von Lindir und wischte sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht. Sie schenkte dem blonden Elben ein dankbares Lächeln und dieser lächelte zurück.

"Geht es wieder?"

"Ja, danke."

Ein leises Seufzen verlies Lindir's Kehle und er schüttelte, eher ungläubig den Kopf.

"Es ist nicht zu fassen, dass du solch einen harten Schicksalsschlag erdulden musstest. Und dann musstest du auch noch mit der Situation hier zurecht kommen. Das Schicksal hat wirklich sehr viel von dir verlangt."

Kiran antwortete darauf nichts, sondern blickte in den Sternenhimmel. Eine seltsame Ruhe erfüllte sie. Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte sie sich von dieser schweren Last befreit. Ja, sie war zwar immer noch da, aber jetzt erdrückten sie diese Gedanken und Bilder nicht mehr.

"Magst du mir von deiner Familie erzählen?"

Sie blickte wieder zu Lindir und diese sah sie neugierig an. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie nickte.

"Wenn du möchtest. Wo soll ich anfangen? Meine Mutter war die einzigste Tochter meiner Großmutter. Ich weis nicht, ob Lord Elrond dir den Namen meines Großvaters genannt hat, aber du kannst dir ja denken, dass er zu deinem Volk gehörte. Meine Großmutter lebte mit meiner Mutter in Irland, dass ist eine sehr schöne Insel, sie würde dir gefallen. Als meine Mutter 18 Jahre alt wurde, beschloss sie, nach Amerika zu gehen, um dort Tanz und Gesang zu studieren. Dort lernte sie auch meinen Vater kennen und kaum ein Jahr später haben die beiden geheiratet. Mein Vater war etwas sehr besonderes. So wie meine Mutter stammte er von zwei verschiedenen Kulturen ab. Seine Mutter stammt von einer sehr alten Adelsfamilie ab und sein Vater hatte Verbindungen zum Kaiserhof. Also eine sehr edle Abstammung auf die meine Großmutter väterlicher Seits sehr stolz war. Sie missbilgt noch heute die Wahl ihres einzigen Sohnes und hatte auch für sehr lange Zeit den Kontakt zu meinem Vater abgebrochen, in der Hoffnung, dass er irgendwann doch noch mal vernünftig wurde und wieder nach Hause kam. Doch sie würde ganz schön enttäuscht, denn gut ein Jahr nach der Hochzeit wurde mein Bruder Ruben geboren. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt 20 und mein Vater 22, also noch sehr jung, doch die beiden hatten sich etwas aufgebaut und so hatten sie keine Probleme, ihre kleine Familie zu versorgen. Du musst wissen, mein Vater hat anderen Menschen das Kämpfen beigebracht. Nicht mit Waffen, sondern mit dem Körper. Und meine Mutter, die hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Sie hatte eine kleine Schule eröffnet, in der sie Tanz und Gesang unterrichten konnte und beide waren sehr erfolgreich. Als Ruben zwei Jahre alt war, bekam meine Mutter ihren zweiten Sohn, Will. Mein Vater hatte sich ungemein gefreut, genau wie meine Mutter, doch Milan, die Mutter meiner Mutter, war irgendwie darüber enttäuscht. Wieso haben mir meine Eltern nie gesagt. Drei Jahre später wurden Gabriel und Byron geboren und vier weitere mein jüngster Bruder Kyle. Und fünf Jahre später wurde ich geboren. Den Erzählungen meiner Familie zu folge war Milan sehr froh, als ich geboren wurde und ich wuchs die ersten fünf Jahre meines Lebens bei meiner Großmutter auf. Als sie starb, holten mich meine Eltern zu sich und wir hatten eigentlich ein glückliches Leben. Nun ja, bis zu diesem einen Tag eben."

Lindir hatte ihr gespannt gelauscht und hatte sich ganz still verhalten. Als sie geendet hatte, stieß er die angehaltene Luft hörbar wieder aus.

"Deine Familie ist ganz schön groß gewesen. Was haben denn deine Brüder so gearbeitet?"

Kiran lachte leise und sah wieder in den Sternenhimmel.

"Was meine Eltern gemacht haben, habe ich dir ja erzählt. Ruben war zwar ein sehr guter Kämpfer, doch seine Leidenschaft richtete sich auf das Kochen. Er war so gut, dass er schon sehr früh sein eigenes Restaurant eröffnete und so finanziell unabhängig von unseren Eltern wurde."

Sie grinste ihn an und zwickte sich kurz in den Nasenrücken.

"Ich muss gestehen, er konnte besser kochen als meine Mutter und so bin ich nach der Schule immer zu ihm gegangen, um etwas zu essen. Mutter war zwar der liebste Mensch auf Erden, aber kochen konnte sie wirklich nicht. Es war ein Wunder, dass meine Brüder das so lange überlebt hatten."

"Kiran, so redet man nicht von seiner Mutter!"

"Doch, ich schon. Sie hat ja auch immer selber zugegeben, dass sie nicht kochen kann. Aber man musste ihr hoch anrechnen, dass sie sich Mühe gegeben hatte. Aber nun ja, am Ende war dann eben Ruben für das leibliche Wohl in meiner Familie zuständig. Will ist, als er sein Tiermedizinstudium beendet hatte, nach Irland gezogen, um dort die Pferdezucht unserer Großmutter weiter zu führen, die bis dahin von guten Freunden der Familie verwaltet wurde. Will musste auch etwas von Großvater mitbekommen haben, denn die Tiere liebten ihn. Mit ihnen kam er schon immer besser zurecht, als mit Menschen. Gabriel hatte sich dazu entschlossen, sich mit den Menschenrechten auseinander zu setzen. Er studierte Jura, Schwerpunkt Kinderrechte. Er war schon immer derjenige gewesen, der Ungerechtigkeit nicht leiden konnte und so stand für ihn schon sehr früh fest, was er mal lernen wollte. Byron, sein Zwillingsbruder, entschloss sich für eine ganz andere Richtung. Zwar studierten sie auf der gleichen Universität, aber er wählte die Schwerpunkte antike Kulturen und Sprachen. Er war schon immer sehr wissbegierig und er hatte von unserer Mutter das Talent geerbt, Sprachen und Schriften sehr schnell zu erlernen. Da fiel ihm das Studium nicht sehr schwer. Kyle ähnelte nicht nur im Aussehen und vom Wesen her unserer Mutter, nein, er hatte beschlossen, Musik zu studieren. Er wollte so werden wie sie. Er liebte es, auf dem Klavier zu spielen oder stundenlang über irgendwelchen Notenblättern zu grübeln."

"Und was ist mit dir? Für was hattest du dich entschieden?"

"Ich? Ich wollte so werden wie mein Vater. Ich wollte Sport studieren und irgendwann seine Kampfschule übernehmen. Doch daraus ist bis jetzt noch nichts geworden. Aber das macht nicht, denn irgendwann werde ich es schaffen."

Mit funkelnden Augen sah sie ihn an und er wusste, dass sie ihr Ziel irgendwann erreichen würde. Sie hatte sich wirklich sehr verändert. Zwar war sie schon immer festen Willens gewesen, doch hatte man auch ihre Unsicherheit bei manchen Dingen gespürt und auch ihre Traurigkeit war nie ganz verborgen geblieben. Doch jetzt schien sie mit all dem ihren Frieden gemacht zu haben und es zu akzeptieren. Ja, in diesem einen Jahr war sie wirklich viel stärker geworden. Stärker noch, als man zuerst vermutete.

Der Rat beginnt

Als die Sonne aufging und ihre wärmenden Strahlen aussand, erwachte auch Bruchtal wieder zum Leben. Die Vögle begannen, ihre Lieder zu singen, die Blumen erwachten aus ihren nächtlichen Schlaf und einige Tiere huschte hier und da durch die Gärten. Doch davon bekam Kiran nichts mit. Denn sie schlief tief und fest in ihrem Bett, hatte die Decke über ihren Kopf gezogen und kuschelte mit ihrem Kopfkissen. Und obwohl sie jetzt zum Volke der Elben gehörte, so schlief sie ab und zu noch mit geschlossenen Augen. So wie jetzt.
 

***
 

Lindir stand vor der schweren Tür, die zu Kiran's Räumen führte. Ungeduldig tippte er mit seinem Fuß auf dem Steinboden und warf hin und wieder einen Blick nach draußen, wo die Sonne schon etwas kräftiger schien. Eigentlich war er mit Kiran verabredet, doch wie er es am Vorabend schon befürchtet hatte, hatte sie wieder mal verschlafen. Und vermutlich lag sie immer noch friedlich schlummernd in ihrem Bett und kuschelte mit ihrem Kissen. Lindir seufzte leise und ein glückliches Lächeln trat auf sein Gesicht. Die vergangene Woche war, für ihn persönlich, wunderschön gewesen. Er und Kiran hatten viel zusammen unternommen. Sie waren ausgeritten, hatten gemeinsam ihre Mahlzeiten eingenommen, zusammen in der Bibliothek gesessen und gelesen oder musiziert. Und bei einem dieser gemütlichen Abende hatte sie ihm bei Gelegenheit auch manche Wörter erklärt, die sie bei ihren Gesprächen benutzte. Als sie ihm von den Fortbewegungsmitteln in ihrer Welt erzählte, hatte er nur die Stirn gerunzelt und beschlossen, gar nicht so genau darüber Bescheit wissen zu wollen. Wieder verlies ein leiser Laut seine Kehle und er beschloss, die schlafende Prinzessin jetzt persönlich aus dem Bett zu holen. Es ging ja nicht, dass sie am Tage des Rates verschlief.
 

***
 

Kiran spürte, wie sich die Matratze senkte und erwachte langsam aus ihrem Schlaf, doch war sie noch viel zu müde, um die Augen aufzuschlagen. Sie kuschelte sich einfach tiefer in die warme Decke und beschloss, noch nicht aufzustehen. Schließlich hatte sie noch Zeit. Doch als sich eine kalte Hand auf ihre angenehm warme Schulter legte, riss sie die Augen auf und sprang mit einem leisen Fluch aus dem Bett.
 

***
 

Lindir grinste sie an, mit diesem unendlich zufriedenen Gesichtsausdruck, der Kiran des öffteren in Rage brachte. Grummeld strich sie sich die langen Haare, die sich in der Nacht aus ihrem Zopf gelöst hatten, aus ihrem Gesicht und warf Lindir einen bitter bösen Blick zu. Nun ja, zumindest versuchte sie es, aber da sie noch mehr als verschlafen aussah, hatte ihr Blick den gegenteiligen Effekt. Lindir konnte nicht mehr an sich halten und brach in lautstarkes Lachen aus, dass bestimmt in ganz Bruchtal widerhallte.
 

***
 

Kiran stand einfach nur da und sah den Elben, der sie eben so schändlich auslachte, wütend an. Immer wenn sie versuchte, etwas zu sagen, lachte er noch lauter. Mitlerweile hielt er sich sogar schon den Bauch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Kiran spürte, wie sich ihr Gesicht immer weiter verfinsterte und so griff sie kurzerhand nach einem der großen Kissen und schmiss es Lindir mit aller Kraft ins Gesicht.

"Du dämlicher arroganter Fratzke! Was fällt dir ein, mich so früh zu wecken und das auch noch so unsanft? Und dann bestitzt du doch tatsächlich noch die Frechheit, mich auszulachen!"

Kiran griff sich immer mehr Kissen, um den Bruchtalelben damit zu bombadieren, doch dieser war, obwohl er immer noch lachte, mehr als geschickt darin, die Kissen abzuwehren. Als Kiran ihren Misserfolg bemerkte, entschied sie sich für eine andere Methode. Sie wollte ja nur, dass Lindir nicht mehr über sie lachte. Also lies sie das Kissen, welches sie noch in der Hand hatte, sinken, kniete sich auf das Bett und kroch zu Lindir auf die andere Seite.
 

***
 

Als er sah, wie Kiran auf ihn zugekrochen kam, hörte Lindir auf mit dem lachen und beobachtete sie mehr als wachsam. Sie hatte wieder diesn Blick aufgesetzt. Dieser Blick, den er noch nicht deuten konnte. Er war von der Art, die entweder sagte: gleich erlebst du dein blaues Wunder oder...

Nun, gewissermaßen erlebte er auch sein blaues Wunder, aber nicht so, wie er gedacht hatte. Kiran war bei ihm angekommen und hatte sich einfach auf seinen Schoß gesetzt, die Arme um seinen Nacken geschlungen und nun küsste sie ihn leidenschaftlich auf den Mund. Lindir schloss genussvoll die Augen. Er spürte ihren warmen und anschmiegsamen Körper, roch ihren süßen Atem und schmeckte ihre berauschenden Lippen. Seine Arme legten sich wie von selbst um ihre Mitte, um sie noch näher an sich zu ziehen.
 

***
 

Kiran wusste, dass sie Lindir eigentlich nicht mehr so nahe kommen sollte, doch es war ein viel zu gutes Gefühl, es nicht zu tun. Außerdem hatten sie in der vergangenen Woche darauf geachtet, sich in der Öffentlichkeit sehr sittsam zu benehmen. Keine zu vielen Berührungen, keine zu enge Vertrautheit. Sie hatten all das gemacht, worum sie Lord Elrond gebeten hatte. Was also war so schlimm daran, jetzt, wo niemand hier war und sich nicht für sie interessierte, etwas "Spaß" mit Lindir zu haben? Himmel Herr Gott, jeder wusste, dass die beiden mehr als nur Zuneigung füreinander empfanden und Kiran wollte dieses Gefühl, welches sie hatte, wenn sie mit Lindir zusammen war, noch etwas genießen. Wer weis, wann sie die nächste Gelegenheit dazu bekam? Und so schob sie alle Bedenken beiseite und gab sich dem Moment vollkommen hin. Und sie wusste, dass Lindir definitiev nicht abgeneigt war, sich etwas zu verspäten, wenn er die Möglichkeit hatte, DIESE Sache mit ihr zu tun.
 

***
 

Zwei Stunden später verliesen die beiden Elben leise tuschelnt und lachend Kiran's Schlafgemach und machten sich auf den Weg in die große Halle. Zum Frühstück würden sie zu spät kommen, aber vielleicht hatten sie noch Glück und bekam trotzdem noch etwas zu essen. Kiran strich sich immer wieder über ihre erhitzten Wangen und dachte mit einem schelmischen Funkeln in den Augen an die eben verbrachten Stunden zurück. Sie und Lindir hatten sich schon etwas länger nicht mehr der Liebe hingegeben und so war ihre Vereinigung mehr als nur stürmisch gewesen. Jedenfals die erste. Beim zweiten Mal hatten sie sich langsam und zärtlich geliebt, hatten sich Liebeswörter zugeflüstert und sich geschworen, ihre noch verbliebene Zeit sehr ... aktiv zu nutzen. Sie wussten beide, dass sie keine Zukunft zusammen hatten, doch wieso sollte sie das abhalten, sich ihren Gefühlen füreinander hinzugeben? Kiran war schließlich nicht damit einverstanden, dass Legolas ihr Seelengefährte war. Außerdem kannte sie ihn gar nicht und hatte eigentlich auch keine Lust, ihn näher kennen zu lernen. Und er wusste ja nichts von dem Band, welches das Schicksal für sie geschmiedet hatte. Wieso also sollte sie nicht versuchen, mit Lindir glücklich zu sein? Jedenfals so lange, wie es möglich war? Kiran warf ihm einen Seitenblick zu und erkannte, dass seine Gedanken sich auch um die eben verbrachten Stunden drehten, denn er hatte einen so seeligen und zufriedenen Gesichtsausdruck wie schon lange nicht mehr. Ja, sie konnte sich durchaus ein Leben an seiner Seite vorstellen. Er war mehr als gut aussehend, hoch gewachsen, mit elegantem Körperbau und gebildet. Außerdem war er der erste Mann gewesen, dem sie sich hin gegeben hatte. Und das hatte, so empfand sie es jedenfals, etwas zu bedeuten. Als ob er gemerkt hätte, dass sie ihn ansah, wand Lindir den Kopf zu ihr und lächelte sie voller Liebe an. Und sie konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwiedern. Wortlos griff er nach ihrer Hand, brachte sie so dazu, stehen zu bleiben und hauchte einen Kuss auf ihre Finger. Dann, ohne Vorwarnung, nahm er einen der Finger in den Mund und knabberte mit seinen scharfen Zähnen an der sensiblen Haut. Kiran riss die Augen auf, ein ihr bereits vertrautes Ziehen ging durch ihren Körper, ihre Lippen öffneten sich und langsam senkte sie die Wimpern. Abwechselnd saugte und knabberte er an ihrer Fingerspitze und Kiran konnte nicht verhindern, dass ihr ein wohliges Stöhnen über die Lippen kahm. Der Glanz in seinen Augen veränderte sich, er wurde wieder so, wie er in ihrem Schlafgemach gewesen war und in ihrem Körper breitete sich eine elektrische Spannung auf. Wie schaffte er es nur, dass sie am liebsten wieder mit ihm ins Zimmer gehen wollte, um da weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten? Dieser Mann übte wirklich einen schlechten Einfluss auf sie aus. Sie wusste, dass Lindir sie auch hier im Flur lieben würde, doch dazu hatten sie leider keine Zeit. Schließlich wollten sie noch etwas frühstücken, bevor der Rat begann. Also musste sie ihm Einhalt gebieten. Doch als sie sprach, merkte man an ihrer Stimme, dass sie eigentlich in der gleichen Stimmung war wie er.

"Das sollten wir jetzt lieber sein lassen, Lindir. Wir müssen zum Rat."

Er sah sie aus funkelnden Augen an, lies dann aber seufzend ihre Hand sinken. Er machte den Eindruck eines kleinen Jungen, den man einen Tafel Schokolade vor die Nase legte, aber er würde sie nie erreichen, weil man sie immer wieder ein Stück weg zog. Bei diesem Gedanken musste Kiran leise glucksen.

"Findest du es etwa lustig, dass ich auf dich verzichten muss?"

Kiran hob den Blick und sah in sein, gespielt düsteres Gesicht. Mit einem leisen Knurren zog er sie an sich und legte ihr eine Hand um die Kehle.

"Sprich schon, Weib. Findest du es lustig, mich so leiden zu lassen?"

Kiran konnte nicht anders, sie musste einfach grinsen. Sanft legte sie ihm eine Hand auf die Wange und liebkoste seine Haut.

"Die Rolle des bösen, schwarzen Wolfes steht dir nicht, Lindir. Und jetzt komm, ich habe Hunger."

Sie stellte sich kurz auf die Zehnspitzen, um ihn einen Kuss auf die Lippen zu hauchen, dann drehte sie sich lachend aus seiner Umarmung, griff nach seiner Hand und zog ihn einfach hinter sich her. Lindir konnte nicht anders, als den Kopf über diese Frau zu schütteln. Sie war wie der Wind. Wer versuchte, sie einzufangen, würde eine stürmische Überraschung erleben.
 

***
 

Als die beiden die große Halle betraten, war so gut wie niemand mehr anwesend. Ganz allein die Hobbits saßen noch an der reichlich gedekten Tafel und gönnten sich offenbar mehr als nur einen Nachschlag. Kiran und Lindir sahen sich grinsend an und gingen dann zu den vieren hinüber.

"Guten Morgen, meine kleinen Freunde. Ich hoffe, wir kommen noch nicht zu spät und haben die Chance, etwas zu essen?"

Als die jungen Männer die Stimme von Kiran hörten, unterbrachen sie ihre momentane Beschäftigung und blickten fröhlich die junge Frau und ihren Begleiter an. Kiran fand es richtig niedlich, wie die Hobbits da so saßen, die Teller voll beladen mit den Köstlichkeiten aus Bruchtal, schon den nächsten Happen in der Hand und mit aufgepusterten Backen. Frodo schluckte sein Essen herunter und lächelte die beiden Elben an.

