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Born to Die

Naizer/Rinslet(Jenos)
von

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Elf Sekunden

I

Die Abenddämmerung war hereingebrochen und der Himmel in einem brennenden Rot aufgeflammt. Es spiegelte sich in den Fensterscheiben des Hotelzimmers wider, das Rinslet gemietet hatte. Natürlich unter einem falschen Namen. Schließlich wäre es unpraktisch, wenn die Bewohner von Dreag City vor dem Einbruch in das öffentliche Museum wussten, dass eine Auftragsdiebin in der Stadt war. Nicht, dass Rinslet nicht auch so einen Weg zu dem antiken Schmuckstück gefunden hätte, das ihr Auftragsgeber so begehrte. Rinslet Walker fand immer einen Weg.

Sie sah über das Magazin hinweg, das sie bis gerade eben noch gelesen hatte, und begutachtete die aufgetauchte Gestalt auf dem zimmereigenen Balkon.

Auch diese hatte sie ins Auge gefasst, wie sie dort auf dem schwarzen Sofa saß. Es stand vor einem Glastisch, der mit zwei sauberen Weingläsern versehen war.

Die Sonne war mittlerweile fast gänzlich untergegangen und die letzten Farben bemalten das Firmament und tauchten das Zimmer ins Halbdunkel. Allerdings machte sie sich nicht die Mühe, das Licht anzuschalten. Lediglich eine Kerze diente als Lichtquelle und genügte ihr, um die Schrift der Zeitung erkennen zu können.

„Aw, du hast schon die Gläser bereitgestellt“, erklang Jenos’ Stimme, als er durch die offenstehende Balkontür ins Innere trat. „Und ich hab’ mir schon Sorgen gemacht, wir müssten aus der Flasche trinken.“ Er zog eine Rotweinflasche hinter seinem Rücken hervor und ließ sich ungeniert neben ihr auf der Couch nieder.

„Im Gegensatz zu dir, bin ich auf alles vorbereitet“, erwiderte Rinslet.

„Auf was denn noch so?“ Bei Jenos’ vielsagendem und noch viel mehr andeutendem Unterton zog Rinslet eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie ihm den Korkenzieher präsentierte, der ebenfalls auf dem Tisch gelegen hatte. Im Gegensatz zu Jenos, bezog sich bei ihr nicht alles auf zweideutige Dinge.

„Du überraschst mich immer wieder, Rinslet Walker“, meinte dieser anerkennend, als er die Flasche öffnete. „Eigentlich wollte ich ja meinen Excelion benutzen und dir eine Show liefern, die du nie vergessen wirst.“

„Du meinst wohl, du wolltest die Flasche in Scheibchen schneiden und den Wein über den Teppich kippen, um mich dann mit der Rechnung sitzen zu lassen“, verbesserte sie ihn.

Sie nahm eines der Gläser entgegen, nachdem Jenos sie halbvoll gegossen hatte. Doch bevor es ihre Lippen berührte, wurde ihr Handgelenk gepackt.

„Na na na, wer wird denn so hastig sein?“, entrann es Jenos charmant. Sein Daumen fuhr Kreise auf ihrem Handrücken, während sein Gesicht sich dem ihren nährte. Dass sie ihn genervt ansah, schien er gekonnt zu übersehen. „Wir müssen anstoßen. Immerhin ist das unser drittes Dates. Das ist etwas Besonderes.“

„Findest du?“ Doch das Einzige, was Rinslet zu hören bekam, war ein Klirren als ihre Gläser sachte gegeneinander stießen.

Inzwischen drang der seichte Abendwind ins Zimmer ein und spielte an der Gardine.

Rinslet senkte die Lider und nahm einen Schluck Wein. Dabei konnte sie Jenos’ durchdringenden Blick noch immer auf sich ruhen spüren.

Ja, es war ihre dritte Verabredung. Doch wenn es nach Jenos Hazard, diesem geborenen Möchtegernmacho, gegangen wäre, dann hätten sie schon bei ihrer ersten Begegnung in einem billigen Motelzimmer sogenannte Liebe gemacht. Daher war es ihr noch immer schleierhaft, wie sie drei Abende mit ihm verbracht haben konnte, ohne von ihm unsittlich berührt worden zu sein.

Womöglich hörte er doch zu, wenn sie etwas sagte. Womöglich hatte er verstanden, dass sie nur ihm mit ausging, wenn er es langsam und ernst anginge, anstatt sie in eine heiße und dreckige Affäre verwickeln zu wollen. Vielleicht hatte sie Jenos einfach falsch eingeschätzt und in ihm steckte doch jemand, der eine Zukunft wert war.
 


 

II

Nachdem Rinslet das erste Mal mit Jenos geschlafen hatte, hatte dieser zu einer Mission aufbrechen müssen, die keinen Aufschub geduldet hatte. Er hatte sie auf die Stirn geküsst, sich angezogen und die Suite verlassen.

Das war der Tag, an dem sie gemerkt hatte, wie abhängig sie von Jenos geworden war. So abhängig, dass sie in dieser Nacht von ihm geträumt hatte. Sie hatte selbst an ihn gedacht, als sie am nächsten Morgen unter der Dusche gestanden hatte. Es war ihr vorgekommen, als hätte sie ihn noch immer riechen können, als hätte sie ihn eingeatmet, weil die Luft um sie herum aus seinem Geruch bestanden hatte.

