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Sprachen der Zuneigung

von

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I love you!

„Tink...?“ Arthur hing bereits halb unter seinem Bett, als er zum wiederholten Male nach einer seiner kleinen Feen rief. „Tink, wo steckst du?“ Dabei stand „Tink“ als Abkürzung für Tinkerbell. Zugegebenermaßen ein äußerst unkreativer Name für eine Fee, doch da die Wesen, die den Engländer umgaben, dazu neigten, eher wenig bis gar nicht mit ihm zu reden, sondern einfach da zu sein, musste er sich die Namen eben selbst überlegen. Und bei so einer Masse an Märchenwesen bei jedem Namen kreativ zu sein, war wirklich zu viel verlangt. „Tink, das ist nicht mehr lustig.“ Diese Fee, die er im Moment suchte, war ihm allerdings besonders wichtig – umso trauriger, dass er ihr einen so einfallslosen Namen gegeben hatte. Diese Fee war nämlich das erste Märchenwesen gewesen, das sich zu ihm gesellt hatte, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, kaum so alt, dass er sprechen konnte, aber schon so alt, dass er wie ein kleiner Wirbelwind über die Wiesen und Felder tobte. Und dort war sie irgendwann gewesen.

Damals hatte sie noch nicht einmal so winzig auf ihn gewirkt, was unter Garantie daran lag, dass er damals selbst so klein gewesen war. Sie hatte bereits das aussehen einer erwachsenen Fee gehabt. Feen sagte man nach, dass sie hunderte von Jahren alt werden konnten und das war es, was Arthur bereits als Kind so fasziniert hatte. Eines Tages war sie einfach auf einmal da gewesen, vor seiner Nase, als er gerade noch etwas auf den Feldern herum tollen wollte, hatte sie auf einmal vor ihm gestanden, klein und süß, auf einer Blüte stehend und ihn anlächelnd. Und seitdem war sie nicht mehr von seiner Seite gewichen. Außer jetzt. Seit er heute Morgen aufgewacht war, war sie verschwunden. Und er wusste nicht, wieso und wohin. Er kroch unter seinem Bett hervor und sah die anderen Märchenfiguren an. „Weiß denn keiner von euch, wo sie ist?“ Sie wussten es, da war sich Arthur sicher, denn wenn Märchengestalten eines nicht konnten, dann lügen. Sie pfiffen herum, schüttelten übertrieben mit dem Kopf und wagten es dabei nicht ihm in die Augen zu sehen. „Seht mal“, versuchte er ihre Herzen noch einmal für sich, das arme suchende Opfer, zu erwärmen, „Tink bedeutet mir wirklich viel. Sie ist meine älteste Freundin und ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ihr etwas zustoßen würde. Also bitte: Wo ist sie...?“

Als er die Gruppe, bestehend aus einem Einhorn, einigen Kobolden und Feen und anderen skurrilen Wesen mit so großen, treuen Augen ansah, erweichte er damit doch ihr Innerstes und das Einhorn, dass Arthur Carl genannt hatte – wie gesagt, Kreativität blieb völlig aus – ging voraus und die anderen folgten ihm, Arthur zuletzt. Er hoffte, dass sie ihn zu der Fee führten, die er so vergeblich suchte.
 

Er hatte sich sonst nie Sorgen um ihn machen müssen. Früher war es stets sie gewesen, die sich um ihn gesorgt hatte. So erinnerte er sich zum Beispiel an den Tag, an dem er in den Weiden gespielt hatte und in eine Grube gefallen war. Sie war nicht besonders tief, aber Arthur war noch nie eine besonders große Person gewesen und schaffte es mit seinen damals sechs Jahren erst recht nicht alleine heraus. Er rief nach Hilfe und begann zu weinen, weil er solche Angst hatte, nie mehr hier heraus zu kommen. Damals hatte er bereits mehrere Märchenfreunde gehabt, doch die waren ein Stück weit hinter ihm gewesen und hatten nicht mitbekommen, dass er hinab gestürzt war. Doch Tink hatte es bemerkt. Sie kam zu ihm geflogen und sah ihn am Boden hocken, die Beine an sich gezogen und am weinen. Sie setzte einen traurigen Blick auf und flog zu ihm hinunter, um dort auf seinen Knien zu landen und ihre beiden winzigen Händchen an sein Gesicht zu legen. Er sah schluchzend auf und war froh seine kleine Fee zu sehen. „Ich komme hier nicht heraus, Tink“, schluchzte er und wischte sich einige Tränen weg, die ihm noch einmal aus den Augen die Wangen hinab kullerten. Aber Tink winkte nur lächelnd ab und gab ihm zu verstehen, dass sie sich etwas einfallen lassen würde. Sie hob kurz den Zeigefinger und bat ihn damit, zu warten, dann flog sie aus der Grube und war verschwunden.

