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120 Pfade durch Japan

120-Kurzgeschichten Challenge
von

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Das Mädchen mit der Katze

Es regnete Bindfäden vom pechschwarzen Himmel. Lediglich das Prasseln der schweren Wassertropfen auf die in der Nacht schwarz gewordenen Blättern und das dumpfe Geräusch von schwerer Hufe auf Waldboden drang durch die Dunkelheit. Das Regenwasser peitschte der Frau mittleren Alters um die Ohren und einige Haarsträhnen klebten ihr triefend nass auf der Stirn, so dass ihr ab und an doch ein kalter Regentropfen ins Auge rollte und ihr die Sicht noch mehr vernebelte. Die Frau mit dem langen, schwarzen Haar kümmerte sich jedoch nicht um das schlechte Wetter, denn sie war gerufen worden um ihr Geschäft nachzugehen. Mitten in der Nacht war ein noch junger Lehrling des Handwerkers im Dorf herbeigeeilt und hatte wie wild mit der geballten Hand an die dünne Holztür des Schreins geschlagen. Donnernd drangen die Schläge in das Innere des Schreingebäudes und weckte die Hüterin aus tiefem Schlaf.

Man berichtete ihr, dass in einer Hütte am Rande des Dorfes Schreckensschreie zu hören waren. So markerschütternd und schrill, dass es wohl nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Die Miko nickte und verschloss die Türe. Sie war noch nicht ganz aus dem Land der Träume zurückgekehrt als sie sich den roten Hakama und das weiße Oberteil wieder überstreifte nachdem sie ihr Nachtgewand abgelegt hatte. Nun sah sie beinahe wieder so perfekt aus wie immer. Sogleich machte sie sich auf den Weg in das Dorf, während sie sich fragte ob man einen Krieger rief, der sich um ein irdisches Geschehen kümmerte. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass man sie fälschlicher Weise aus dem Bett trieb.

Ohne weitere Informationen war sie losgeritten, denn sie war sich dem Ort des Vergehens schon bewusst. Am Rande des Dorfes lebten die Burakumin, die Menschen, die unreinen Arbeiten nachgingen und kein Recht darauf hatten sich frei im Dorf zu bewegen oder in den gewöhnlichen Shintouschreinen und buddhistischen Tempeln zu beten und den Göttern Genüge zutun.

Das Ziel der Miko war ein bestimmtes Haus, welches im hintersten Teil des Dorfes lag.

Eilig brachte sie ihr braunes Pferd zum Stehen. Fest umklammerte sie eine Kette an der einige weiße Perlen befestigt waren. Ein Gerät mit dessen Hilfe sie Exorzismus und Geisterbeschwörung betreiben konnte. Als die Frau von ihrem Pferd stieg tätschelte sie kurz den Hals des Tieres, band es allerdings nicht fest. Ihr treuer Freund würde auf sie warten, das wusste sie. Für sie selbst war es ebenso sicherer das Reittier nicht anzubinden, denn sie wusste noch immer nicht, was sie in dem Haus erwartete. Zu ihrem Überraschen aber stand die Tür zu der kleinen Hütte weit offen. Zu weit.

Alles was davor zu sehen war, waren matschige Pfotenabdrücke eines kleinen Vierbeiners, der Größe nach zu urteilen waren es wahrscheinlich die einer Katze.
 

Als die Miko eintrat, gab es keine Lichtquelle im Haus. Wenn wenigstens der Mond geschienen hätte, wäre ihr sicher ein wenig Licht gespendet worden. Im Gang standen zwei paar Schuhe ordentlich platziert und neben ihnen verliefen die Tatzen, schmutzig und feucht klebten sie auf dem Boden. Nun würde die Miko sicherlich noch einiges mehr an Wasser mit ins Haus bringen, allerdings war es so still, dass die Frau fast vermutete, dass es verlassen war.

Hieß es nicht, dass es schreckliche Schreie in dieser Hütte gab?

Es war zu still für den Geschmack der heiligen Frau. Wagemutig ging sie jedoch weiter ins Innere hinein und langsam überkam die geistliche Frau ein kalter, unheimlicher Schauer. Im Aufenthaltszimmer, in dem man normalerweise Tee und Speisen zu sich nahm und munter miteinander plauderten, waren Tische und die Innenausstattung umgeworfen. Dem kleinen, quadratischen Holztisch fehlte sogar ein Bein. Die kleinen Sitzkissen waren entzwei gerissen und an den Schiebewänden waren die Spuren von Krallen zu sehen. Lange, breite Schlitze hatten den leichten Papierstoff zerkratzt.