Doch das Schlimmste war, dass es ihr noch nicht einmal etwas ausgemacht hatte. Zum ersten Mal war sie glücklich gewesen und hatte nichts außer seiner Abwesenheit beklagenswert gefunden.

Was sie jedoch nicht wissen konnte war, dass er in Gedanken ebenso bei ihr war.

Die Mission, die Sephiria ihm über sein Mobiltelefon übertragen hatte, war schnell erledigt. Gegen Mittag war er bereits wieder auf dem Rückweg. Und in wenigen Stunden würde er die Suite erreicht haben und dann würde er Rinslet zu einer weiteren Runde Liebe machen überreden. Sie würden es so richtig knallen lassen, so dass sich ihre Zimmernachbarn an der Rezeption beschweren gehen würden.

Jenos konnte ihre wütenden und geröteten Gesichter schon vor sich sehen, als er grinsend in den Jet stieg, der ihn zurück zur Chronos-Filiale bringen sollte.

Was er jedoch nicht wissen konnte war, dass der Jet in seiner Abwesenheit präpariert worden war. Bei der Zündung der Maschine löste sich ein Mechanismus. Eine Explosion folgte. Sie war ohrenbetäubend. Teile flogen durch die Luft, um in der Umgebung wieder aufzuschlagen. Flammen leckten an dem Wrack entlang und streckten sich in den blauen Himmel entgegen, an dem eine helle Scheibe grotesk auf die Welt hinablächelte.

Sie hatten beide nicht gewusst, dass Abhängigkeit sie anfälliger und verwundbarer machte.

Doch Rinslet lernte es, als die Nacht wie ein Gewitter über sie hereinbrach und Jenos nicht erschien. Sie spürte es mit ihrem Körper wie ein Alkoholiker auf Entzug. Doch als es klingelte und Naizer Bruckheimer vor ihrer Tür stand, hatte sie Klarheit. Sie konnte es in seinem ernsten Gesicht ablesen, wie aus einem aufgeschlagenen Buch.
 


 

III

„Ich bin keine dieser Frauen, die jemand zum Händchen halten brauchen.“ Rinslets Stimme war schnippisch und verärgert und fest.

Trotzdem blieb Naizer auch weiterhin auf dem Sessel sitzen, der zusammen mit dem Glastisch und der schwarzen Couch das kleine Wohnzimmer der Suite schmückte. Es war gemütlich und viel zu einsam ohne Jenos, erschien Rinslet jedoch zu stickig und zu eng in Naizers Gesellschaft. Dieser saß sowieso nur da und verpestete ihr mit seiner Zigarre die Luft. Er vertrieb Jenos’ Geruch, von dem sie glaubte, er lag hier und da noch immer in der Luft.

„Ich habe meine Befehle“, erwiderte dieser nur und entließ einen wohlgeformten Ring aus Rauch aus seinem Mund.

Das Licht der Deckenlampe brach sich auf seiner Glatze und zog jedes Mal Rinslets Augen auf sich, sobald sie in seine Richtung schaute. Letzteres versuchte sie allerdings zu vermeiden, in dem sie am Fenster stand und auf die Hauptstraße hinunter schaute, die sich durch die Stadt schlängelte. Ihre Suite befand sich im neunten Stock und die Menschen waren nicht größer als Mistkäfer.

„Und die wären?“, fragte sie beinahe gelangweilt.

Doch Naizer antwortete nicht, sondern paffte auch weiterhin seine Zigarre und starrte die gegenüberliegende Wand an.

Rinslet verstand nicht, warum er nicht einfach ging. Immerhin wollten sie beide nicht an diesem Ort unter diesen Umständen sein. Noch weniger wollten sie ihre Zeit in der gegenseitigen Gesellschaft verbringen. Allerdings hatte Rinslet ihn schon seit ihrem ersten Treffen nicht verstehen können, genauso wenig wie sie wusste, warum er seine Sonnenbrille auch innerhalb der Suite auf der Nase ließ. Wollte er cool aussehen oder einfach seinem Image als gefürchtete Chronos-Number gerecht werden?

„Ich weiß, du glaubst, ich bin ein gefühlskaltes Arschloch“, bemerkte Naizer nach einer Weile mehr gedankenverloren als Rinslet es ihm je zugetraut hätte, „aber auch an mir geht es nicht spurlos vorbei, wenn ich einen Partner verliere.“

Sollte sie ihn jetzt bemitleiden oder was sollte diese Tour?

Sie stützte ihr Kinn auf der Handfläche ab, während ihre Augen einen gelben Wagen folgten, der gerade auf der Hauptstraße eingebogen war. „Das ist der Grund, warum du dich in meiner Suite verbarrikadierst?“

„Nein“, erwiderte Naizer. „Unsere Kommandantin weiß, dass Jenos mit dir... involviert war. Deshalb soll ich bleiben, bis du den Schock verarbeitet hast.“ Es war eine Aneinanderreihung von Fakten, woraufhin Zorn wie eine Flutwelle über Rinslet hereinstürzte. Sephiria war noch genauso dreist wie bei ihrem damaligen Treffen! Was bildete sie sich ein?

