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Nullpunkt

von

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Ein kultiviertes Mädchen meidet die Küsse eines Alten.

Ich lernte den Grund, warum Eddy in den letzten Tagen so wenig Zeit hatte, am Samstag kennen. Sie hieß Sophie, hatte kastanienbraune Haare und so ein süßes Lächeln, dass man fast Karies davon bekam. Eddys Mutter hatte mich ins Haus gelassen. Wir hatten ausgemacht, dass wir uns heute bei ihm treffen würden, weil wir heute noch weg gehen wollten. Ich hatte nämlich keine Lust, schon wieder ein schreckliches Wochenende allein zu durchleben. Von denen hatte ich nämlich wirklich genug.

Was ich nicht erwartet hatte, war das Mädchen, das in Eddys Armen lag und kicherte, als ich den Raum betrat. Falscher Film, oder? Normalerweise war ich derjenige, der die hübschen Mädchen im Arm hatte. Aber das war nicht der Punkt, der mich störte. Warum zur Hölle hat mir Eddy noch keinen Ton von seiner Freundin erzählt?! Ich hatte ja noch nicht einmal gewusst, dass er sich in jemand verliebt hatte.

„Und du bist also Enni?“, fragte sie mit leuchtenden, braunen Augen, nach dem Eddy sie mir vorgestellt hatte. Eins musste man Eddy lassen, das Mädchen sah wirklich gut aus. Nicht das ich ihm so eine Freundin nicht zu getraut hatte, aber bis jetzt war sein Glück gerade bei solchen Mädels eigentlich nicht vorhanden gewesen.

„Sieht so aus...“ Ich fühlte mich dämlich bei dem Satz. Ich wusste ehrlich gesagt nicht viel dazu zu sagen. Ja, ich war Enni und sie war das Mädchen von dem er mir nichts erzählt hatte. Ich wollte wieder nach Hause, stattdessen ließ ich mich auf den Schreibtischstuhl fallen. Sonst saß ich immer neben Eddy, aber das kam mir unpassend vor. Ich wollte mich nicht zwischen ihn und seine Freundin drängen, oder?

"Adrian hat schon soviel von dir erzählt!" Sie lächelte mich sympathisch an, trotzdem löste dieser Satz ein bitteres Gefühl in mir aus. Ich tippte nervös mit dem Fuss auf den Boden.

"Ich hoffe nur Gutes." Noch ein Lächeln dazu, auch wenn es mir ziemlich egal war, was Eddy ihr von mir erzählt hatte. Lässig lehnte ich mich zurück und kaute ich an meinen Fingernägeln. Ich wollte eigentlich lieber wissen, warum ich über dieses Mädchen hier rein gar nichts wusste. Sophie lachte als Erwiderung und Eddy grinste kurz, auch wenn es eher verunglückt wirkte. Diese Situation war irgendwie insgesamt total falsch. Ich konnte nicht den Finger darauf legen, was es war. Aber es stimmte einfach nicht. Wir drei sollten nicht so gemeinsam in diesem Raum sitzen. Allerdings konnte ich nun auch nichts daran ändern, also musste man das Beste daraus machen, oder? Ein kleines Stück Nagel löste sich unter meinen Bissen und fühlte sich unangenehm auf meiner Zunge an.

"Er meinte, du malst sehr gut", kurbelte schließlich Sophie das Gespräch wieder an. Auch wenn ich etwas irritiert war, dass ich anscheinend das Thema war.

"Klar, ich bin großer Künstler." Falsche Bescheidenheit brachte doch nichts. "Naja, mehr oder weniger. Ich zeichne eher, als zu malen." Ehrlich sollte man trotzdem sein, am Ende hatte noch Sophie ein komisches Bild von mir und wenn Eddy noch länger mit ihr zusammen war, sollte ich es mir mit dem Mädchen nicht versauen.

"Und was zeichnest du dann so?" Nicht, dass ich diese Frage nicht schon tausend Mal gehört hätte...

"Alles mögliche." Ich zuckte mit der Schulter, da ich eigentlich keine Lust hatte, meine Aussage detaillierter auszuführen.

"Auch Aktzeichnungen?" Sie grinste mich schelmisch an und ich schaute beunruhigt zu Eddy, der seine Freundin gespielt entsetzt in die Seite boxte. Zum Glück nahm er ihr die Frage nicht übel, oder mir. Vielleicht hatte ich auch den Satz anzüglicher wahrgenommen, als er gemeint war. Ich fühlte mich unangenehm angespannt und ich wurde auch nicht durch das Tippen mit meinem Fuss ruhiger. Verdammt.

