Hear it.
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„Jasper?“
Ein leises Rascheln ertönte und Genannter schloss die Augen, genoss die Ruhe und Bedachtheit, die der Andere verströmte und dessen sanfte Stimme.
Edward.
Als er aufsah, stand eben dieser vor ihm, ein schiefes Grinsen auf dem Gesicht, die goldenen Augen musterten ihn amüsiert. Um sie herum rauschten die Bäume leise im stärker werdenden Wind und die letzten Strahlen der Sonne zauberten ein sanftes Leuchten in das Gesicht des Jüngeren.
Jasper spürte die leichte Verwunderung, die Neugier aber auch das leise Gefühl der Zufriedenheit, das Edward immer umgab.
„Was machst du hier?“
Mit einem Kopfnicken deutete sein Gegenüber auf die Lichtung, auf der sie sich befanden. Sie war nicht besonders gross und versteckte sich mitten im Wald, verborgen hinter grossen Nadelfichten und dichtem Gestrüpp.
Nun lächelte Jasper ebenfalls. „Ich dachte eigentlich, hier würde mich niemand finden.“
Das Grinsen auf Edwards Gesicht verbreiterte sich noch ein wenig, bevor er antwortete: „Falsch gedacht.“
Er nickte und schloss die Augen wieder. Er liebte Edwards Gegenwart, alles an ihm. Die friedliche Gelassenheit, die der Andere ausstrahlte, die sanfte Bestimmtheit seines Seins gaben Jasper den Ruhepol, den er so dringend brauchte. Nirgendwo anders fühlte er sich so geborgen und wohl wie bei dem anderen Vampir, nicht einmal bei Alice. Und sie beide wussten das.
Ein erneuter, heftiger Windstoss blies über sie hinweg, der erste Vorbote des Sturmes. Erneut schlug Jasper die Augen auf, verfolgte das sanfte Wiegen der bronzenen Locken im Wind.
„Jasper…“
Es war nur ein Flüstern, ein Seufzen, aber er hätte ihm auch ins Gesicht schreien können. Edward war einen Schritt näher gekommen. Helles Gold traf auf dunkles Braun.
Der Himmel über ihnen verdunkelte sich, wurde jede Sekunde schwärzer, undurchdringlicher. Der Wind peitschte nun unaufhaltsam über sie hinweg, die ersten Regentropfen begannen zu fallen.
Edward.
Der erste Blitz durchzuckte den Himmel, tauchte die Szene eine Sekunde in grelles Licht, um sie nachher in noch tiefere Schwärze fallen zu lassen.
Edward.
Ein ohrenbetäubendes Donnern erfüllte die vor Erwartung knisternde Luft. Der Regen fiel nun unaufhaltsam. Langsam richtete er sich auf.
Edward.
Nur eine Armlänge entfernt, nur eine winzige Bewegung…
Edward, ich…
„Jasper… Nicht.“
Der nächste Blitz. Jaspers Arm zuckte zurück, als hätte er ihn geschlagen. Hastig löste er den Blickkontakt und starrte auf den Boden. Die Gedanken rasten.
Nicht. Nicht. Nicht.
Eine Endlosschleife in seinem Kopf.
„Jasper… Es geht nicht. Du weißt, es würde nicht funktionieren. Ausserdem…“
Wütend blickte er auf. Er wusste, was er sagen wollte.
Alice.
„Du weißt, dass…“, er stockte, als Edward ihn am Kragen packte.
„Sag es nicht!“, fauchte dieser ihn an. Mit einem Knurren wand Jasper sich aus dem steinharten Griff und wollte sein Gegenüber vor die Brust stossen, schlagen, verletzen, doch Edward war schneller. Mit Wucht krachte er gegen einen Baumstamm, der unter dem Aufprall zersplitterte.
Wut, Verzweiflung, Schmerz
Wie Nebel hüllten sie ihn ein, verschlangen, erstickten ihn. Er hustete.
Mit einem Ruck stiess er sich von dem Baumstamm ab und stürzte sich auf Edward, welcher ihn mit einem Fauchen empfing.
Es war, als würde ein erneuter Donnerschlag erklingen, als die beiden aufeinander prallten und über den nassen, blätterbedeckten Boden rollten. Ein dunkles Grollen verliess Jaspers Kehle, als die tief in ihm verankerten Instinkte wieder zum Leben erwachten. Mit einem Schlag warf er Edward gegen den nächsten Baumstamm und deckte ihn mit Schlägen ein.
„Jasper…“, Edward starrte ihn nur aus diesen dunklen Augen an, flüsterte Worte, immer wieder, immer wieder.
„Jasper…“
„Nein, verdammt noch mal!“, er schrie, ohne es zu merken, blickte in Edwards schönes Gesicht und packte ihn noch fester am Kragen. Wieso wehrte er sich nicht? Wieso konnte er nicht einfach zurück schlagen, gottverdammt noch mal?!
„Nein! Weis mich nicht noch mal ab, das ertrag ich nicht…“, flüsterte er jetzt über das Rauschen des Regens hinweg.
Edwards Mund öffnete sich, seine Unterlippe zitterte leicht, als wollte er etwas sagen, doch nach einem Moment schloss er ihn wieder. Dunkle Brauen zogen sich zusammen, als er die Stirn runzelte und den Blick senkte.
Hunger
Jasper keuchte. Kaltes Wasser lief ihm in Strömen übers Gesicht, tropfte von seinen Wimpern, seinen Lippen.
Gier
Kräftige Hände in seinem Haar, Lippen auf seinem Hals.
Lust
Warme Haut unter seinen Fingern, ein geschmeidiger Körper gegen seinen gedrückt.
Verlangen
Edward!
Leise prasselte der Regen gegen das Fenster, ein Geräusch, das ihm sanfte Schauer über den ganzen Körper jagte und ihn vorfreudig grinsen liess. Heute war es wieder soweit…
„Jasper?“
Sein Lächeln wurde breiter und er sah auf. Mit einem schalkhaften Glitzern in den Augen stand Edward im Türrahmen und grinste zurück.
„Gehen wir jagen?“
Geschmeidig erhob er sich von seinem Diwan und folgte dem Anderen zur Tür hinaus.
„Klar, ich bin am Verhungern.“
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