Allerdings erlosch ihre Wut genauso schnell wie sie gekommen war. Rinslet war einfach zu müde, um länger über die Kommandantin der Number nachzudenken und sie wusste, dass Naizer nichts auf sie kommen ließ.

„Okay, ich hab’ den Schock verarbeitet“, meinte sie stattdessen.

„Es gibt wohl nichts, was dich sprachlos machen kann, was, Kleine?“

Für einen Moment konnte Rinslet schwören, dass sie ein Schmunzeln in seiner Stimme wahrnehmen konnte. Als sie jedoch in seine Richtung schaute, war sein Gesicht hart und ernst. Nichts hatte sich verändert.

„Wer weiß...“

Ihre Blicke trafen sich, bevor Naizer sich erhob und die Suite verließ. Die Tür fiel lautlos ins Schloss und es war, als ob Naizer nie da gewesen wäre und Jenos nie gestorben.

Rinslet wandte sich vom Fenster ab, schaute in den offenen Raum hinein und sank daraufhin schluchzend zu Boden, während Naizer an der Wand vor ihrer Suite lehnte und seine Zigarre zu Ende rauchte.
 


 

IV

„Wusstest du, dass die Leute schon über dich reden?“

„Ist Aufdringlichkeit eine Voraussetzung, um eine Number zu werden?“, stellte Rinslet die Gegenfrage, während sie mit den Augen rollte.

Daraufhin konnte sie auf Naizers Gesicht ein Schmunzeln erkennen.

Sie saßen sich in ihrer Suite gegenüber. Rinslet hatte die Knie an ihren Körper gezogen und nippte an ihrer Tasse. Und Naizer... Naizer zog wie immer an seiner Zigarre und saß breitbeinig auf dem Sessel.

Jenos hatte nie in dieser Art gesessen. Er hatte die Beine stets übereinander geschlagen oder wenigstens die Arme auf den Schenkeln abgestützt, was den Anblick etwas Kultiviertes verliehen hatte. Nicht, dass Rinslet viel sehen konnte, da seit Naizers ständigen Überwachungsbesuchen stets blauer Dunst in der Luft hing. Sicherlich würde sie noch vor ihm an Lungenkrebs sterben.

„Man denkt, dass du längst verreckt bist und wartet, dass der erste Geruch durch die Tür dringt“, meinte Naizer.

Rinslet konnte sehen, dass es ihn insgeheim amüsierten würde, wenn man die Tür eintrat, wenn sie gerade unter der Dusche stand. Doch ihr war es genau genommen gleich. Sollten sie doch. Dann hätte sie wenigstens einen Grund das Hotel zu verklagen und damit ein kleines Vermögen zu machen. Vielleicht würde sie dann sogar das Stehlen aufgeben und sich irgendwo auf einer kleinen Insel zur Ruhe setzen. Irgendwo, wo keine der Numbers sie finden konnte.

„Wenn du wieder runtergehst, dann kannst du ihnen sagen, dass sie sich um ihren eigenen Dreck kümmern sollen, solange ich jeden Tag hier bezahle.“

„Das kannst du alleine machen, dann sehen sie gleich, dass du noch am Leben bist – mehr oder weniger zumindest.“

„Was soll das bitte heißen?“, zischte Rinslet.

„Das soll heißen, dass du scheiße aussieht, Kleine“, erwiderte Naizer und zuckte nonchalant mit den Schultern.

Rinslet konnte spüren, wie nicht nur ihre Abneigung ihm gegenüber stieg, sondern auch die Röte in ihre Wangen schoss. Was nahm sich dieser Kerl eigentlich heraus? Und wieso zum Teufel ließ sie sich das auch noch gefallen?

Genervt starrte sie Naizer an, der sich gemütlich nach hinten gelehnt und den Kopf in den Nacken gelegt hatte. Rauchend starrte er an die Decke und ignorierte Rinslet, als sei sie überhaupt nicht anwesend - und das in ihrer eigenen Suite.
 


 

V

Rinslet hätte sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt, dass sie einmal mit Naizer Bruckheimer in einem schwarzen Mustang durch die Stadt brausen würde.

Surreal flogen Autos und Menschen und Hochhäuser an ihnen vorbei, während sie ihre Jacke enger um ihren Körper zog. Naizer mochte es anscheinend kalt, denn die Klimaanlage des Wagens lief auf Hochtouren. Dazu herrschte eisiges Schweigen zwischen ihnen, obwohl er derjenige gewesen war, der sie zu diesem Trip, wo auch immer er letztendlich hinführen mochte, gezwungen hatte.

Er hatte nicht gefragt, sondern es ganz einfach bestimmt. Und sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, seine Worte zu verdauen, bevor er Rinslet ihre Jacke in die Hand gedrückt und sie aus der Tür geschoben hatte.

„Sephiria würde es mir nie verzeihen, wenn ich dich als Brotscheibe hier verschimmeln lassen würde. Das wäre, als würde ich einen Auftrag in den Sand setzen. Das verstehst du doch sicher, oder? Immerhin hast du auch einen Ruf zu verlieren“, hatte er gesagt.

Brotscheibe? Verschimmeln? Auch wenn Rinslet die Number I von den Chronos Numbers für ziemlich dreist hielt, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sephiria sie eine Brotscheibe nennen würde. Dieser Ausdruck entsprang viel eher Naizers Wortschatz - und trotzdem saß sie hier in seinem Wagen...