In diesem Haus war eindeutig etwas geschehen.

Vorsichtig und behutsam setzte die Miko einen Schritt vor den nächsten. Im Augenblick war noch alles still, allerdings konnte man nie wissen, hinter welcher Ecke und vor allem wann sich wohl ein verrückt gewordener Kerl zeigte, der so von Wahnsinn befallen war und sofort mit spitzer Klinge zustechen wollte. Die Frau spürte ihr Herz deutlich in ihrer Brust schlagen, noch nie war ihr ein Haus so gruselig vorgekommen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie die dunklen Schatten der alltäglichsten Dinge bei Nacht so düster erlebt.

Ein Scharren war zu hören. Die Frau erschrak, worauf sie sich hinter dem nächstbesten Gegenstand der groß genug war verstecken wollte, jedoch rutschte ihr rechter Fuß aus worauf die Miko den Halt verlor und mit einem lauten Poltern rücklings zu Boden fiel und mit dem Kopf hart auf den Holzboden aufkam. Einen Augenblick lang musste sie Luft holen und sich entspannen. Anscheinend hatte sie sich nichts ernsthaftes getan, aber in ihrem Schädel dröhnte der Aufprall ziemlich heftig nach. Wäre es nicht so düster gewesen, hätte sie gesehen das irgendetwas auf dem Boden gewesen war. Die Frau setzte sich auf und ging auf allen Vieren um herauszufinden worauf sie ausgerutscht war. Ihre Finger tasteten den Boden ab, so lange bis sie auf etwas klebriges. schmieriges traf. Wieder wünschte sie sich auch nur ein bisschen Licht, egal woher es kam. Mit bloßem Auge konnte die Hüterin des Schreins nicht erkennen um was es sich handelte. Sie zerrieb die klebrige, dickflüssige Masse zwischen zwei Fingern, bis sie sich zu kleinen Brocken verhärtet hatte. Waghalsig probierte sie etwas davon mit der Zunge um herauszufinden um was für eine Substanz es sich wohl handelte.

Der Geschmack ließ die Frau erzittern. Es war ein scharfer Geschmack von Eisen, der ihr sogleich durch und durch ging. Der Geschmack, der sich in ihrem Mund ausbreitete war widerwertig. Ekel stieg in ihrem Hals auf. Sie war auf Blut ausgerutscht. Als die Miko die Hand ausstreckte um zu sehen ob sich noch mehr Lebenssaft auf dem Holzboden ausgebreitet hatte, überkam sie ein weiterer Gräuel. Sie war nicht durch einen kleinen Fleck gestürzt, vor ihr erstreckte sich eine gewaltige Blutlache.

Der blasse Ekel kam in der Hüterin auf. Ein Würgereiz brachte sie dazu erstickte, aber gut vernehmbare Laute von sich zu geben. Sicher war dies ein Fehler, doch sie konnte sich nicht beherrschen.

Ein Keuchen war plötzlich zu hören.

Sie wusste ganz genau, dass sie nicht keuchte. Sie wollte ihren Mageninhalt einfach nur loswerden, sie unterlag noch immer Würgereizen, doch sie keuchte nicht. Auf diese angestrengten, auf eine Weise ängstlich klingenden Laute, gelang es der Frau langsam wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Das Keuchen wurde lauter, je stiller die Miko wurde.

„Hilf mir“, kam es aus der Wand neben ihr.

Ihr Atem beschleunigte sich wieder. Die Brust senkte und hob sich im rasenden Tempo. Sie drehte den Kopf zur Seite. Es war nur eine Wand, doch was war dahinter? Das Keuchen, weinerliche fiepende Töne kamen daher.Als Miko durfte sie keine Furcht zeigen, sie musste sich den übernatürlichen Dingen dieses Lebens stellen. Warum sonst war sie als Miko in Verbindung mit den Göttern? Die Frau rang kurz mit sich selbst. In ihrem Kopf ging sie die Möglichkeiten durch was nun geschehen könnte, was sich zutragen würde und welches Wesen sich hinter der Wand befand. Sie streckte zitternd ihre Hand aus und erkannte, dass es eine Schiebewand war, die den zertrümmerten Raum von einem kleinen Schrank trennte. Mit etwas mehr Erleichterung schob die Miko bewegliche Tür zur Seite. Es dauerte keine zwei Sekunden bis ein panischer Schrei ertönte, als die Wand nun endlich bei Seite geschoben wurde. Ein schwarzer Schatten raste auf die Hüterin des Schreins zu. Ein schmerzhafter Druck wurde auf ihre Magenkuhle ausgeübt. Wieder konnte sich die Frau nicht auf den eigenen Beinen halten. Sie stürzte von neuem zu Boden und auf ihr lag die schwere Last eines Wesens, das sie beinahe täglich grüßte. Ein junges Fräulein, welches rechtschaffend und freundlich war. Die Miko konnte immerhin schemenhaft die Silhouette des Mädchens erkennen und so konnte sie mit Gewissheit sagen, wer dieses verstörte Mädchen war. Panik war in ihrem Verhalten zu lesen, sie schnaufte und ächzte als wäre sie durch das ganze Land gelaufen. Die kalten, feuchten Finger legten sich schnell um den Hals der Miko.

