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Ta Sho

erste Schritte
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, was soll ich sagen? Es ist das letzte Kapitel dieser FF, nach sieben Jahren wird es Zeit, abzuschließen und loszulassen... ich hoffe es gefällt und es erinnert sich überhaupt noch jemand daran ;) Komplett anzeigen

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Seelenreise

Gut war manchmal ein ziemlich dehnbarer Begriff, wie die Star Sheriffs wieder einmal feststellten. Ramrod war vom Stützpunkt unbemerkt abgehoben und hatte es zielsicher zu den Sprungkoordinaten geschafft. Ihr Flug verlief bisher reibungslos und noch eher fröhlich. Die Männer hatten jede Menge Sprüche auf Lager und auch April war um keinen Konter verlegen. Als der Sprung näher rückte, wichen die Späßchen dem konzentrierten Arbeiten.

Alex hielt Ramrod zielstrebig auf die gewünschten Koordinaten zu und hielt ihn in der richtigen Geschwindigkeit, April unterstützte ihn, indem sie ihm immer wieder die aktuellen Werte gab und die Korrekturdaten zur Verfügung stellte. Saber kalibrierte ein weiteres Mal seinen Rechner, kontrollierte die Geschichtsdaten zum hundertsten Mal, während Colt seine Waffen auf ein Minimum herunter fuhr. Jede nicht benötigte Energie leiteten sie für den Sprung um und da im Moment keine Gefahr vor dem Königreich Jarr auf sie lauerte, konnte er die nicht lebensnotwendigen schweren Geschütze abschalten.

Shinji hatte sich nicht in den Aufenthaltsraum verbannen lassen, auch wenn der Flug auf der Brücke für ihn dadurch etwas holpriger war. Er hielt sich an Sabers Satteleinheit fest und linste immer wieder über dessen Schulter. Die Professionalität und die Ruhe, die alle Beteiligten ausstrahlten, ließen auch ihn ruhiger werden. Seine Jahre des Sturm und Drangs lagen eigentlich schon lange zurück. Dunkle Augen richteten sich auf das Universum vor ihnen. Shinji fragte sich, wie sie ausgerechnet von hier aus in die Vergangenheit zurück springen können sollten, hier war nichts weiter als leerer Raum.

Saber brach die entstandene Stille: „Wir sind da“, er sah zu Shinji auf: „Es ist Zeit, Shinji. Bitte such dir jetzt einen sicheren Platz.“

Stumm nickte der ältere Hikari und wandte sich zur Tür. Colt sprang aus seiner Satteleinheit und rief quer durch den Raum: „Ich bring den Senior rüber, muss sowieso noch die Kopfschmerztabletten einbunkern!“

Während sich ein irritiert drein blickender Shinji von Colt hinaus begleiten ließ, saß auch ein anderes Teammitglied mit einem fragenden Gesichtsausdruck in seiner Satteleinheit. Ein dicker Kloß saß Alessandro im Hals, ihm schwante nichts Gutes bei Colts Worten. Er bohrte bei den anderen beiden nach, als sich die Tür zischend wieder geschlossen hatte: „Habt ihr mir über den Sprung durch die Zeit irgendwas verschwiegen, Leute?“

„Man wird ziemlich durchgerüttelt“, begann Saber vorsichtig. Tatsächlich hatten sie Alessandro nicht alles gesagt, aber das war keine böse Absicht gewesen. Sie hatten es schlicht und ergreifend verdrängt. Auch ihnen war erst durch Colts Schmerzmittelscherz wieder eingefallen, wie übel ihnen nach den beiden Zeitreisen gewesen war. Offenbar war es für den Lockenkopf ein einprägendes Erlebnis gewesen. Saber konnte sich noch gut daran erinnern, wie Colt nach ihrer Heimkehr geschworen hatte, das nächste Mal die Schmerzmittel gleich in seine Satteleinheit zu packen. Bei Colts manchmal überhand nehmender Fürsorglichkeit konnte es sogar passieren, dass er vorsorglich an jeden eine Tablette austeilte.

Das war ihm auch klar gewesen! Der Italiener hatte sich schon vorstellen können, dass sie bei diesem Himmelfahrtskommando durchgeschüttelt wurden, aber er hätte lieber gehört, was ihm tatsächlich bevor stand. Unsinnigerweise griff er links und rechts in seine Satteleinheit und murmelte: „Colt hat doch auch was von Kotztüten erwähnt, oder? Wo haben wir die versteckt?“

„Brauchst du nicht, Mafiosi!“, Colt war wieder eingetreten und klopfte dem Piloten mit dem grünen Kampfanzug sacht auf den Helm: „Du hast nicht die Zeit, dir über Übelkeit den Kopf zu zerbrechen“, der Lockenkopf präsentierte noch mal für alle offensichtlich die Packung mit den Tabletten und schwang sich anschließend in seine Satteleinheit. Sein Blick ging starr nach draußen: „Dann wollen wir mal! Unser Paket ist gut verschnürt und ich bin auch so weit.“

Die Freunde nickten einander entschlossen zu, danach begann Saber den Countdown. Alex hielt das Schiff auf Position, der Schotte gab schließlich das Zeichen, den Sprung einzuleiten. April initiierte den Prozess und plötzlich wurde es hell…
 

„War’s das?“, Alessandro musste sich zusammenreißen um nicht sofort aus der Satteleinheit zu springen. Als Saber jedoch bestätigte, dass sie den Sprung geschafft hatten, gab es für den Italiener kein Halten mehr. Er hechtete schier aus seiner Sitzgelegenheit, pfefferte den Helm weg und lief so schnell ihn seine Beine tragen konnten, von der Brücke. Er hätte die Kotztüten in der Satteleinheit dringend gebrauchen können, sein Magen fuhr noch immer Achterbahn und der Inhalt wollte unbedingt wieder an die frische Luft!

Erstaunt, aber nicht sprachlos sahen die drei ihrem Piloten hinterher. Colt nahm ebenfalls seinen Helm ab. Er deutete hinter sich und sah Saber dabei an: „Oh, ich fürchte, da hat das Pilotentraining keine Früchte getragen.“

Saber fuhr sich durch die Haare, ihm war ebenfalls ein wenig übel, aber noch verspürte er nicht den Drang, Alessandro zu folgen. Dafür fielen ihm Fireballs Worte wieder ein, die der junge Hitzkopf nach ihrer Rückkehr benutzt hatte. ‚Ich mach sowas freiwillig nicht noch mal!‘ Tja, Recht hatte er damit behalten.

April strich sich ihren Pony zurecht, ehe sie aus ihrer Satteleinheit aufsah. Sie blickte hinaus, unter ihnen lag das Königreich Jarr, dunkel und schlafend. Friedlich wirkte es, nur die wenigen Lichter der Stadt erhellten den Planeten und verkündeten, dass er bewohnt war. Einen Moment lang genoss sie den Anblick, danach holte sie ihre Arbeit wieder ein. Sie blickte zu Saber: „Kannst du Steed für seinen großen Auftritt vorbereiten? Ich werde mal nach Captain Hikari sehen.“
 

Saber war mit Aprils Vorschlag einverstanden gewesen. Bevor er jedoch die Brücke verließ, wies er Colt an, ein Auge auf die Sensoren zu haben, er wollte um keinen Preis entdeckt werden. Schnellen Schrittes entschwand er zu seinem Streitross.

Ein wenig verhalten lugte April in den Aufenthaltsraum zu Captain Hikari. Der saß kreidebleich an seinem Platz und atmete schwer. Die blonde Frau trat ein und stellte Shinji schließlich ein Glas Wasser hin. Es würde wohl noch ein paar Minuten dauern, bis sich der Captain gefangen hatte und das letzte Stück seiner verrückten Reise antreten konnte. April setzte sich ihm gegenüber und sprach ihn schließlich mit einem sanften Lächeln an: „Der Sprung in unsere Zeit war wohl nicht so schrecklich.“

Diese Feststellung klang fast wie Hohn, doch Shinji nahm das nicht wahr. Es war weniger die Übelkeit, die ihm zu schaffen machte, als das Herzrasen und die Bilder, die vor ihm aufflammten. Schweißperlen bildeten sich auf Shinjis Stirn, sein Herz schlug viel zu schnell und unregelmäßig. Immer wieder wurde ihm schwarz vor Augen bis ihm schließlich klar wurde, was gerade mit ihm geschah. Was er vor einigen Wochen mit seinem Sohn unter dem Sternenhimmel besprochen hatte, erwachte vor seinen Augen zum Leben. Er durchlebte die Erfahrungen, die sein Sohn gemacht hatte, als wären es seine eigenen. Alles ging blitzschnell, war zuviel für den Verstand und doch fühlte es sich real an. Als es endlich vorbei war, fuhr er sich keuchend über die Augen und die Stirn.