Hatte dieser Typ denn überhaupt kein Taktgefühl? Jenos war gerade gestorben und er beleidigte si auch noch. Dachte er, nur weil er eine Number war, war er so viel besser als sie?

Rinslet verzog das Gesicht zu einer Grimmasse.

„Was guckst du so?“

„Wie gucke ich denn?“

Darauf erhielt sie keine Antwort, da Naizer stattdessen auf einen kleinen Parkplatz einbog. Er gehörte zum Postamt, aber als Rinslet ausstieg, folgte sie Naizer dennoch zu dem Laden daneben.

Ein Tabakladen, wie Rinslet bemerkte, sobald sie ihn betreten hatten. Der blaue Dunst, der Naizer verfolgte, lag auch hier in der Luft, so dass sie Mühe hatte den wenigen Sauerstoff ohne Hustenanfälle in ihre Lunge zu saugen.

Inzwischen war Naizer zu dem Tresen herübergeschlendert, hinter dem ein alter Mann stand, dessen Haare mehr weiß als grau waren.

Rinslet blieb nahe der Tür stehen, fertig bei der nächsten Gelegenheit hinaus schlüpfen und sich abzusetzen. Das war das Vernünftigste, was sie tun konnte.

Doch Naizer lachte. Kein gekünsteltes oder hämisches Lachen, sondern ein natürliches. Etwas, was Rinslet dazu brachte stehen zu bleiben, obwohl ihr Verstand schrie, endlich ihren Hintern in Bewegung zu setzen und zu machen, dass sie wegkam. Aber sie hörte nicht zu, denn Naizer lachte. Sein Lachen war wie ein Fenster zu seiner menschlichen Seite, die durch seine Professionalität für gewöhnlich unter Verschluss gehalten wurde. Doch hier befanden sie sich in diesem stinkenden Tabakladen mit einem Mann, der Rinslets Großvater sein könnte und aussah, als würde er jeden Moment tot umfallen, und Naizer war ein Mensch. Er lachte und riss Witze und kaufte eine neue Schachtel Zigarren, wie ein gewöhnlicher Zivilist, der seiner Sucht erlegen war.

Menschsein war das gewesen, das Rinslet an Jenos von Anfang an fasziniert hatte. Das, und sein Lachen.
 


 

IV

Es war weit nach Mitternacht, als es an der Tür zu Rinslets Suite klopfte. Zuerst wollte sie es ignorieren, doch als es zwei weitere Male klopfte, schaute sie vom Fernseher zur Tür. Sie konnte das Licht im Gang draußen durch den Spion als einen hellen Punkt erkennen. Eine Weile musterte sie ihn mit starrem Blick, bevor sie sich von dem Sofa erhob und mit der 9mm aus ihrer Handtasche zur Tür schlich.

Rinslet Walker hatte viele Feinde und obwohl sie nicht glaubte, dass einer vor ihrer Tür stand, hämmerte ihr Herz regelrecht gegen ihre Brust.

Erst als sie durch den Spion schielte und sah wie sich das Licht auf dem Kopf von Naizer Bruckheimer brach, fiel die Anspannung von ihr ab.

Trotzdem öffnete sie die Tür nicht weiter als einen schmalen Spalt. „Ich kaufe nichts.“

„Gut, weil ich nichts verkaufe“, war Naizers viel zu ernste Antwort. Rinslet konnte seine Augen nicht sehen, da sie wie gewöhnlich von seiner Sonnenbrille verdeckt waren, und auch seine Züge waren unleserlich. Als ihr Blick jedoch über das zerfetzte Sakko wanderte und das blutige Hemd darunter in Augenschein nahm, zog sie die Tür weiter auf.

„Was ist passiert?“, entrann es Rinslet, doch Naizer antwortete nicht.

Er stützte sich lediglich mit einer Hand am Türrahmen ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Warum bist du hier? Solltest du nicht vielmehr in irgendeinem Krankenhaus sein? Bei irgendeinem Arzt?“ Rinslet erwartete auch darauf keine Antwort, sondern winkte Naizer lediglich mit einer Handbewegung in die Suite hinein. Als er sich an ihr vorbei über die Türschwelle schleppte, ergriff sie seinen Arm und legte ihn sich um die Schultern.

Gemeinsam war der Weg zum Sofa etwas weniger lang und anstrengend. Zumindest für Naizer Bruckheimer, der gefürchteten Number V, die mit vier Messerstichen an ziemlichen Blutverlust litt.

Nachdem Rinslet Naizer auf das Sofa verfrachtet hatte, zog sie erst einmal die Gardinen im Wohnzimmer zu, um keine Aufmerksamkeit auf sich oder Naizer zu ziehen. Sie konnte fühlen, dass dieser sie dabei beobachtete, doch ignorierte ihn. Stattdessen holte sie den Verbandskasten, den sie immer im Bad hatte, und ein paar Handtücher. Anschließend ließ sie sich neben ihm nieder.

„Was ist? Willst du hier auf meiner Couch abkratzen oder warum bist du gekommen?“ Ihre Stimme war klar und mit Wut untermalt, obwohl sie eher so etwas wie Sorge verspürte. Aber warum tauchte er auch hier mitten in der Nacht auf? Hatte ihn jemand gesehen? Warum war er nicht in der Chronos-Filiale?