"Sowas fragt man nicht, Schatz!", meinte er lachend. Recht hatte er!

"Was, warum nicht? Ich find sowas spannend!" Sophie schien ja wirklich ganz angetan zu sein von Zeichnern. Wäre nicht das erste Mädchen - nur das erste Mädchen, dass mit Eddy zusammen war. Gar nicht gut.

"Sophie kann übrigens ganz toll Klavier spielen!", erzählte Eddy etwas zusammenhangslos. Wahrscheinlich wollte er einfach das Thema wechseln, auch wenn ich Klavierspielen etwas langweilig fand. Ich konnte mir allerdings Sophie schlecht an einem Piano vorstellen in einem braven Aufzug, geschlossen bis zum Kragen. Sie wirkte viel zu impulsiv für so etwas ruhiges wie Klavier.

"Tatsächlich?", fragte ich eher der Höflichkeit wegen. Ich interessierte mich ehrlich gesagt kein Stück für Musik. Ich hörte kaum welche, noch wollte ich jemals selbst ein Instrument erlernen.

"Ja, klingt total abgefahren was sie spielt. Sie macht auch bei so Wettbewerben mit, nicht?" Eddys Augen glänzten begeistert dabei und ich hatte ganz kurz den unsinnigen Gedanken, dass ich mich vielleicht doch mal mit einem Instrument hätte beschäftigen sollen. Einfach wegen Eddy.

"Gib nicht so an, du!" Sie boxte Eddy in die Seite und es schien ihr wirklich etwas peinlich zu sein, dass ihr Freund so mit ihr angab. Ich kannte das Gefühl. Eddy prahlte auch manchmal ganz gerne mit meinem Talent, was zwar irgendwo ein bisschen cool war, aber eigentlich auch ziemlich peinlich.

"Was denn? Du bist super!" Er drückte ihr einen Kuss auf den Mund und ich drehte mich weg. Mir war es noch nie so unangenehm gewesen, ein verliebtes Pärchen zu sehen. Lag es daran, dass es Eddy war? Weil es plötzlich ein Mädchen gab, dass ihm vielleicht so wichtig war wie ich?

Sophie schob Eddy kichernd von sich und hatte eine leichte Röte im Gesicht. Ha, dann war ich also nicht der einzige gewesen, dem diese Situation gerade unangenehm gewesen war? Fabelhaft.

"Du blamierst mich, Schatz", sagte sie schließlich und schaute mit einem scheuen Blick zu mir. War ihr etwa meine Meinung so wichtig? Na gut, es war immer von Vorteil, wenn der beste Freund des Partners einen mochte. Ich fühlte mich trotzdem etwas albern. Sollte ich hier deren Beziehung absegnen, oder was?

"Mach dir keine Sorgen. Ist cool, das mit dem Klavierspielen." Ich lächelte kurz, wusste aber nicht, ob das weniger gelogen wirkte. Aber Mädchen hörten sowas gerne, Komplimente. Aber wer nicht?

"Naja, nicht in meinem Alter, find ich." Ihre Hände waren miteinader verhakt und Eddys Daumen fuhr über ihren Handrücken, sein Blick war auf sie gerichtet. Er sah glücklich aus, verliebt. Ich bemerkte ein unangenehmes Ziehen in meinem Magen. Was störte mich so daran? Ich sollte mich für ihn freuen, oder? Er hatte ein hübsches, intelligentes Mädchen gefunden, dass es wohl ernst mit ihm meinte. Sowas war gut. Ich könnte wirklich neidisch werden. War ich neidisch auf ihre Beziehung? Wollte ich das auch? Nicht mehr alleine sein...

"In deinem Alter?", fragte ich etwas verwundert. Ich wusste nicht genau, wie alt sie war. Aber ich kannte kein Mädchen in meiner Stufe, der es irgendwie peinlich war, dass sie ein Instrument herausragend spielen konnte. Die meisten gaben selbst ziemlich damit an. War sie älter, als ich sie eingeschätzt hatte?