"Guten Morgen, Lady Kiran und Lord Lindir. Setzt Euch zu uns. Die anderen wollten sich schon für den Rat fertig machen, also dachten wir, wir stärken uns noch etwas."

Lindir schob Kiran einen Stuhl zurecht und die junge Frau lies sich darauf nieder und griff nach einem der frischen Brötchen. Da ihre Verwandlung abgeschlossen war, hatte sie auch wieder Appetiet entwickelt und genoss es, wieder etwas zu essen, ohne sich übergeben zu müssen. Gallant wie Lindir war, goss er ihr frische Milch in ihren Kelch und bediente sich dann ebenfals beim Essen. In den ersten Minuten verlief alles schweigend, da alle damit beschäftigt waren, etwas zu essen. Doch dann fiel Kiran etwas auf. Sie wand sich an Frodo.

"Sagtest du eben, dass ihr alle am Rat teilnehmen werdet?"

Frodo sah die junge Elbe an und nickte dann.

"Ja, dass hatten wir vor."

"Das wird bestimmt ganz toll. Mit so hohen Persönlichkeiten zusammen zu sitzen."

"Ja. Wir können ja auch viel zu dem Thema sagen. Schließlich hatten wir schon Bekanntschaft mit den Schwarzen Reitern geschlossen."

"Ob der Rat lange dauern wird? Ich meine, wir haben doch unsere festen Mahlzeiten."

"Ich weiß nicht so recht, ob sich die Elben daran halten."

Die beiden Hobbits, Merry und Pippin, sahen sich kurz an und beschlossen dann, sich noch etwas mehr zu gönnen. Schließlich wussten sie nicht, wann sie das nächste Mal etwas zu essen bekommen würden.

"Es tut mir ja leid, eure Hoffnungen zu zerschlagen, junge Hobbits, aber einzig und allein Frodo ist zum Rat geladen worden."

Die vier sahen Kiran erschrocken an.

"Ich soll da alleine sitzen?"

"Aber Herr Frodo geht ohne mich nirgendwo alleine hin. Er braucht mich."

"Genau. Er braucht auch unsere Unterstützung. Der Rat wird bestimmt total ernst und da muss ja jemand für lockere Stimmung sorgen."

"Es sind auch ernste Themen, die beim Rat besprochen werden, Herr Merry. Und wie Lady Kiran schon sagte, gallt die Einladung von Lord Elrond nur Herrn Frodo. Wenn Ihr teilnehmen wollt, müsst Ihr euch an Herrn Elrond wenden. Aber ich bezweifle, dass er Eurem Beisein zustimmen wird."

Auf Lindir's Aussagen hin, herrschte betretenes Schweigen. Kiran konnte die Gefühle der Hobbits sehr gut nachempfinden. Sie wollten Frodo zur Seite stehen. Schließlich war er ihr Freund und ein Verwanter. Aber sie wusste auch, dass Lord Elrond niemals zustimmen würde. Lustlos knabberte sie an einem Stück Apfel. Wie konnte sie den dreien nur helfen? Und zwar so, dass weder Lord Elrond, Glorfindel, Erestor oder Lindir etwas davon mitbekamen.
 

***
 

Die Gelegenheit dazu erbot sich, als ein Diener an Lindir heran trat und ihm sagte, dass Lord Elrond ihn zu sprechen wünsche. Lindir nickte und stand auf.

"Wir sehen uns beim Rat. Er wird bald beginnen. Geh also nicht zu weit weg, Kiran."

Kiran sah ihn aus großen Augen an und nickte lächelnd. Er bemerkte diesen Glanz in ihren goldbraunen Augen und fragte sich, was sie vor hatte. Aber vermutlich würde er es noch früh genug erfahren. Und so wie er sie kannte, würde es ihm nicht gefallen.
 

***
 

Kiran wartete noch einige Minuten, dann wand sie sich an die vier Hobbits.

"So, ihr wollt also auch am Rat teilnehmen? Lindir hat recht, Lord Elrond wird dem niemals zustimmen. Aber ich habe da eine Idee."

Die fünf rückten näher zusammen, als Kiran ihnen im Flüsterton von ihrem Plan erzählte.
 

***
 

Keine halbe Stunde, nachdem Lindir gegangen war, ertönte eine helle Glocke, deren Klang in ganz Bruchtal widerhallte. Kiran stand von ihrem Stuhl auf und streckte sich kurz.

"Das war das Zeichen dafür, dass sich alle am Ratsplatz versammeln sollen. Es geht also los. Sam, Merry, Pippin, ihr wisst, was ich euch gesagt habe, also haltet euch daran. Es ist ganz wichtig, dass ihr den Ablauf ganz genau befolgt."

Die drei anderen Hobbits nickten, blieben aber auf ihren Plätzen sitzen. Frodo stand auf und sah zu Kiran hoch.

"Dann wollen wir mal."

Wenn jemand Frodo's Stimme gehört hätte, hätte man denken können, man würde ihn zu seiner Hinrichtung bringen, so niedergeschlagen war er.
 

***
 

Kiran und Frodo gingen zusammen durch die Gänge, um zu dem Platz zu gelangen, an dem der Rat stattfinden sollte. Unterwegs schlossen sich ihnen noch Gimli und einige Zwerge an. Kiran unterhielt sich kurz mit ihnen in ihrer Sprache und dann waren sie auch schon an ihrem Ziel angekommen. Der Ratsplatz war in dämmendes Sonnenlicht gehüllt, da die hohen Bäume es davon abhielten, mit aller Kraft auf die Anwesenden zu scheinen. Und es waren auch schon alle anderen da. Kiran blieb kurz stehen und sah zu, wie Frodo zu Gandalf ging und die Zwerge zu ihren Plätzen. Sie schloss die Augen, atmete tief durch, um ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen und öffnete dann wieder die Augen. Sie strahlten vor Entschlossenheit und mit hoch erhobenen Haupt trat sie in das Sonnenlicht.

Ratssitzung

Kiran verdrehte genervt die Augen, als sie die Blicke ihres Geliebten bemerkte. Lord Elrond hatte angewiesen, dass sie neben Legolas Platz nehmen sollte. Etwas, was ihr gar nicht gefiel, aber sie konnte sich ja nicht offen dem Herrn von Bruchtal wiedersetzen. Also hatte sie dem Elbenlord einfach nur einen bösen Blick zugeworfen und sich dann mit hoch erhobenen Kopf und gestrafften Schultern neben den Elbenprinz gesetzt. Sehr zu Lindir's Missfallen, der ganze 7 Stühle von ihr entfernt war. Kiran seufzte leise, schlug die Beine unter ihrem langen Rock übereinander und faltete die Hände im Schoß. Sie begriff einfach nicht, wieso sie dabei sein sollte, wenn es um die Entscheidung der Zukunft von Mittelerde ging. Sie schloss kurz die Augen und dachte an das Gespräch zurück, welches sie vor zwei Abenden mit Lord Elrond geführt hatte.
 

***
 

Das Feuer im Kamien strahlte eine angenehme Wärme aus und Kiran blickte verträumt in die Flammen. Heute Abend wollte sie es sich mal richtig gemütlich machen. Und zu so einem Abend gehörte eine Karaffe Wein, etwas Obst und ein gutes Buch. Die beiden ersten Dinge hatte sie sich von Rya beschaffen lassen. Als sich die beiden Elbinnen wieder gesehen hatten, war Kiran aufgefallen, wie schändlich sie die junge Elbe vernachlässigt hatte. Seit ihrer Verwandlung hatten sich die beiden kaum gesehen, geschweige denn sich unterhalten. Das schlechte Gewissen nagte unaufhörlich an ihr und sie war am überlegen, wie sie diese Vernachlässigung wieder gut machen konnte. Rya hatte ihr, ohne etwas zu sagen, den Wein und das Obst gebracht und dann noch etwas Feuerholz nachgelegt. Doch als Kiran sie fragte, ob sie ihr Gesellschaft leisten wolle, hatte Rya den Kopf geschüttelt.

"Das würde ich liebend gerne, Kiran, doch heute Abend geht es wirklich nicht."

"Aber Rya. Ich habe schon ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich dich in den letzten Tagen so habe links liegen lassen. Ich wollte das gerne wieder gut machen. Bitte leiste mir doch etwas Gesellschaft."

Rya lächelte und goss etwas Wein in Kiran's Kelch.

"Mach dir darüber mal keine Gedanken. Du hattest viel zu begreifen. Und außerdem weiß ich doch, wie gerne du deine Zeit mit Lindir verbringst."

Die junge Dienerin zwinkerte ihr zu und Kiran fühlte, wie ihre Wangen sich rot färbten.

"So ist es nicht, Rya."

"Ach, nun komm schon. Jeder von uns hier weis, was ihr füreinander empfindet und ihr seit pausenlos zusammen."

Kiran zog mit ihren Fingerspitzen Kreise auf der Armlehne des Stuhls und sah wirklich niedergeschlagen aus.

"Ja, dass stimmt schon, aber wir kommen uns nicht mehr so nahe. Lord Elrond kann da eine richtige Glucke sein."

Jetzt war Rya doch neugierig geworden und setzte sich auf den anderen Stuhl.

"Soll das heißen, ihr habt nicht miteinander geschlafen, seit du wieder hier bist?"

"Doch, schon. An dem Tag, wo ich wieder aufgewacht bin. Du weist schon, wo ich so schwer verwundet war."

"Aber das ist schon etwas länger her. Bei Eru, was ist denn los mit euch?"

Ein leises Seufzen verlies ihre Kehle und Kiran sah so unendlich traurig in die Flammen.

"Gar nichts. Es ist Lord Elrond. Er überwacht uns ständig. Selbst wenn wir ausreiten, schickt er immer jemanden hinterher. Ich vermisse ihn, Rya."

Ehe Rya etwas erwiedern konnte, klopfte es an der großen Wohntür. Stirnrunzelnt sahen die beiden Frauen dorthin.

"Erwartest du jemanden?"

"Nein, eigentlich nicht. Würdest du bitte nachsehen, wer das ist?"

Ohne ein weiteres Wort erhob sich die junge Elbe und schritt schnell zur Tür, um sie zu öffnen.

"Oh, Lord Elrond."

Kiran erhob sich von ihrem Stuhl und lief schnell zur Tür, wo Rya mehr als verdutzt drein schaute. Lord Elrond sah zwischen den beiden Elbinnen hin und her.

"Bitte entschuldige die späte Störungn, Kiran, aber ich würde gerne mit dir sprechen. Alleine, wenn es genehm ist."

Kiran nickte nur und deutete den Elbenlord an, einzutreten, was dieser dann auch mit einer fließenden Bewegung tat.

"Rya, würdest du bitte noch einen Kelch bringen?"

Die junge Elbin sah etwas missmutig zwischen ihrem Lord und ihrer Freundinn hin und her, doch dann nickte sie und verlies schnell das Zimmer. Kiran drehte sich zu dem Elbenlord um und ging zu den beiden Stühlen.

"Bitte, setzt Euch doch. Möchtet Ihr etwas Wein?"

Seufzend lies Lord Elrond sich auf dem Stuhl nieder.

"Ja, bitte."

Wortlos schob sie den Weinkelch zu ihm herüber und setzte sich dann ebenfals wieder hin. Erst als Rya einen zweiten Kelch gebracht und dann das Zimmer wieder verlassen hatte, genemigte er sich einen Schluck und blickte dann in die tanzenden Flammen. Kiran goss sich inzwischen etwas von der roten Flüssigkeit ein und trank einen Schluck. Sie wusste aus Erfahrung, dass es nichts brachte, Lord Elrond zu etwas zu drängen und sie war sich sicher, dass er einen guten Grund hatte, sie so spät noch zu besuchen. Nach einigen Minuten des Schweigens seufzte er erneut und wand sich dann ihr zu.

"Es ist etwas sehr schwieriges, über das ich mit dir zu sprechen wünsche, Kiran. Und ich weis irgendwie nicht, wo ich anfangen soll."

Kiran schmunzelte und stellte den Kelch zurück auf den Tisch.

"Am besten am Anfang, Lord Elrond."

Er warf der jungen Elbe einen strafenden Blick zu, konnte aber nicht verhindern, dass ein Lächeln über sein Gesicht huschte. Noch einmal atmete er tief durch.

"Es geht um die Ratssitzung in zwei Tagen. Ich habe dir ja bereits gesagt, dass ich dort deine Anwesenheit erwünsche."

Kiran nickte, sprach aber kein Wort. Das war nichts neues, auch wenn sie darüber immer noch nicht sehr erbaut war.

"Also, es geht mir darum, dass du weist, was passieren wird."

Kiran kniff die Augen zusammen und zählte rasch eins und eins zusammen. Als sie dann auf Lord Elrond's Lösung kam, sprang sie auf und blickte ihn entsetzt an.

"Oh Nein. Das werde ich nicht tun, Lord Elrond. Ich werde mich nicht noch mehr in die Angelegenheit hier einmischen. Ihr wisst, dass ich eigentlich gar nicht hier sein dürfte. Und ich will nicht wissen, was meine Anwesenheit in dieser Welt schon für Schaden angerichtet hat. Wenn ich mich noch weiter einmische, kann das ernsthafte Folgen haben."

"Aber dein Wissen kann uns von nutzen sein. Kiran, du könntest so viele Leben retten."

"Ich kann sie genau so gut zerstören. Ein falsches Wort, eine unbedachte Handlung kann alles vernichten. Lord Elrond, ich habe schon viele Geschichten gelesen, in denen so etwas beschrieben wird, was mir hier passiert und glaubt mir, die Konsequentzen sind alles andere als erfreulich. Ich darf mich nicht noch mehr einmischen."

"Und wenn du uns nur kleine Hinweise gibst? Einen Schubs in die richtige Richtung, sozusagen?"

Kiran seufzte schwer und lies sich wieder auf dem Stuhl fallen. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und murrmelte, selbst für Elbenohren, unverständliche Dinge vor sich hin.

"Kiran, ich bitte dich. Du könntest uns helfen. Wieso willst du nicht?"

"Aus den eben genannten Gründen, Lord Elrond. Die Vergangenheit zu verändern bedeutet auch, die Zukunft zu verändern."

"Was hat das denn damit zu tun?"

"Es heißt, dass ich nichts für Euch tun kann. Dies ist nicht meine Welt und da ich die Zukunft kenne, kann ich die Vergangenheit dieser Zukunft verändern. Ob zum Guten oder zum Schlechten, dass liegt in den Händen derer, denen ich das Wissen anvertraue. Und ich werde mit niemanden darüber sprechen. Ihr und alle Anwesenden müsst alleine die Entscheidungen treffen, die zu der Zukunft führen, die ich kenne. Da kann ich niemanden einen Schubs in die richtige Richtung geben. Ich werde am Rat teilnehmen, aber mehr werde ich nicht tun. Oh Himmel, vermutlich greife ich dort schon in die Zukunft ein, ohne es zu wollen. Lord Elrond, Ihr habt mich wirklich in eine sehr gefährliche Lage gebracht, als Ihr mir nicht erlaubt habt, Bruchtal wieder zu verlassen."
 

***
 

Kiran öffnete wieder die Augen. Ja, in dieser Sache hatte sie dem Herrn von Bruchtal nicht nachgegeben. Sie wollte gar nicht wissen, in wie weit sie die Zukunft schon zerstört hatte. Allein ihre Anwesenheit war ja schon verkehrt. Sie schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel, damit sie wirklich die Kraft aufbrachte, in nichts einzugreifen.
 

***
 

Als Lord Elrond sich erhob, herrschte schlagartig Stille. Er blickte streng in die Runde, dann begann er zu sprechen.

"Mittelerde wird von einer Bedrohung heimgesucht, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Das Böse ist wieder erwacht und es sinnt auf Krieg. Ein jeder von Euch ist dieser Bedrohung bewusst und nun gillt es, eine Lösung zu finden. Frodo, lege den Ring in die Mitte dieses Kreises."

Frodo sah ängstlich zu Gandalf, doch als dieser aufmunternd nickte, stieg er von seinem Stuhl, ging zur steinernden Plattform, griff in seine Jackentasche und legte den Ring in die Mitte. Dann ging er wieder zu seinem Platz zurück und setzte sich. Als der Ring offen dar lag, ging ein Raunen durch die Menge und manche konnten nicht glauben, was sie sahen. Kiran warf Lord Elrond einen vielsagenden Blick zu, senkte dann aber wieder die Augenlider. Sie würde nicht eingreifen, ganz gleich was auch passierte.

"Er ist ein Geschenk."

Boromir's Stimme hallte wider, obwohl er nur geflüstert hatte. Ein seltsamer Ausdruck lag auf seinem Gesicht und er beugte sich vor. Dann, ganz plötzlich, sprang er auf und schritt aufgeregt vor dem Rat hin und her.

"Er ist ein Geschenk, eindeutig. Ein Geschenk an die Wiedersacher Mordor's. Es muss etwas bedeuten, dass der Ring in unsere Hände gefallen ist. Das Schicksal ist uns wohlgesonnen."

Niemand sagte etwas, jeder lauschte dem Menschen aus Gondor. Einige dachten so wie er, andere wiederrum konnten es nicht. Sie hatten schon zu viele schlechte erfahrungen gemacht, um einen Lichtblick darin zu sehen, den Ring der Macht in den Händen zu halten. Kiran verstand beide Seiten, aber dennoch würde sie nicht eingreifen. Diese Worte sagte sie sich immer und immer wieder in Gedanken auf, damit sie sich auch ja daran hielt.

"Gebt Gondor die mächtige Waffe des Feindes. Wir werden eure Völker verteidigen. Mit dem Blute meines Volkes und meiner Ahnen, das schwöre ich euch."

>Du wirst dich nicht einmischen, Kiran, altes Haus. Nein, du wirst schön die Klappe halten.<

"Du kannst ihn nicht einsetzten. Das kann niemand. Der einzig wahre Herrscher des Ringes ist Sauron und nur ihm gehorcht er."

>Nicht einmischen, nicht einmischen, nur nicht einmischen.<

Verächtlich blickte Boromir zu Aragon und als er sprach, war der Hochmut deutlich daraus zu hören.

"Ein Waldläufer? Hier im Rat? Wozu? Ein Waldläufer versteht nichts von diesen Dingen."

>Nichts sagen, Kiran. Sag nichts, Zähl einfach von 10 an rückwärts.<

Legolas, der neben Kiran saß und bis jetzt kein Wort von sich gegeben hatte, erhob sich mit einer schnellen und fließenden Bewegung.

"Er ist kein einfacher Waldläufer."

>10<

"Das ist Aragon, Araton's Sohn."

>9<

"Du bist ihm zur Treue verpflichtet."

>8<

Das Gesicht, welches Boromir nun zeigte, war wirklich zum lachen, doch Kiran konzentrierte sich darauf, zu zählen. Wobei sie vermutlich schon bald von 100 an rückwärts zählen musste. Es würde wirklich nicht leicht sein, hier unter all diesen Männern die Fassung zu bewahren.

"Soso, Aragon. Dies also ist Isildur's Erbe."

>7<

"Havo dat, Legolas."

Legolas lies sich wiederstrebend wieder auf seinen Stuhl nieder, berührte dabei aber unabsichtlich mit seinen Fingerspitzen Kirans Hand, die sie in der Zwischenzeit auf die Armlehne gelgt hatte. Ein elektrischer Schlag ging durch die beiden Elben und beide zuckten zusammen. Legolas sah sie überrascht und verwirrt an, doch Kiran verengte die Augen und kniff die Lippen zusammen. Sie konnte sich jetzt keinen Kopf um das eben geschehene machen. Sie brauchte all ihre Sinne hier.

"Gondor hat keinen König. Gondor braucht keinen König."

>6<

Doch Boromir ging weiter auf und ab, redete auf die Anwesenden ein und versuchte sie zu überzeugen, dass der Ring in den Händen der Gondorianer am besten aufgehoben wäre. Kiran ballte die Hände zu Fäusten und versuchte wirklich ihr bestes, um Boromir nicht an die Kehle zu springen.