Mit zunehmender Besorgnis hatte April beobachtet, wie dem Captain der Schweiß auf die Stirn getreten war und dessen Atmung immer unregelmäßiger geworden war. Irgendwann hatte sie das alles zu sehr an die Erlebnisse der ersten Schlacht erinnert und was damals mit Fireball passiert war. Schließlich warf sie alle Bedenken über Bord und griff nach der Hand des Captains. Sie zwang ihn, sie anzusehen: „Shinji?! Captain, sieh mich an! Ich bin es, April.“

„April…“, Shinji keuchte und rang immer noch nach Luft: „Ja… ich weiß.“

Endlich konnte er wieder die Umgebung klar ausmachen und auch das Mädchen, das vor ihm saß und sich Sorgen machte. Shinji drückte ihre Hand, sein Blick wurde dabei unendlich traurig. Als er wieder normal atmen konnte, seufzte er unterdrückt: „Ich bin so ein Esel…“

Mit Fireballs Erinnerungen waren nun auch die wahren Gefühle und die Geschichte zwischen ihm und April aufgekommen. Shinji merkte, dass sich sein Sohn eher was abgehackt hätte, als ihm zu erzählen, wie sehr er die Beziehung mit April gegen die Wand gefahren hatte. Da hatte er ihn lieber in dem Glauben gelassen, er hätte noch nicht einmal begriffen, was April ihm bedeutete. Nun, wahrscheinlich hatte auch Fireball nicht damit gerechnet, dass der Seelentausch auch in die andere Richtung funktionierte und Shinji gerade mit voller Wucht umgehauen hatte. Als er Aprils verwirrtes Gesicht wahrnahm, schüttelte Shinji langsam den Kopf und berichtigte sich: „Er… Er ist ein Esel. Wie kann er nur so dumm sein?“

April traute sich kaum zu fragen: „Wer?... Er?“

Sie konnte sich schon vorstellen, wen Shinji meinte, allerdings war es ihr nicht geheuer. Im Gegensatz zu Fireball damals war Shinji ziemlich gesprächig. Offensichtlich lernte ein Hikari das erst mit zunehmendem Alter. Bei dem Gedanken daran, was Shinji wohl gerade alles erlebt hatte, bekam sie feuerrote Ohren. Verschämt zog sie deswegen ihre Hand zurück, versteckte sie mit der anderen unter dem Tisch und fixierte den Tisch vor sich.

„Mein… Kurzer!“, Shinjis Stimme gewann wieder an Volumen. Sein Verstand klärte sich zunehmend auf und er konnte wieder vernünftige Gedanken fassen. Shinji würde nicht mit der Brechstange ins Haus fallen, er hatte auch so im Handumdrehen erkannt, dass April ganz bestimmte Gedanken hegte. Kurz biss er sich auf die Lippen, es hatte ihr also durchaus gefallen, schoss es ihm durch den Kopf. Shinji wusste, wenn er April nun lapidar schilderte, dass Fireball es mindestens ebenso genossen hatte, versank sie vor Scham im Boden. Ihre schimmernden Wangen brachten den älteren Hikari unsanft wieder zu bodenständigeren Themen. Das körperliche mochte eine Sache sein, aber noch wichtiger als das war das Gefühl. Leise versicherte er April: „Er braucht dich wie die Luft zum Atmen und kriegt’s einfach nicht gebacken.“

Aprils Hände verkrampften sich. Es war ihr einerseits so peinlich, was Shinji alles wusste und andererseits so unangenehm, ausgerechnet mit seinem Vater ein solches Gespräch zu führen. Sie wollte Shinji deswegen abwimmeln. Sie schüttelte den Kopf: „Nein… Bitte nicht, Captain. Das… das ist vorbei… Wir sind Freunde… Du musst ihn nicht in Schutz nehmen, ich… hab ihm verziehen.“

Shinji leerte sein Glas, beobachtete dabei allerdings mit Argusaugen, wie sich April verhielt. Es war ihm klar, dass auch April nicht darüber reden wollte. Die vergangenen Monate waren sowohl für seinen Sohn als auch für das blonde Mädchen eine Tortur gewesen. Eine unnötige Qual, wie Shinji fand. Aber er hatte leicht reden, steckte er doch nicht in der Haut der Kinder! Bei dem Gedanken daran blieb dem Captain das Lachen im Halse stecken. Irgendwie steckte er ja doch mit drin. Seine Augen suchten wieder Aprils Antlitz. Das Urteil blieb das gleiche. Sein Sohn war einfach nur dumm.

„Es mag sein, dass du ihm verziehen hast“, räumte Shinji ein: „aber das entschuldigt sein Verhalten nicht. Der Kurze hat was Entscheidendes vergessen. Der Verstand hat nichts zu melden, wenn es um die Liebe geht.“

Nun schüttelte April den Kopf und unterbrach Fireballs Vater von neuem: „Bitte, Shinji. Turbo und ich… wir sind froh, dass wir Freunde sind“, bei den nächsten Worten wurde sie zunehmend heiser: „Ich will nicht mehr aber auch nicht weniger.“

Er hatte sie kaum verstanden, dennoch zeichnete sich ein warmes Lächeln in Shinjis Gesicht ab. Der Japaner hatte kapiert, dass er im Augenblick nichts ausrichten konnte. Er musste es den Kindern überlassen und vielleicht würde es irgendwann einmal anders sein.

Nach einem tiefen Atemzug stand er auf und erkundigte sich: „Ist alles bereit für meine letzte Reise, April?“

Die blonde Frau nickte, ehe sie ebenfalls aufstand. Sie begleitete Shinji zum Hangar hinunter, wo bereits die anderen auf sie warteten. Unten angekommen gesellte sich April zu Alessandro, der nach seinem unfreiwilligen Zwischenstopp im Bad wieder besser aussah. Sie suchte bewusst die Nähe des Italieners, Colt und auch Saber waren im Augenblick kein richtiger Halt für sie.

Saber trat mit den Zügeln für Steed in der Hand nach vorne und legte sie Shinji in die offene Handfläche. Er nickte dem Vater seines Freundes höflich zu. Ein Freund verließ die vier auf Ramrod, kein Fremder.

Dankbar nahm Shinji die Zügel, besah sich sein Taxi in Form eines Roboterpferdes noch einmal ganz genau, dann verabschiedete er sich endgültig. Shinji verbeugte sich tief vor den vieren und schloss die Augen: „Ich danke euch für alles, Kinder. Bleibt wie ihr seid!“
 

Ergriffen nahm Colt seinen Hut vom Kopf und drückte ihn auf seine Brust. Es war eine Geste des Vertrauens und des Respekts. Er murmelte: „Mach’s gut, alter Haudegen!“

Saber neigte den Kopf respektvoll und verabschiedete sich stumm von Shinji. Es fiel ihm irgendwie schwer. Aber das hatte es auch damals, bevor der Captain zum Manöver aufgebrochen war. Nur waren sich dieses Mal alle sicher, dass die Geschichte ihren Lauf nehmen würde. Saber hatte nicht mit Gewissensbissen zu kämpfen. Er wusste, dass alles seiner Wege ging.

April wollte sich gerade zu Alessandro stecken, als sich dieser von ihr löste und auf den Captain zuging. Er packte Shinjis Hand und schüttelte diese. Dabei sah er ihm ehrfurchtsvoll in die Augen: „Danke, Captain. Wir werden dich nicht vergessen!“

Shinji klopfte Alessandro auf die Schulter: „Du bist schon in Ordnung, Sandro.“

Dann kehrte er den Kindern den Rücken zu und ging.
 

Die vier warteten schweigend darauf, dass Steed alleine zu Ramrod zurück kam. Alle hingen ihren Gedanken nach und brauchten einige Momente um für sich zu begreifen, dass sie einen lieb gewordenen Freund nie wieder sehen würden. Obwohl es für die Stammbesatzung von Ramrod nichts Neues mehr sein sollte, taten auch sie sich schwer, diesen Gedanken zu akzeptieren.