"Naja, ich bin fünfzehn und ich weiß nicht. Klavier ist doch schon ziemlich nerdy, oder nicht?" Ich rutschte mit meinem Ellenbogen ab, mit dem ich mich gerade auf den Schreibtisch stützen wollte. Scheiße... Sie schaute mich mit ihren großen, braunen Augen an und ich fragte mich, wie mir nicht auffallen konnte, dass sie so jung war. Fünfzehn?! Was zur Hölle dachte sich Eddy dabei? Gott, der hatte es doch nicht nötig, mit einer Minderjährigen rumzumachen...

"Nicht mehr wie zeichnen." Ich kämpfte mir ein Lächeln ab und wollte Eddy am liebsten schütteln und Verstand einprügeln. Mann, Alter, die war doch viel zu jung für dich. Mein Kehle war trocken und ich fühlte mich wie ein totaler Idiot. Das war doch nicht deren Ernst? Ich sahs Eddys Blick, sah wie er sie anschaute und ich wusste, das war sein voller Ernst. Er war Sophie völlig verfallen... Musste sie denn so jung sein?! Störte mich das oder war es was anderes?

„Wann wollten wir denn eigentlich los ins Su Casa?“, lenkte ich vom dem Thema ab. Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken. Je schneller ich aus dem Raum raus konnte, desto besser. Ich wollte wohin, wo ich auch einfach mit jemand anderen reden konnte und mich nicht ihnen komplett ausliefern musste, so wie jetzt gerade. Ich tippte schneller mit meinem Fuss auf den Boden und ich wusste, dass ich mir als erstes eine Rum Cola in dem Club holen würde, ich brauchte definitiv Koffein.
 

Das war dann auch das erste, was ich machte, als ich meine Jacke an der Gaderobe abgegeben hatte. Nach dem ich gefragt hatte, sind wir zum Glück ein bisschen später auch los. Immerhin konnte Sophie ja auch nicht ewig dort bleiben, weil sie ja noch keine achtzehn war, noch nicht mal sechzehn. Verdammt.

Ich hatte schon die Hälfte meiner Rum Cola ausgetrunken, als Eddy und Sophie endlich neben mir an der Bar standen. Sie hatte ewig an der Gaderrobe gebraucht, da Sophie sich nicht ganz einig war, wie sie ihr Geld am besten unterbringen sollte und keine Ahnung, Mädchenkram einfach.

Ich war schon länger nicht mehr weggewesen und ich hatte völlig vergessen, wie viele Leute eigentlich immer im Su Casa waren und die penetrante Lautstärke, an die konnte ich mich auch nicht erinnern. Vermutlich war das der Grund gewesen, warum ich mich in den letzten Monaten am Wochenende lieber in meiner Wohnung verkrochen hatte, hier stank es regelrecht nach blühenden Leben. Aber im Moment war es mir irgendwie recht.

Ich verstand weder was Eddy zu seiner Freundin sagte und sie zum Kichern brachte, noch musste ich zwingend zu ihnen schauen, was es gerade besser für mich machte. Oder es lag an dem Rum. Vielleicht alles zusammen, keine Ahnung.

Ich erhob mein halb leeres Glas, als sie auch endlich ihr Getränk hatten und nickte ihnen zu. Ich wusste nicht, was unser eigentlicher Trinkspruch war, aber bei mir war es: „Auf das ich diesen Abend überleben möge!“ Da es hier sowieso so laut war, dass man sich nur verstand, wenn man sich ganz initim zu einem lehnte und man dann das Gesagte ins Ohr geschrieen bekommt, war es relativ egal, was ich sagte.

Was mich etwas überraschte, war Sophie die plötzlich verschwunden war. Sie war gerade noch neben Eddy gestanden und hatte sich küssen lassen und jetzt hatte sie einfach die Menge sie verschluckt. Fand ich okay, jetzt stand nämlich Eddy wieder bei mir und ich fühlte mich etwas entspannter. Ich exte meine Rum Cola und bestellte mir Wodka Bull. Ich hatte heute genug Geld mitgenommen, um mir die Welt schön zu trinken, fast als hätte ich geahnt, dass ich das brauchte.

„Und wie findest du sie?“, schrie mir Eddy über den Lärm hin ins Ohr. Ich spürte seinen Atmen auf meiner Wange und seine Schulter an meiner. Das war definitiv besser, als wenn er neben Sophie stand. Ich spürte, wie ich einfach grinsen musste.

„Hm?“, reagierte ich etwas langsam. Ich hatte nicht ganz darauf geachtet, was Eddy tatsächlich gesagt hatte.