Doch genauso wenig wie Naizer zuvor geantwortet hatte, war ihm in diesem Augenblick danach. Stattdessen hüllte er sich auch weiterhin in Schweigen. Sein Gesicht war auf das Fenster gerichtet, das nun hinter Gardinen verborgen lag.

Und für einen winzigen Augenblick kam Rinslet sich vor, als seien Naizer und sie auf der Flucht vor dem Gesetz und hatten sich in einem billigen Motelzimmer verschanzt, um ihre Kräfte zu sammeln und ihre Wunden zu lecken.

Schweigend nahm sie Naizer die Sonnenbrille ab und legte sie lautlos auf den Glastisch. Seine Augen waren blutunterlaufen und lagen auch weiterhin auf einen imaginären Punkt. Er war in eine Welt eingetaucht, in der Rinslet weder folgen konnte noch wollte.

Kurz betrachtete sie sein Seitenprofil, bevor sie sich vorbeugte und vorsichtig die Knöpfe seines Sakkos öffnete, ehe sie ihm dieses von den Schultern strich. Er ließ sie gewähren, was Rinslets Sorge nur um das Vielfache anwachsen ließ. Naizer war kein Mensch, der Hilfe annahm.

„Ich habe sie nicht gesehen. Sie war nicht älter als fünf oder sechs“, war das Einzige, was er an diesem Abend noch sagte, als Rinslet seine Wunden mit einer Flasche Whiskey reinigte und verband.
 


 

VII

Als Rinslet am nächsten Morgen aufwachte, war Naizer verschwunden. Eigentlich hatte sie nichts anderes erwartet, doch ein Teil von ihr war trotzdem überrascht.

Eine Weile stand sie einfach nur im Türrahmen zum Wohnzimmer und starrte das Sofa an. Die Tasse Kaffee in ihrer Hand dampfte und kurzzeitig erinnerte es sie an eine von Naizers Zigarren. Als er gestern vor ihrer Tür gestanden hatte, hatte er nicht geraucht. Gestern war er auch nicht er selbst gewesen. Ob er es heute war?

Rinslet wandte sich kopfschüttelnd ab. Sie wollte darüber nicht nachdenken. Es ging sie auch überhaupt nichts an. Naizer ging sie nichts an und jegliches Mitleid für ihn, war eine weggeworfene Emotion, die sie sich nicht leisten konnte. Sie hatte in der letzten Zeit schon zu viel gefühlt.

Energisch holte sie ihren Koffer hinter der Tür zu ihrem Schlafzimmer hervor und schmiss ihn auf das Doppelbett der Suite. Danach fing sie an die Schubladen und Schranktüren aufzureißen und alles hineinzuschmeißen, bevor sie ihn schloss und zur Tür schleifte.

Es wurde Zeit, dass sie ihr Leben wieder in den Griff bekam. Jenos war tot und seitdem hatte sie sich in dieser Suite verbarrikadiert und von Naizer terrorisieren lassen. Damit war jetzt Schluss!

Sie streifte ihre Jacke über und verließ mit ihrem Koffer das Zimmer, welches sie an der Anmeldung mit einer ihrer Kreditkarten bezahlte. Zudem ließ sie sich ein Taxi rufen, das sie zum Bahnhof bringen sollte.

Sie würde den ersten Zug aus dieser Stadt nehmen und sich um neue Aufträge kümmern. Der Rest würde sich mit der Zeit ergeben, redete sie sich ein.

Der Taxifahrer war ein junger Mann, von dem Rinslet glaubte, er hatte gerade erst die Schule abgeschlossen. Er redete die meiste Zeit der Fahrt, doch sie hörte ihm nur mit halbem Ohr zu und nickte ab und zu, um guten Willen zu zeigen.

Sie wollte einfach nur raus aus dieser Stadt, da nahm sie auch vorlieb mit einem Kerl, der mehr als einmal einen Blick in den Rückspiegel tätigte, um ihre Brüste anzustarren. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden, von mehr als zwei Augen verfolgt zu werden.

Sie schaute prüfend aus dem Fenster und warf auch einen Blick hinter ihnen auf die Straße, doch sie konnte nichts Verdächtiges bemerken, geschweige denn einen schwarzen Mustang erkennen.

Es war ohnehin unsinnig und paranoid zu denken, Naizer würde ihr nachspionieren. Dafür gab es keinen Grund. Er konnte noch nicht einmal wissen, dass sie endlich ihre Suite von alleine verlassen und sich ein Taxi bestellt hatte und nun auf den Weg zum Bahnhof war. Rinslet wusste ihre Spuren zu verwischen und Naizers Informationsnetz bestand sicherlich nicht aus ein paar Hotelangestellte und einem Taxifahrer.

Als das Taxi vor dem Bahnhof hielt, hatte es bereits zu regnen begonnen. Tropfen perlten langsam der Scheibe ihres Fensters hinab, als sie sich noch einmal skeptisch umschaute. Erst danach stieg sie aus, ignorierte den Wind, der ihr Regen ins Gesicht schlug, und nahm stattdessen ihr Koffer von dem Taxifahrer entgegen, der ihn aus dem Kofferraum hievte.