>5<

Doch als er seine Hand nach dem Ring ausstreckte, vergas Kiran all ihre guten Vorsätze. Sie hatte keine Lust auf Gandalf's Stimme, die in der schwarzen Sprache sprach. Da war sie noch nie erpicht drauf gewesen und jetzt als Elbe erst recht nicht. Also sprang sie auf und umfasste Boromir's Handgelenk mit einem eisernen Griff.
 

***
 

Es herrschte vollkommene Stille und alle sahen zwischen dem Hauptmann aus Gondor und der jungen Elbe hin und her. Boromir starrte Kiran an und diese starrte wütend zurück. Ihre goldbraunen Augen funkelten gefährlich und fochten mit den blaugrauen Augen des Menschen ein Blickduell aus.

Als sie sprach, war ihre Stimme ruhig, aber von einer Unnachgiebigkeit, die keinen Wiederspruch duldete.

"Ihr vergesst Euch, Boromir von Gondor. Der Eine Ring ist gefährlich und verführt die Herzen der Menschen. Spielt dem dunklen Herrscher nicht seine tötlichste Waffe in die Hände."

"Was versteht schon eine junge Frau von diesen Dingen?"

Zustimmendes Gemurrmel ging durch die Reihen und Kiran merkte, dass es ihr schwer fiel, Ruhe und Geduld aufzubringen.

"Vermutlich mehr als Ihr, Truchsess-Sohn. Der Ring der Macht ist kein Gegenstand, den man leichtfertig nutzen sollte. Außerdem hat Aragon recht. Allein Sauron vermag es, ihn zu beherrschen. Wollt Ihr Mittelerde sehenden Auges in den Tod laufen lassen?"

Mit einer energischen handbewegung entwand Boromir seine Hand aus Kiran's eisernen Griff und ging zurück zu seinem Platz. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren nahm er wieder Platz, doch lies er die junge Frau nicht aus den Augen. Kiran atmete erleichtert auf, doch als sie Lord Elrond's Blick auffing, bemerkte sie ihren Fehler. Sie hatte sich durch ihr Eingreifen in seine Hände gespielt und sie wusste, dass er es ausnutzen würde. Mit hoch erhobenen Kopf drehte sie sich um und beabsichtigte, wieder platz zu nehmen, doch da ertönte die Stimme des Elbenlord's.

"Erzähl es uns."

Kiran blieb mitten in der Bewegung stehen und drehte sich dann ganz langsam zu Lord Elrond um. Die Blicke der beiden trafen sich und sie sah seine feste Entschlossenheit aber auch die Bitte, ihnen zu helfen.

"Nein."

Ihre Stimme hallte klar wieder und zeigte jedem, dass sie festen Willens war.

"Ich habe Euch meinen Standpunkt zu diesem Geschehen bereits mitgeteilt, Lord Elrond und meine Antwort ist nach wie vor die selbe. Ich mische mich nicht in Angelegenheiten ein, die mich nichts angehen."

"Sie gehen Euch sehr wohl etwas an."

Legolas war ebenfals aufgestanden und trat jetzt näher an sie heran. Kiran versteifte sich, als sie seine Nähe fühlte und sie wand ihm den Kopf zu. Der Blick, mit dem sie ihm bedachte, hätte töten können, wenn er ein Schwert oder etwas ähnliches gewesen wäre.

"Ihr seit hier, in Elrond's Rat. Das heißt, dass Ihr sehr wohl etwas zu diesen Dingen zu sagen habt. Denn keiner wird ohne Grund geladen. Also sprecht."

Energisch warf Kiran ihre langen Haare zurück auf den Rücken und funkelte den Elbenprinzen wütend an.

"Mischt Euch nicht in Dinge ein, die Euch nichts angehen, Elbenprinz. In dieser Angelegenheit habe ich Lord Elrond meine Meinung schon mitgeteilt und ich werde sie ganz bestimmt nicht ändern, nur weil Ihr es verlangt. Mich gehen die Angelegenheiten nichts an und so werde ich weiter nur zusehen."

Ehe Legolas noch etwas erwiedern konnte, hob Lord Elrond seine Hand, ein Zeichen dafür, dass er keine weitere Disskusion duldete.

"In der Tat hat mir Lady Kiran ihren Standpunkt mehr als klar gemacht, doch ich hatte die Hoffnung, dass sie sich noch umentscheiden würde. Nun denn, dem ist nicht so. Es gilt also, eine Lösung für dieses Problem zu finden."

"Die Lösung für unseres Problem hat dieses sture Mädchen."

"Legolas, setzt dich wieder hin. Kiran wird zu diesem Rat nichts weiter zu sagen haben."

"Aber Lord Elrond..."

Kiran stöhnte genervt auf, griff einfach nach seiner Tunika und zog ihn mit einem kurzen und kräftigen Ruck zurück auf seinen Platz. Der Elbenprinz landete, eher unsanft, wieder auf seinem Stuhl und funkelte die junge Elbin wütend an.

"Ihr solltet tun, was Lord Elrond sagt und jetzt lieber Euren Mund halten, wenn Ihr kein Interesse daran habt, etwas brauchbares zu diesem Thema hinzuzufügen. Und meine Gründe, wieso ich schweige, sind triftig. Also zügelt Eure Zunge und Eure Neugier."

Legolas beschloss, sich nicht länger mit diesem Mädchen abzugeben. Er würde Bruchtal sowieso schon bald verlassen und dann würde er sie nie wieder sehen. Auf ihre Gesellschaft legte er nun wirklich keinen Wert.
 

***
 

Der Rat dauerte schon bis über die Mittagszeit hinaus und er zerrte an den Kräften aller Anwesenden. Kiran rutschte ungeduldig hin und her. Vom langen sitzen schmerzte ihr ein bestimmtes Körperteil und außerdem lies ihre Konzentration langsam nach. Es wurde immer noch darüber gestritten, was jetzt zu tun war. Auch Lord Elrond schien am Ende seiner Geduld und seiner Kräfte zu sein.

"Es gibt nur einen vernünftigen Weg. Der Ring muss vernichtet werden."

>Endlich sagt er's mal. Wurde auch langsam Zeit.<

Auf Lord Elrond's Aussage hin herrschte erst einmal Stille.

"Worauf warten wir dann noch?"

Gimli sprang von seinem Stuhl und ergriff seine Axt. Kiran, die wusste, was passieren würde, aber keine Lust hatte, einzugreifen, weil das wieder zu Erklärungen führen würde, lehnte sich einfach nur so weit wie möglich zurück und zog den Kopf ein. Sie hatte keine Lust, von einem Splitter getroffen zu werden. Gimli schlug mit aller Kraft auf den Ring und es kam, wie es kommen musste. Die Axt zersprang in viele kleine Splitter und Gimli wurde von der Wucht unsanft auf den Rücken geschleudert.

"Der Ring kann nicht zerstört werden, Gimli Gloins Sohn. Jedenfals von keiner Macht die wir hier besitzen. Die einzige Möglichkeit, die es gibt, besteht darin, ihn in die Feuer des Schicksalsberges zu werfen. Denn nur dort, wo der Ring geschmiedet wurde, kann er auch vernichtet werden. Diese Aufgabe muss einer von euch übernehmen."

>Wunderbar. Als ob sich jemand freiwillig für dieses Selbsmordkomando melden würde. Ach, halt. Einen gibt's da ja.<

Kiran's Blick huschte zu Frodo. Der junge Hobbit schien ebenfals am Ende seiner Kräfte und Nerven zu sein.

"Seit Ihr wahnsinnig? Irgendjemand soll also nach Mordor spazieren? Das ist unmöglich. Die Luft ist durchträngt mit Asche, es gibt nur karges Ödland und in diesem Gebiet wildern nicht nur Ork's. Das würden keine 1000 Männer schaffen. Das ist der reine Wahnsinn."

>Ganz genau, Boromir. Du bist ein Meister von "Ich-ersticke-die-Hoffnung-im-Keim". Immer diese Schwarzmaler überall.<

"Habt Ihr nicht gehört, was Herr Elrond gesagt hat? Der Ring muss vernichtet werden!"

>Jaha und jetzt auch noch der hochnäsige Prinz des Düsterwwaldes. Kann es noch schlimmer werden?"

"Ach und Ihr glaubt, Ihr seit derjenige, der das tut?"

>Ganz blöde Frage Kiran, wirklich ganz blöd. Natürlich kann es noch schlimmer werden. Wieso fragst du eigentlich?<

Und schon entbrannte eine heftige Disskusion und der alte Streit zwischen den Völkern brannte wieder auf. Kiran setzte sich im Schneidersitz auf ihren Stuhl, damit ihr niemand auf die Füße treten konnte und sah zu Lord Elrond hinüber. Der Elbenlord erwiederte ihren Blick und sie zuckte einfach nur mit den Schultern. Er musste selber aus seinen Fehlern lernen. Sie würde sich schon mal überlegen, was sie nach dem Rat machen sollte. Am liebsten würde sie ja wieder nach Hause gehen, auch wenn sie Angst davor hatte. Schließlich wusste sie nicht, wie viel Zeit in ihrer Welt vergangen war. Außerdem hatte sie hier ja noch Lindir. Würde sie es einfach so fertig bringen, ihn zurück zu lassen? Ihn nie wieder zusehen? Nein, dass schaffte sie nicht. Aber sie konnte auch ihre beiden Freundinnen nicht einfach so verlassen. Sie steckte wirklich in einer Zwickmühle.

"Ich nehme den Ring."

Kiran's Kopf ruckte wieder in die Höhe, als sie Frodo's Stimme hörte. Und die anderen verstummten.

Frodo war auf die anderen zugegangen.

"Ich werde den Ring nach Mordor bringen und ihn vernichten. Aber... den Weg, den kenne ich nicht."

Gandalf holte hörbar Luft und legte dem jungen Hobbit eine Hand auf die Schulter.

"Ich werde dich begleiten, so lange dir diese Bürde auferlegt sein mag."

Nach und nach bekundigte jeder, dass er Frodo begleiten würde und ehe Lord Elrond etwas sagen konnte, stand auch schon Sam neben seinem Herrn.

"Damit eines schon mal klar ist. Herr Frodo wird ohne mich niergendwo hin gehen."

"Wohl kaum. Du bist kaum von ihm zu trennen, selbst wenn nur er zu einer geheimen Beratung eingeladen wurde."

"HY! Wir kommen auch mit!"

Merry und Pippin kamen um die Ecke geschossen und stellten sich neben ihre Freunde. Kiran hätte bei Lord Elrond's Gesichtsausdruck am liebsten laut aufgelacht, doch sie war klug genug, nicht die Aufmerksamkeit des Herrn von Bruchtal auf sich zu ziehen.

"So soll es sein. 9 Gefährten machen sich auf von Bruchtal."

Kiran atmete erleichtert auf und erhob sich von ihrem Stuhl, um möglichst schnell das weite zu suchen. Bis jetzt ging alles gut, also wollte sie das Schicksal nicht heraus vordern.

"Aber nur dank Lady Kiran dürfen wir mit. Hätte sie uns nicht gesagt, wo wir uns verstecken sollen, hätten wir von dieser Reise niemals erfahren."

"Pippin!"

Kiran erstarrte mitten in der Bewegung. Sie spürte den zornigen Blick des Elbenlord's in ihrem Rücken und sie hatte Angst, sich umzudrehen. Und da waren sie. Die Schwierigkeiten, von denen sie gewusst hatte, dass sie schon sehr bald kommen würden.

Die Reise beginnt

"NEIN!"

Der markerschütternde Schrei hallte durch ganz Bruchtal und alle, die ihn hörten, zuckten zusammen. Für gewöhnlich war es hier immer sehr ruhig und da war so ein Schrei etwas erschreckendes. Ursache für diesen Anstieg an Lautstärke lag im Hause Elrond's, in einem der Gästezimmer.
 

***
 

Kiran klammerte sich verzweifelt an einen der Bettpfosten, wärend Lord Elrond versuchte, sie von dort weg zu bekommen. Der ansonsten so ruhige Elbenlord war mit seiner Geduld mehr als am Ende. Er hatte seine Arme um Kiran's Mitte geschlungen und zog mit aller Kraft, doch in der zirrlichen jungen Frau steckte mehr Kraft, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

"Kiran, du lässt sofort den Pfosten los!"

"Nur über meine Leiche! Ihr könnt mich nicht zwingen!"

"Und ob ich das kann! Außerdem hast du dich selber in diese Lage gebracht!"

"HA! Ihr nutzt es doch nur aus!"

"Lass jetzt los!"

"NEIN!"

Kiran schlang ihre Arme noch mehr um das stabile Bettstück und wenn es nötig war, würde sie sich auch daran fest ketten. Der Grund, wieso sie sich mit Lord Elrond dieses Kräfteduell lieferte, lag ein paar Tage zurück. Genau genommen war es der Tag des Rates gewesen, kurz nach Beendigung der Versammlung.
 

***
 

Kiran zuckte zusammen, als Lord Elrond die Tür mehr als nur geräuschvoll ins Schloss fallen lies. Der Herr von Bruchtal hatte keine Zeit verloren, sondern hatte sie gepackt und in sein Arbeitszimmer getragen, da er wusste, dass sie ansonsten die Flucht ergreifen würde. Und er hatte Recht. Wenn sie auch nur einen Moment zur Flucht hatte, so würde sie den auch nutzen.

"WAS HAST DU DIR DABEI GEDACHT?"

Kiran zuckte erneut zusammen, als Elrond diesmal die Stimme erhob. Das tat er nie und desswegen war Kiran auch nicht darauf vorbereitet gewesen. Beschwichtigend hob sie die Hände.

"Lord Elrond, Ihr solltet wirklich nicht so brüllen."

"ICH BRÜLLE GAR NICHT! UND SELBST WENN, WÄRE ES IMMER NOCH MEINE SACHE!"

"Lord Elrond, Ihr brüllt aber wirklich. Denkt an Euren Blutdruck..."

"LENK JETZT BLOß NICHT AB!"

"...und an Euer Alter."

"WAS HAT DENN JETZT MEIN ALTER DAMIT ZU TUN? SO ALT BIN ICH NOCH GAR NICHT!"

Irgendjemand klopfte leise an der Tür zum Arbeitszimmer und Kiran fragte sich, wer so wenig an seinem Leben hing.

"JETZT NICHT!"

"Aber Ada, wir sind..."

"ICH HABE NEIN GESAGT!"

"Lord Elrond, bitte lasst uns rein."

"IHR VERSCHWINDET JETZT ALLE! HABE ICH MICH KLAR UND DEUTLICH AUSGEDRÜCKT?"

"Lord Elrond, bitte tut nichts, was Ihr später mal bereuen werdet. Kiran hat es bestimmt nicht böse gemeint."

Elrond schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte gequält auf. Wieso war er mit solchen sturen Söhnen und Beratern gestraft? Er kannte seinen Hausstand zu gut und daher wusste er, sie würden nicht eher verschwinden, bis Kiran heil aus seinem Arbeitszimmer raus war oder aber sie rein kommen durften. Er überlegte, welches das kleinere Überl wäre. Mit einem Blick in Kiran's bronzefarbenen Augen, die ihn entschuldigend ansahen, entschloss er sich, seinen Hausstand ins Zimmer zu lassen. Zähneknirschend öffnete er die Tür und sah sich auch gleich mit fünf besorgten Elben konfrontiert.

"Keine Sorge, sie lebt noch."

"Ja, noch. Würdet ihr bitte rein kommen, ich bange um mein Leben."

"Ruhe da hinten!"

Kiran wollte noch etwas erwiedern, noch sie lies es lieber bleiben. Lord Elrond war wirklich in einer Stimmung, die sie beim besten Willen nicht einschätzen konnte. Die restlichen Elben betraten das Arbeitszimmer und Lindir stellte sich gleich neben Kiran. Seine Anwesenheit beruhigte sie und mit einem leisen Seufzer lehnte sie sich an seine Schulter. Elrond schloss die Tür, diesesmal lautlos und drehte sich dann zu allen um. Und als er sah, dass sowohl seine Söhne als auch seine Berater eine Art Schutzmauer um die junge Elbin gebildet hatten, musste er unfreiwillig lächeln.

"Ihr müsst sie nicht beschützen. Ich hatte nicht vor, ihr irgendetwas zu tun."

"Aber Ihr habt mich angebrüllt."

"Das hast du auch verdient, Kiran. Was hast du dir denn dabei gedacht? Die Hobbits waren nicht zum Rat geladen und du hilfst ihnen dabei, alles zu belauschen. Wie war das noch mal mit dem: ich will nicht in die Geschichte eingreifen?"

Kiran löste sich von Lindir und trat aus dem Kreis ihrer Beschützer.

"Das habe ich auch nicht. Jedenfals nicht wirklich. Die drei hätten euch auch ohne meine Hilfe belauscht. Ich habe also nichts getan."

"Auch wenn das wirklich so gekommen wäre, wie du sagst, so hast du doch jetzt in die Geschichte eingegriffen. Oder verstehe ich da irgendetwas falsch?"

"Ja. Nein. Ach, ich weis nicht. Aber es war nichts schlimmes. Es wäre schließlich auch ohne mich passiert."

Elrond atmete tief ein und aus.

"Nun, dass können wir jetzt nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Aber ich finde, Strafe muss sein."

"Strafe? Ihr wollt sie bestrafen, Lord Elrond?"

Lindir griff nach Kiran's Schulter und zog sie in eine schützende Umarmung. Die Blicke der anderen war ihm im Moment egal. Er wollte Kiran nur beschützen und daran war ja nichts verwerfliches. Auch Kiran ahnte etwas schlimmes. Sie beobachtete den Elbenlord sehr wachsam.

"Ja, Lindir. Kiran wird von mir eine Strafe auferlegt bekommen. Und sie wird sie einhalten, egal wie sehr sie sich auch dagegen streuben mag."
 

***
 

Erst vor einigen Minuten hatte Kiran dann erfahren, wie die Strafe aussehen sollte. Sie hatte sich wirklich den Kopf darüber zerbrochen, aber sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass Lord Elrond sie so dermaßen bestrafen würde.

"Ich kann das nicht, Lord Elrond!"

"Und ob du kannst! Es ist alles vorbereitet und jetzt lass los!"

"Nein! Die anderen sind bestimmt ebenfals dagegen! Habt Ihr die überhaupt gefragt?"

"Wieso sollte ich? Ich bestimme, dass du sie begleiten wirst. Jedenfals ein gutes Stück."

"Ich will aber nicht!"

Kiran war wirklich den Tränen nahe. Ihr schlimmster Alptraum wurde wahr. Sie sollte die Gefährten auf ihrer Reise begleiten. Das konnte einfach nicht gut gehen, egal wie sie es auch drehte und wand. Früher oder später würde sie etwas tun, was das Gleichgewicht in dieser Welt vollkommen zerstörte. Aber wieso sah der Herr von Bruchtal das nicht ein?

"Aber bedenkt die möglichen Konsequenzen!"

"Dann wirst du dich eben zurück halten."

"Das kann ich ja auch soooo gut, Lord Elrond. Ich hab's doch schon beim Rat nicht geschafft, mich zusammen zu reißen. Und dann soll ich das gerade auf dieser gefährlichen Reise können? Euer Vertrauen in mich möchte ich gerne haben."

"Kiran, ich werde nicht weiter mit dir diskutieren!"

Mit einem letzten kräftigem Zug hatte er sie entlich vom Pfosten gelöst und zog sie jetzt hinter sich her. Kiran wimmerte zwar herzzerreißend, aber er würde ihr nicht nach geben. Sie wusste zu viel, als das sie auf dieses Wissen verzichten konnten. Und schließlich war sie jetzt auch ein Teil dieser Welt, da konnte sie schon etwas zur deren Rettung beitragen.
 