„Sophie, wie findest du sie?“, fragte er nochmal und schaute mich dabei erwartungsvoll an. War es ihm wirklich wichtig, was ich von ihr hielt? Oder wollte er nur für seinen Frauengeschmack gelobt werden?

„Sie ist hübsch.“ Das konnte ich zweifelsohne feststellen und ich hoffte, dass war das was Eddy hören wollte. Ich verkniff es mir, ihm zu sagen, dass ich sie zu jung fand. Ich war mir nämlich ziemlich sicher, dass mir das Eddy übel genommen hatte und ich freute mich gerade einfach, dass er hier bei mir stand und nicht mit ihr mitgegangen ist.

„Boah, ich bin froh, dass du sie magst, Alter!“ Eddy strahlte mich an. War ich nicht ein unheimlich toller bester Freund? Ich grinste zurück und war froh, dass mein Drink fertig war. Wir lehnten beide an der Theke und schauten uns die Leute hier an. Ha, es fühlte sich fast wieder so an, wie vor ein paar Monaten. Eddy berührte mich mit seiner Schulter, ich hatte ein gutes Getränk in der Hand und ich war jetzt doch froh, dass ich mit gekommen war. Allein die Vorstellung in ein paar Stunden wieder in meine einsame Wohnung zu müssen, veranlasste mich dazu einen großen Schluck von meinem Wodka Bull zu nehmen. Ich könnte Eddy fragen, ob er nicht noch mit zu mir wollte. Eigentlich hatte er meistens bei mir übernachtet, wenn wir im Su Casa waren. Von dort aus war es nämlich zu meiner Wohnung um einiges näher, als zu ihm nach Hause. Sophie müsste ja sowieso viel früher gehen, als wir. Außerdem war sie noch viel zu jung, um bei Eddy zu übernachten. Viel zu jung... Verführung von Minderjährigen, das war strafbar. Ob ich ihm das vielleicht sagen sollte? Ich hatte aber den leisen Verdacht, dass ihm das durchaus klar war, aber nicht weiter interessierte. Verständlich irgendwo, Sophie war wirklich hübsch und vermutlich auch nicht ganz auf dem Kopf gefallen. Immerhin konnte sie Eddy Kontra geben, was mich überrascht hatte. Allerdings gefiel es mir nicht, wenn er wie ein Pantoffelheld da stand, ungebuttert von seiner fünfzehnjährigen Freundin. Aber es war seine Sache, er war alt genug, um zu entscheiden, mit wem er verkehrte... Gott, sie hatten Sex. Ich wusste, das sie Sex hatten, das war so offensichtlich. Ich schaute zu Eddy, der konzentriert auf einen Punkt in der Menge starrte. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er beim Sex aussah und schüttelte irritiert von dem Gedanken den Kopf. Die Sophie-Sache machte mir gerade wirklich zu schaffen und ich verstand einfach nicht warum. Es lag nicht nur am Alter, das wusste ich.

„Hey, die darüber beobachtet dich schon eine ganze Weile.“ Eddy hatte mich mit seinem Ellenbogen in die Seite gestoßen. Ich schaute verwirrt in sein Gesicht und versuchte dann rauszufinden, auf wen er zeigte. Tatsächlich, an den Tischen standen zwei Mädels, die zu uns rüber schauten und ein Glas zum Gruße erhoben, als sie bemerkten, dass wir jetzt auch in ihre Richtung sahen. Ich erwiderte die Geste mit einem Nicken. Die Blondine gefiel mir, aber ich hatte kein Lust wirklich zu ihnen rüber zu gehen. Wenn sie was von mir wollten, konnte sie auch hier her kommen. Außerdem musste ich die Zeit mit Eddy genießen, die nicht von Sophie beansprucht wurde.

„Willst du nicht rüber?“, fragte er etwas erstaunt. Ich spürte dabei wieder seinen Atmen an meinem Ohr und ich merkte, wie sich kurze meine Nackenhaaren aufstellte.

„Im Moment nicht.“ Ich zuckte nur mit den Schultern. „Wo ist eigentlich deine Sophie hin?“ Vielleicht bestand ja die Chance, dass sie heute Abend gar nicht mehr auftauchte. Nicht das ich sie nervig fand, aber ich umgab mich einfach nicht gerne mit Kindern.