Alessandro brach schließlich das Schweigen: „Auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt unbeliebt mache, aber: Wieso sollen wir ihnen nicht helfen, wenn wir schon mal hier sind? So wie ich das von Babyboy verstanden hab, habt ihr mit dem Aufenthalt damals sowieso schon gehörig was durcheinander gebracht. Wenn wir jetzt eingreifen, kann das nicht so gravierend sein.“

„Das wissen wir nicht“, zerschlug Saber Alessandros aufkeimenden Ehrgeiz gleich wieder. Er lehnte sich gegen seine Satteleinheit und erklärte: „Wir wissen nicht, was sich verändern wird und ob sich unser aller Leben zum Guten wendet, wenn wir die erste Schlacht gegen die Outrider gewinnen. Wenn Fireballs Vater und all die anderen überleben würden, es würde sich immens viel ändern. Und es ist die Frage, ob wir Menschen in fünfzehn Jahren dann so gut gerüstet wären, um den Outridern wieder in den Hintern zu treten. Vielleicht würden sie Ramrod nie entwickeln, weil sie keine Notwendigkeit darin sehen. Man weiß es einfach nicht, Alessandro“, Saber fuhr sich nachdenklich mit den Fingerspitzen über den Nasenrücken: „Unser Werdegang hat sich durch den Aufenthalt damals schon geändert, ohne dass wir in die Geschichte eingegriffen hätten. Es ist viel zu riskant, niemand kann die Folgen abschätzen.“

Alessandro ließ sich jedoch nicht so einfach ins Bockshorn jagen. Er war ein gerechtigkeitsliebender Geist, Logik hin oder her, er empfand ihren Aufenthalt hier als Chance, viele Menschenleben zu retten. Wenn sie schon nicht selbst eingreifen konnten, konnten sie den Menschen nicht einen Hinweis hier lassen: „Können wir dem KOK nicht eine winzige Nachricht schicken, dass die Outrider Jarr angreifen werden? Nur zwei Sätze oder so? Dann greifen wir doch auch nicht direkt ein.“

„Aber sie wären gewarnt“, ergänzte Colt. In diesem einen speziellen Fall war der Lockenkopf uneingeschränkt auf Alessandros Seite. Er hatte sich nie wieder so hilflos fühlen wollen, wie vor einem Jahr und dennoch standen sie wieder hier. Es musste doch etwas zu bedeuten haben, weshalb sie ausgerechnet wieder hier her zurück kehren sollten. „Es bliebe ihnen überlassen, darauf zu reagieren.“

Saber schüttelte entschlossen den Kopf: „Nein, auch keine Nachricht. Wir werden nichts unternehmen. Es muss so passieren.“ Natürlich hätte auch Saber lieber eine Warnung ans Oberkommando geschickt, aber er hatte auch Sorge, welche Konsequenzen sich daraus ergeben könnten. Dass er nun gegen zwei Sturköpfe argumentieren musste, ärgerte ihn ein wenig. Er spielte seinen Trumpf nur ungerne aus, aber er wollte die Diskussion endgültig abwürgen. Saber stieß sich ab und gab den Befehl: „Wir brechen nachhause auf. Packt die Kotztüten und die Schmerzmittel ein und dann ab in unsere Zeit.“

„Aber Säbelschwinger!“, Colt setzte zu Protest an. Er wollte den Menschen helfen, so wie auch Alessandro.

Doch Saber blieb streng. Wieder verneinte er, gab den beiden Jungs allerdings einen Hoffnungsschimmer: „Hikari senior hat ebenfalls die Chance, alle zu warnen. Er weiß um seine Zukunft. Wenn er sich dazu entschließt, kann er die Geschichte verändern.“

Damit mussten sich Alessandro und Colt zufrieden geben. Ergeben nickten sie und machten sich an die Arbeit. Alessandro warf noch einen Blick auf die Kotztüte, die er sicherheitshalber in die Satteleinheit gepackt hatte und folgte dann Aprils vorgegebenen Kurs.
 

In dieser Nacht hatte er nicht nachhause gefunden. Stattdessen war Fireball irgendwann in König Jarreds Garten gelandet und hatte sich auf ein steinernes Bänkchen nieder gelassen. Er stützte die Arme auf der Sitzfläche ab, streckte die Beine von sich und sah in die Morgendämmerung. Langsam verschwanden die Sterne und der dunkle Nachthimmel, die feuerrote Kugel drängte alles dunkle zurück und hauchte dem herannahenden Tag neues Leben ein. Fireball seufzte leise. Entgegen seinem Versprechen machte er sich doch Sorgen um seine Freunde. Was, wenn etwas nicht geklappt hatte und sie sonst wo in der Zeit wieder auftauchten?

„Es ist gewöhnlich kein gutes Zeichen, wenn ein Hikari sich zu dieser Uhrzeit in meinen Garten verirrt“, mit diesen Worten setzte sich König Jarred neben Fireball. Er war bei seinem morgendlichen Spaziergang auf den ungewöhnlichen Gast aufmerksam geworden.

Fireball neigte den Kopf: „Entschuldigt die Störung, eure Majestät.“

Jarred schmunzelte leicht. Das Manöver war bisher zur Zufriedenheit aller verlaufen, niemand hatte Grund für Beanstandungen. Vor allem der alternde König nicht. Er hatte im Laufe der Übungen bemerkt, dass er sich bald ruhigen Gewissens von Aufgaben trennen konnte. Sein Sohn hatte sich bisher tapfer geschlagen, arbeitete im Sinne des Monarchen und zeigte auch diplomatisches Geschick. Es wehte ein jugendlicher Wind in den alt ehrwürdigen Hallen des Palastes.

„Dein Vater hat auch mal hier gesessen“, stellte der König leise fest.

Fireball nickte verstehend: „Ist auch ein schönes Plätzchen hier, eure Hoheit. Ihre Gärtner machen Ihre Arbeit hervorragend.“

Die beiden Männer unterhielten sich über alles Mögliche, bis plötzlich ein Diener auf sie zu gerannt kam und ihnen mitteilte, dass das Königreich angegriffen wurde. Entschlossen sprang Fireball auf und eilte dem Befehl des Königs voraus: „Ich trommle meine Jungs zusammen und werde Ihnen helfen!“

Noch während er quer über den englischen Rasen in Richtung des Hangars lief, rief er seine Mannschaft zusammen. Sobald alle versammelt waren, würden sie in den Himmel aufsteigen und das Königreich Jarr verteidigen.
 

Zeitnahe erhoben sich die Gleiter des Oberkommandos und die des Königreichs. Sie flogen Seite an Seite auf die Angreifer zu. Keiner der Piloten würde zurückweichen. Sie waren entschlossen, das Königreich um jeden Preis zu verteidigen.

Martin war mit einem mulmigen Gefühl gestartet. Ihm gefiel nicht, dass die Outrider ausgerechnet jetzt angriffen. Als ob sie geahnt hätten, dass sie verwundbarer als sonst waren. Als ob sie beobachtet hätten, dass Ramrod in der Nacht den Planeten verlassen hatte. Grimmig hatte er sich noch während des Starts vorgenommen, den Schurken den Garaus zu machen. Der Brasilianer flog im Windschatten seines Captains in den Wulst aus Angreifern. Er befolgte die Befehle, achtete auf die Schüsse der Outrider und wich ihnen immer wieder konzentriert aus. In einer Schlacht war kein Platz für andere Gedanken. Martin wusste, dass einem fehlende Konzentration das Leben kosten konnte.

Die Schlacht tobte erbittert und es gab Verluste auf beiden Seiten. Für jeden abgeschossenen Jumper schienen zwei neue in ihrer Dimension zu landen. Fireball und Roland versuchten den Überblick über das Kampfgeschehen so gut wie möglich zu behalten und ihre eigenen Verluste so gering wie möglich zu halten. Es half, dass sich die beiden Truppen bereits kannten, dennoch wurden manche Gleiter abgeschossen. Schließlich forderte Fireball unkonventionell Verstärkung an, als er merkte, dass sie es nicht schaffen würden: „Charles! Commander Eagle. Hier ist Fireball! Das Königreich Jarr wird angegriffen. Wir brauchen hier Verstärkung! Schick uns die schnelle Eingreiftruppe vorbei. Da ist doch sicher jemand in der Nähe!“

Die Verteidiger schafften es zumindest, die Outrider zurück zu drängen und das Kampfgeschehen in unbewohntes Gebiet zu verlagern. Dennoch wurde die Situation nicht besser.