„H-hör auf!“, krächzte sie, nachdem sie vor Schreck wieder zu etwas Luft kam, die der Frau jedoch gleich fester abgeschnürt wurde. Das Mädchen, welches schwer auf ihrem Körper wog wusste anscheinend nicht was sie tat. Sie war blind vor Panik geworden und würgte, sie gab nur verzweifelte, weinende Laute von sich und machte sich nichts aus dem Strampeln und Kämpfen der Miko. Es war ein unheimliches Gefühl scheinbar einen Strick um den Hals zu haben, der einem ganz langsam die Luft abschnürt. In ihrem Kopf breitete sich eine Leere aus. Sollte sie hier während eines Einsatzes sterben?

Nein, ganz sicher nicht.

Schon gar nicht von der Hand eines unschuldigen Mädchens. Die einzige Freundin der noch in der Hütte lebenden Tochter des Totengräbers. Die Miko nahm all ihre Kraft zusammen. Mit einem kräftigen Tritt gelang es ihr die junge Dame von sich zu werfen. Diese ging neben der Miko keuchend und wimmernd zu Boden, immer wieder flehend, dass die Miko sie bitte nicht töten, sondern ihr Leben verschonen möge.

„Ich töte dich nicht, ich bin es!“, kam es beruhigend von der Hüterin des Shintouschreins. Vorsichtig streichelte sie dem Fräulein durchs Haar: „Was ist geschehen?“

Sie erkannte wie sich die Augen des Mädchen langsam weiteten. Die Augen der Miko hatten sich nun endlich an die Dunkelheit gewöhnt, so dass es wesentlich leichter war etwas zu erkennen.

„Miko-sama...“, wimmerte sie, „S-sie... es-...“

„Sei ganz ruhig. Erzähl mir was passiert ist, sind die Unholde noch hier? Waren es Menschen?“

Es kam keine vernünftige Antwort des aufgelösten Mädchens von gerade sechzehn Jahren. Doch wies sie mit ihren schmalen, blutverschmierten Fingern in die Küche. Die Miko nickte und wies ihr mit einer stummen Handbewegung sich still in diesem Raum aufzuhalten und auf gar keinen Fall irgendwo anders hinzugehen. Sie überließ der Eingeschüchterten ein kleines Stoffsäckchen, auf dem schützende Kanji gestickt waren. Sofort presste das Mädchen das kleine Omamori an ihre Brust. Die Miko machte sich auf den Weg in die Richtung, in die das Mädchen gezeigt hatte.
 

Vorsichtig schlich sich die Frau zur Küche hinüber. Dieses Mal umging sie die weitläufige Blutlache, so dass ihr nicht wieder ein Missgeschick geschah. Die Tür zur Küche stand nur einen Spalt weit offen, wobei es schwierig war das das angetrocknete Blut noch zu umgehen. Mit einem leichten tritt mit dem Fuß bewegte sich die Tür und gewährte der Frau den gesamten Einblick in den Raum des Schreckens.

Sie sog mit einem Zischen etwas Luft durch ihre Vorderzähne ein.

Der Anblick der sich ihr bot war grausam. Wieder erfasste der Schrecken die Miko. Noch nie hatte sie so etwas im wahren Leben gesehen. Der Hausherr lag ausgestreckt am Boden, in der Hand hatte er noch immer ein kleines Beil, dessen silbernes Eisen ebenfalls von Blut verschmiert war, doch das war nicht das, was die Frau am meisten beunruhigte. Viel mehr war das es Miauen der Katze, die auf dem toten Körper des Totengräbers saß und sich genüsslich die Pfoten schleckte. Für wenige Sekunden traute sich die Frau auf den Boden zu sehen. Die Katze, deren Spuren zuvor noch matschigen Schmutz mit sich getragen hatte, hinterließ in der Küche nur noch blutige Abdrücke.