„Ah, die hat irgendwo eine Freundin gesehen“, erklärte er mir und grinste dann zu mir. Offensichtlich war es ihm ziemlich egal, dass seine Freundin nicht penetrant an ihm klebte. Ehrlich gesagt, war ich darüber sogar etwas überrascht. Ich hätte Sophie so eingeschätzt, dass sie sich an ihren ältern Freund dran hängt und sich den ganzen Abend nicht von ihm wegtraute. Aber ich würde mich jetzt sicher nicht darüber beschweren, dass es nicht so war.

„Ich freu mich, dass du mal wieder mit kommst“, sagte er schließlich, schaute dabei aber nicht in meine Richtung, sondern irgendwo in der Menge. Kurz war ich mir auch nicht sicher, ob er es wirklich gesagt hatte oder ich es mir nur wünschte.

„Ja, ich mich auch“, antwortete ich trotzdem. Er schaute zu mir und lächelte mich an, was ich erwiderte. Wer brauchte schon die heiße Blondine, wenn man auch mit seinem besten Kumpel rumhängen konnte? Vor allem, wo war so eine Tussi, wenn ich alleine in meiner Wohnung saß und völlig abdrehte? Auf Eddy konnte ich mich wenigtens verlassen, er würde immer kommen, wenn ich ihn darum bat.

„Hey, das ist Caro!“ Plötzlich stand Sophie wieder vor uns, ruinierte mir die Stimmung und hatte auch noch ein Mädchen im Schlepptau, dass mich verwirrt anstarrte. Hatte ich was im Gesicht, war meine Nase so groß, dass man da ständig hinschauen musste?

„Hey!“, brüllte Eddy dem Mädchen zu und zog Sophie zu sich her, die nur entzückt kicherte. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sie strahlte ihn an. Caro und ich standen nur etwas betreten neben ihnen. Wenigstens war ich nicht der Einzige, dem das Geturtel unangenehm war. Lachend drückte sich Sophie wieder von Eddy und schwankte dabei einen Schritt nach hinten gegen Caro. Mir schien, als wäre sie auch schon etwas angeheitert. Durfte an sie überhaupt Alkohol verkauft werden?

„Enni ist übrigens der mit der eigenen Wohnung!“ Ah, so wurde ich also vorgestellt. Sollte ich mich geschmeichtelt fühlen?

„Woah, wie cool. Du wohnst schon allein?“ Caro schaute mich begeistert an. Zu Schade, dass Caro wohl auch nicht älter als Sophie war und Minderjährige definitv kein Thema für mich waren. So war ihre „Bewunderung“ nur etwas lästig. Ich zuckte nur mit den Schultern zur Antwort. Was sollte ich dazu auch groß sagen. Ja, ich wohnte allein, dass wussten ja mittlerweile offensichtlich jeder. Ich hoffte nur, dass Eddy seiner Freundin nicht noch mehr Kram über mich erzählt hatte. Aber vermutlich nichts, was mich komisch erscheinen ließ. Eddy wusste, was er über mich sagen durfte und was nicht. Das war auch einer der Gründe, warum ich ihn so schätzte.

„Ich geh kurz pissen!“, brüllte mir Eddy ins Ohr, sagte wohl was ähnliches zu Sophie und verschwand dann einfach. Au Mann, jetzt hatte er mich mit seiner Freundin und ihrer Freundin alleine gelassen. Ich nippte von meinem Getränk und versuchte ihre Blicke zu ignorieren.

Ich schnappte ein paar Wortfetzen von Caro auf, anscheinend wollte sie wieder zu den Anderen. Sollte mir recht sein, am besten sie nahm Sophie gleich mit. Aber sie blieb neben mir stehen. Ich hatte keinen Schimmer warum. Sie konnte doch bei ihren Freunden auf Eddy warten. Ich wusste nicht mal, was ich mit ihr reden sollte. Sie sagte irgendwas zu mir, dass ich nicht verstand.

„Was?“, brüllte ich und beugte mich etwas zu ihr runter. Sie lehten sich näher an mich. Ich spürte, wie ihre Brüste gegen meinen Arm drückten und sie legte ihre Hand auf meine Schulter, um besser an mein Ohr zu kommen.

„Ich find es übrigens sau cool, dass du schon alleine wohnst.“, rief sie in mein Ohr. Hm, wie oft bekam ich das eigentlich noch zu hören? Ich wollte mich wieder aufrichten, aber sie hatte immer noch ihre Hand auf meiner Schulter und zog mich wieder zu sich her. „Ich würde deine Wohnung gerne mal sehen.“ Die Situation war verdammt besch... bescheiden. Ich konnte mir nicht helfen, sie baggerte mich doch an, oder?