Mit Schritten, die schnell, jedoch weder Nervosität noch Hektik ausstrahlten, verschwand sie im Inneren des Bahngebäudes. Sie schlängelte sich durch die Menschenmasse, die auf dem Weg nach draußen war, und stellte sich an einen der Schalter an, um sich ein Ticket zu kaufen.

Der nächste Zug würde in fünfzehn Minuten losfahren, der danach dagegen brauchte noch eine Stunde, bis er überhaupt im Bahnhof eintraf. Aber letzterer war ihr egal, sie wollte – musste – den Ersten bekommen! Sie würde keine weitere Stunde in dieser Hölle ertragen.

„Ein Ticket für den A3, der nach Ains Town“, entwich es ihr, als sie endlich an der Reihe war. „Wenn es sein muss, nehme ich auch einen Stehplatz!“

Der Angestellte warf ihr einen abschätzenden Blick zu, doch schien einer Frau nichts abschlagen zu können. „Der Zug fährt in einer Viertelstunde los. Sie müssen zu Gleis 3“, erwiderte er freundlich und reichte ihr eines der Tickets.

„Danke.“ Sie fischte einige Geldscheine aus ihrer Handtasche und verschwand mit ihrem Koffer in der Menge. Sie kämpfte sich zu den Rolltreppen hindurch, um hinunter zu den Gleisen zu gelangen. Dort schaute Rinslet sich erneut um, bevor sie in ihren Zug stieg.

Dieser war noch immer recht leer, ruhig dazu. In dem Wagon, in dem sich Rinslets Sitz befand, saßen zwei alte Damen, ein Mann und eine Mutter mit zwei Kindern. Beide spielten Gameboy und der Mann lehnte mit dem Kopf an der Scheibe und schlief.

Erleichtert hievte Rinslet ihren Koffer in die Ablage und ließ sich auf ihrem Sitz nieder. Ihrer war im hinteren Teil des Wagons und direkt am Fenster. Die Plätze neben und vor ihr waren noch immer leer und Rinslet hoffte, dass es so bleiben würde. Aus dem Fenster schauend, beobachtete sie das Treiben auf dem Bahnsteig.

Die Anzeigetafel zeigte an, dass der Zug in sechs Minuten abfahren würde. Rinslet konnte es kaum erwarten. Sie hatte die Einsamkeit noch nie genossen, doch dieses Mal ersehnte sie sich ihrer. Vielleicht hätte sie sich niemals mit einer Number einlassen sollen. Vielleicht war es für diesen Gedanken auch schon zu spät.

Ein Schatten erschien und setzte sich auf den freien Platz neben ihr. Ihre Augen waren noch immer auf den Bahnsteig gerichtet, doch ihr Herz stolperte, als sie eine bekannte Stimme an ihrem Ohr vernahm.

„Wegrennen sieht dir gar nicht ähnlich.“

Rinslet brauchte ihn nicht anzugucken, um zu wissen, um wen es sich dabei handelte. Sie würde seine raue Stimme auch unter Hunderten heraushören.

„Jeder entdeckt neue Seiten an sich, nicht wahr? Zum Beispiel, wusste ich nicht, dass du neben einer Number auch ein Stalker bist.“

Naizer lachte auf. Er hatte die Arme locker vor dem Bauch verschränkt und betrachtete die zwei alten Damen im vorderen Teil des Wagons durch seine Sonnenbrille hindurch. Doch er schwieg, genauso wie Rinslet, die weiterhin nach draußen schaute.

Die Anzeigetafel hatte auf zwei Minute heruntergezählt und Rinslet starrte sie an, als würde sie dadurch auf null umschlagen. Doch sie tat es nicht, stattdessen streckten sich die Minuten zu einer Ewigkeit und verloren sich in ihrem Schweigen.

Irgendwann riss Naizer jedoch seine Augen von zwei Damen los, die miteinander schnatterten, und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich hätte nicht kommen sollen.“

Seine Worte waren leise und für einen Moment glaubte Rinslet, sie sich eingebildet zu haben. Außerdem wusste sie nicht genau, von welchem Auftauchen er sprach. Von dem gestrigen, als er mitten in der Nacht blutend vor ihrer Tür gestanden hatte? Oder dem jetzigen, da er sich einfach neben sie gesetzt hatte, als wäre es das Natürlichste der Welt jemanden hinterher zu schleichen und als könnte sich eine Number jegliche Freiheit herausnehmen? Und wenn das eine Entschuldigung sein sollte, könnte er sie sich auch sonst wohin stecken. Das war nichts Halbes und nichts Ganzes. Nein, es machte sie nur wütend, verdammt wütend.

Sie wollte ihm so viele Dinge an den Kopf werfen, doch bevor sie die Gelegenheit dazu bekam, hatte die Anzeigetafel heruntergezählt und Naizer erhob sich.

Ein Knoten hatte sich in ihrer Kehle gebildet und ließ nicht mal den winzigsten Ton hindurch, geschweige denn ganze Worte. Den Bruchteil einer Sekunde hatte sie das Gefühl ersticken zu müssen, doch das war nicht der Grund, weshalb sie Naizers Arm packte und ihn davon abhielt auszusteigen.
 