***
 

Als die beiden Elben in den Sonnenbeschienen Hof gingen, wurden sie neugierig gemustert. Es war ungewöhnlich, dass Lord Elrond jemanden zwang, ihm zu folgen und Kiran war bekannt für ihr freiheitliebendes Wesen. Was also war da los? Neugierig geworden folgten ihnen einige Elben, um ja nichts zu verpassen.
 

***
 

Elrond blieb vor Gandalf und den anderen stehen und hielt Kiran immer noch an der Hand. Die junge Elbin hatte mitlerweile aufgehört, vor sich hin zu wimmern und begnügte sich jetzt damit, finster durch die Gegend zu blicken. Ihr Hauptziel in dieser Tätigkeit war Lord Elrond, der ihre finsteren Blicke durchaus merkte, sich aber nicht darum kümmerte. Gandalf sah seinen Elbenfreund etwas irritiert an, doch er kam gar nicht dazu, Fragen zu stellen, denn Lord Elrond erhob schon die Stimme.

"Die Gemeinschaft besteht weiterhin aus neun Gefährten, doch habe ich mich dazu entschlossen, Euch Kiran mit auf den Weg zu geben. Sie kennt sich in den Landen aus und weis eine Gefahr durchaus einzuschätzen."

Als die Stimme des Herrn verklungen war, herrschte erst einmal Schweigen, doch dann redeten einige Mitglieder durcheinander.

"Wieso? Eine Frau mit dabei zu haben ist gefährlich."

"Wir können uns nicht immer um ihre Sicherheit kümmern."

"Bestimmt ist sie nur ein Klotz am Bein."

"Wenn sie mit soll, wieso hat sie sich dann nicht im Rat gemeldet?"

"Das kann doch nicht Euer Ernst sein, Lord Elrond?"

"Eine Frau kann niemals so gut kämpfen wie ein Mann."

"Habt Ihr keine Bedenken bezüglich ihres Rufes?"

Mit nur einer Handbewegung unterband Lord Elrond weitere Argumente und blickte streng in die Runde.

"Kiran ist durchaus fähig, sich alleine zu verteidigen. Sie weis, was für Gefahren auf Reisen drohen und sie wird euch bestimmt kein Klotz am Bein sein. Sie wird euch begleiten und das ist mein letztes Wort."

"Habe ich da denn gar kein Mitspracherecht?"

"Nein, hast du nicht."

"Das könnt Ihr doch nicht machen, Lord Elrond. Könnt Ihr meine Seite denn gar nicht verstehen?"

"Doch, durchaus. Aber ich gedenke, dein Wissen für unsere Seite zu nutzen. Legolas?"

Der angesprochene trat einen Schritt nach vorne und blickte Lord Elrond fragend an.

"Ich weiß, dass ihr beiden eine gewisse Abneigung zueinander habt, aber ich würde dich bitten, sie im Augen zu behalten. Bei der ersten sich bietenen Gelegenheit wird sie das Weite suchen wollen."

"Hy, ich stehe direkt neben Euch."

Legolas blickte entgeistert von Elrond zu Kiran und er konnte deutlich sehen, dass die junge Elbin damit ebenfals nicht einverstanden war. Aber er konnte keine Bitte des Elbenlords abschlagen und so nickte er.

"Ich werde sie stehts im Auge behalten, Lord Elrond. Ihr müsst Euch keine Sorgen machen."

"Jedenfals nicht um mich."

Kiran warf einen hilfesuchenden Blick zu Lindir, doch dieser konnte einfach nur hilflos mit den Schultern zucken.

"Dann solltet ihr aufbrechen. Es gilt, die Zeit zu nutzen, die ihr habt."

Zustimmendes Gemurmel ging durch die Gemeinschaft. Kiran entwand dem Elbenlord ihre Hand, warf ihm einen bösen Blick zu und schritt zu Lindir.
 

***
 

"Ich will nicht, dass du gehst."

Kiran lächelte ihn an.

"Ich auch nicht, glaub mir. Die machen nämlich alles andere als einen Spaziergang."

Er hob die Hand und liebkoste ihre Wange.

"Sei bitte vorsichtig. Ich will nicht, dass dir was passiert."

Kiran schloss die Augen und gab sich dieser sanften Geste hin. Am liebsten würde sie hier bleiben. Aber Lord Elrond lies ihr ja keine Wahl. Als sie Lindir's Atem auf ihrem Gesicht spürte, schlug sie kurz wieder die Augen auf. Er hatte seine Stirn gegen ihre gelegt und sein Gesichtsausdruck tat ihrem Herzen weh. Sie hob die Hände und umspannte sein Gesicht.

"Lindir, ich verspreche dir, dass ich vorsichtig sein und gesund wieder zu dir zurück kehren werde. In Gedanken werde ich immer bei dir sein. Und das Wissen, dass du hier in Sicherheit bist, ist ungemein tröstend für mich."

"Wieso nur musst du gehen? Eigetlich soll der Mann die Frau beschützen und nicht umgekehrt."

Kiran strich mit ihren Lippen sacht über seine Wange.

"Dann ist es diesmal eben so. Millin cen, Lindir. Mein Herz und meine Gedanken werden immer bei dir sein."

Lindir hob den Kopf und sah in ihre Augen.

"Millin cen, Kiran. Möge Eru über dich wachen und dafür sorgen, dass du möglich bald wieder bei mir bist."

Er schloss sie in die Arme und die beidn Elben versanken in einen letzten zärtlichen Kuss. Ihnen war es jetzt egal, wer ihnen dabei zu sah. Jetzt zählten nur noch sie und Lindir betete, dass sie das alles heil überstehen mochte. Als die beiden sich voneinander lösteb, schimmerten Tränen in den Augen der jungen Elbin. Lindir strich sie sanft fort.

"Ich hoffe, Legolas lässt die Finger von dir."

"Das wird er. Er kann mich nicht ausstehen."

"Kiran, es wird Zeit."

Die beiden Elben blickten sich noch ein letztes Mal in die Augen, dann ging Kiran zur Gruppe, um mit ihnen gemeinsam die Reise anzutreten. Die Reise, die über das Schicksal von Mittelerde entscheiden sollte, hatte begonnen.

Der erste Kuss

Eins vorweg: Bitte zerfleischt mich nicht, ja? Briefbomben dagegen nehme ich gerne in Kauf^^ Und jetzt viel Spaß beim lesen.
 

„Kiran, jetzt kommt endlich.“
 

Kiran drehte sich zu Gandalf um, denn er war es, der sie gerufen hatte. Der alte Zauberer stand schon etwas weiter oben, doch man konnte ihm ansehen, dass die kleine Kletterstunde anstrengend gewesen war. Schweiß tropfte von seiner Stirn und er stützte sich mehr als sonst auf seinen Zauberstab.
 

Ihr Blick schweifte zu den anderen Männern der Gruppe. Die Hobbits und Gimli hatten sich hingesetzt, um ihre Beine wenigstens etwas zu schonen. Für die Kleinen war es nicht so leicht, einen steilen Berg hochzuklettern und Kiran fragte sich, wieso Gandalf diesen Weg gewählt hatte. Schließlich hatten sie noch viele Meilen vor sich, ehe sie Rast machen wollten. Wieso also scheuchte der Zauberer sie über die Berge?
 

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Aragon Boromir das letzte Stück hoch zog. Der Mensch aus Gondor hatte den größten Teil des Gepäcks übernommen, da er am kräftigsten war, doch auch für ihn war der Aufstieg alles andere als ein Spaziergang.
 

Lediglich Aragon und Legolas hatten keine Probleme dabei, was Kiran auch nicht sonderlich wunderte. Der eine war ein Waldläufer und kannte sich mit solchen Aktionen also bestens aus und der andere war ein Elb. Und Elben fiel bekanntlich ja alles leicht.
 

Kiran rümpfte etwas die Nase, als ihr erneut bewusst wurde, dass sie ja jetzt auch zu diesem Volk gehörte. Sie hoffte inständig, dass sie nie so unausstehlich perfekt wurde.
 

„Träumt nicht, kommt endlich.“
 

Gandalf’s Stimme zeigte deutlich, dass er dir Geduld mit ihr verlor und seufzend machte Kiran sich daran, das letzte bisschen Felsen zu erklimmen. Auf ihrer Reise hatte sie auch des Öfteren klettern müssen, doch besonders scharf war sie nie drauf gewesen. Denn wenn man gerade am klettern war, konnte man sich nicht verteidigen, wenn ein Gegner auftauchte. Und permanent mit einem breiten Schild auf dem Rücken zu klettern war einfach viel zu anstrengend.
 

Kiran wollte gerade nach dem letzten Vorsprung greifen, den sie benötigte, um oben anzukommen, da griff jemand nach ihrer Hand. Ein elektrischer Schlag ging durch ihren ganzen Körper und Kiran hatte das Gefühl, als würde ihre ganze Welt kopfüber fallen, nur um sich dann nach wenigen Sekunden neu zu fokussieren. Sie hob den Blick und sah Legolas über sich stehen, ihre Hand in seine. Sein Blick war ungläubig geweitet und ein seltsamer Schimmer vertiefte das Blau in seinen Augen. Es war den beiden unmöglich, den Blick voneinander zu lösen. Fast schien es, als würden hauchdünne und unzerreißbare Fäden sie aneinander binden. Und je länger sie sich ansahen, umso mehr Fäden wurden gewoben.
 

Gandalf’s fast schon wütendes Räuspern riss die beiden Elben aus ihrer Starre und Legolas zog sie mit einem schnellen und kraftvollen Ruck nach oben. Doch entweder hatte er seine Kraft unterschätzt oder sie schwerer eingeschätzt. Kiran wurde durch ihn praktisch nach oben katapultiert und prallte gegen ihn.
 

Um sie beide vor einem Sturz zu bewahren, legte Legolas beide Arme um sie und hielt mit seinen Beinen das Gleichgewicht. Kiran hielt sich an seinen Schultern fest und half mit, damit sie nicht zu Boden stürzten. Es war, als wären sie eine Person, die in zwei Körpern steckte, aber nicht verlernt hatte, als eine zu denken und zu handeln.
 

Der Geruch nach Wald und Wiesen stieg ihr in die Nase und sie fühlte sich seltsam entspannt. Sie konnte sagen, was sie wollte, angenehm roch er.
 

Auch Legolas war für einen kurzen Moment in der Welt der Sinnenwahrnehmungen gefangen. Er hielt ihren weichen und warmen Körper, der sich perfekt an seinen anpasste und er roch ihren Duft. Ein Duft, den er nie wieder vergessen würde. Es war eine Mischung aus dem frischen Bergwind und einigen Kräutern, die sie vor zwei Tagen zum Baden benutzt hatte. Ihr weiches Haar glitt über seine Hände und er hatte das Gefühl, dass erneut ein Blitz durch seinen Körper schoss.
 

Die Stimme des Zauberers durchdrang erneut diesen Zauber und die beiden Elben fuhren so schnell auseinander, als hätten sie sich aneinander verbrannt.
 

„Gut, jetzt wo wir alle oben sind, können wir ja weiter gehen. Kiran, bitte keine Verzögerungen mehr. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns und wir haben nicht so viel Zeit, wie wir gerne hätten.“
 

Gandalf setzte sich wieder in Bewegung und der Rest der Gruppe folgte ihm. Kiran überzeugte sich davon, dass ihre Waffen noch an ihren Stellen waren und lief dann hinter den Männern her. Sie verkniff sich jedes Wort, denn es würde nichts bringen, wenn sie sich mit Gandalf streiten würde.
 

***
 

Legolas lief der Gruppe ein gutes Stück voraus. Er hatte die Aufgabe, Gefahren frühzeitig zu entdecken. Außerdem brauchte er Abstand zu der jungen Elbin. Sie verwirrte seine Sinne viel zu sehr. Seufzend warf er einen Blick über die Schulter. Sie unterhielt sich gerade mit dem Menschen aus Gondor und ein fröhliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Ihre kupferroten Haare wehten leicht im Wind und ihre bronzefarbenen Augen funkelten erheitert. Kopfschüttelnd lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Aufgabe. Wieso nur beschäftigte diese Frau ihn so sehr? Sie war eine neugeborene Elbe und außerdem war sie mit Lindir zusammen. Und sie liebte ihn, denn ansonsten hätte sie sich nicht verwandelt.
 

***
 

„Legolas? Legolas?“
 

Legolas zuckte zusammen, als Aragon vor ihm auftauchte und ihm eine Schale mit Suppe hin hielt. Er war so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht gehört hatte, wie sich der Mensch ihm genährt hatte und das war sehr ungewöhnlich. Zwar wusste er, wie leise und unauffällig sich Aragon bewegen konnte, aber trotzdem hätte er ihn hören müssen. Wortlos nahm er seinen alten Freund die Schale ab, stellte sie aber nur neben sich. Er hatte im Moment keinen Hunger.
 

***
 

Aragon sah seinen Elbefreund stirnrunzelnd an. Es war nicht Legolas Art, so sehr in Gedanken versunken zu sein. Er schien nichts um sich herum wahr zu nehmen und das war untypisch für den jungen Elben. Besorgt setzte er sich neben ihn und sah kurz zur der kleinen Gruppe, die sich um das Lagerfeuer versammelt hatten, um wenigstens etwas Wärme abzubekommen. Er versicherte sich, dass sie weit genug weg saßen, damit niemand sie hörte. Kiran war in ein Gespräch mit Boromir vertieft und somit hatte der Mann aus Gondor ihre Aufmerksamkeit.
 

„Was ist los, mein alter Freund? Du bist sonst nicht so abwesend.“

„Es ist nichts.“
 

Aragon seufzte. Legolas war nicht der Typ Mann, der seine Probleme zugab und das nervte ihn ein wenig. Wieso musste er ihm alles aus der Nase ziehen?
 

„Nach nichts sieht es aber nicht aus. Irgendwas beschäftigt dich. Was ist es?“
 

Der blonde Elb sah seinen menschlichen Freund eine Zeitlang schweigend an, dann seufzte er.
 

„Es ist dieses Mädchen. Irgendwas stimmt nicht.“

„Mit Kiran? Eigentlich erlebe ich sie als recht normal. Nun gut, sie ist eine frisch umgewandelte Elbe, aber ist es das, was dich beschäftigt?“
 

Legolas atmete tief ein und aus. Sein Blick hing an ihr und als er sah, wie sie Boromir in einer zärtlichen Geste die Hand auf die Schulter legte, flammte Eifersucht in ihm auf.
 

„Das meine ich nicht. Meine Gefühle spielen verrückt. Schon die ganze Zeit, aber heute Vormittag, wo ich sie hochgezogen habe, seit dem noch mehr. Es ist, als hätten sich zwischen uns Fäden gebildet, die uns auf irgendeine Art aneinander binden.“

„Vielleicht, weil ihr beide Elben seid. Eine Art der Zugehörigkeit?“
 

Legolas schüttelte den Kopf.
 

„Nein, denn so etwas habe ich zum ersten Mal erlebt.“

„Mein Freund, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist verliebt.“
 

Das Entsetzen in den blauen Augen war deutlich zu sehen und Aragon bereute es schon, diese Worte ausgesprochen zu haben. Es war schließlich unmöglich, dass Legolas sich so schnell in jemanden verliebte und es noch nicht einmal merkte. Er wusste, dass Legolas schon einige Frauen gehabt hatte, aber bei keiner hatte er es so beschrieben. Was also konnte es sein?

Tröstend legte der Mensch dem Elben eine Hand auf die Schulter.
 

„Mach dir keine Gedanken. Vielleicht irritiert sie dich auch einfach ein wenig. In ein paar Tagen wird das bestimmt vorbei sein und du wirst dich an sie gewöhnt haben. Ich werde mich jetzt schlafen legen und in drei Stunden die nächste Wache übernehmen. Einverstanden?“
 

Legolas nickte und Aragon ging zu den anderen ans Lagerfeuer zurück. Der Blick des Elben hing weiterhin an der jungen Frau. Im Schein des Feuers glitzerten ihre Haare wie poliertes Kupfer und ihre Augen strahlten noch mehr. Ihre Bewegungen waren ruhig, fließend und elegant und zogen ihn in ihren Bann. Mit seinen Sinnen konnte er hören, was sie mit Boromir beredete. Sogar ihre Stimme verzauberte ihn.
 

„Wart Ihr oft in der Nähe der Weißen Stadt, Kiran?“

„Nein, eher weniger. Ich habe die großen Städte gemieden und habe mich eher in kleineren Dörfern aufgehalten. Und das auch nur, wenn ich etwas benötigte.“

„Ihr seid also sehr viel gereist.“
 

Kiran lächelte Boromir an. Der junge Mann hing schon den ganzen Abend an ihren Lippen und schien sich gerne mit ihr zu unterhalten. Und sie fand seine Gesellschaft auch sehr angenehm.
 

„Ja, dass würde ich sagen. Ich habe mich ungerne lange irgendwo aufgehalten. Ich wollte so viel wie möglich sehen.“

„Wart Ihr denn auch schon im Auenland, Kiran?“
 

Frodo, der sich in eine dicke Decke gewickelt hatte, sah sie fragend von der anderen Seite des Lagerfeuers an.
 

„Ja, einmal, für ein paar Tage. Nur an der Grenze, aber ich fand es dort sehr angenehm. Nicht so groß und so weit. Sehr überschaubar. Und Euer Volk ist sehr gastfreundlich.“

„Das und neugierig.“
 

Kiran musste bei der Äußerung von Sam lachen. Der junge Hobbit hatte recht. Neugierig war dieses Völkchen wirklich, auch wenn das nicht jedem bekannt war.
 

Die Gefährten unterhielten sich noch über dies und das, doch Kiran hörte ihnen nur noch mit halbem Ohr zu. Ihre Gedanken waren mit etwas anderem beschäftigt. Heute hatte sie deutlich die Verbindung zu Legolas gespürt und das machte ihr Angst. Sie wollte nichts für diesen Elben empfinden. Er wach hochnäsig, herablassen und unterkühlt. Sie konnte sich mit diesen Eigenschaften einfach nicht anfreunden. Außerdem liebte sie Lindir, wenn auch auf eine etwas andere Art. Ihm vertraute sie. Er brachte sie zum lachen und er wusste, was er tun oder sagen musste, wenn sie traurig war. Er bedrängte sie nicht, sondern lies ihr den Freiraum, den sie brauchte, auch wenn ihm das schwer fiel. Seufzend strich sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn und blickte versonnen ins Feuer. Wie lange würde es dauern, bis sie ihren geliebten Elben wieder sehen würde? Sie hoffte, dass das nicht so lange dauern würde, denn sie hatte jetzt schon Sehnsucht nach ihm.
 

„An was denkt Ihr, Kiran?“
 

Kiran schreckte aus ihren Gedanken und sah Boromir verwirrt und entschuldigen zugleich an. Sie war so sehr in ihren Gedanken gewesen, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie er sie ansprach.
 

„Bitte entschuldigt, Boromir, ich habe nicht zugehört. Was sagtet Ihr?“
 

Der junge Mann grinste.
 

„Ich habe Euch gefragt, woran Ihr denkt. Ihr hattet einen so entrückten und glücklichen Ausdruck im Gesicht und ich frage mich, woran Ihr gedacht habt.“
 

Ehe Kiran ihm antworten konnte, hallte Legolas Stimme zu ihnen herüber.
 

„Wieso fragt Ihr das, Boromir? Sie hat an ihren geliebten Lindir gedacht. Was sonst sollte sie so glücklich aussehen lassen?“
 

Kiran’s Blick flog zu dem blonden Elben, der schon wieder diese herablassende Miene aufgesetzt hatte und sie spürte, wie Wut in ihr hoch kochte.
 

„Es ist immer noch besser, einen glücklichen Gesichtsausdruck zu haben, weil man an eine geliebte Person denkt, als ständig mit einer Miene rumzulaufen, als hätte man Pferdemist unter seinem Schuh kleben, Elbenprinz.“
 

Legolas Wangen verfärbten sich vor Wut rot und er stand langsam auf, doch Kiran lies sich von dieser Geste nicht einschüchtern, sondern erhob sich ebenfalls in einer fließenden Bewegung.
 