„Du kannst ja mal mit kommen, wenn Eddy mich besucht.“, schlug ich diplomatisch vor, weil ich nicht wusste, was ich sonst auf diese unverschämte Frage hätte antworten sollen. Eddy wäre nämlich stocksauer, wenn ich mich bei Sophie daneben benehmen würde und das wollte ich nicht.

„Allein wär mir lieber.“ Sie grinste mich an und hatte dabei einen verführerischen Augenaufschlag, der nicht bei mir wirkte. Gut, ich verstand was Eddy an ihr fand. Sie sah wirklich gut aus und war vor allem selbstbewusst. Aber sie sollte definitiv nicht den besten Freund ihres Freundes anbaggern. Ich wusste ehrlich gesagt nicht wirklich, wie ich jetzt darauf reagieren sollte, ohne sie nicht total wütend zu machen. Ich war nämlich ziemlich sicher, dass ich danach der Schuldige wäre, weil immer die Jungs, diejenige waren, denen man alles in die Tasche schob.

„Ich denke eher nicht...“, meinte ich kühl und versuchte sie von mir wegzuschieben ohne dabei grob zu werden. Noch deutlicher konnte ich nicht werden, oder? Aber anstatt ihren Griff um meine Schulter zu lockern, drückte sie sich noch näher an mich heran und ich wusste, sie ritt mich da gerade gewaltig in die Scheiße.

„Du bist soviel cooler, als Eddy.“ Ich spürte ihren warmen Atem an meinem Ohr, plötzlich auf meinen Lippen und ich bekam eine Gänsehaut, als sie mich küsste. Verdammt unangenehm. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie wirklich weg zu schubsen, bevor sie versuchte den Kuss zu intensivieren. Sie schaute ziemlich geschockt, als sie gegen einen Typen hinter ihr taumelte. Ihre Augen waren immer noch überrascht geweitet, als sich ihr Blick auf mich richtete. Dumme Schlampe, komm mir bloß nicht mit so einem Scheiß! Betrunken oder nicht, Mädchen, die alles anmachten was einen Schwanz hatte, waren einfach nur verdammt low.

Ich schüttelte fassunglos den Kopf und wusste nicht, was ich zu ihr hätte sagen sollen. Ich musste einfach weg, sonst würde ich sie schlagen. Ehrlich, verdammte Kacke! Wenn jetzt Eddy kommen würde, könnte ich für nichts garantieren. Ich würde ihm sagen, was ich von seiner neuen Freundin hielt und das war im Moment echt keine gute Idee. Ich wollte wirklich keinen Streit. Nicht wegen einem Mädchen.

Ich packte mein Glas und ging einfach weg von ihr, bevor Eddy wieder da war. So eine Scheiße. Warum musste denn mir sowas passieren? Was dachte sich das Mädel überhaupt dabei? Klar, ich mach den besten Kumpel von meinem Freund an, weil ich betrunken bin! Das war doch Kacke. Ich wollte sie heute definitiv nicht mehr sehen und Eddy irgendwie auch nicht.

Mit dem Glas in der Hand stand ich jetzt mitten im Weg und wurde ständig von irgendwelchen Leuten angerempelt. Ich überlegte, ob ich heimgehen wollte, wusste aber, dass sich das wirklich fatal auf mein Gemüt ausüben würde. Heimgehen war also noch eine schlechtere Option, als sich mit Eddy und Sophie auseinanderzusetzen, was ich aber auch nicht wollte.

Bevor ich irgendwas tun konnte, offenbarte sich mir eine dritte Möglichkeit, nämlich die Blondine von vorhin. Sie stand plötzlich vor mir und lächelte mich sympathisch an. Ich ging mit ihr zu ihrem Tisch und versuchte irgendwie auszusehen, als hätte ich nicht ganz fürchterlich schlechte Laune.

„Hey, ich bin Enno.“, stellte ich mich vor. Mit einem Namen konnte man doch schon immer eine gute Basis für ein Gespräch aufbauen.

„Freut mich, Miriam und das ist Denise!“ Sie zeigte dabei auf das Mädchen, das neben ihr stand, mich aber kein Stück interessiert. Egal, Miriam sah nett aus.