 

VIII

Das war das Ende vom Leben, wie Rinslet Walker es kannte. Sie wusste es. Sie bemerkte es, als Naizer Bruckheimer sich wieder neben sie setzte und der Zug langsam aus dem Bahnhof ins offene Land rollte. Es brauchte keine Worte; es war eine stumme Gewissheit, denn ihre Hand war noch immer in den Stoff von Naizers Sakko gekrallt und er unternahm nichts, um das zu ändern. Stattdessen beobachtete er wieder die alten Damen und Rinslet die vorbeifliegende Landschaft.

„Ich könnte eine Zigarre vertragen“, bemerkte Naizer.

„Hier ist rauchen verboten“, erwiderte Rinslet.

Stille.

„Die Mission, die Sephiria Jenos so plötzlich übertragen hat, sollte eigentlich meine sein“, fing Naizer irgendwann wieder an. Rinslet zog inzwischen ihre Hand zurück, doch schaute weiterhin aus dem Fenster. „Aber ich war verletzt. Dagegen waren das gestern Kratzer. Deshalb hat Sephiria Jenos geschickt,... dabei hätte ich den Auftrag ausfüllen sollen.“

Das war das Ende.

Das war der Moment, in dem Rinslet die Puzzleteile zusammensetzen konnte. Eins und eins ergab wieder zwei und keine drei. Naizer Bruckheimer hatte Jenos Hazard auf dem Gewissen. Er war Schuld, das Jenos gestorben war. Er hatte Schuldgefühle und hatte sich deshalb darum gekümmert, dass sie, die Brotscheibe, nicht in ihrer Suite verschimmelte.

Rinslets Augen brannten wie ein Feuer, in das noch Öl hineingeschüttet worden war. „Das ist der Grund für das alles?“

„Ja.“

„...“

„Nein“, korrigierte Naizer schließlich. „Nicht mehr.“

Rinslet nickte daraufhin sachte und beobachtete den Regen und die weite Wiese, an der die Gleise entlang führten.

„Du solltest gehen“, murmelte sie dann.

„Das macht sich schlecht mitten in der Fahrt.“

„Ich weiß“, antwortete sie und schloss die Augen, als Naizer sich doch erhob und den Wagon verließ.

Obwohl sie ihm gesagt hatte, er solle sie alleine lassen, fühlte sie sich nun keinen Deut besser. Im Gegenteil. Die ersehnte Einsamkeit war nun drückend, beinahe zerquetschend. Zudem schwammen hinter ihren Augenlidern noch immer Tränen, die verzweifelt einen Ausgang aus ihrem Gefängnis suchten.

„Ich wusste nicht wohin“, ertönte es, als die Tränen endlich aus ihren Augen springen und in die Freiheit entkommen konnten.

Hastig fuhr Rinslet sich mit ihren Handrücken über die Augenwinkel, bevor sie in Naizers Gesicht schaute, der sich erneut neben sie gesetzt hatte. Er hatte die Sonnenbrille abgenommen, hielt sie nun locker in den Händen und begegnete ihrem Blick. „Ich wusste nicht wohin, deshalb. Der einzige Ort, der mir eingefallen ist, als ich gestern wieder zu mir kam, war die Suite. Deine Suite.“
 


 

IX

Sie waren zwei Verbrecher auf der Flucht vor dem Gesetz, die sich in einem billigen Motelzimmer verschanzt hatten, um sogenannte Liebe zu machen, bevor man sie trennen konnte. Keiner von ihnen wusste, was der nächste Tag bringen würde, aber es war auch egal. Nichts außer das Jetzt zählte. Jetzt und hier und zusammen.

Rinslet konnte sich nicht erinnern, wie sie in diesem Motelzimmer gelandet waren. Es war alles verschwommen und verdammt schnell gegangen. Sie waren aus dem Zug gestiegen, um dann auf der Rolltreppe zwischen zig anderen Menschen zu stehen und zu warten... und sich zu küssen.

Irgendwo zwischen Untergeschoss und ersten Stock, zwischen einer Gruppe Geschäftsmänner und den zwei alten Damen aus ihrem Wagon hatten sie sich geküsst. Rinslet konnte sich nicht erinnern, wer angefangen hatte. Erinnern konnte sie sich nur an den Kuss und an Naizers Hände an ihren Wangen und ihre Hand an dem Henkel des Koffers. Zitternd.

Dann hatten sie sich den Weg durch die Meute an den Schaltern gesucht und waren mit anderen durch eine Tür nach draußen getreten.

Ains Town war eine dreckige, kleine Stadt. Auf der anderen Straßenseite war ein Cafe gewesen, direkt daneben das Motel, indem sich zwei Verbrecher vor der Welt verbarrikadiert hatten, um Liebe zu machen.

Für gewöhnlich war Rinslet niemand für eine Nacht oder ein Techtelmechtel für zwischendurch. Aber das fühlte sich weder nach dem einen, noch nach dem anderen an. Es fühlte sich nach so viel mehr an, mehr als Rinslet ertragen konnte. Sie hatte den Eindruck an einem Herzstillstand sterben zu müssen, als all diese Gefühle durch ihren Körper zuckten wie Blitze.

Dabei lag sie lediglich auf dem Bett und beobachtete Naizer dabei wie er sein Sakko auszog und über die Stuhllehne eines einzeln stehenden Sessels warf. Er hatte dieses Schmunzeln auf den Lippen, das irgendwo zwischen charmant und provokativ lag.