„Hat man Euch nie beigebracht, dass man ältere Menschen mit Respekt zu behandeln hat?“

„Doch, natürlich. Aber da Ihr kein Mensch seit, gellten solche Regeln nicht.“

„Ihr solltet besser Eure Zunge zügeln, denn sonst überlege ich mir, sie abzuschneiden, wenn ihr schlaft.“
 

Kiran starrte Legolas wütend an. Sie suchte schon nach einer schlagfertigen Erwiderung, doch da fiel ihr ein altes Sprichwort der Menschen wieder ein. Der Klügere gibt nach und sie war ohne Zweifel der Klügere von ihnen beiden. Also reckte sie nur das Kinn nach oben, warf ihm einen letzten, alles sagenden Blick zu und setzte sich dann wieder auf ihren Platz. Sie würde diesen Elben einfach ignorieren. Das war das Beste, was sie machen konnte.
 

„Nanu, keine Erwiderung? Oder habt Ihr endlich Vernunft angenommen?“
 

Als sie ihm nicht antwortete, ihn noch nicht einmal ansah, wurde Legolas stutzig. Was sollte das denn jetzt werden? Wollte sie ihn etwa ignorieren? Es sah ganz so aus. Nun gut, dann würde er es ihr gleich tun. Damit konnte er am besten leben und sie würde schon sehen, was sie davon hatte. Legolas ging ein paar Schritte weiter vom Lagerfeuer weg und konzentrierte sich jetzt wieder auf seine Aufgabe.
 

***
 

Kiran wachte irgendwann in der Nacht auf und richtete sich auf. Die anderen schliefen tief und fest und Gimli’s, Boromir’s und Gandal’s Schnarchen erfüllte die Luft. Doch das war es nicht, was sie geweckt hatte. Es war viel mehr ein Gefühl von Gefahr gewesen, doch jetzt schien es weg zu sein. Langsam stand sie auf und stieg vorsichtig über ihre schlafenden Gefährten, um sie nicht zu wecken. Offenbar hatte Legolas immer noch Wache, doch sie war überzeugt, dass sie länger als drei Stunden geschlafen hatte. Vermutlich war Aragon einfach zu erschöpft gewesen und Legolas hatte ihn einfach nicht wecken wollen. Elben kamen schließlich für lange Zeit ohne Schlaf aus. Als sie das Lager hinter sich hatte, streckte sie sich erst einmal ausgiebig, um die restliche Müdigkeit aus ihren Knochen zu vertreiben und dann blickte sie sich um. Dieser Elb musste doch irgendwo sein.
 

Kiran ging lautlos umher und suchte Legolas, doch sie konnte ihn einfach nicht entdecken. Sie wagte sich sogar etwas in den Wald hinein, weil sie vermutete, dass er dort Posten bezogen hatte. Doch wenn er hier war, dann konnte er sich wirklich gut verstecken. Sie lehnte sich an einen Baum und versuchte, etwas in der Dunkelheit auszumachen, doch alles war friedlich. Aber warum hatte sie dann das Gefühl gehabt, dass Gefahr drohte? Es war, als hätte eine dunkle Macht nach ihnen gegriffen und sich dann aus irgendeinem Grund wieder schnell zurück gezogen. Missmutig runzelte Kiran die Stirn. War auf ihr Gefühl denn gar kein Verlass mehr? Und wo zum Teufel steckte dieses Spitzohr?
 

„Legolas, wo steckst du?“
 

Sie bekam keine Antwort, welche Überraschung aber auch. Missmutig verzog sie das Gesicht und beschloss, zurück ins Lager zu gehen. Offenbar wollte er nicht abgelöst werden. Gerade als sie sich umdrehte, bohrte sich ein Pfeil direkt vor ihr in den Baum. Erstarrt blieb sie stehen und konnte den Blick nicht von dem Pfeil abwenden. Es war ein Elbenpfeil.
 

Langsam wand sie den Kopf und blickte in die Richtung, aus der er abgeschossen wurde. Legolas stand zwischen einigen Bäumen und senkte gerade seinen Bogen. Der Blick, den er ihr zuwarf, war durchdringend und zeigte ihr, dass er sie nicht hier haben wollte. Die altbekannte Wut suchte sich wieder ihren Weg an die Oberfläche. Sie griff nach dem Pfeil und zog ihn aus dem Baum. Mit weit ausholenden Schritten ging sie auf den Elben zu und hielt ihm wortlos den Pfeil hin.
 

Misstrauisch betrachtete er den ihm dargebotenen Pfeil und griff dann danach. Er hatte ihn gerade in die Hand genommen, da schnellte ihre andere Hand vor und sie gab ihm eine Ohrfeige, die im Wald widerhallte.
 

***
 

Legolas Wange brannte und er starrte sie wütend an, doch Kiran lies sich davon nicht beeindrucken und starrte genau so finster zurück. In ihren Augen tobte ein wilder Sturm und sie funkelten gefährlich.
 

„Welches Pferd hat dich getreten, dass du einen Pfeil auf mich abschießt?“
 

Ihre Stimme war eisig, doch Legolas fand, dass sie trotzdem noch wunderschön klang. Als er den Gedanken beendete, schüttelte er darüber den Kopf. Wieso dachte er das?
 

„Kannst du mir auch mal antworten?“

„Weil ich Lust drauf hatte.“
 

Kiran holte hörbar Luft und hob erneut die Hand, doch diesmal war er darauf vorbereitet und so fing er sie vorher ab. Seine Finger schlossen sich um das schmale Handgelenk und er drückte leicht zu.
 

„Lass los!“

„Damit du mich wieder schlagen kannst? Ich denk gar nicht dran.“
 

Doch Legolas musste feststellen, dass Kiran nicht nur ihre Hände benutzte, sondern auch ihre Füße. Er sah, wie sie ihr Bein nach hinten schwang und er wusste, dass sie es auf sein Schienbein abgesehen hatte. Mit einer fließenden Bewegung machte er einen Schritt zur Seite, so dass Kiran’s Angriff ins Leere ging. Doch sie hatte zu viel Schwung in der Bewegung und so kippte sie sehr weit nach hinten.
 

Legolas reagierte, ohne nachzudenken. Mit der anderen Hand griff er nach ihrer Hüfte, zog sie an sich und bewahrte sie so vor dem Sturz. Und schon zum zweiten Mal an diesem Tag schmiegte sich ihr Körper an seinen. Sofort wurde er wieder von ihrem Duft eingehüllt und unbewusst vergrub er sein Gesicht in ihr dichtes Haar, um tief einzuatmen.
 

Kiran stand reglos in seiner Umarmung und wusste nicht, wie ihr geschah. Er hatte sie davor bewahrt, zu stürzen und jetzt hatte er sein Gesicht in ihrem Haar vergraben und sog ihren Duft in sich auf. Eine unglaubliche Hitze strömte durch ihren Körper und unbewusst lehnte sie sich noch mehr an ihn. Ihre Körper passten perfekt zusammen. Ihre weichen Rundungen schmiegten sich perfekt an seinen trainierten Körper. Sie legte ihre freie Hand auf seine Brust und spürte sogar durch den dicken Stoff noch seine Körperwärme und fühlte seinen Herzschlag. Doch was sie erschreckte war, dass ihres im gleichen Takt schlug. Ruhig, gleichmäßig und kraftvoll. Sie spürte, wie Legolas den Kopf hob und tat es ihm gleich. Meerblaue Augen trafen auf bronzefarbene und es schien, als würde die Zeit still stehen. Als würde sich das ganze Universum auflösen und nur noch sie zwei würden darin leben. Die Fäden zwischen ihnen wurden stärker und neue kamen hinzu. Ehe die beiden wussten, was passierte, trafen sich ihre Münder zum ersten Kuss.

Klare Ansage

Der Wind huschte zwischen den Bäumen hindurch und lies das Laub ein verzaubertes Lied singen. Die Tiere der Nacht stimmten mit ein und zusammen ergab es das schönste Lied der Welt.
 

Kiran lehnte an Legolas Körper, seine Arme hatte er um sie geschlungen und sein Mund lag immer noch auf ihrem. Unbewusst hatte sie die Augen geschlossen und spürte so viel mehr. Die Wärme seines Körpers, der Geruch, der ihn ausmachte, das Schlagen seines Herzens und die Weichheit seiner Lippen.
 

Ihre Hände lagen auf seiner Brust und sie hatte das Gefühl, dass ihre Beine sie nie wieder würden tragen können. Dazu hatte sie einfach keine Kraft mehr.
 

Seine starken Arme hielten sie unglaublich sanft und seine Hände, die auf ihrem Rücken lagen, verbreiteten von dort aus eine unglaubliche Wärme. Sie fühlte, wie ihr Körper sich perfekt an seinen schmiegte, sie ergänzte, so, dass sie eins waren.
 

Doch da erschien Lindir’s Bild in ihrem Kopf und Kiran riss die Augen auf. Sie drückte Legolas von sich weg und taumelte ein paar Schritte zurück. Ihre bronzefarbenen Augen waren vor Schreck und Unglauben geweitet und verstört legte sie sich eine Hand auf den Mund.
 

***
 

Legolas schien sich auch erst jetzt bewusst zu werden, was passiert war, denn er sah sie aus großen Augen an. Das Blau seiner Augen war noch dunkler, als wenn er wütend war und er fühlte eine unbeschreibliche Hitze in sich. Sein Körper hatte auf sie reagiert und er wusste beim besten Willen nicht, wieso.
 

Aber eins wusste er. Er ertrug es nicht, von ihr getrennt zu sein. Kaum hatte sie sich ihm entzogen, da keimte Sehnsucht und Verlangen stärker den je in ihm auf. Es war, als würden diese unsichtbaren Fäden verhindern wollen, dass er sich von ihr trennte. Ohne zu wissen, wieso er das eigentlich tat, machte er einen Schritt auf sie zu, doch sie wich mit einem erstickten und verängstigten Laut zurück.
 

***
 

Kiran wich zurück, als er einen Schritt auf sie zumachte. Was hatte sie getan? Wieso hatte sie ihn geküsst? Innerlich verfluchte sie diesen ganzen Seelengefährten-Quatsch aufs neue. Wer hatte sich das eigentlich ausgedacht? Und wieso musste ausgerechnet er für sie bestimmt sein? Als sie sah, wie er etwas sagen wollte, fauchte sie ihn an.
 

„Bilde dir darauf nichts ein! Wenn es nach mir geht, ist das eben nie passiert!“
 

Legolas verzog das Gesicht und spürte Wut in sich aufsteigen.
 

„Von mir aus. Und du brauchst nicht zu glauben, dass es mir Spaß gemacht hat, dich zu küssen.“
 

Sie zog eine Augenbraue nach oben und ihr Blick wanderte an seinem Körper gen Süden und blieb kurz an der verräterischen Ausbuchtung in seiner Hose hängen. Dann sah sie ihm wieder in die Augen.

„Ach nein? Das sieht mir aber nicht so aus.“
 

Legolas zupfte verlegen seine Tunika tiefer und starrte Kiran wütend an. Wieso nur musste sein Körper ihn verraten? Das war nun wirklich nicht fair.
 

Kiran warf ihre langen Haare zurück auf den Rücken und sah ihn wütend und herablassend an.
 

„Wenn du es wagst, irgendjemanden davon zu erzählen, dann wirst du erleben, was es heißt, eine Frau wütend zu machen.“
 

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zurück zum Lager. Legolas blieb allein zurück.
 

***
 

Als Kiran wieder im Lager ankam, fand sie alles so vor, wie sie es zurück gelassen hatte. Jeder schlief noch an seinem Platz und sie beschloss, sich ebenfalls noch etwas Ruhe zu gönnen. Sie hätte nie gedacht, dass ein Streit mit Legolas sie so müde machen würde.
 

Was fiel diesem Elben überhaupt ein, mit einem Pfeil auf sie zu schießen? Hatte er sie nicht mehr alle? Wollte er sie so dringend los werden? Kiran wollte gerade über den schlafenden Boromir steigen, als jemand sie am Arm packte und unsanft zurück riss. Sie prallte gegen einen warmen Körper und als sie den Geruch in ihre Nase zog, wusste sie auch gleich, wer sie so rüde zurück gerissen hatte.
 

„So nicht, Mädchen. Du lässt mich nicht so stehen.“
 

Sein Mund war nahe an ihrem Ohr und er zischte mehr, als das er sprach. Sein warmer Atem streifte ihre sensible Ohrspitze und ein Schauer ging über ihren Rücken. Der Griff um ihren Arm war unnachgiebig und sie wusste, dass sie ihm nicht so einfach würde entkommen können. Mehr als unsanft drehte Legolas sie zu sich herum und sah sie wütend an.
 

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Was bildest du dir ein, mich so zurecht zu weisen und mich so stehen zu lassen?“
 

Kiran wusste, dass es viel wütender geklungen hätte, wenn er auf in der Sprache der Menschen gesprochen hätte, doch er verfiel in Sindarin, wodurch seine Stimme nicht so wütend klang, wie sie eigentlich sollte.
 

Seine freie Hand legte sich ebenfalls um ihren Oberarm und er zog sie noch etwas näher zu sich heran.
 

„Na los, antworte.“

„Was ich mir einbilde? Dich muss mal jemand von deinem hohen Ross herunter holen. Du bist eingebildet, selbstverliebt und herablassend. Solche Männer kann ich nicht ausstehen und das zeige ich denen dann auch. Und jetzt lass mich los.“

„Ich denke gar nicht dran. Ich will, dass du dich entschuldigst.“

„Wofür? Dafür, dass ich die Wahrheit sage oder eine eigene Meinung habe? Vergiss es, Elb.“
 

Die beiden Elben starrten sich wütend an, keiner wollte nachgeben. Kiran hatte inzwischen ihre Hände auf seine Brust gelegt und versuchte, ihn von sich weg zu schieben, doch Legolas stand fest wie ein Fels und rührte sich keinen Millimeter. Er war ja so was von stur!
 

„Lass mich los!“

„Erst, wenn du dich entschuldigst und mich mit dem Respekt behandelst, den ich verdiene.“

„HA!“
 

Kiran hatte ungewollt ihre Stimme erhoben und davon war Legolas so überrascht, dass er sie erschrocken los lies. Damit hatte Kiran wiederum nicht gerechnet und taumelte nach hinten. Gerade als sie dachte, sie hätte ihr Gleichgewicht wieder gefunden, stieß sie mit ihrer Ferse an den Körper von einen der Gefährten. Jetzt war ihr Gleichgewicht endgültig dahin und mit einem erstickten Aufschrei fiel sie hinten über.
 

Und sie landete Punktgenau mit ihrem Hintern in Boromir’s Magengrube.
 

Dieser schoss in die Senkrechte und stieß einen wüsten Fluch aus, der auch den Rest der Gemeinschaft weckte.
 

„WAS SOLL DIESER LÄRM?“
 

Gandalf blinzelte zu ihnen herüber und was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Kiran saß, oder besser gesagt, lag quer über Boromir, dieser saß irritiert auf seinem Schlafplatz und Legolas stand keine drei Schritte von den beiden entfernt und hatte die Hände merkwürdig erhoben.
 

Kiran schaffte es irgendwie, sich auf ihre Ellbogen aufzustützen und warf Legolas nun mehr als vernichtende Blicke zu. Der Elb sah irgendwie verzweifelt aus, doch das dämmte ihre Wut kein Stück. Doch ehe sie sich erheben konnte, zog Boromir sie von sich runter und mit ihm zusammen auf die Füße. Normalerweise war er ganz gut auf die junge Elbin zu sprechen, doch jetzt nicht. Wütend stieß er sie in Legolas Richtung und dieser fing sie automatisch auf und verhinderte so, dass sie stürzte.
 

„LANGSAM REICHT ES MIR! WENN IHR EUCH STREITEN WOLLT, DANN TUT DAS MEINETWEGEN! ABER LASST DIE SCHLAFEN, DIE EH SCHON KAUM SCHLAF BEKOMMEN! SO WIE MICH ZUM BEISPIEL! ICH HABE IN DEN GANZEN LETZTEN FÜNF TAGEN KAUM EIN AUGE ZUGEMACHT UND NUR WEIL IHR ZWEI EUCH STREITEN MÜSST, WERDE ICH WIEDER DAVON ABGEHALTEN! WIE SOLL DAS DENN WERDEN, WENN WIR VON ORKS ANGEGRIFFEN WERDEN? WIR ALLE BRAUCHEN UNSEREN SCHLAF! WENN IHR EUCH UNBEDINGT WEITERSTREITEN WOLLT, DANN TUT DAS AUßERHALB DES LAGERS!“
 

Boromir schnappte nach seiner, mehr als lauten Standpauke, enorm nach Luft und funkelte die beiden Elben wütend an, die beide synchron ein paar Schritte zurück gegangen sind. Ehe einer der beiden Streithähne noch etwas sagen konnte, griff Gandalf ein.
 

„Boromir hat recht. Wir alle brauchen unseren Schlaf und es ist nicht gut, wenn sich zwei der Gefährten immerzu an die Kehle wollen. Wenn ihr euch weiterstreiten wollt, dann geht da ins Wäldchen, aber lasst uns unseren Schlaf. Für den Rest der Nacht will ich keinen Laut mehr hören.“
 

Damit drehte sich der alte Zauberer auf die andere Seite und schloss seine Augen. Die restlichen Gefährten folgten seinem Beispiel, auch wenn Boromir es sich nicht nehmen lies, den beiden noch einen letzten, alles vernichtenden Blick zuzuwerfen. Kurz darauf ertönte wieder das Schnarchen von einigen der Männer und die beiden Elben sahen sich verdutzt an. Doch als ihnen bewusst wurde, dass sie sich so nahe waren, sprangen sie fast auseinander, als hätten sie sich an dem jeweils anderen verbrannt.
 

Kiran strich ihre Kleidung glatt und warf ihr langes Haar zurück auf den Rücken und auch Legolas beschäftigte sich lieber mit Dingen, als sie anzusehen.
 

„Wenn du willst, dann leg dich schlafen. Ich übernehme die nächste Wache.“
 

Legolas sah kurz zu ihr und nickte. Die Standpauke von Boromir hatte ihnen fürs erste gereicht. Wenn es nach ihm ginge, würden sie sich fürs erste nicht mehr streiten. Er legte sich leise hin und sah in den Sternenhimmel, doch aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er die junge Elbin.
 

Kiran setzte sich auf einen Stein, der etwas abseits vom Lager stand. Es hatte sie mehr als erschreckt, dass Boromir so die Stimme erhoben hatte. Aber sie wusste auch, dass er recht hatte. Wenn sie sich weiter mit Legolas streiten würde, würde das den Zusammenhalt erschweren. Jetzt war sie hin und her gerissen. Was sollte sie tun? Es kam schon mal gar nicht in Frage, dass sie sich gut mit ihm stellte. Dafür konnte sie ihn nicht genug leiden. Aber streiten und Gemeinheiten austauschen ging auch nicht, denn dazu würde der Rest nicht schweigen. Blieb also nur die Möglichkeit, ihn zu ignorieren. Zufrieden mit der gefundenen Lösung, nickte sie etwas und blickte zu den Sternen.
 

Ja, wenn sie ihn ignorierte, würde das einiges erleichtern. Lächelnd schloss sie die Augen und beschwor Lindir’s Bild herauf. Sie würde versuchen, dass alles schnell hinter sich zu bringen, um möglichst schnell wieder bei ihm sein zu können.
 

Ja, sie würde das hier überstehen und zu ihm zurück kehren. Und Legolas würde nie erfahren, was sie eigentlich für ihn war.

"Im si" *Ich bin hier*

***
 

Die Sonne brannte erbarmungslos auf sie nieder und Kiran wollte nur noch in den Schatten. Das Problem war nur, dass sie nirgends etwas entdecken konnte, wo sie sich hätte verkriechen können. Bei allen Göttern, es war erst früher Frühling und sie hatte das Gefühl, es wäre Hochsommer.
 