Die glühenden, grünen Augen des Haustieres erfassten nun die Miko. Sie fauchte wütend, wobei ihre Zähne aufblitzten und die Frau sofort erkennen konnten, dass im Maul und im Fell der Katze Fleischfetzen und Blut festhingen. Das Tier machte einen wütenden Buckel als Warnung, ihr Schwanz peitschte hin und her. Nun hieß es gut auf sich Acht zu geben, denn mit solchen Kreaturen war nicht zu spaßen. Die Frau war sich sicher, das irgendetwas mit der Katze nicht stimmen konnte.

„Kätzchen“, eine Stimme ertönte im Dunkel, „Komm zu mir, Kätzchen.“

Die Katze antwortete mit einem friedlichen Miau und lief in die Richtung, aus der die Stimme kam. Vor Überraschung weiteten sich die Augen der Miko. Während sie der Katze mit den Augen folgte, fiel ihr auf, dass diese zwei Schwänze hatte und auf eine weiß leuchtende Gestalt zulief. Eine junge Frau, wie die Miko feststellte. Eine junge Frau die sie gut kannte. Es war die Tochter des Hausherren und wie üblich lächelte sie liebevoll, wenn sie mit ihrer treuen, alten Katze umging.

Zum ersten Mal in ihrem Leben war die Miko Zeugin eines solch übernatürlichen Erlebnisses. Die Katze hatte sich über die Jahre in eine Nekomata entwickelt. Eine Katze mit zwei Schwänzen, die nun den Haushalt des Totengräbers terrorisierte. Doch der Grund erschloss sich der Miko noch nicht.

„Tu der Miko-sama nichts, sie ist so ein liebenswürdiger Mensch“, sprach die junge Frau mit sanfter Stimme und kraulte ihr Haustier hinter dem Ohr, ein klares, glückliches Lachen war zu vernehmen, „Jetzt lauert keine Gefahr mehr für uns, Kätzchen.“

Die Miko war verwirrt, sie traute sich kaum die Stimme zu erheben, doch als ob jemand die Kontrolle über sie erlangte, hörte sie sich selbst fragen: „Was ist geschehen?“

Unaufgefordert wandte sich nun die Hauskatze wieder der Miko zu und gab ein leises Mauzen von sich. Die beiden Schwänze des nun mehr hässlichen Tieres bewegten sich, rieben leicht aneinander, wobei die Miko sofort ahnte was jeden Moment geschehen würde. Die Katze, die nun eine Nekomata war, bediente sich ihrer Magie und die Hüterin des Schreins ließ es zu. Sie wehrte sich nicht gegen die aufkommende Illusion des Wesens.
 

Es war an einem bewölkten Tag, unten am See als das Mädchen des Hauses die Wäsche wusch und wie es üblich war, traf man sie nie ohne ihre alte Katze an. An jenem Tag war das Fell der noch gewöhnlichen Hauskatze, dessen Schwanz sich erst langsam zu einem zweiten Aufspalten wollte, noch glänzend und schwarz. Kein Tropfen Blut war darin zu erkennen.

Die Miko selbst sah sich nun als die Tochter des Totengräbers, die brav war und ihrem geliebten Vater im Haushalt half. Bis ein Mann erschien und ihr die Hand reichte, welche die Miko, oder besser gesagt die brave Maid ergriff. Die Worte die, die beiden wechselten kamen automatisch, wie in einer Erinnerung. Es waren liebevolle, zärtliche Worte zwischen ihr und dem Sohn des Schlachters gewesen. Sie hatte sich tatsächlich in einen anderen Mann aus der Burakumin verliebt und war bereit ihr ganzes Leben in der Gesellschaft für ausgestoßene zu verbringen.

Im nächsten Moment änderte sich die Szene und das junge Mädchen ging Heim zu ihrem Vater. Dieser wartete bereits mit strengem Blick und ehe die Tochter es sich versah, spürte sie auch schon die starke Faust ihres Vaters. Die Wucht des Schlages ließ das Mädchen den Halt verlieren und sie stürzte zu Boden. Fragend blickte sie zu ihrem Vater hinauf, die Hauskatze kam herbei gelaufen und wollte ihrem Frauchen wohl zu Hilfe eilen, denn die Miko spürte wie es ihr plötzlich etwas wohler ums Herz wurde.