„Hat er gesagt, er ist Emo?“, rief Denise in Miriams Ohr und diese lachte. Hm, früher gab es weniger Probleme mit meinem Spitznamen. Wurde vielleicht mal Zeit mir eine andere Kurzform für meinen Namen anzueignen...

„Nein, Enno mit einem N!“, schrie ich zurück und die beiden lachten wieder nur. Trotzdem stießen wir dann zusammen an und ich stellte mich etwas näher an die beiden ran, damit ich überhaupt etwas verstehen konnte. Die Konversation sickerte etwas vor sich hin, genauso wie eine Menge Alkohol in mein Blut. Und irgendwann war auch die Sache mit Sophie aus meinem Kopf raus, ab dem Punkt konnte ich auch wieder anfangen den Abend zu genießen. Das war auch circa zeitgleich mit dem Moment, als ich mit Miriam knutschend auf einem der Ledersofas, die hier überall rumstanden, saß. Perfektes Timing, oder?
 

Mein Kopf wummerte und die Luft in meinem Zimmer war stickig und verbraucht. Leicht schwankend erhob ich mich aus meinem Bett, stellte dabei auch fest, dass ich nackt war und hoffte darauf, dass jetzt niemand aus dem Haus gegenüber in mein Zimmer schaute. Ich ging zu meinem Kleiderschrank, holte mir eine frische Boxershorts raus und dann zu meinem Fenster, um es zu öffnen. Frische Luft war essentiell wichtig, um zumindest die Kopfschmerzen etwas erträglicher zu machen.

Immer noch etwas schlecht auf den Beinen, torkelte ich in mein Badezimmer, um dort zu pissen. Irgendwie fühlte ich mich, als wäre immer noch ordentlich Alkohol in meinem Blut. Aber alles war okay, solange ich mich nicht übergeben musste, was momentan nicht der Fall war.

Ich putze mir die Zähne, um den Geschmack nach toten, verwesten Hamster aus meinem Mund zu bekommen und wusch mir grob, das Gesicht um etwas wacher zu werden. Hey, ich hatte Kopfschmerzen und würde heute nichts essen können, aber ich fühlte mich besser, als die zwei Sonntage davor. Erstaunlich, oder?

Ich wankte zurück in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen. Heute würde ich definitiv nichts anderes machen, als fern zu sehen und dabei viel zu trinken. Aber es war Sonntag, da dürfte man das. Vielleicht würde ich später auch noch was zeichnen, wenn mich die Katermuse küsste.

Gerade als ich über einen Film mit zwei kleinen Zwillingsmädchen und irgendwelchen Pferden eingedöst war, klingelte das Telefon schrill. Ich spielte mit dem Gedanken es einfach so lange klingen zu lassen, bis der Anrufer aufgab, allerdings war dafür das Läuten einfach zu penetrant.

Ich seufzte und erhob mich von meinem Bett, um zum Telefon zu gehen. Wehe, der Anrufer legte genau in dem Moment auf, wenn ich abhob. Ich hasste es, wenn das passierte.

„Ja?“, brummte ich in den Hörer und erwartete fast schon, dass mir das Aufgelegt-Tuten entgegen kam.

„Joh, Alter, ich bin´s!“, meldte sich allerdings Eddys aufgeweckte Stimme und ich war froh, dass ich doch ans Telefon gegangen war. Ich sollte mich entschuldigen, dass ich gestern einfach die Biege gemacht hatte, ohne ihm Bescheid zu sagen.

„Hey, Mann, du sorry wegen gestern.“ Ich hoffte nur, er wollte nicht irgend eine Erklärung, das wäre nämlich unangenehm geworden und ich hatte so meine Zweifel, dass Sophie ihm irgendwas erzählt hatte.

„Hab schon gesehen, du warst schwer mit der Blondine beschäftigt.“ Eddy lachte dreckig und ich fuhr mir nur durch die Haare. War ich das gewesen? Ich wusste, dass ich heute Nacht Sex gehabt hatte, aber weder fiel mir ihr Name ein, noch wie es dazu gekommen war. Ich hatte einen absoluten Filmriss, ab einem bestimmten Punkt, den ich auch nicht mehr genau wusste.

„Au Mann, ernsthaft?“ Es wäre extrem peinlich, wenn ich wirklich in der Öffentlichkeit rumgemacht hatte. Ich sollte doch aus dem Alter mittlerweile raus sein.