Arthur bekam es bereits wieder mit der Angst zu tun und hoffte das sie ihn nicht im Stich lassen würde, da kam sie auch schon wieder zurück, dieses Mal mit Verstärkung: Alle Feen und alle anderen Wesen, die in der Lage waren zu fliegen, waren mitgekommen und umschwärmten Arthur nun wie die Motten das Licht, packten ihn an allen Seiten an seiner Kleidung und begannen ihn mit gemeinsamer Kraft in die Höhe zu ziehen, erst ganz langsam, dann immer kräftiger, bis sie ihn mit einem gemeinsamen Ruck aus der Grube hoben und auf dem sicheren Boden weiter entfernt niedersinken ließen. Der kleine Arthur keuchte ganz schön vor sich hin und bedankte sich bei seinen Freunden, die erleichtert waren, dass sie ihn gefunden hatten. Oder dass Tinkerbell ihn gefunden hatte. „Danke... meine kleine Fee“, sagte Arthur damals nur und streichelte ihr mit dem Zeigefinger über die winzige Wange. Sie schloss die Augen und schmiegte sich zufrieden lächelnd an seinen Finger. Sie hatte ihn so unglaublich lieb. Auf eine reine, unschuldige Art und Weise, die nichts mit der Liebe Erwachsener zu tun hatte. Das glaubte sie zumindest zu diesem Zeitpunkt zu wissen.
 

Arthur seufzte. Seine Freunde hatten ihn nun durch das ganze Haus geführt und damit bereits die Mägde verwirrt, die bei hier arbeiteten. Aber endlich kamen sie an einer sehr weit hinten gelegenen Ecke des Hauses an, wo sich ihnen eine von Kisten fast zugestellte Tür zeigte, die aussah, als hätte man sie seit Jahrzehnten kaum mehr benutzt oder ihr Beachtung geschenkt. „Hier ist sie?“ Sie Wesen nickten und das Einhorn schob Arthur mit der Schnauze ein wenig zu der Tür, als würde es eilen. Arthur zögerte einen kleinen Moment, trat dann jedoch an den verstaubten Kisten vorbei und griff nach der Tür. Sie öffnete sich erst nach etwas Ruckeln und dann auch nur unter lautem Knarren. Arthur trat einen schritt in den Raum hinein und versuchte in dem Dunkeln etwas zu erkennen. Er sah ein schimmerndes Licht in der hinteren Ecke der Kammer, hinter einigen Regalen, auf denen ähnliche alte Kisten standen, wie vor der Tür. Dieses Licht. Arthur glaubte es zu kennen.
 

„Tinkerbell, was ist los?“ Arthur war damals, als er das Licht das erste Mal gesehen hatte, junge dreizehn Jahre alt gewesen und wurde allmählich, wenn auch langsam, doch für seine Erzieher viel zu schnell, zum Mann. Trotzdem ließ er nicht von seinen Freunden, den Fabelwesen, los, egal für wie verrückt man ihn hielt.