Hasserfüllt sprach der Vater zu der am Boden liegenden Tochter. Er hatte mitbekommen, dass der Sohn des Schlachters das Herz seiner Tochter gewonnen hatte und sie sich nicht einmal dazu verpflichtet fühlte in eine bessere Schicht einzuheiraten und einen neuen Namen anzunehmen, damit der Status der Familie ein wenig stieg. Das Bitten und das Flehen um Verständnis verhallte ungehört. Noch nie hatte das brave Mädchen ihren Vater so kalt erlebt. Er war oft sehr streng gewesen, doch da sie es gewöhnt war, hatte sie sich niemals beklagt. Mit kleinen Schritten ging der Totengräber auf seine Tochter zu, in seiner Hand lag das selbe kleine Beil, das der Mann schon in der Küche fest hielt.

Er holte mit einem kräftigen Ruck aus. Das Mädchen, zu verängstigt und in Schrecken versetzt war nicht in der Lage derartig schnell die Flucht zu ergreifen, so rappelte sie sich auf um so schnell wie ihre Beine sie trugen Land zu gewinnen.

Doch es war vergebens.

Ihr Versuch scheiterte.

Die Miko schrie auf. Sie spürte für einen kurzen Moment die schwere, eiserne Klinge in ihrem Rücken, die sich tief in ihr Fleisch bis hindurch zu ihrer Lunge bohrte. Danach spürte die Miko nichts mehr, auch das liebe Kind schien nichts mehr zu merken, ein Lächeln breitete sich auf dem sanften Gesicht aus. Sie tat ihren letzten Atemzug und landete mit einem plumpen, dumpfen Geräusch auf dem Boden.

So sehr die Miko sich auch wünschte, dass die Erinnerung der Nekomata bald vorbei sein möge, wurden ihr die folgenden Einblicke nicht verwehrt. Der Vater nahm einen Spaten zur Hand und den leblosen Körper seine Tochter über die Schulter, in den naheliegenden Wald. Niemand hatte etwas bemerkt oder geahnt, denn man ignorierte die Existenz der Burakumin. Die treue Katze folgte dem Mann und beobachtete das Geschehen. Während sie dem Herrn nachging spaltete sich ihr Schwanz gänzlich in zwei und schlich weiter, bis der Totengräber bei einer Lichtung zum Stehen kam. Er hob ein Grab aus, so tief es sein musste, doch wurde er kurz daran gehindert den Leichnam seiner Tochter in das finstere Loch zu werfen und dann achtlos mit feuchter Erde zu bedecken. Die alte Katze, die sich nun zur Nekomata entwickelt hatte, sprang dem Mann ins Genick und versuchte ihn mit Krallen und Zähnen davon abzubringen seiner Tochter ein so schäbiges Begräbnis zu verschaffen. Der verbitterte Totengräber aber riss das Tier aus seinem Nacken heraus, jedoch nicht ohne, dass sich die Krallen des Tieres tief in sein Fleisch bohrten und ihm blutige Wunden bescherten. Mit einem wütenden, schmerzerfüllten Schrei entfernte er die Nekomata und ließ sie zornig auf den Boden fallen. So einfach wollte er sich von seinem Tun nicht abbringen lassen. Als die Katze seiner Tochter ein weiteres Mal versuchte dem Handeln ein Ende zu bereiten, griff der großgewachsene Mann zu seinem Spaten und schlug ihn der Katze um die Ohren.
 

Der Atem der Miko ging schnell, als sie aus dem Traum der Erinnerung wiederkehrte. Die Nekomata mauzte leise. Sie war durch ihre Magie wieder von den Toten erstanden und hat ebenso die kürzlich Verstorbene für eine kurze Zeit zurückgeholt, um sich an dem ungerechten Vater zu rächen.

Kein Wunder, dass die Freundin des Mädchens so verstört war. Wie konnte man anders reagieren, wenn man nicht mit den schrecklichsten Seiten des Lebens vertraut war?

Ein Blick durch die Dunkelheit verriet der Miko, dass der Geist des Mädchens zufrieden war. Sie saß so süß lächelnd, wie in der Sekunde ihres Todes auf einer Kiste neben der Kochstelle. Die Nekomata auf ihrem Schoß schnurrte ebenso zufrieden, doch mussten sie sich nun für immer trennen, denn die Miko ging ihrer heiligen Arbeit nach die Geister zu den Kami zurückzuschicken.
 

~Ende~



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