Fireball wich einem größeren Outriderschiff aus, das ihn ins Visier genommen hatte. Der Schuss verfehlte ihn um Haaresbreite und der Japaner wusste, welches Glück er gerade gehabt hatte. Wütend, weil er langsam die Geduld verlor, riss er seine Maschine in den Sturzflug, nachdem er hoch über den anderen einen Looping gedreht hatte. Verbissen richtete er die Zielvorrichtung auf das Schiff aus: „Na warte! Das machst du kein zweites Mal mit mir! Fahr heim in die Phantomzone, Freundchen!“

Sein Schuss traf ins Schwarze und aus dem Outriderschiff wurde in sekundenbruchteilen Schrott.

„Pass auf deinen Rücken auf, Babyboy!“, mahnte Martin hektisch. Er hatte einen Angreifer abgewehrt, der Fireball von hinten hatte abschießen wollen.

Fireball quakte in den Funkverkehr: „Das ist dein Job, Marty!“

Nun erledigte Fireball einen Angreifer, der Martin abschießen wollte: „Ich kümmere mich dafür um deinen Allerwertesten!“

Mit viel Geschick und auch Glück manövrierten sich die beiden durch das Kampfgeschehen. Bis die Zeit für einen Augenblick stillzustehen schien. Ein grelles Licht nahm allen die Sicht.

Fireball glaubte einen schwarzen Schatten nach dem Blitz ausmachen zu können. Erleichtert murmelte er: „Ramrod!“

In diesem kurzen Augenblick, in dem Fireball unaufmerksam gewesen war, traf ihn ein Schuss. Er hatte keine Chance mehr auszuweichen und sein Jet stürzte ab.
 

Tatsächlich war Ramrod wieder in der richtigen Zeit gelandet. Sie waren ziemlich durchgeschüttelt worden, doch als sie den Tumult um sie herum richtig einordnen konnten, waren ihre körperlichen Wehwehchen schnell vergessen. Sie begriffen den Ernst der Lage schnell und kümmerten sich darum, dass die Guten siegreich blieben. Nur mit Ramrods Hilfe gelang es schließlich, die Horde Outrider zurück zu drängen und größere Schäden zu verhindern. Die Staffel des Oberkommandos und die Einheiten von König Jarred hatten bestens zusammen gearbeitet, dennoch waren sie der Übermacht nicht gewachsen gewesen.

Jede Einheit hatte Verluste zu verzeichnen, bis endlich Ramrod über dem Horizont erschienen war und den Schmeißfliegen den kurzen Prozess gemacht hatte. Etliche Jets waren abgeschossen worden, wie durch ein Wunder waren alle Piloten mit dem Leben davon gekommen. Trotzdem ging die Notaufnahme in König Jarreds Krankenhaus bereits über.

Ramrod fand sich ebenfalls kurz nach seiner Landung bei der Anmeldung im Krankenhaus ein. Sie hatten keinen Kontakt zu Fireball aufnehmen können, keiner seiner engsten Vertrauten der Staffel war erreichbar gewesen und die unversehrt gebliebenen Piloten hatten keine Ahnung, wo Fireball zu finden war. Sorgen breiteten sich in den Freunden leider schneller aus, als ihnen lieb gewesen war.

Saber und Colt standen am Tisch, während April und Alessandro versuchten, bei den bereits Verarzteten und den anderen Wartenden Auskunft zu bekommen. Offenbar war Fireball während des Kampfes abgeschossen worden und seither hatte niemand mehr Kontakt zu ihm gehabt. In April stieg eine böse Vorahnung auf. Unbewusst griff sie nach Alessandros Hand, als ihr eine Kollegin von Fireball das alles erzählte.

Der Italiener hörte seinen ehemaligen Kollegen aufmerksam zu. Auch ihnen hörte man die Sorgen um den Captain, aber auch um die anderen Verletzten an. Es war das erste Mal, dass die Air Strike Base im Kampf solche Verluste hatte wegstecken müssen. Klar, immer wieder mal gab ein Jet bei einer Auseinandersetzung mit den Outridern den Geist auf, aber bisher hatten sie alle heil wieder in den heimatlichen Hafen gebracht. Mit diesem Kampf sollte ihre Strähne abgerissen sein.

Alessandro drückte Aprils Hand zuversichtlich. Nach all den Widrigkeiten und Kuriositäten wäre ein Verlust von Fireball wohl die völlige Ironie des Schicksals. Er sah sich nach Colt und Saber um, er erhoffte an ihrer Mimik auszumachen, ob sie gute Nachrichten zu verzeichnen hatten. Ihm war selbst nicht wohl, und das nicht nur, weil ihm vom typischen Krankenhausgeruch übel wurde.

April bedankte sich bei der Kollegin für die Auskunft und wandte sich ab. Sie blinzelte zu Alex hinauf: „Er muss einfach hier sein und in dem Tumult untergegangen sein. Er muss.“

Auch Colt und Saber stießen wieder zu ihnen. Der Schotte schüttelte den Kopf, er hatte Aprils fragende Blicke sofort zu deuten gewusst: „Der Schwester hier ist nichts bekannt. Er ist also nicht als Patient hier.“

Als Colt Aprils enttäuschtes Gesicht sah, wollte er ihr sofort neue Hoffnung geben. Das kleine Unkraut verging nicht so einfach. Er trat an April heran und lächelte ihr tapfer entgegen: „Keine Sorge, Prinzessin. Fire ist wie eine Katze, der hat mindestens neun Leben. Sobald es wieder ruhiger wird, kommt er aus seinem Versteck schon hervor.“

Alessandro rutschte ein unüberlegter Kommentar raus: „Eins hat er schon verbraucht, wie ich anmerken will.“

„Der war nicht konstruiert, Pate!“, der Cowboy sah mit weit aufgerissenen Augen zu Alessandro, hatte eigentlich konstruktiv gemeint, aber in der Hitze des Gefechts war ihm wieder mal was durcheinander gekommen. Es half ihnen gerade wenig, wenn sie so düstere Gedanken aussprachen. Lieber redete sich Colt da in eine Welt voller kleiner rosa Ponys und Zuckerwattewölkchen.

Entschuldigend hob der Italiener daraufhin die Schultern, er hatte es bestimmt nicht so gemeint. Just, als er es ausgesprochen hatte, war ihm selbst aufgefallen, welchen Mist er da verzapft hatte.

Den vieren blieb nun nichts anderes übrig, als auf Nachricht zu warten. Sie beschlossen bald, sich aufzuteilen. Colt und Saber würden hier im Krankenhaus bleiben und zusehen, ob Fireball nicht vielleicht doch hier eincheckte, solange sollten April und Alessandro zurück zum Palast fahren und dort auf den Piloten warten.

Der Schotte sah sich immer wieder im Warteraum der Notaufnahme um, er hoffte hier vielleicht Martin, oder Stan und Oliver anzutreffen. Bisher hatte niemand, den sie gefragt hatten, die vier gesehen, es war nicht nur Fireball verschwunden.
 

„Verdammt, das Funkgerät ist auch tot!“, laut fluchend hieb Oliver auf die Konsolen des Jets, die die zärtliche Behandlung sofort mit Funkenschlag quittierten. Sie waren von einer Horde Outrider abgedrängt und separiert worden. Ihr Ausflug hatte mit vier völlig zerstörten Jets, drei leicht mitgenommenen und einem schwer Verletzten mitten im Nirgendwo geendet. Sie hatten gehofft, dass zumindest in einem der Jets noch ein Notsignal oder der Funk noch funktionierten, aber da hatten sie falsch gelegen. Oliver kletterte aus dem letzten rauchenden Jet und gestand seinen Kollegen: „Tja, wenn nicht einer auf die glorreiche Idee kommt uns zu suchen, dann sind wir auf uns alleine gestellt.“

Stan reckte den Kopf nach oben und erkundete den Himmel um sie herum. Es war wieder ruhig geworden, es war kein Flugzeug mehr zu sehen. Sowohl die Outrider als auch ihre Leute waren abgezogen. Längst schon hatten sie alle ihre Helme von den Köpfen gezogen, in der Wüstenhitze hätten sie sonst einen Hitzschlag bekommen. Stan fuhr sich durch die nassen, blonden Haare, dabei sah er zum Kleinsten in der Runde: „Sag mal, Babyboy. Wie gut ist es um deine Orientierung bestellt? Ich hoffe, da hast du in der Akademie nicht auch gefehlt.“