Schnaufend lies sie ihren Beutel fallen, den sie irgendwann zu einen Rucksack umfunktioniert hatte und sie ging auf die Knie. Wieso nur lief sie bei dieser Hitze zu Fuß durch die Gegend? Sie hatte sich eigentlich immer für klüger gehalten, doch mittlerweile zweifelte sie an ihrer Intelligenz. Müde kramte sie nach dem Wasserbeutel und gönnte sich einen kräftigen Schluck des kühlen Wassers. Die Flüssigkeit kühlte sie von innen und seufzend legte sie eine Hand auf ihren leicht gewölbten Bauch.
 

„Weist du, Schatz, deine Mama ist ganz schön leichtsinnig. Sie läuft mit dir im Bauch durch die Gegend, obwohl das nicht unbedingt das klügste ist. Papa würde mir was erzählen, wenn er es wüsste.“
 

Wehmütig dachte sie an Lindir. Wie sehr sie ihn vermisste. Das Gefühl wurde auch noch durch ihre Schwangerschaft verstärkt und schon zum X-ten Mal überlegte sie, wieder nach Bruchtal zu reisen. Sie könnte dort ihr Kind zur Welt bringen und außerdem würde Lindir sich freuen, wenn er erfuhr, dass er Vater werden würde. Wie zur Bestätigung bei diesem Gedanken stupste ihr Kind sie an. Lächelnd legte Kiran ihre Hand an genau die Stelle, wo sie eben getreten wurde. Immer wenn sie die Augen schloss und sich ihr Kind vorstellte, sah sie einen kleinen blonden Jungen, der seinem Vater zum verwechseln ähnlich sah. Sie sah, wie Lindir ihr gemeinsames Kind auf den Arm hatte, es schaukelte und fütterte, es freudig lachend in die Luft warf und wieder auffing. Oder wie er seinen Sohn vor sich auf das Pferd hob und eine langsame Runde im Schritt mit ihm ritt. Sie konnte sogar das Lachen der beiden hören.
 

Kiran schlug die Augen wieder auf und feste Entschlossenheit verdunkelte ihre Augen. Sie hatte sich entschieden. Sie würde zurück nach Bruchtal gehen.
 

Schnell rappelte sie sich wieder auf und machte sich auf den Weg, bevor sie es sich wieder anders überlegte. Sie war so sehr in ihren Gedanken versunken, dass sie das vertraute Zischen nicht hörte. Erst als sich der Pfeil schnell und unnachgiebig in ihren Bauch bohrte, war sie wieder in der Gegenwart. Ungläubig legte sie ihre Hand auf den Bauch und als sie die Finger wieder zurück zog, sah sie das helle Blut an den Fingerspitzen. Ein unbeschreiblicher Schmerz breitete sich in ihr aus und der Schrei, den sie ausstieß, war markerschütternd und verzweifelt.
 

Erneut ging Kiran in die Knie, zog den Pfeil aus ihrem Bauch und versuchte verzweifelt, die Blutung zu stoppen. Sie hörte die schweren Schritte der Ork’s und als sie aufsah, standen diese Kreaturen direkt vor ihr. Zähne fletschend grinsten sie und einer von ihnen zog ihr mit einer schnellen Bewegung seinen verdreckten Dolch über das Gesicht. Es entstand eine Wunde, die von der linken Kinnseite bis zu ihrer rechten Schläfe reichte, nur knapp wurde ihr Auge bei diesem Angriff verfehlt.
 

Kiran stieß einen Laut aus, der eine Mischung aus Verzweiflung und Schmerz war, dann bohrte sich der Dolch in ihren Brustkorb und als dieser Schmerz durch ihren Körper schoss, griff die Dunkelheit nach ihr. Sie sank auf den Boden und bevor sie sich der Schwärze hingab, die nach ihr griff, sah sie noch, wie einige Gestalten auf die Orkgruppe zugerannt kamen. Dann war da nichts mehr.
 

***
 

Kiran erwachte schweißgebadet und mit einem erstickten Schrei auf den Lippen. Ihr Oberkörper schoss nach vorne und sie prallte gegen eine harte Brust. Starke Arme und Wärme umfing sie und als sie den Geruch einatmete, wusste sie, wer es war. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie gab ihnen nach. Schlurzent schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und weinte an seiner Brust.
 

***
 

Legolas hatte Wache gehalten, als ihn ein ungutes Gefühl übermannte. Er konnte sich diese Beklemmung nicht erklären, denn als er sich umsah, war nirgendwo Gefahr. Sein Blick glitt über die Gefährten, die alle friedlich schliefen. Nun ja, bis auf zwei der Hobbits, die sich immer wieder umdrehten, weil sie offenbar keine geeignete Schlafposition finden konnten. Dann fiel sein Blick auf Kiran. Die junge Elbin hatte sich im Schlaf die Decke ganz ungünstig um die Beine gewickelt und bewegte sich unruhig, doch das war nichts ungewöhnliches. Er und die anderen hatten beobachtet, dass sie des öfteren einen unruhigen Schlaf hatte.
 

Als er sie so betrachtete, dachte er über die letzten beiden Wochen nach. Er und Kiran waren sich, so gut es ging, aus dem Weg gegangen und hatten es vermieden, sich gegenseitig Gemeinheiten an den Kopf zu werfen. Aber trotzdem war sein Blick immer öfter zu der jungen Elbin gewandert und hatte sie beobachtet. Er hatte sich jedes einzelne kleine Detail von ihr eingeprägt. Die Länge ihrer Haare und wie sie sie am liebsten trug, die Form ihres Gesichtes, den Schwung ihrer Lippen, das Funkeln in ihren Augen wenn sie lachte, die Formen ihres Körpers. Vor einigen Tagen hatte er sogar gesehen, dass sie ein kleines Muttermal unter dem linken Schulterblatt hatte, dass wie eine Mallonblüte geformt war. Es hatte ihn zwar verwundert, aber er hatte sie auch nicht darauf ansprechen können. Denn dann müsste er ihr ja sagen, dass er sie nackt gesehen hatte, als sie im See gebadet hatte. Es würde vermutlich nicht zählen, dass das nicht beabsichtigt war. Sie würde ihm die Augen auskratzen.
 

Gerade als er sich dazu entschlossen hatte, sich in der Nähe des Lagers umzusehen, hörte er, wie ein Ast unter einem schweren Gewicht brach. Mit einer fließenden Bewegung sprang er auf, griff seine Waffen und zielte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Er dachte erst gar nicht daran, seinem potenziellen Feind eine Warnung zukommen zu lassen, also schoss er einen Pfeil ab, der in der Dunkelheit des kleinen Waldes verschwand.
 

Als er nichts hörte, war er etwas irritiert. Vorsichtig machte er einen Schritt nach vorne, doch da löste sich eine Gestalt aus dem Schatten und trat näher ans Lagerfeuer heran.
 

„Du?“
 

„Ich hatte mir einen freudigeren Empfang erhofft.“
 

Legolas zog fragend eine Augenbraue nach oben, stellte seinen Bogen auf den Boden und stützte sich etwas darauf ab.
 

„Mitten in der Nacht?“
 

Das sanfte Lachen des Neuankömmlings hallte durch das Lager, dann wand sein Blick über die schlafenden Gefährten. Sein Blick blieb an der jungen Elbin hängen und leise ging er auf sie zu, um sich neben sie nieder zu knien. Eine blasse Hand strich über die kühle Haut an ihrer Stirn. Sie schwitzte schrecklich und schien einen Alptraum zu haben, denn sie hatte sich wie eine Kugel zusammen gerollt und beide Arme um ihre Körpermitte geschlungen.
 

„Wie lange geht das schon so?“
 

„Wir beobachten das schon seit einigen Nächten. Aber heute Nacht ist es besonders schlimm.“
 

Ein Mensch hätte das kurze Nicken nicht gesehen, doch ein Elb hatte bessere Sinne.
 

„Ich werde sie wecken.“
 

***
 

Die blasse Hand legte sich jetzt auf Kiran’s Schulter, doch kaum lag sie dort, riss Kiran die Augen auf, ein erstickter Schrei auf ihren Lippen und ihr Oberkörper schnellte nach oben, geradewegs gegen den des Neuankömmlings. Starke Arme schlossen sich um sie und als Kiran den ihr vertrauten Duft einatmete, entspannte sie sich sofort. Weinen schlang sie die Arme um den Nacken und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
 

***
 

Als Kiran gegen ihn geprallt war, war die Kapuze nach hinten gerutscht und so beleuchtete das Lagerfeuer die Gesichtszüge des Neuankömmlings. Silberne Haare fielen bis auf die Schultern und graue Augen leuchteten wie Quecksilber. Lippen hauchten einen Kuss auf ihren Scheitel.
 

„Im si, Kiran.“

Aufgerissene Wunden

So, ihr Lieben. Nach langer Zeit nun das 27.Kapitel. Entschuldigt, dass es so lange gedauert hat. Aber wie sagt schon ein altes Sprichwort?

"Gut Ding will Weile haben"
 

Nun viel Spaß beim lesen^^
 

***
 

Lindir's Auftauchen blieb auch für die restliche Gemeinschaft nicht geheim. Nicht etwa, weil Legolas sie geweckt hätte, nein, der Elb hatte dies gar nicht erst vor gehabt, doch geweckt wurden sie trotz der guten Vorsätze des Prinzen trotzdem.
 

Und zwar von Kiran's immer lauter werdenen Weinen.
 

Zuerst erwachten Gandalf und Aragon aus ihrem Schlaf und waren mehr als erstaunt, den Bruchtalelben zu erblicken. Aragon war es, der die restlichen Gefährten weckte, zwar unabsichtlich, aber dafür mit großem Erfolg. Er stolperte nämlich über das Geschirr, welches Sam, sauber gestapelt, neben die Feuerstelle gestellt hatte. Und der Lärm, der durch die ungewohnte Unachtsamkeit des Waldläufers verursacht wurde, weckte schließlich auch die restlichen Gefährten. Sie alle waren überrascht, Lindir zu sehen, doch sie stellten für's erste keine Fragen. Der Bruchtalelb hätte sie in diesem Moment sowieso nicht beantworten können, da er versuchte, Kiran dazu zu bringen, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Denn die junge Elbin weinte so krampfhaft, dass man befürchten musste, sie würde dabei ersticken.
 

Nach einigen Minuten in überraschter Starre machte Sam sich daran, ein Feuer zu entfachen, denn das alte war inzwischen erloschen. Frodo und Pippin sammelten das verstreute Geschirr wieder ein und Merry machte sich auf die Suche nach Brennholz. Gandalf und Gimli stopften sich erst einmal ihre Pfeifen, denn für sie gab es nichts zu tun. Aragon war zu Legolas gegangen und unterhielt sich nun leise mit ihm und Boromir schlief fast im sitzen ein.
 

Wenn Lindir nicht so mit Kiran beschäftigt gewesen wäre, hätte er es sehr komisch gefunden, wie dem Menschen immer und immer wieder der Kopf auf die Brust fiel. Doch er hatte wichtigeres zu tun, als einem müden Menschen beim Schlafen zuzusehen.
 

Kiran hatte sich, Eru sei Dank, etwas beruhigt. Sie weinte zwar immer noch, aber zum Glück bekam sie jetzt wieder besser Luft. Sie hatte sich an ihn geschmiegt und dabei ihr Gesicht in seiner Halsbeuge vergraben. Ihre Tränen brannten heiß auf seiner sensiblen Haut und ihr Atem brachte ihn fast um den Verstand. Sanft strich er ihr über Rücken und Arme und war erfreut, dass er immer noch eine entspannende Wirkung auf sie hatte. Als ihm jemand auf die Schulter klopfte, sah er auf und blickte in das Gesicht des Waldläufers.
 

"Geh etwas mit ihr in den Wald. Dort könnt ihr ungestört reden."
 

Lindir nickte ihm dankend und zustimmend zu, legte seine Arme etwas fester um Kiran und erhob sich mit ihr. Er nickte den Gefährten noch einmal kurz zu, dann verschwand er mit Kiran zwischen den Bäumen.
 

Als die beiden Elben zwischen den Bäumen verschwunden waren, hätte man meinen können, ein Seufzer der Erleichterung würde durch das Lager gehen. Sam wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als Legolas' Hand in die Höhe schoss und ihn daran hinderte.
 

"Kein Wort."
 

Beleidigt zog der sonst so gutmütige Sam eine Schnute und wand sich wieder der Feuerstelle zu.
 

"Ich wollte bloß fragen, wer noch etwas Eintopf möchte."
 

***
 

Lindir entfernte sich ein gutes Stück von den Gefährten, ehe er Kiran wieder auf ihre Füße stellte, doch los lassen konnte er sie nicht. Sie klammerte sich verzweifelt an ihn und für einen Moment dachte er, sie würde an ihm hoch klettern, aber offenbar besann sie sich dann doch noch anders.
 

Lindir strich ihr beruhigend über den Rücken und flüsterte liebevolle Worte in ihr Ohr, doch plötzlich versteifte sie sich und drückte ihn von sich weg. Etwas perplex lies er die Arme sinken und sah in ihre, vor Wut, funkelnden Augen. Wieso war sie jetzt auf einmal wütend?
 

"Was, in drei Teufels Namen, machst du hier?"
 

Lindir konnte sie nur anstarren. Eben noch war sie ein kümmerliches Häufchen Elend gewesen und jetzt knisterte die Luft um sie herum vor unterdrückter Wut. Abwehrend hob er die Hände und ging sicherhaltshalber zwei Schritte zurück. Er kannte die Stimmung, in der sie gerade war, auch wenn er sich nicht erklären konnte, wieso sie auf einmal so wütend war.
 

Kiran ballte die Fäuste und starrte Lindir wutentbrannt an. Was hatte dieser dumme Elb hier zu suchen? Und wieso tauchte er gerade jetzt auf? Wieso gerade in dem Moment, wo sie von Scham, Schwäche und Schuldgefühlen geplagt wurde? Bei den Sternen, dass Timing dieses Elben lies wirklich zu wünschen übrig. Ruckartig drehte sie ihm den Rücken zu und kreuzte die Arme unter der Brust.
 

"Wieso bist du hier? Und das auch noch alleine? Kann man dich nicht ein mal für ein paar lausige Wochen alleine lassen? Und was sagt Elrond überhaupt dazu, dass du hier bist?"
 

Dann kam ihr ein Gedanke und langsam drehte sie sich wieder zu Lindir um.
 

"Elrond weis doch, dass du hier bist, oder?"
 

Lindir wich ihrem Blick aus und starrte lieber in die Baumwipfel.
 

"Mittlerweile dürfte er es wissen."

"Mittlerweile?"
 

Kiran's Stimme war in die Höhe geschnellt und sie sah ihn ungläubig an. Wollte ihr dieser Elb etwa sagen, dass er ohne ein Wort Bruchtal verlassen hatte?
 

"Lindir..dass...ist...jetzt...nicht...dein...Ernst...oder?"
 

Endlich sah er sie an, doch was sie in seinen Augen las, gefiel ihr kein bisschen. Dieser Elb war einfach unmöglich.
 

"Du bist der dümmste Elb, der mir je begegnet ist."
 

Lindir zuckte einfach nur nonchalant mit den Schultern.
 

"Ich hatte das Gefühl, dass du mich brauchst."
 

Kiran fielen fast die Augen aus dem Kopf. Sie ihn brauchen? Wobei denn? Doch ehe sie ihn das fragen konnte, war er bei ihr und hatte sie in seine Arme genommen. Sofort stieg ihr sein vertrauter Geruch in die Nase und wie von selbst schmiegte sich ihr Körper an den seinen. Kiran konnte nichts dagegen machen, es war fast wie ein Reflex. Im Stillen verfluchte sie ihren eigensinnigen Körper, der mal wieder hormongesteuert wurde.
 

"Ich habe geträumt."
 

Obwohl er sein Gesicht in ihren Haaren vergraben hatte, konnte sie seine geflüsterten Worte verstehen.
 

"Ich habe geträumt, dass du in der Nähe von Lothlorien warst. Doch du wolltest zurück zu mir. Da wurdest du von Ork's angegriffen und fast getötet. Dann war da nur noch Schwärze. Ich sah nichts, doch ich hörte, wie sehr du weintest und nach mir riefst. Ich hatte solche Angst um dich und noch bevor ich nachgedacht hatte, war ich schon auf halben Weg hinter euch her. Jede Nacht hörte ich dich weinen und rufen, doch ich bin erst jetzt bei dir. Verzeih, dass es so lange gedauert hat. Bitte verzeih mir, Liebste."
 

Kiran hatte sich bei jedem Wort, bei jedem Satz, mehr versteift. Als Lindir geendet hatte, schob sie ihn von sich und ging ein paar Schritte von ihm weg. Lindir begriff nicht, was das jetzt sollte und wollte die kleine Entfernung zu ihr überbrücken, doch da drehte sie sich zu ihn um und erneut liefen Tränen über ihr Gesicht.
 

"Kiran, was..."
 

Seine Stimme brach, er konnte sie nur anstarren.
 

"Ich war schwanger"
 

Nach diesen drei Worten herrschte Stille, selbst der Wind schien den Atem anzuhalten, als Kiran Lindir ihr best gehütetetest Geheimnis offenbarte.
 

"Schwanger?"
 

Kiran nickte unter Tränen. Mit leiser Stimme fuhr sie fort.
 

"Ich bemerkte es recht schnell, doch ich hatte Angst nach Bruchtal zurück zu kehren. Ich wusste nicht, wie du reagieren würdest. Ich nahm es mir immer und immer wieder vor, doch feige wie ich war, fand ich immer wieder einen neuen Grund, nicht zu dir zurück zu kommen. Ich war in der Nähe von Lothlorien, als ich mich doch dazu entschied. Aber ich wurde angegriffen und schwer verwundet. Einige lohrische Grezwächter hatten die Ork's bemerkt und kamen mir noch rechtzeitig zur Hilfe. Sie brachten mich zu Galadriel. Sie schaffte es gerade noch, mein Leben zu retten, doch für das Baby war es zu spät. Ein Pfeil hatte sich in meinen Unterleib gebohrt und das Gift, dass daran haftete, tötete das Baby. Niemand konnte etwas tun. Es war zu spät."
 

Mit tränenverhangenden Augen sah sie ihn an. Lindir war bei ihrer Erzählung blass geworden und er kämpfte mit den Tränen.
 

"Es tut mir leid, Lindir. Es tut mir so leid."

"Wieso hast du es mir nicht gesagt, als du wieder in Bruchtal warst?"
 

Sie schüttelte den Kopf.
 

"Ich konnte es nicht. Ich wollte es dir niemals sagen. Es reichte, dass ich den Schmerz empfand."

"Du wolltest mir nie sagen, dass ich Vater geworden wäre?"

"Lindir, bitte. Ich dachte, ich würde nie mehr nach Bruchtal zurück kehren. Ich wollte dir nicht weh tun."
 

Lindir sah sie eisig an.
 

"Nun, dass ist, um es mit deinen Worten auszudrücken, nach hinten los gegangen."
 

Kiran schloss gequält die Augen. Wieso nur hatte sie es ihm erzählt? Wieso nur hatte sie gehofft, er würde ihr verzeihen? Langsam öffnete sie wieder die Augen und sah ihn an.
 

"Es tut mir leid"
 

Lindir ballte die Fäuste und der Blick, mit dem er sie bedachte, zerstörte ihre geheime Hoffnung.
 

"Dafür ist es zu spät. Ich hätte wirklich nicht herkommen sollen."
 

Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen. Kiran blieb, wo sie war.
 

Allein.

Verzweifelt.

Ohne Hoffnung.