Alles andere war vergessen und unwichtig. Selbst die römische Fünf auf seiner linken Schläfe, die ihn für einen frühzeitigen Tod brandmarkte und sie für einen weiteren Verlust in ihrem Leben. Doch das war alles weit weg, denn dieser Moment gehörte nur ihnen.
 


 

X

Der Moment, in dem Naizer und Rinslet unendlich waren, war trotzdem nichts anderes als ein Moment. Im Vergleich zu ihrem Leben hielt er nur den Bruchteil einer Sekunde und wurde von dem Klingeln von Naizers Mobiltelefon zerschnitten wie ein Stück Papier.

Naizer löste sich aus Rinslets Armen und griff nach seiner Hose, die neben dem Bett lag. Inzwischen setzte sich die Violetthaarige auf und rieb sich die Augen. Einen Augenblick später und sie wäre eingeschlafen.

Sie betrachtete Naizers Seitenprofil, auf dem wieder Professionalität geschrieben stand anstatt die Menschlichkeit, die Rinslet anzog wie ein Licht es mit Mücken tat.

„Ich bin auf dem Weg“, murmelte er, ehe er das Handy sinken ließ.

„Wer war es?“, entwich es Rinslet, obwohl sie es schon wusste.

Wie sollte Rinslet auch nicht, wo Sephiria Arks als Captain der Numbers auch den ersten Platz in Naizers Leben einnahm.

„Sephiria. Es ist was passiert. Ich muss los“, erklärte er undurchsichtig. Allerdings wusste Rinslet schon von Jenos, dass eine Number nicht frei über ihre Aufträge sprechen konnte. Sie wollte eigentlich gar nicht wissen, was bei ihnen los war. Das Einzige, was sie sich wünschte, war eine Nacht, wo Sephiria nicht anrief und auch nichts los war.

„Sei vorsichtig“, brachte sie nach einigen Schweigesekunden hervor und fixierte die Decke, die ihren nackten Körper bedeckte.

Naizer legte ihr seine Hand auf den Kopf wie man es bei einem Kind machte und erhob sich, um sich anzuziehen und sie in dem Zimmer zurückzulassen.

Genauso wie Jenos. Jenos, der nie wieder gekommen und gestorben war. Nur weil Sephiria Arks anrufen musste!

Rinslet ließ sich nach hinten in die Kissen fallen.

Sie hasste diese Frau einfach. Alles an ihr. Seit wann waren Frauen überhaupt Anführerinnen von Organisationen wie Chronos? Diesen Job hätten sie lieber einem Mann übergeben sollen. Vielleicht hätte dieser bessere Entscheidung getroffen. Vielleicht wäre Jenos jetzt noch am Leben oder Naizer jetzt noch hier.

Stunden später in dieser Nacht war Rinslet schließlich eingeschlafen, obwohl sie gedacht hatte, es vor Morgengrauen nicht mehr zu können. Da war diese winzige Stimme in ihrem Kopf gewesen, die ihr immerzu zuflüsterte, dass Naizer dasselbe Schicksal ereilen könnte wie Jenos. Beide verschwanden und verunglückten in der ersten Nacht, die Rinslet mit ihnen verbrachte. Das wäre so gewesen, als sei Rinslet verflucht. Alleine mit diesem Gedanken hätte sie nicht leben können. Sie wollte nicht der Grund dafür sein, dass Menschen starben. Sie klaute, aber tötete nicht.
 


 

XI

Als sie jedoch am nächsten Morgen aufwachte und sich aufsetzte, fiel die Sonne durch das einzige Fenster im Raum direkt auf das Bett und Naizers verbundenem Rücken. Er lag schlafend neben ihr, nur mit seiner Hose am Körper.

Rinslet stieß ihn sachte an, worauf er sich auf den Rücken drehte und die Arme locker hinter dem Kopf verschränkte.

„Du lebst...“, sagte sie, woraufhin Naizer einige Mal blinzelte.

„Bisher habe ich noch alles überlebt. Da ist so ein Meeting eine Kleinigkeit“, erwiderte er verschlafen und gähnte. Als er erneut die Augen aufschlug, war Rinslets Gesicht nahe dem seinen.

Sie drückte ihm ihre Lippen auf.

„Wofür war das denn?“, fragte er in einem amüsierten Ton.

„Dafür, dass du alles überlebst.“ und nicht einmal Sephiria Arks’ Anrufe dich töten können.

Sie grinste noch immer und verschwand anschließend wie Gott sie erschaffen hatte im Bad. Nur ein herausfordernder Blick ging vorher über ihre Schulter zurück, woraufhin sich Naizer aus dem Bett schälte und ihr folgte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Krylia
2013-06-09T18:36:25+00:00 09.06.2013 20:36
Ganz tolle Geschichte. :)

Ich persönlich kann mich ja nicht zwischen Train x Rinslet und Jenos x Rinslet entscheiden und dass Letzterer in deiner FF stirbt macht mich natürlich traurig, aber du hast das alles sehr reif geschrieben. Diese "Einzig Wahre Liebe"-Geschichten sind zwar auch immer schön, aber im echten Leben läuft es nunmal nicht so ab. Und das ist vielleicht auch gut so, sonst wäre Rinslet für immer abgrundtief traurig und allein geblieben.

Nochmal ein Kompliment zu deinem Oneshot. :)


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