„Doch“, kam die trockene Antwort: „Aber ich hab `ne Menge von April gelernt.“ Fireball kam aus dem wohltuenden Schatten des Jets und sah sich um. April hatte ihm tatsächlich eine Menge über Navigation und Orientierung beibringen können und außerdem war er nicht zum ersten Mal im Königreich Jarr. Er warf einen Blick auf seine Uhr, danach suchte er die Richtung, in der die Sonne am Himmel stand. Die Hauptstadt lag im Norden, genau hinter den Felsen, wie Fireball bemerkte. Sorgenvoll senkte er den Blick auf seinen Freund, während er Oliver und Stan erklärte: „Wir haben einen guten halben Tag Fußmarsch vor uns. Es dürfte schwer werden, das mit Marty zu schaffen.“

Auch die anderen beiden Piloten richteten ihren Blick auf den verletzten Freund, ehe sie nickten. Martin war beim Absturz nicht so glimpflich davon gekommen, wie die anderen drei. Bis auf paar kleine Schrammen, fehlte ihnen nichts. Aber Martin hatte sich am Bein verletzt, nach den ersten groben und hastigen Blicken seiner Kollegen zu urteilen, hatte er sich was gebrochen. Wie dem auch sei, Martin war außer Stande, selbst zu gehen, er benötigte die Hilfe der anderen. Sie hatten ihn vorsichtig in den Schatten des Jets gesetzt und versucht, ihm behelfsmäßig eine Schiene anzulegen. Nun diskutierten die drei, als wäre er bewusstlos. Es gefiel dem Brasilianer nicht, er war die Last für eine schnelle Heimkehr geworden. Trotz der Schmerzen brachte er hervor: „Wie klug ist es überhaupt, bei der Affenhitze loslaufen zu wollen?“

Erstaunt wandten sich alle nach unten auf Martin. Sie hatten gedacht, er würde sich ausruhen wollen, immerhin war sein Bein ordentlich verdreht gewesen, als sie ihn aus dem Jet gezogen hatten. Doch der braunhaarige Mann dachte nicht daran, sich zu schonen.

Stan kniff ein weiteres Mal die Augen zusammen und sah sich in der Gegend um. Fireball hatte ihnen die grobe Richtung beschrieben, in die sie mussten. Dort war weit und breit kein einziges Schattenplätzchen zu sehen, von einer Wasserquelle erst recht nicht. Martin hatte Recht. Sie würden wahrscheinlich auf halben Weg umfallen und liegen bleiben. Das passte dem Schweden überhaupt nicht. Sie saßen hier zumindest bis zum frühen Abend, wenn die Sonne hinter dem Horizont versinken würde, fest. Missmutig ließ er sich neben Martin in den Sand fallen: „So ein Mist!“

Oliver beobachtete, wie sogar Strahlemann Stan die positiven Gedanken abhanden kamen, das beunruhigte den Hünen enorm. Bisher hatte Stanley niemals die Flinte ins Korn geworfen, egal wie aussichtslos die Situation im Kampf auch gewesen sein mochte. Aber das hier schien etwas anderes zu sein. In ihren Jets fühlten sie sich sicher, dort hatten sie das Gefühl, immer Herr der Lage zu sein, aber nun saßen sie ohne Maschine hier fest. Sein Blick glitt zu Fireball hinüber. Es war seine Entscheidung, was sie weiter tun sollten. Insgeheim hoffte der Kroate auch, dass ihr Captain ihnen hier raus helfen würde.

Fireballs Augen suchten die nähere Umgebung ab. Sie standen hier neben Martins Jet, der von Oliver war nur einige Schritte daneben, Stans und sein eigener Jet waren schon etwas weiter entfernt über den Boden geschlittert. Hätte der Schwede ihn nicht todesmutig abgefangen, hätten sie hier nicht nur Martin schwer verletzt liegen. Fireball war unglücklich getroffen worden, noch in der Luft war ihm eine Tragfläche abhanden gekommen. Er war im Sturzflug auf den Wüstenboden zugerast, nur dank Stan hatte er seinem Vogel noch eine halbwegs stabile Flugbahn geben können, bevor sie aufgeschlagen waren.

In Gedanken versunken setzte er sich in Bewegung, dabei zog er die Handschuhe seines Kampfanzuges aus. Fireball hielt an Olivers Jet an, umrundete das verbeulte Etwas, dann begann er an einer Abdeckung zu zerren. Egal, was sie machten, ob sie bis zum Einbruch der Dunkelheit hier blieben oder versuchten zur Hauptstadt aufzubrechen, sie brauchten Wasser. Die Behälter der Jets waren nicht übermäßig groß, aber im Normalfall hatte jeder Jet zumindest zwei Liter Wasser an Bord. Vergebens rüttelte der ehemalige Rennfahrer an der Verkleidung, sie war zu sehr verbeult. Fireball schlug ein paar Mal dagegen, nichts tat sich. Also rief er nach Oliver: „Hey, Großer! Komm mal rüber und montier die Verkleidung ab. Wir checken die Wasservorräte. Egal wo wir uns in der nächsten Stunde befinden werden, wir werden durstig sein.“

Mit viel Kraftaufwand schafften es die beiden schließlich, die Wasservorräte der Jets zu bergen. Fireball entschied sich dafür, mit ihrer Wanderung bis zum Einbruch der Nacht zu warten, er wollte keinen unnötig in Gefahr bringen. Also setzten sich alle vier in den Schatten eines Jets und sammelten ihre Kräfte, immer auch darauf bedacht, einer eventuell vorbei kommenden Patrouille Zeichen zu schicken.
 

Im Thronsaal standen April und Alessandro bei Prinz Roland und dem König. Die vier unterhielten sich, brachten sich auf den aktuellen Stand und versuchten, die Lage richtig einzuschätzen. Auch dem Monarchen war nicht wohl, dass vier Piloten noch nicht aufgetaucht waren. Von seinen Jungs waren alle irgendwo gelandet, entweder im heimatlichen Hangar oder in der Notaufnahme. Doch dass bei seinem Bündnispartner ausgerechnet der Captain und drei weitere Piloten verschwunden waren, beunruhigte den bärtigen Mann offensichtlich. Prinz Roland zwang Jarred immer wieder stehen zu bleiben, wenn er begann, in dem riesigen Saal auf und ab zu laufen.

Hilflos sah Alessandro zwischen König Jarred und Prinz Roland hin und her. Die Stimme seiner Kollegin riss ihn schließlich aus seinen Gedanken.

„Eure Hoheit. Ich bitte Sie darum, nach den vieren suchen zu dürfen. Wir bleiben mit Ramrod selbstverständlich in Kontakt.“

Es war für April die einzig logische Schlussfolgerung. Von alleine, so hatte sie die Befürchtung, würden die vier jedenfalls nicht wieder hier auftauchen. April spürte, dass ihnen etwas widerfahren war, sonst wären sie schon längst wieder zurück. Aber sie weigerte sich auch zu glauben, dass sie gestorben waren. Sie glaubte, es würde sich anders anfühlen, wenn Fireball sein Leben verloren hätte. Die blonde Frau vertraute da auf ihr Bauchgefühl, das betrog sie normalerweise niemals.

Erstaunt hielt der Monarch inne und blickte April fest in die Augen. Dann nickte er entschlossen. Er schickte April und Alessandro fort: „Macht das. Haltet mich auf dem Laufenden. Ich werde Commander Eagle solange wissen lassen, was geschehen ist.“

April nickte ebenfalls, ehe sie mit Alessandro an der Hand das Gebäude verließ. Die beiden sammelten Colt und Saber auf, die ebenfalls keinen der Freunde gefunden hatten und machten sich auf den Weg.

Kurz nach dem Start rief Saber die Koordinaten der Schlacht auf und betrachtete sie auf dem Bildschirm. Grüblerisch fuhr er sich über das Kinn. Waren sie in der Nähe abgestürzt? Saber konnte sich nicht daran erinnern, bei ihrem Eintreffen etwas derartiges ausgemacht zu haben, aber ehrlich gestanden, war allen vieren an Bord ziemlich übel nach ihrem Sprung gewesen. Colts Notfallration an Kopfschmerztabletten war ziemlich schnell aufgebraucht gewesen. Ihm wäre nicht aufgefallen, wenn der Jet mit der Nummer eins direkt vor ihren Augen abgeschossen worden wäre. Also ging der Recke auf Nummer sicher. Er wies Alex an: „Bring uns noch mal zum Schlachtfeld, Sandro. Mal sehen, welche Hinweise wir dort finden.“

Alessandro nickte zur Bestätigung, ehe er Ramrod in die Richtung abheben ließ. Einige Minuten herrschte Schweigen auf dem Kampfschiff. Es war ein ungemütliches, seltsames Schweigen.