Rettung in letzter Sekunde

Dichte Wolken schoben sich vor dem Mond und verdunkelten die Nacht. Kein Licht drang mehr in das kleine Wäldchen und Kiran war in Finsternis gehüllt. Der leichte Wind, der wehte, lies die Blätter des Waldes leise rascheln und blies ihr ab und an eine der langen Haarsträhnen ins Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten. Tränen liefen ihr über das Gesicht und hinterliesen feuchte Spuren auf ihren Wangen. Ihre Schultern bebten von ihren lautlosen Tränen und sie konnte kaum den Boden erkennen, auf den sie ihren Blick gesenkt hatte.
 

Sie hatte es gewusst. Sie hatte gewusst, wie er reagieren würde, wenn sie ihm von Esme erzählen würde. Sie hatte es gewusst, aber dennoch schnitt seine Ablehnung in ihr Herz. In das Herz, dass erst langsam begann, zu verheilen.
 

Kiran schlug die Hände vor's Gesicht und weinte bitterlicher den je. Wieso nur musste sie immer die Menschen verlieren, die ihr am wichtigsten waren?

Erst Milan, ihre geliebte, wenn auch verrückte und exentrische Großmutter.

Dann ihre ganze Familie, die sie überalles geliebt hatte und von denen sie vergöttert wurde.

Es folgte Esme, ihre kleine, ungeborene Tochter, die noch nicht einmal die Chance bekommen hatte, ihr Leben zu beginnen.

Und jetzt auch noch Lindir, der Vater ihrer Tochter. Der Mann, mit dem sie das erste Mal intim geworden war und der dafür gesorgt hatte, dass ihr verletztes Herz langsam verheilte.

Wieso nur spielte das Schicksal so übel mit ihr?
 

Ihre Knie gaben unter ihr nach und sie sank auf den mit Blättern bedeckten Boden. Sie hatte immer noch ihr Gesicht in ihren Händen vergraben. Sie wollte nichts und niemanden im Moment sehen.
 

***
 

Als Lindir alleine zum Lager zurück kehrte, wurde er überrascht angesehen, doch keiner wagte es sich, das Wort an ihn zu richten, denn sein finsterer Gesichtsausdruck warnte jeden davor. Der junge Elb ging direkt zu Gandalf, der etwas hektisch an seiner Pfeife zog.

"Ich werde mich wieder nach Bruchtal begeben, Mithandir. Es gibt für mich keinen Grund mehr, länger in eurer Mitte zu verweilen."

Gandalf blinzelte den Bruchtal-Elben überrascht an.

"Ihr bleibt nicht?"

Lindir schüttelte den Kopf und schlug sich die Kaputze seines Mantel's über den Kopf.

"Nein. In Bruchtal sorgt man sich sicherlich schon. Wenn ich jetzt aufbreche, werde ich in wenigen Tagen wieder in meiner Heimat sein. Namarie, Mithandir."

Er drehte sich zu den anderen um und nickte ihnen zum Abschied kurz zu, dann ging er ein paar Schritte.

"Ihr solltest ihr nicht gram sein, Lindir. Sie ist noch jung und es war nicht leicht für sie, es Euch nicht zu sagen."

Lindir verharrte mitten im Schritt, dann drehte er sich langsam wieder zu dem alten Zauberer um. Der Blick, den er dem alten Zauberer zuwarf, wer mehr als tötlich.

"Ihr wusstet es?"

Gandalf nickte langsam und ein wütendes Blitzen trat in Lindir's sturmgraue Augen.

"Es gibt für mich keine Entschuldigung, Mithandir. Sie hat mir verheimlicht, dass wir ein Kind gezeugt haben. Und sie hat mir dessen Tod verschwiegen. Diesen Vertrauensbruch kann ich nicht so einfach verzeihen."

Als die anderen hörten, dass Kiran ein Kind verloren hatte, schnappten sie hörbar nach Luft.

"Arme Kiran."

Sam murrmelte leise vor sich hin und er sah betreten in die Runde. Frodo erwiederte traurig seinen Blick, Merry und Pippin schienen mit den Tränen zu kämpfen, denn sie hatten die junge Elbin sehr schnell in ihre Herzen geschlossen. Gimli zog geistesabwesend an seiner, mitlerweile erloschenden, Pfeife. Aragorn und Boromir sahen betreten zu Boden und Legolas war sichtlich blass um die Nase geworden.

Lindir atmete ein paar Mal tief durch, dann verneigte er sich kurz vor Gandalf.

"Bitte verzeih mir meinen Gefühlsausbruch, Mithandir. Ich hätte nicht die Stimme gegen dich erheben dürfen. Doch ich hoffe, du verstehst, dass diese Nachricht mich sehr mitgenommen hat. Ich bete dafür, dass ihr alle diese Reise wohlbehaltent beenden werdet. Namarie."

Diesesmal ging er wirklich und ein betretendes Schweigen senkte sich über die kleine Gruppe. Hin und wieder raschelte zwar ein Blatt im Wind, doch ansonsten war nicht einmal das Luftholen der 9 Gefährten zu hören. Erst als Gandalf sich bewegte und so sein Mantel leise raschelte, schien wieder Leben in die Gruppe zu kommen. Jeder ging wieder seiner vorigen Tätigkeit nach.

"Legolas, geh doch bitte mal nach Kiran sehen."

Der Düsterwaldelb blickte überrascht zum Zauberer und er hätte widersprochen, wenn er nicht die unnachgiebige Härte in den blauen Augen des alten Mannes gesehen hätte.

Mit einem Grummeln, dass sein Missfallen bekundete, griff er nach seinen Bogen und seinen Köcher und verschwand leise zwischen den Bäumen.
 

***
 

Aragorn sah erst Legolas hinterher, dann blickte er zu Gandalf. Der Zauberer war gerade dabei, sich seine Pfeife zu stopfen.

"Was bezweckst du damit, alter Freund?"

Gandalf zündete seine Pfeife an und zog den Tabackrauch tief in seine Lunge. Ein leichtes Schmunzeln spielte um seine Mundwinkel.

"Ich weis nicht, was du meinst."

Aragorn trat näher an ihn heran und wies mit dem Kopf auf die Stelle, an der Legolas zwischen den Bäumen verschwunden war.

"Ich meine, wieso schickst du Legolas? Ich glaube, dass er der letzte ist, den sie jetzt sehen will."

Gandalf zog erneut genüsslich an seiner Pfeife und blies kleine Ringe in die Luft.

"Du hast noch einiges zu lernen, mein junger Freund. Es gibt Dinge auf dieser Welt, die nicht einmal ich verstehe. Und diese beiden gehören dazu. Sei dir gewiss, Legolas ist genau der Richtige, um nach Kiran zu sehen, auch wenn die beiden das nicht wahrhaben wollen."

Der Waldläufer sah den Zauberer irritiert an, dann schüttelte er den Kopf.

"Wie immer sprichst du in Rätseln, alter Freund. Aber ich habe nie an deinem Urteil gezweifelt und ich werde jetzt nicht damit anfangen."
 

***
 

Legolas war zu der festen Überzeugung gekommen, dass ihn der Zauberer für etwas bestrafen wollte. Zwar wusste er noch nicht, für was, aber er gedachte, es so bald wie möglich herauszufinden. Wieso schickte er gerade ihn los, um die junge Elbin zu suchen? Der Zauberer wusste doch, dass sie beide sich nicht gut verstanden. Seine Schritte wurden langsamer, bis er Schlussendlich stehen blieb. Legolas wusste, dass die Elben ein weiches Herz hattes, schließlich war er selber einer, aber es hatte ihn überrascht, wie tief der Schmerz in seinem Herzen gewesen war, als er von dem Verlust des Kindes gehört hatte. So etwas hatte keine Frau verdient. Und sie hatte es sich nie anmerken lassen.

Ihre Innere Stärke musste weitaus größer sein, als man vermutete.

Nicht einmal hatte sie sich wegen irgendetwas beschwert.

Legolas schüttelte den Kopf. Wenn es um Kiran ging, wollte sein Verstand einfach nicht richtig funktionieren. Er fragte sich, woran das liegen mochte. Schließlich bestand zwischen ihnen beiden keine Verbindung. Aber aus irgendeinem Grund wurde er das Gefühl nicht los, dass Gandalf sehr wohl wusste, was hier passierte.

Ein gellender Schrei durchbrach die Stille und nach nur kurzem Zögern raste er zwischen den Bäumen hindurch. Seine Gedanken waren auf eine einzige Person gerichtet.

Kiran.
 

***
 

Kiran hatte sie nicht gehört. Erst, als starke Arme sie von hinten packten und man ihr eine verstümmelte Klaue auf den Mund legte, aber da war es bereits zu spät gewesen. Der Ork hatte sie hochgerissen und hielt ihr den Mund zu. Kiran schaffte es kaum, durch die Nase zu atmen, so abscheulich war der Gestank.

"Lecker Fleisch. Köstlich wirst du schmecken, kleine Elbin."

Kiran riss die Augen auf. Eine ihr unbekannte Lähmung ging durch ihren Körper. Ja, sie war förmlich starr vor Schreck, eine völlig neue Erfahrung für sie. Ihre Hände flogen nach oben und sie versuchte, sich aus dem stählernden Griff des Ork zu winden, doch offenbar dachte der gar nicht daran, sein Nachtmahl entkommen zu lassen.

"Lass sie uns nicht sofort fressen. Auch auf anderer Weise sieht sie lecker aus."

Drei weitere Ork's tauchten in ihrem Blickfeld auf und grinsten ihr frech ins Gesicht. Kiran fragte sich, wie sie ihren Gestank, den die Kreaturen ausströhmten, nicht bemerkt hatte. Und sie fragte sich, was dieser letzte Satz zu bedeuten hatte. auf welche Weise sah sie denn noch lecker aus? Der größte der Ork's streckte seine Klaue nach ihr aus und riss ihr mit seinen langen Nägeln die Tunika bis zum Bauchnabel auf. Ok, JETZT wusste sie, auf welche Weise sie noch lecker aussah, aber sie hatte gehofft, die Antwort nicht zu bekommen. Das reißende Geräusch des Stoffes holte sie aus ihrer Starre und Kiran riss mit Schwung die Beine nach oben und trat dem Ork mit aller Kraft gegen die Brust. Dieser stieß ein wildes und wütendes Zischen aus und taumelte etwas zurück. Seine gelben Augen fixierten sie boshaft und bedrohlich. Und sie versprachen eindeutig Vergelltung für diese Demütigung.

"Dreckige Elbin"

Kiran warf ihm einen Blick zu, der eindeutig feststellte, dass er ja wohl der dreckigere von ihnen beiden war. Sie nutze den Schwung ihrer Beine und lies sie gegen die Schienbeine ihres Angreifers krachen. Dieser jaulte auf und lies sie los. Kiran nutzte ihre wiedergewonnene Freiheit und stieß einen gellenden Schrei aus, von dem sie sicher war, dass man ihn auch noch in Bruchtal hören würde.

Schnell rollte sie sich zur Seite, um aus der Reichweite der Ork's zu kommen und verfluchte sich im Stillen. Sie hatte ihre Waffen im Lager gelassen und jetzt musste sie ausharren, bis die anderen kommen würden. War nur noch zu hoffen, dass sie rechtzeitig hier sein würden. Die Ork's schlichen sich jetzt wieder an sie heran, doch Kiran lies sie nicht aus den Augen. Sie würde den Biestern keine zweite Chance geben, Hand an sie zu legen. Kiran überlegte, ob sie noch einmal schreien sollte, nur um sicher zu gehen, dass man sie gehört hatte, da stürzte sich der Anführer unerwartet auf sie und riss sie mit seinem ganzen Gewicht zu Boden. Der Atem, der bis eben noch in ihrer Lunge gewesen war, entwich ungebraucht und Kiran fühlte das Gewicht des Ork's auf sich. Dieser richtete sich auf und setzte sich rittlings auf sie, ihre Handgelenke in einer seiner klauenartigen Hände. Er sah die anderen über seine Schulter hinweg an.

"Los, einen Knebel und ein Seil. Dieser Wildfang will es nicht anders."

Kiran rang keuchend nach Luft, doch eher sie sich dazu entscheiden konnte, zu schreien, presste er ihr die andere Hand auf den Mund. Der Ork beugte sich zu ihr hinunter und zischte wütend.

"Für den Tritt wirst du bezahlen, Drecksstück. Und es wird mir ein Vergnügen sein, den Preis einzufordern."

Kiran riss die Augen weit auf und warf ihren Kopf hin und her. Vergebens versuchte sie, sich von seiner Klauen-Hand zu befreien, doch er presste sie unerbittlich auf ihren Mund. Kiran war sich sicher, dass er dadurch blaue Flecke auf ihrer Haut hinterlassen würde. Aber das war die kleinste ihrer Sorgen. Diese Viecher hatten vor, ihr Gewalt anzutun. Und sie wusste, dass sie soetwas nicht überleben würde. Kiran strampelte mit den Beinen und versuchte, dem Ork in den Rücken zu treten, doch er saß so gerissen auf ihr, dass sie es einfach nicht schaffte. Seine Kumpanen waren mitlerweile bei ihnen und einer von ihnen hatte Seil und ein sehr, sehr schmutziges Tuch in der Hand. Allein bei dem Gedanken, dass dieser wiederliche Stofffetzen gleich über ihren Mund gelegt wurde, lies sie würgen. Einer der Ork's wickelte ihr das Seil um die Handgelenke und zog es so fest, dass es ihr die Haut an den Gelenken aufriss und warmes Blut an ihren Armen hinunter lief. Als er auch noch versuchte, ihr den Knebel in den Mund zu stecken, wehrte Kiran sich erneut verbissen, doch der Ork, der auf ihr saß, schlug ihr einmal so hart ins Gesicht, dass sie für einen kurzen Moment Sterne sah und dieses Moment nutzen sie auf, um ihr das Tuch in den Mund zu stopfen. Kiran würgte bei dem wiederlichen Geschmack. Die Ork's lachten und redeten irgendetwas auf ihrer Sprache zueinander. Kiran schloss die Augen. Wieso kamen die anderen nicht? Sie mussten ihren Schrei doch gehört haben. Oder etwa nicht? Sie hoffte es. Der Anführer der kleinen Gruppe grinste boshaft und wies die anderen mit einem Nicken an, sich umzudrehen. Offenbar wollte er kein Puplikum. Er zog ein Messer aus seinem Gürtel und schnitt ihr die Tunika bis zum Saum auf. Ein angstvolles Wimmern verlies gegen ihren Willen ihre Kehle, als diese Bestie sie mit seinen Klauen berührte und mit seinen scharfen Nägeln tiefe Kratzer hinterlies. Kiran schloss die Augen. Sie wollte nicht in das Gesicht dieses Ork's sehen, wenn er über ihren Körper her fiel.

Seine Klauen bewegten sich zielstrebig über ihren Körper und rissen an ihrer Hose. Kiran fühlte die kalte Nachtluft an ihren nackten Beinen und verzweifelt presste sie ihre Schenkel zusammen. Doch der Ork war zu stark für sie. Er schob einfach eines seiner Beine zwischen ihre und drückte sie so auseinander. Kiran riss verzweifelt an ihren Fesseln, doch sie konnte sich nicht befreien, im Gegenteil. Bei jeder hektischen Bewegung schnitt ihr das Seil noch mehr das Fleisch auf. Sie hörte, wie schwer er atmete und wie er sich an seiner Rüstung zu schaffen machte. Doch dann drang ein anderes Geräusch an ihre Ohren.

Ein Surren.

Ein Zischen.

Und dann ein qualvoller Aufschrei.

Kiran riss die Augen auf und blickte in das überraschte Gesicht des Ork's. Als ihr Blick tiefer ging, sah sie einen Pfeil in seiner Brust stecken. Ein zweiter landete umgehend in seiner Kehle und mit einem letzten Röcheln fiel er nach hinten.

Kiran wand den Kopf und sah noch, wie auch die restlichen Ork's tot zu Boden fielen. Jeder hatte einen Pfeil in seiner Brust. Und dann war Legolas auch schon neben ihr und zog sie von dem toten Körper weg. Seine starken Arme umschlossen ihren zitternden Körper und drückten ihn fest an seinen.

Leidenschaft erwacht

Legolas drückte Kiran's zitternden Körper an sich und rang um sein inneres Gleichgewicht. sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine Brust und er hatte Mühe, ruhig zu atmen.
 

Als er den Ork gesehen hatte, der sich über sie gebeugt hatte, war ein, ihm völlig unbekannte Zorn, in ihm erwacht. Ohne nachzudenken hatte er seine Pfeile auf die Ork's abgeschossen, aber selbst als sie alle tot am Boden lagen, war der Zorn in ihm nicht verstummt. Es war, als wäre etwas in ihm erwacht, von dem er nicht gewusst hatte, dass es existierte. Etwas, dass für jedes Lebewesen sehr gefährlich war.
 

Legolas spürte die heißen Tränen, die sie vergoss und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Bei Eru, er hatte eine solche Angst um sie gehabt. Aber was hatte sie ausstehen müssen? Er würde es vermutlich nicht einmal ansatzweise erfassen können, was das für ein Gefühl war, fast vergewaltigt zu werden. Und dann auch noch von einem Ork. Hatte sie denn noch nicht genug durchgemacht?
 

Als er ihre Hände an seiner Brust fühlte, hielt er den Atem an, doch sie legte sie einfach nur dort hin, ohne ihn weg zu stoßen. Dafür war er dankbar. Er wollte sie nicht los lassen. Er konnte es einfach nicht.
 

"Legolas?"
 

Er hob den Kopf und sah in ihre bronzefarbenden Augen. Tränen schimmerten immer noch darin und verliehen ihnen den Glanz von Bernstein. Ein Kloß bildete sich in seiner Kehle und langsam hob er eine Hand, um ihr sanft eine Träne aus dem Gesicht zu streifen.
 

Kiran's Atem stockte kurz und ihre Augen weiterten sich ein wenig, doch sie entzog sich dieser Berührung nicht.
 

Sanft zogen seine Fingerspitzen die Konturen ihres Gesichtes nach und Kiran senkte flatternd die Augenlider. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen und ihr Atem traf heiß auf seine kalte Haut.
 

Legolas zog nicht nur mit seinen Fingerspitzen die Konturen nach, sondern auch mit seinen Augen. Doch plötzlich hielt er inne und der Zorn, der sich langsam beruhigt hatte, flammte von neuem auf. Auf ihren Wangen zeichneten sich blaue Flecken ab. Der Ork musste sie sehr kräftig gepackt haben und sein Blick flog zu dem Kadaver, der nicht weit von ihnen entfernt lag. Er war eindeutig noch zu sanft mit dieser Bestie umgesprungen. Am besten hätte er den Ork langsam und schmerzhaft töten sollen, ihn jeden Schmerz, den er Kiran zugefügt hatte, tausendfach zurück geben sollen.
 

Sein Blick glitt wieder zu Kiran und ehe er sich beherrschen konnte, beugte er sich zu ihr und küsste sanft die blauen Flecken auf ihrem Gesicht. Er hörte, wie ihr der Atem in der Lunge stockte und er sah, wie sie überrascht die Augen öffnete und so traf Kobaldblau auf Bronze. Seine Lippen bewegten sich weiter über ihr Gesicht und nicht eine Sekunde lang löste einer von ihnen den Blickkontakt. Er spürte das Zittern ihres Körpers und langsam wanderten seine Lippen zu ihren Mund. Sanft hauchte er einen Kuss auf ihren Mund und ein leises Stöhnen entfloh ihren Lippen.
 

Legolas wollte sie noch mehr küssen, doch er rief sich in Erinnerung, dass sie gerade nur knapp einem Übergriff entkommen war. Da wäre es nicht angebracht, sie jetzt zu küssen. Seufzend hob er den Kopf und war erstaunt, wie schwer es ihm fiel, seinem Verlangen nicht nachzugeben. Für gewöhnlich hatte er sich bestens unter Kontrolle.
 