Er fand seine liebste Fee versteckt hinter einigen Blütenblättern, hinter denen sie hell hervor leuchtete. Arthur schob die Blütenblätter beiseite und lächelte Tinkerbell an. „Tink, was machst du denn da? Und warum leuchtest du so?“ Sie flog einige Schritte weit weg und versteckte sie wieder beschämt. Ihr Freund hob nachdenklich eine Augenbraue und wusste nun wirklich nicht mehr, was los war. Bis ihm auf einmal das sprichwörtliche Licht aufging. Er erinnerte sich an etwas, was sein Großvater ihm erzählt hatte: Feen leuchteten, wenn sie aufgeregt waren. Und dementsprechend passte es auch zu der Situation, dass sie sich versteckte. Sie schien sich für irgendetwas zu schämen, dass sie gleichzeitig aufregte. „Ich bin dein Freund, du kannst dich mir anvertrauen.“ Er streckte seine Hand vorsichtig nach ihr aus, welche sie einige Sekunden unsicher betrachtete, ehe sie auf die Handfläche stieg und sich an seinem Daumen festhielt. Nicht, dass schlimm gewesen wäre, wenn sie hinab gefallen wäre, immerhin konnte sie dank ihrer Flügel fliegen. Aber sein musste es ja nun nicht. Außerdem fühlte sie sich sicher, wenn sie sich so an ihm festhalten durfte, und war es auch nur sein Daumen. „Alles in Ordnung, Tink...?“ Sie drückte sich bei seinen Worten ganz fest an seinen Daumen und schloss glücklich die Augen. Doch ihr Leuchten hörte nicht auf, im Gegenteil. Es nahm nur noch zu. Und sie glaubte eine weitere Veränderung zu spüren, vor der sie aber vorsichtig sein musste. Denn wenn diese Gefühle in ihr wuchsen, würde noch etwas anderes wachsen.
 

Arthur ging um die Ecke des großen Regals und hustete, als ihm etwas Staub entgegen kam, den er wohl beim anstoßen an eine Kiste aufgewirbelt hatte. „Tinkerbell...? Tink...?“ Und dann entdeckte er sie. Sie saß vor ihm, fast völlig in Nichts gehüllt, das Einzige, was ihren Körper verdeckte, waren ihre Beine, die sie ganz eng an ihren Körper gezogen und mit ihren Armen umklammert hatte. Doch das war es nicht einmal, was Arthur so schockierte. Etwas anderes ließ ihn fassungslos da stehen, seine Augen weit geöffnet und auch ein Mund ein wenig, glaubte er. Doch er konnte es im Moment nicht ändern. „Tinkerbell...“ Er wagte es, einen Schritt näher zu ihr zu treten, kniete sich hin. Doch es war anders als früher. Er kniete sich hin, sah geradeaus... und blickte in ihre Augen. Er musste nicht mehr hinab blicken. Sie war groß. Nur unwesentlich kleiner als er selbst. „Aber... was...?“ Und noch etwas hatte sich verändert: Sie öffnete den Mund und brachte die ersten Worte ihres Lebens heraus.

„Arthur... ich...“ Ihm stockte der Atem, als er ihre traumhaft schöne Stimme hörte, die ihn fast dahin schmelzen ließ. „Ich weiß nicht, was ich tun soll...“ Sie brachte ein Lächeln auf ihre Lippen und streckte die Hand nach ihm aus, die er nach einem kurzen, aber wirklich kaum zu merkenden Zögern, in seine nahm und erst ihre zitternden Finger ansah und dann sie. „Arthur... ich denke, ich verliebe mich in dich.“

Was sollte er nur sagen? Er spürte deutlich, dass sein Herz einen kleinen Sprung machte und er konnte nicht anders, als zu lächeln. Neben ihrer einen, nahm er nun auch noch ihre andere Hand in seine und hielt sie ganz fest. Er sah sie von unten herauf an und konnte nicht anders, als zu kichern. Sehr glücklich zu kichern. „Tinkerbell...“ Sie sah ihn an und hoffte, er würde sie nicht allzu sehr niederschmettern. Aber das war wohl das Letzte, woran er im Moment dachte. „Ich denke, ich verliebe mich auch in dich.“ Sie strahlte ihn erleichtert an. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit. Er wirkte immer so verschlossen, so beschäftigt und manchmal so fern von Romantik, dass sie geglaubt hatte, wenn sie sich irgendwann ihre Gefühle ein gestand, die sie im Grunde seit Jahren hatte, und diese Form dadurch annahm, würde sie sich damit abfinden müssen, dass er sie zurückwies. Doch nun ließ sie all diese Sorgen von sich fallen und vergaß alles um sich herum. Sie lachte nur noch fröhlich und fiel ihm überglücklich in die Arme. Er schrie kurz etwas überfordert auf und fiel mit ihr gemeinsam zu Boden, völlig errötet ihm Gesicht, da es ihr zwar nicht bewusst zu sein schien, er dafür aber umso mehr spürte, wie nackt sie doch im Moment. „Tink...“ Er lachte etwas verlegen und legte aber seine Arme auch um sie. Wen kümmerte es schon?



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