Das fiel auch Colt auf. Er beobachtete seine Freunde immer wieder abwechselnd und stellte dabei fest, dass es den Freunden nicht nur wegen Fireballs Verschwindetrick die Sprache verschlagen hatte. Vor ihrem Sprung zurück in ihre Zeit hatten sie noch diskutiert, ob sie den Menschen in der Vergangenheit eine Nachricht zukommen lassen sollten. Saber hatte sich dagegen entschieden. Offenbar hatten sie mit ihrem neuerlichen Sprung keine neue Realität erschaffen, denn niemand hier schien neue Erinnerungen zu haben. Dennoch blieb ein schaler Beigeschmack. Wie schon beim letzten Mal. Colt schluckte schwer, er empfand es immer noch als nicht richtig, den Menschen dort nicht zu geholfen zu haben.

Auf dem Schlachtfeld angekommen, scannte Saber sofort die Umgebung nach Lebenszeichen ab. Ihnen bot sich ein grässliches Bild. Überall lagen Trümmer von abgestürzten Jets und rauchte es. Die Star Sheriffs kamen normalerweise niemals nach einer Schlacht zum Ort des Geschehens zurück, es blieb die Ausnahme. Der Schotte blickte bekümmert von seinem Bildschirm auf und durch das Panoramafenster in die Umgebung hinaus. Es bot sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Er murmelte: „Ich beneide die Aufräumtrupps nicht um ihre Arbeit.“

Colt verstand Sabers Gedanken, aber er wollte nun keinen Trübsal blasen. Er bemerkte, wie ihre Angst ihnen sonst die Hoffnung nahm. Mit einem schelmischen Grinsen ließ er Saber wissen: „Ist klar, dass du keinem hinterher räumen willst. Das bist du als Blaublütiger doch auch gar nicht gewöhnt!“

Saber lächelte leicht. Das war wieder typisch für Colt. Er stieg auf die Stichelei ein: „Du doch auch nicht!“

„Stimmt“, kam die knappe und rotzfreche Antwort vom Lockenkopf: „Hab dafür quasi auch Personal.“ Ein verschwörerisches Zwinkern verriet sofort, dass er damit seine Freundin meinte. Neben Robin hätte er sicherlich nicht so große Töne gespuckt und er musste hier an Bord auch niemanden gestehen, dass er zuhause die Wäsche machte oder auch mal kochte. Der harte Kerl war er nur außer Haus. Zuhause genoss er es, sich die Aufgaben mit seiner Freundin zu teilen, sich um seine Familie zu kümmern und den Blaster so lange wie möglich im Safe verschwinden zu lassen. Wenn seine Freunde jemals von seinem braven Leben erfuhren, würden sie ihn ständig damit aufziehen.

Leider wurde er schneller überführt, als ihm lieb war. April drehte sich zu Colt um und grinste ihn herausfordernd an: „Ach, wirklich? Deine Herzallerliebste hat mir da was anderes erzählt.“

Sofort dementierte Colt: „Alles Lügen!“
 

Ihre Suche nach den Freunden verlief leider ergebnislos. Nachdem sie das Schlachtfeld unverrichteter Dinge wieder verlassen hatten und weiter nach Norden geflogen waren, fehlte noch immer jede Spur von den vier Jets der Einser Base. Doch Ramrod gab nicht auf. Die Freunde gingen davon aus, dass die Jets nicht sehr weit vom eigentlichen Ort des Geschehens weg sein konnten, es hatte bei diesem Angriff keinerlei Nebenschauplätze gegeben. Bestimmt schon zum dreißigsten Mal rief Saber die Daten seit ihrer Ankunft ab. Er zählte die grünen Punkte, die in der Schlacht mitgemischt hatten. Die Punkte waren mit Nummern versehen, sie kennzeichneten jeden Jet der Air Strike Base 1, nur leider konnte Saber keinen einzigen finden, der die Ziffern der verschwundenen Jets beinhaltete.

Nach der nächsten Schleife, die Alessandro über das Gebiet flog, seufzte der Schotte hörbar: „Sie müssen abgeschossen worden sein, noch bevor wir wieder hier waren.“ Er begann zu grübeln, ihnen fehlte die Aufzeichnung der Schlacht bis zu ihrem Eintreffen. Doch genau das schien der Schlüssel zu sein. Saber kratzte sich an der Stirn, während er zu April hinüber sah: „Haben wir eine Möglichkeit, auf Flugschreiber der Einser zuzugreifen, April?“

Wie gewohnt begriff April schnell, worauf ihr Anführer hinaus wollte. Sie nickte und bestätigte dem Schotten: „Wir haben normalerweise Zugriff auf das gesamte Netzwerk. Ich sollte theoretisch sogar auf die Aufzeichnungen von Fireballs Jet zugreifen können. Gebt mir ein paar Minuten, ich versuch das schnell.“

Colt zog die Augenbrauen hoch. Er wusste schon, dass jedes Fluggerät beim Oberkommando mit einem Flugschreiber und dergleichen ausgestattet war, aber wie das genau funktionierte und wie das mit einem Netzwerk zusammen hing, hatte sich ihm bisher noch nicht erschlossen. Er murmelte: „Ich dachte, die kann man erst auswerten, wenn man die Black Box hat?“

Nun mischte sich Alessandro ein. Er wollte April und Saber daran arbeiten lassen und wenn Colt nicht ständig dazwischen fragte, ging das mit Sicherheit schneller. Er brachte Ramrod in eine stabile Flugbahn, ehe er Colt erklärte: „In welchem Jahrhundert lebst du denn? Das war vielleicht mal so, heutzutage sind alle Jets des Oberkommandos mit der Zentrale verbunden. Die Daten der Flugschreiber werden auf einem Server geparkt, eben für solche Fälle.“

„Super“, Colt hob breit grinsend beide Daumen nach oben, fügte allerdings sarkastisch hinzu: „Klugscheißer!“

„Ich sag nur, wie’s ist!“, rechtfertigte sich Alessandro. Er war dankbar für Colts Frage, sie lockerte die bedrückende Stimmung an Bord wieder etwas auf. Sie machten sich alle Sorgen um die vier Freunde. Mittlerweile glaubte niemand mehr daran, dass die vier abgedrängt worden waren, sie waren sich ziemlich sicher, dass sie abgeschossen worden waren. Es wusste nur niemand, wo sie abgestürzt waren und wie es ihnen ging. Sandro war sich allerdings sicher, je schneller sie gefunden wurden, desto besser war das für alle Beteiligten.
 

Mit Einbruch der Dämmerung setzten sich die vier in Bewegung. Enttäuscht hatten sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass bisher niemand zu ihnen gefunden hatte. Oliver war sogar kurz davor gewesen, einen der Jets in Brand zu setzen, dann wäre die Rauchsäule wenigstens ewig weit zu sehen gewesen, doch Fireball hatte es ihm verboten. Er wollte kein unkontrollierbares Feuer im Nirgendwo riskieren.

Sie hatten sich die Wasservorräte gut eingeteilt und als die Sonne endlich hinter dem Horizont untergegangen war, waren sie in Richtung der Hauptstadt aufgebrochen. Stan und Fireball stützten Martin, Oliver ging hinter ihnen. Der starke Kroate hatte Martin eigentlich auch gleich stützen wollen, doch dieses Mal hatten sich alle drei gegen ihn verschworen. Während Fireball noch höflich gewesen war und dem Kroaten davon Rückenschmerzen prophezeit hatte, war Stan schon frech gewesen und hatte behauptet, dass er das nicht lange durchhalten würde. So hatte sich Oliver geschlagen gegeben. Allerdings würde er Stan und Fireball ablösen, wenn es zu schwer für sie werden sollte.