Doch kaum, dass er etwas Abstand zwischen ihnen gebracht hatte, griff Kiran nach seiner Tunika und zog ihn zu sich zurück. Ihre Lippen pressten sich verlangend auf seine und ihre Zunge forderte stürmisch Einlass in seinen Mund.
 

Legolas war so überrascht, dass er nach Luft schnappen musste und diesen Umstand nutzte sie, um ihre Zunge in seine Mundhöhle zu tauchen. Sie forderte seine zu einem Duell herraus und Legolas nahm diese Herausforderung an.
 

Stöhnend schloss er die Augen und erwiederte ihren leidenschaftlichen Kuss. Seine Hände umspannten ihr Gesicht und zogen sie näher an sich. Himmel, ihre Lippen waren zart wie Rosenblätter und so heiß wie ein Vulkan. Er wusste, er würde nie genug von ihr bekommen.
 

Keuchend trennten sich die beiden und sahen sich für einige Sekunden ungläubig in die Augen. Dann ging alles furchtbar schnell.
 

Kiran griff erneut nach seiner Tunika und riss den, doch robusten Stoff, einfach auseinander und Legolas griff verlangend nach ihrem Körper, um sie rittlings auf sich zu ziehen. Kiran schlang ihre Beine um seinen Körper und presste sich an ihn. Ihre Lippen trafen sich erneut zu einem feurigen Kuss. Legolas lies seine Hände über ihren Körper wandern und erforschte jede Vertiefung und jede Rundung. Ihre Haut war zart wie Seide und doch hatte sie Muskeln an Stellen, an denen Frauen sie für gewöhnlich nicht hatten.
 

Kiran lies keuchend von seinen Lippen ab und lies die ihren nun über sein Gesicht wandern. Auch wenn sie stürmisch war, so knabberte sie nur sehr sanft an ihm und als sie seine Kehle erforschte, lies Legolas den Kopf in den Nacken fallen. Ein tiefes, grollendes Stöhnen entrang sich ihm und seine Hände umspannten ihre Hüften fester.
 

Bei Eru!
 

Was hatte diese Frau nur an sich, dass er seine Kontrolle verlor? Es sah ihm nicht ähnlich, sich mit einer Frau vereinen zu wollen, wo doch noch Orkkadaver um sie herum lagen. Aber Himmel, bei ihr war er drauf und dran, es zu tun.
 

Etwas in seinem Inneren rief mit aller Macht nach ihr und Legolas spürte, wie sich sein Herz ihr zuwand. Nein, nicht nur sein Herz, sondern auch seine Seele. Worte, so alt wie die Elben selbst, formten sich in seinem Inneren, doch ehe er sie aussprechen konnte, eroberte Kiran erneut seinen Mund mit ihren Lippen. Ihre Hände wanderten über seine Brust, doch als er etwas raues spürte, entzog er sich dem Kuss und sah nach unten.
 

Kiran's Hände waren immer noch gefesselt und er fluchte leise. Wie hatte er das nur vergessen können? Schnell griff er nach dem Dolch an seiner Hüfte und zerschnitt das Seil, welches ihr die zarte Haut aufgerissen hatte. Wütend warf er es von sich, griff dann sanft nach ihren Händen und führte sie zu seinem Mund, um vorsichtig mit seiner Zunge über die aufgerissene Haut zu streicheln. Das Stöhnen, welches sie von sich gab, brachte seine Leidenschaft nahe an den Abgrund.
 

Er hob den Blick und sah ihr in die Augen. Sie schimmerten wie Gold und Kiran hatte die Lippen geöffnet. Ihre Zungenspitze strich neckend über ihr geschwollenen Lippen und Legolas stöhnte auf.
 

Kiran griff mit einer Hand nach seiner und führte sie zu ihrer Brust. Seine Finger schlossen sich um das zarte Fleisch und sanft strich er über ihre harte Brustspitze. Sie beugte sich zu ihm und strich mit ihrer Zungenspitze über seine Lippen. Legolas fing ihren Mund zu einem erneuten Kuss ein und Kiran drängte sich wieder an ihn. Ihre Hüften rieben sich an seinen und Legolas spürte, wie sein Glied sich verhärtete. Es drängte gegen den Stoff seiner Hose und Kiran seufzte leise, als sie es spürte.
 

Ihre Arme schlossen sich um seinen Hals und sanft strich sie durch sein Haar. Ihr Kuss wurde sanfter, aber er berauschte ihn fast noch mehr als ihr leidenschaftlicher. Jetzt umschlossen seine beiden Hände ihre Brüste und liebkosten die zarte Haut. Kiran's Beine spannten sich fester um seine Hüften und ihre Hände wanderten über seine Brust.
 

Legolas zog sich von dem Kuss zurück und senkte dann den Kopf, um eine der harten Brustspitzen in den Mund zu nehmen. Seine Zunge flackerte darüber und seine Zähne knabberten sanft daran. Kiran legte den Kopf in den Nacken und stöhne genussvoll auf. Langsam lies sie ihre Hüften kreisen und erregte ihn dadurch noch mehr. Seine Hände umschlossen ihre Hüften und drückten sie an seine. Ein leiser Protestlaut entrang sich ihrer Kehle.
 

"Legolas."
 

Ihre zitternde Stimme durchdrang den Nebel seines Verlangens und er konnte wieder klar denken. Seine Hände umspannten ihre Hüften und er schob sie von sich. Kiran sah ihn irritiert an und wollte sich wieder an ihn drängen, doch er lies es nicht zu.
 

"Nicht, Kiran. Hör auf."
 

Seine Stimme war rau und er hatte Mühe, zu sprechen. In ihm brannte ein verzehrendes Feuer, dass danach schrie, gelöscht zu werden. Doch er würde es nicht tun. Nicht hier, inmitten von Orkleichen. Nicht, wenn sie so verzweifelt war.
 

Kiran klammerte sich an ihn und küsste ihn erneut und gegen seinen Willen erwiederte er den Kuss. Ihre Hände wanderten fieberhaft über seinen Körper, erforschten seine Beschaffenheit, doch als sie an dem Bund seiner Hose zog, griff er nach ihren Händen, um sie fest zu halten. Kiran wimmerte leise und versuchte erneut, ihn in Leidenschaft zu versetzen, doch Legolas schaffte es, wieder Herr seiner Sinne zu werden.
 

"Kiran, hör sofort auf."

"Legolas, bitte. Ich..."
 

Er schüttelte den Kopf, umschlang sie mit seinen Armen und drückte sie an sich. Sie zitterte am ganzen Körper und er hatte das Gefühl, sein Herz würde brechen.
 

"Du willst das gar nicht wirklich, kleine Elbin. Du bist verwirrt und verzweifelt. Wir sollten nichts tun, was wir später bereuen würden."
 

Kiran atmete tief durch. Sie wusste, dass er recht hatte. Sie sollten das wirklich nicht tun. Aber ob sie es bereuen würde? Das konnte sie nicht sagen. Alles in ihr schrie nach ihm. Nach seinem Körper, nach seinen Lippen, nach seinem Geschmack. Ihr Herz rief seinen Namen und ihre Seele verlangte von ihr, endlich das Band, welches zwischen ihnen bestand, zu festigen. Sie seufzte leise und hob den Kopf.
 

"Ja, du hast recht. Entschuldige."
 

Kiran erhob sich von ihm und stellte dann verlegen fest, dass sie praktisch nackt war. Sie bemerkte, wie Legolas scharf den Atem einzog und sah ihn wieder an. Sein Blick glitt über ihren Körper und ein Sturm braute sich in seinen blauen Augen zusammen.
 

Langsam stand er auf, wand aber nicht den Blick von ihr. Noch nie hatte er einen so perfekten Körper gesehen. Sie war, für eine Elbin, sehr hoch gewachsen und ihr ganzer Körper war trainiert. Ohne sich dessen bewusst zu sein, streckte er seine Hand nach ihr aus und strich ihr sanft über die bebenden Bauchmuskeln. Auch dort war ihre Haut zart. Kiran sah Legolas an und der Düsterwaldelb erwiederte ihren Blick. Sie spürten beide, dass in den jeweils anderen ein Sturm tobte und es benötigte nicht mehr viel, um ihn los brechen zu lassen. Seine Hand umspannte ihre Hüfte und gegen besseres Wissen zog er sie an sich, um sie erneut zu küssen.
 

Kiran schmiegte sich sofort an ihn und erwiederte seinen Kuss, der so unendlich sanft war. Sie wollte diese Gefühle gar nicht empfinden, doch ihr Herz und ihre Seele riefen nach ihm und sie hatte im Moment nicht die Kraft, diese hartnäckigen Stimmen zum schweigen zu bringen.
 

Seine Lippen bewegten sich zärtlich auf ihren und Legolas hatte das Gefühl, als würde er kühles Wasser trinken. Diese Sanftheit berauschte ihn und sein Atem ging schneller. Er musste sich daran erinnern, aufzuhören.
 

Langsam hob er seinen Kopf und sah in ihr Gesicht. Kiran hatte die Augen geschlossen und lehnte sich so vertrauensvoll an ihn, dass er sich fragte, wieso sie sich immer stritten. Und er fragte sich, was es war, dass ihn so unaufhaltsam zu ihr trieb.
 

Kiran öffnete langsam ihre Augen und sah ihn an. Ihr Blick glitt über sein Gesicht und blieb an seinen Lippen hängen. Augenblicklich beschleunigte sich ihre Atmung. Möge Eru ihr helfen, sie wollte schon wieder von ihm geküsst werden. Langsam hob sie den Blick zu seinen Augen und sie sah, dass auch sein Blick an ihren Lippen hing. Und ohne es zu bemerken, lies er seine Hände sanft über ihren Körper wandern. Es war, als würde ihre Haut brennen. Es war, als würde er sie in kaltes Wasser tauchen. Ehe sie es verhindern konnte, stellte sie sich auf die Zehnspitzen und küsste ihn erneut.
 

Legolas wusste einfach nicht mehr, was er tun sollte. Er wusste, dass es falsch war, sie so sehr zu begehren und hier zu stehen und sie zu küssen, aber er schaffte es einfach nicht, sich von ihr zu lösen. Sie legte sanft ihre Lippen auf seine und Legolas schloss die Augen, um ihren Kuss zu erwiedern. Ihre Zungen trafen sich und tanzten miteinander. Kiran schmiegte sich an ihn und er spürte ihre weichen Brüste an seiner harten Brust. Seine Hände wanderten über ihren Körper und liebkosten die zarte Haut. Langsam lies er seine Hände nach vorne wandern und legte eine auf das Zentrum ihrer Weiblichkeit. Kiran keuchte leise an seinen Lippen auf und drängte sich seiner Hand entgegen. Seine Lippen verließen ihre und sie öffnete die Augen. Sein Blick war leidenschaftlich und das Blau in seinen Augen so dunkel, dass sie nur mit Mühe seine Pupillen erkennen konnte.
 

Gegen besseres Wissen liebkoste er sie und Kiran reagierte sofort auf ihn. Sie drängte sich seiner Hand entgegen, keuchte leise, aber hielt dabei seinem Blick stand. Nicht eine Sekunde schlossen beide die Augen, sondern hielten sich mit ihren Blicken fest. Legolas lies seine Hand schneller kreisen und Kiran's Hüften passten sich seiner Liebkosung an. Ihr Atem kam keuchend über ihre Lippen und langsam senkte sie die Lider. Was dieser Elb da mit ihr tat, war einfach himmlisch und sie wollte es genießen. Kiran drängte sich an ihn, legte ihre Arme um seinen Nacken und knabberte leicht an seinem Hals, was Legolas ein Stöhnen entlockte.
 

Legolas hatte das Gefühl, als würde er verbrennen. Sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine Brust und sein Glied war hart aufgerichtet und drängte sich gegen Kiran's Unterleib. Wenn sie weiter so ihre Hüften kreisen lies, würde er sich wirklich nicht mehr beherrschen können und er würde sie gegen den nächsten Baum pressen, um sich mit ihr zu vereinen. Seine Lippen wanderten zu ihrem Ohr und er lies schnell seine Zunge über die empfindliche Spitze gleiten. Kiran stöhnte an seinem Hals und erwiederte diese Liebkosung und Legolas spürte, wie ihm die Sinne schwanden.
 

"Legolas."
 

Ihre Stimme war rau vor Verlangen und sie rieb ihre Hüften immer schneller an seiner Hand und an seinem Glied. Sie schlang ein Bein um seine Hüften und lies sie kreisen. Legolas konnte nicht mehr. Er packte ihr anderes Bein und schlang es ebenfals um seine Hüften, so das er sie an sich pressen konnte und mit einigen schnellen Schritten war er bei einem Baum angekommen. Er drückte ihren Rücken gegen die raue Rinde und hielt sie mit seinem Körper gefangen. Eine Hand wanderte zu ihrem Haar und er zog ihren Kopf in den Nacken, um ihre Lippen mit einem Kuss zu versiegeln. Ihre Beine schlangen sich noch fester um ihn und sie bewegte leicht die Hüften auf und ab. Legolas stöhnte an ihren Lippen und stieß leicht gegen ihren Schoß. Blitze zuckten durch ihre Körper und Kiran umspannte ihn mit ihren Beinen noch fester.
 

Sein und ihr Atem kamen nur noch stoßweise. Auf Kiran's Haut bildete sich ein leichter Schweißfilm und Legolas hatte die Zähne zusammen gebissen. Er versuchte, wieder Herr seiner Sinne und vor allem seines Verstandes zu werden, doch ihr weicher Körper erschwerte es ihm ungemein. Ihre Brüste pressten sich einladend gegen seine Brust und ihre Weiblichkeit rief verlockend nach ihm. Wie von selbst bewegten sich seine Hüften in einem trägen Rythmus und Kiran stieß leise verzückte Laute aus, die ihm das Denken erschwerten.
 

"Wir...sollten aufhören."
 

Legolas Stimme war eher ein Knurren und seine Seele schrie ihn förmlich an, sie zu nehmen, sie zu der Seinen zu machen, sie an sich zu binden, auf das nie wieder jemand anderes sie berührte. Kiran öffnete die Augen.
 

"Dann...hör auf."
 

Am liebsten hätte er gelacht, doch er brauchte seinen Atem. Er sollte aufhören? Das sagte sie so leicht.
 

"Ich kann nicht."
 

Ihre Hände umspannten sein Gesicht und sie küsste seine Lippen, knabberte mit ihren Zähnen an ihm und stöhnte genussvoll, als er etwas schneller gegen ihren Schoß stieß.
 

"Dann mach weiter, Legolas. Ich will dich. Jetzt."
 

Kiran schob ihre Hand in seine Hose und umfing sein hartes Glied. Legolas keuchte auf und bewegte unruhig die Hüften.
 

"Wir werden es bereuen."
 

Sie sah ihm in die Augen und leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
 

"Vielleicht. Aber jetzt ist es mir egal. Komm zu mir. Bitte."
 

Als sie dieses "Bitte" aussprach, war es endgültig um ihn geschehen. Stöhnend küsste er sie. Zur Hölle mit irgendwelchen Konsequenzen. Sie gehörte ihm.
 


 

****
 

Ja, ihr Lieben, hier endet das Kapitel^^ Im nächsten geht es zur Sache zwischen den Beiden.
 

Uhh, ich musste dieses Kap mehrfach überarbeiten--'

Meine doofen Hormone und meine liebe Fantasie sind da zeitweise mit mir durchgegangen.

Aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem.

Mal schauen, wann ich das nächste On stelle. Die Geburt meines Sohnes steht kurz bevor und wer weis, wann der kleine Kecks wirklich zur Welt kommen will.

Solltet ihr also etwas länger nichts von mir hören:
 

Ich bin dabei, einen neuen Erdenbürger zur Welt zu bringen ;)

Wildes Verlangen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (10)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Raen
2016-04-26T18:21:32+00:00 26.04.2016 20:21
Schöne FF, ich frage mich nur die ganze Zeit über etwas: Warum hatte Kiran schmerzen nachdem Lindir "Im milya le " gesagt hat?
Von:  isabella1309
2015-03-04T17:29:00+00:00 04.03.2015 18:29
Wow du bist echt ein Talent! Deine ff macht richtig süchtig ^.^ schreib bitte bitte bitte bald weiter!! Ich will soo gerne wissen wie's weiter geht!! Suuupiii gemacht !!;););) GlG isabella
Von:  Soukaina
2014-02-25T11:31:09+00:00 25.02.2014 12:31
Sehr gute FF. Also bitte bitte weiter schreiben. Es ist fies an so einer Stelle aufzuhören. xD
Soukaina
Von:  CelliChan
2013-02-24T21:17:21+00:00 24.02.2013 22:17
Sehr gute FF ,toll geschrieben & hoffe das es bald weiter geht ^-^
GGGLG CelliChan
Von:  Leros
2012-06-05T20:28:47+00:00 05.06.2012 22:28
richtig gute FF, gefällt mir sehr gute, ich danke dir das du mir den Glauben zurück gegeben hast das es doch gute HdR FFs gibt, hab diese hier an nem halben tag durchgesuchtet :D hoffe es geht bald weiter

mfg

Credo
Von:  elanor-niphredil
2012-01-16T20:55:29+00:00 16.01.2012 21:55
Hey ho.
Danke für die ENS. Habs mir mal durchgelesen und bin begeistert. Ab und zu sind zwar ein paar Rechtschreibfehler drin, aber ansonsten gefällt mir die Geschichte sehr gut.
Ich find es witzig, dass Kiran sich nur fragt, warum sie nach Mittelerde gekommen ist und nicht wie. Das hätte mich ja nun nach der Frage, wo ich mich jetzt befinde, als nächstes beschäftigt, wenn ich irgendwo aufwache, wo ich nicht eingeschlafen bin.

Der Verlauf der Geschichte ist sehr angenehm zu lesen und ich freue mich schon auf das nächste Kapitel. Nur finde ich es schade, dass Lindir jetzt plötzlich einfach geht. Ich versteh nicht, warum er Kiran nicht versteht, aber sonst würde sie vermutlich nicht mit Legolas zusammenkommen. :) (Sie kommen doch zusammen?!)

Gruß,
elanor-niphredil
Von:  x_BlackCat_x
2011-07-21T16:26:46+00:00 21.07.2011 18:26
hey du. Ich bin gerade beim stöbern über deine FF gestolpert. und es war Liebe auf dern ersten Klick =D XD

Ich mag die ff wirklich sehr gerne du schreibst sehr schön und die Idde die dahinter steckt ist genial.
ich mag besonders real life meets mittel erde. =)

ich hoffe das du bald weiterschreibst =) hast schonmal eine treue leserin in mir gefunden =)

liebe grüsse
Cat
Von:  AnikiArtcraft
2011-06-07T23:21:29+00:00 08.06.2011 01:21
omg nur ein Wort Genial, mal wieder wunderschön geschrieben!
Wirklich Richtig toll mir gefällt deine Liebe zum Detail und deine meiner Meinung nach nahezu perfekten Mischung aus den Orginalbüchern und deinen Interpretationen.

Bin gespannt auf mehr ;)
Dein Riesenfan <3 ^^

Von:  AnikiArtcraft
2011-06-06T01:44:29+00:00 06.06.2011 03:44
Wow, ich muss wirklich sagen Hut ab ich hab deine Ff jetz an einem Stück komplett ich nenne es "Verschlungen" konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen.

Ich Hoffe, nein ich bete das du die FF weiterschreibst weil ich bin jetz schon süchtig danach, wie get das weiter mit dem Seelenbündniss, wie Läuft der Rat ab, was passiert noch alles?

Bitte bitte bitte schreib schnell weiter!

Liebe grüße Vilu
Von:  seifenblase111
2011-03-14T12:35:40+00:00 14.03.2011 13:35
Hallo.

Hab auch schon die alte Version gelesen und sie hat mir gut gefallen.
Diese Version gefällt mir jedoch noch besser. ich hoffe du schreibest sie weiter.

Lg sternchen11


Zurück