„Aber Hallo, habt ihr es überhaupt bis zu dir geschafft?“ Ich konnte Eddys Grinsen vor meinem Gesicht gesehen. Er hatte sich schon immer gerne darüber lustig gemacht, wenn ich irgendwelche Mädchen abgeschleppt hatte.

„Gott, ich weiß nicht mal, ob wir verhütet haben. Ich war so hacke“, gestand ich ihm. Also ich hoffte schwer für mich, dass ich verhütet hatte und ich würde nachher, definitiv nach Indizien dafür suchen.

„Hoff ich auch für dich, Mann, nicht das hier bald überall kleine Ennoahs rumrennen.“ Danke, Eddy. Genau das wollte ich jetzt hören.

„Ich weiß nicht mal, wie sie heißt... Sah sie wenigstens gut aus?“ Offensichtlich hatte Eddy mich ja mit ihr gesehen. Ihren Namen hatte sie mir auch gesagt, irgendwas mit M oder D. Monika, Doris, Dorothea? Klang irgendwie alles falsch. Egal, ich hatte sowieso nicht vor, mich wieder mit ihr zu treffen. Ich fühlte mich trotzdem etwas wie ein Casanova und das war kein positives Gefühl.

„Hab nicht soviel von ihr gesehen. Du hast sie uns nicht vorgestellt.“ Das war kein Vorwurf, dass wusste ich. Aber ich wäre zu ihr nicht mal hingegangen, wenn nicht diese beschissene Sache mit Sophie gewesen wäre. Ich überlegte, ob ich ihn darauf ansprechen sollte. Allerdings fühlte ich mich noch immer einfach groggy und war mir nicht sicher, ob ich dem ganzen im Moment gewachsen war.

„Sorry, Mann“, entschuldigte ich mich. Vielleicht eher deshalb, weil ich ihm demnächst sagen musste, dass seine Freundin einfach eine Schlampe war und er sie möglichst bald los werden sollte, eigentlich jetzt sofort am Besten.

„Kein Ding, du, ich war nur etwas überrascht, als du plötzlich weg warst.“ Wunder Punkt, Eddy. Ich verzog das Gesicht. Er war mir wirklich sehr wichtig und ich konnte den Gedanken nicht ausstehen, dass er von irgend einer dummen Kuh einfach ausgenutzt wurde. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm das erklären konnte ohne ihm total auf die Füsse zu treten. Ich wusste, dass er sie mochte. Ich kannte ihn lange genug, um zu sehen, wann er verliebt war. Und er war sowas von verschossen in sie. Ich merkte, wie es unangenehm in meinem Magen rumorte. Kurz musste ich an die Sache mit Ekatarina damals denken, wusste aber nicht wieso.

„Woah Fuck, mir ist schlecht!“ Ich knallte den Hörer auf mein Telefon und sprintete ins Badezimmer. Als ich über den Waschbecken hing und mir die Seele aus dem Leib kotzte, hatte ich das Gefühl, als hätte mein Leben einen erneuten Tiefpunkt erreicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tali
2010-01-06T20:40:26+00:00 06.01.2010 21:40
Diese Sophie könnte ich auf den Mond schießen! So eine Schlampe. Und dann auch noch der beste Kumpel vom Freund! Es tut mur nur sehr Leid für Eddy. Sowas ist ziemlich fies.
Ich mag deine Art Situationen zu beschreiben. Obwohl man nur Ennos Sichtweise bekommt, wirkt alles real und sehr glaubhaft. Bei der Ich-Form stelle ich mir das schwirig vor. Weil dadurch der Anstand zu den anderen Figuren enorm groß ist.
Von:  ReiRei-chan
2010-01-03T19:07:25+00:00 03.01.2010 20:07
Krass... ist so ziemlich das einzige was mir dazu einfällt.
Mädchen sind solche... Arschlöcher! Mann kann es einfach nicht anders sagen. Und ich wette sie war nicht hacke genug um das abzuziehen.
-grummel-
Danke, für die ENS! ^^ Mexx hat mir es wieder nicht angezeigt... -dop-
Ich finde es einfach toll wie du schreibst. Du gibst der Geschichte immer sehr viel Raum und so viele kleine Verwicklungen wie sie im echten Leben dann auch einfach passieren (können).
Obwohl du immer einen deprimierenden Grundtenor vorgibst... irgendwie erweckt das den Eindruck, als ob das Leben einfach nur kacke ist.
Ich hoffe ja immer darauf, dass es ein gutes Ende nimmt. ^^"


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