Er stapfte hinter den dreien durch den Sand. Jeder hatte noch seinen Kampfanzug an, zumindest den größten Teil. Ihre Helme hatten sie zurück gelassen, sie hatten sowieso keine Verbindung zu irgendjemandem herstellen können. Stanley und Martin trugen einen grünen Kampfanzug, so wie er selbst, der Captain steckte immer noch in seinem roten, den er von Ramrod mitgebracht hatte. Damit stach er in der Masse seiner Piloten heraus wie ein bunter Hund, man konnte ihn jederzeit finden. Oliver schmunzelte bei dem Gedanken, dass man Fireball ohne Kampfanzug durchaus übersehen würde, bei seiner Körpergröße.

Martin war dankbar um die Stütze seiner beiden Freunde, er könnte ohne sie keinen einzigen Schritt machen. Sein Bein tat höllisch weh. Die Stunden bis Sonnenuntergang hatte er versucht, Kraft zu tanken. Er verabscheute es, die Last für ihre schnelle Heimkehr zu sein. Außer ihm war niemand ernsthaft verletzt, sie hätten schon längst in der Hauptstadt ankommen können, wäre er mit seinem verletzten Bein nicht gewesen.

Sie kamen nur langsam voran, aber Stan dachte nicht daran, aufzugeben. Besser langsam ans Ziel als gar nicht. Er war immer noch heilfroh, dass sie alle lebend aus ihren Jets rausgekommen waren. Als er gesehen hatte, wie Fireballs Flieger getroffen worden war, hatte er den Japaner schon leblos in seinem Jet liegen gesehen. Ihm war einen Moment das Herz in die Hose gerutscht, bis er reagiert hatte. Stan hatte alles aus seiner Maschine rausgeholt, hatte dabei Kontakt zu seinem Captain gesucht und versucht, ihn und sich so sanft wie möglich zum Boden zu bringen. Stan wusste, alle anderen wären bei einem solchen Manöver verunglückt und es hätte nicht nur einen Piloten, sondern beide erwischt. Aber er hatte Vertrauen in Fireball gehabt, sie hatten schon viele Flugstunden zusammen absolviert, trainierten oft zusammen, sonst hätte er es auch nicht gemacht. Ihre Maschinen waren Schrott, aber sie waren alle noch am Leben und das zählte.

Fireball griff fester um die Hand von Martin, die er um seine Schulter gelegt hatte. Er schwieg, wie auch seine Freunde, aber seine Gedanken schlugen noch immer Purzelbäume. Er wusste nicht, wie die Schlacht ausgegangen war, ob Verstärkung gekommen war und wie es seinen anderen Piloten ging. Wenn sie es zurück schafften, würde der Vorfall gehörige Konsequenzen für ihn haben, Fireball atmete schwer aus.

Sie hatten die Hälfte des Weges bereits geschafft, als sie eine ungewollte Pause einlegen mussten. Martin verließen die Kräfte. Stöhnend sank er auf den Boden. Dabei zog er auch Fireball und Stan zu Boden, die neben ihm in die Knie gingen. Fireball sah mit wachsendem Unbehagen, wie sich Martins Zustand verschlechtert hatte. Der Brasilianer war am Ende seiner Kräfte. Und auch Stan und Oliver standen an ihren Grenzen. Er hörte den Schweden keuchend in den Sand sacken. Man, es wurde langsam Zeit, dass sie jemand fand! Wie schwer konnte es schon sein, so einen Haufen wie sie vier mitten in der Wüste nicht zu finden?! Als Fireball bemerkte, dass Martin im Begriff war, das Bewusstsein zu verlieren, begann er seinen Freund anzusprechen: „Hey, Marty! Sieh mich an und bleib bei uns! Das kannst du nicht bringen. Deine Alessa macht mich sowieso schon einen Kopf kürzer, weil ich dich so zugerichtet nachhause bringe.“

„Du…“, Martins Lippen waren trocken, er brachte kaum noch einen Ton hervor. Seine Wahrnehmung war verschwommen, aber wenigstens verhinderte Fireballs Stimme, dass er das Bewusstsein verlor.

Fireball stupste ihn an der Schulter: „Ja, ich! Ich musste vor unserer Abreise deiner kleinen Hexe versprechen, dass ich dich heil wieder zurück bringe. Sie rammt mich unangespitzt in den Boden, wenn sie dein Bein sieht.“

Martin schmunzelte und murmelte erschöpft: „Der Dampfhammer war deiner, Babyboy…“

Trotz der Erschöpfung konnte sich Martin noch an den Kosenamen von April erinnern. Colt und Saber hatten bei einem ihrer Abendessen einmal die Geschichte dazu erzählt. Es war erst wenige Tage her. Martin war dankbar um die Pause. Eigentlich wollte er einfach die Augen zumachen und schlafen, aber Fireball hielt ihn wach.

Fireball hatte so etwas auf Ramrod schon ein paar Mal mitgemacht, er wusste, dass sie Martin vielleicht nicht mehr ins Bewusstsein zurück holen könnten, wenn sie ihn jetzt die Augen schließen ließen. Er war selbst schon das ein oder andere Mal an Martins Stelle gewesen und auch Colt und Saber waren schon einmal verletzt gewesen. Martin durfte gerade alles, nur nicht die Augen schließen und aufgeben! Deshalb versuchte Fireball alles, um Martin wach zu halten. Auch wenn das hieß, dass er vielleicht wieder über April reden musste. Er warf noch einen kurzen Blick zu Stan und Oliver, die sich beide ebenfalls in den Sand gesetzt hatten und rasteten, ehe er Martin angrinste: „Der Dampfhammer wird im Vergleich zu deiner eine Schmusekatze sein, wenn mich Alessa in die Finger bekommt. Man, Marty, sie wird mich lynchen!“

„Wird sie nicht, sie… mag dich.“, das wusste Martin ziemlich sicher. Alessa hatte ein großes Herz und für gewöhnlich war dort Platz für jeden. Für den kleinen Captain war da von Anfang an einer gewesen und auch das Verständnis, das nicht alle gehabt hatten.

Fireball stichelte: „Weiß ich. Was glaubst du, wo sie ist, wenn sie nicht bei dir ist?“

Wieder fielen Martin die Augen zu, doch Fireball tätschelte seine Wange: „Hey, bei mir bleiben, Martin!“

Er schlug die Augen wieder auf. Sie kamen nicht mehr vom Fleck, weil er nicht mehr weiter konnte. Martin wollte seine Freunde fort schicken: „Geht schon mal vor.“

Fireballs Schultern sanken nach unten. Das sah nicht gut aus. Wenn sie hier blieben, würde Martin vielleicht umkommen, aber sie kamen mit dem Verletzten nicht vom Fleck. Sie hatten Martin zu viel zugemutet. Nach einem weiteren Blick zu seinem Kumpel, wies er Stan und Oliver an: „Marty hat Recht. Stan? Oliver? Macht euch auf den Weg und holt Hilfe. Wir werden uns hier nicht vom Fleck bewegen.“

Oliver stand wieder auf, er warf seinem Captain noch einen Beutel Wasser in die Hände und nickte grimmig: „Wir beeilen uns!“

Er hatte erkannt, dass sie sich nun trennen mussten. Stanley und er waren ohne Martin sicherlich schnell in der Stadt, die Sorge um den Freund würde sie sicherlich antreiben. Er nickte dem Schweden zu, dann brachen sie auf und verschwanden in der Nacht.
 

„Es funktioniert!“, jubelte April, während sie den Downloadbalken auf ihrem Display verfolgte. Der Prozess hatte sich starten lassen und April hatte nun Zugriff auf alle Daten der Flugschreiber. Als sie beim ersten Download die Rückmeldung bekommen hatte, dass es funktionierte, hatte sie gleich parallel dazu noch drei gestartet, sollten die vier Jets nicht im selben Gebiet abgestürzt sein.

Saber sprang bei diesen Worten aus seiner Satteleinheit und kam zu Aprils nach hinten. Er saß wie auf Nadeln. Er hatte beobachtet, wie die Nacht über sie hereingebrochen war. Niemand von ihnen wusste, welche Gefahren in der Wildnis hier draußen lauerten und ohne Tageslicht waren die Freunde noch schwieriger auszumachen.

Auch Colt und Alessandro versammelten sich um Aprils Satteleinheit und warteten gespannt auf die Ergebnisse. Zwischenzeitlich hatten sie von König Jarred die Rückmeldung bekommen, dass alle anderen Piloten versorgt worden waren und keiner ernsthaft verletzt war. Die Aufräumarbeiten wären noch in vollem Gange.

Colt deutete auf das blinkende Signal: „Sind sie das?“

April schüttelte den Kopf: „Nein, das ist unser Signal.“, sie wollte Colt gerade erklären, dass der Download noch nicht abgeschlossen war, da öffnete sich ein neues Fenster auf ihrem Display. Die Daten waren fertig auf ihren Rechner kopiert worden und starteten automatisch. Sie ließ ihre Jungs wissen: „Gleich sehen wir, wo zumindest Fire runtergegangen ist.“

Gebannt starrten alle auf den kleinen Bildschirm in Aprils Satteleinheit. Sie beobachteten die Bewegungen des kleinen Punktes, bemerkten ein kurzes Flackern und wie sich der Punkt dann blinkend weiterbewegte, bis er schließlich erlosch. April klopfte das Herz bis zum Hals, der Treffer war offenbar so heftig gewesen, dass die Systeme einen Augenblick völlig ausgesetzt hatten, sonst hätte der Positionspunkt des Flugschreibers nicht geflackert. Hektisch versuchte sie, die Position des Absturzortes zu lokalisieren. Ihre Atemwege schnürten sich zu, bei dem Gedanken daran, dass sie vielleicht schon längst zu spät kommen könnten. Sie schickte die drei auf ihre Plätze zurück: „Jungs, schwingt euch in die Sättel. Wir müssen uns beeilen! Sandro, die Koordinaten sind gleich bei dir.“

Alessandro nickte entschlossen und rannte zu seiner Satteleinheit zurück. April hatte mit keinem Wort erwähnt, was die Auswertung der Flugschreiber zu bedeuten hatte, aber ihrem Tonfall und ihrer Gesichtsfarbe nach hatte er entnehmen können, dass Feuer am Dach war. Es war höchste Eile geboten. Seine beiden Kumpels hatten kaum Platz genommen, da startete Ramrod auch schon voll durch.

Sie flogen ziemlich weit von der Stadt und dem Schlachtfeld weg, das war merkwürdig. Als sie die Koordinaten erreichten, scannte Saber die Umgebung. Keine Lebenszeichen und keine Übertragungssignale von Jets. Sie konnten in der Finsternis nichts unter sich erkennen, weshalb Saber die Scheinwerfer einschaltete. Der Schotte erstarrte beim Anblick der vier völlig zerstörten Jets.

Colt allerdings schnellte aus seiner Satteleinheit wieder heraus. Er lief von der Brücke und wollte von Alessandro: „Geh runter, ich seh mir das aus der Nähe an!“

Schon war der Lockenkopf weg, doch niemand hielt ihn auf. Saber wusste, Colt war genau der richtige Mann für den Job. Abgesehen davon hätte sich Colt hier auf der Brücke nicht einsperren lassen. Am Tonfall hatte er bereits erkannt, dass auch er besorgt war.

Wenig später trat Colt wieder auf die Brücke, alleine. Erwartungsvoll blickten die anderen hinter ihn, doch es kam niemand mehr. Colt schüttelte den Kopf und erklärte: „Die gute Nachricht ist, sie sind nicht mehr in den Jets. Die schlechte, sie sind auch sonst nirgends zu finden.“

Colt klang zuversichtlich. Er war eine Spürnase, mit Haut und Haaren. Dass er dort unten niemanden hatte finden können, bedeutete, dass es alle vier aus den Wracks geschafft hatten. Dass sie auch in der näheren Umgebung nicht zu finden waren und er auch keine Kampfspuren entdecken hatte können, bedeutete für Colt, dass sich die vier in die nächste Stadt aufgemacht hatten. Er ließ April die Landkarte auf den großen Bildschirm legen, während er die am Unfallort aufgelesenen Helme verstaute und überlegte mit seinen Freunden laut, wo sie als nächstes suchen sollten. Er tippte auf die nächste Stadt: „Wir sind in einer Kurve hierher geflogen und befinden uns ziemlich im Süden des Landes. Noch weiter im Süden ist nichts, der Palast befindet sich hier im Norden…“

Saber unterbrach die Gedanken des Scharfschützen und fuhr mit dem Zeigefinger eine Linie nach: „Unsere Freunde werden sich Richtung Hauptstadt auf den Weg gemacht haben. Lasst uns die Gegend großräumig absuchen, wir werden sie bestimmt finden.“

Neue Hoffnung keimte in den Freunden auf. Als April bei Colts Ankunft gehört hatte, dass er niemanden gefunden hatte, waren ihr kurzfristig die Tränen in die Augen gestiegen. Nun aber fasste sie neuen Mut. Das Gelände, das sie absuchen würden, war hauptsächlich freie Fläche, Wüstenboden. Sie sollten die vier finden können.

Alessandro blieb mit Ramrod dicht über dem Boden, die Scheinwerfer leuchteten den Boden unter ihnen aus. Saber beobachtete seine Sensoren, die Abtaster konnten auch weiter entfernte Signale aufnehmen, was sie in der Dunkelheit nicht mehr ausmachen konnten. Sie arbeiteten konzentriert, solange sie ihre Freunde nicht gefunden hatten, verspürte keiner von ihnen Müdigkeit oder Hunger.
 

„Sag Alessa…“, Martin hob schwach die Hand und streckte sie nach Fireball aus. Er war am Ende mit seinen Kräften und wollte eigentlich seine letzten Worte an seinen Kameraden richten. Martin gab nicht schnell auf, aber es schien ihm, als wäre seine Zeit auf dieser Welt nun vorbei.

Fireball griff nach der Hand, die ihm Martin entgegenreckte. Energisch schüttelte er den Kopf und versuchte den Brasilianer positiv zu beeinflussen. Er musste seinen Freund ablenken: „Kannst du ihr selbst sagen. Ich bin nicht deine Sekreteuse.“

Fireballs Blick ging zu den Sternen hinauf. Sie saßen in der Wüste, um sie herum nichts als Sand und über ihnen der sternenklare Nachthimmel. Er ordnete seine Gedanken. Martin durfte nicht aufgeben, er selbst glaubte nach wie vor fest daran, dass sie jemand finden würde. Jesse Blue hatte ihm einmal ins Gesicht gesagt, dass er immer auf die Butterseite des Lebens fallen würde, dass er immer Glück hätte. Daran glaubte auch er jetzt. Er war ein kleines Glücksschweinchen, sie würden es überleben.

Seine braunen Augen musterten Martin aufmerksam und wieder begann er mit seinem Freund zu reden. Um sicher zu gehen, dass Martin sich auf ihn konzentrierte, erzählte er seinem Freund einige lustige Geschichten von Ramrod. Bei jeder Pointe hörte er den Brasilianer leise lachen, das war ein gutes Zeichen. Irgendwann hörte er sich schließlich von seiner Zeit in der Akademie und von Jesse Blue erzählen.

Martin war schwach, verstand aber, weshalb ihn Fireball so gnadenlos zutextete. Er wollte nicht, dass er einschlief und vielleicht nicht mehr aufwachte. Er lachte immer wieder leise, der jüngere Japaner hatte etliche Geschichten zu erzählen. Martin konnte ihm nicht immer folgen, weil er sich aufgrund der Schmerzen nicht gut konzentrieren konnte, aber er drehte zumindest nicht den Kopf zur Seite und schlief ein.
 

Saber dirigierte Alessandro in eine bestimmte Richtung, seine Sensoren hatten Lebenszeichen aufgefangen. Dieser Spur wollten sie folgen. Nachdem der Schotte die Koordinaten ziemlich genau bestimmte, flog der Italiener das große Kampfschiff zügig dorthin. Colt lehnte sich in seiner Satteleinheit so weit nach vor, wie er mit dem Gurt nur konnte, vielleicht konnte er jemanden unter sich ausfindig machen.

Die Signale wurden stärker auf Sabers Bildschirm. Er murmelte leise: „Wir sollten gleich Sichtkontakt haben.“

Kurz darauf rief Alessandro aus: „Bestätige, Boss. Wir haben sie gefunden! Dort unten sind sie!“

Colt schnallte sich noch im Flug ab, dabei wäre er beinahe vornüber aus der Satteleinheit gefallen. Er spähte während des Landeanfluges hinunter und stellte fest: „Das sieht übel aus!“

Sie hatten zwei Personen gefunden, eine davon bewegte sich nicht mehr viel. Kaum hatte Ramrod aufgesetzt, schnappte er sich Alessandro und holte mit ihm den Sanitätskoffer und eine Trage. April und Saber folgten ihnen.
 

Als sich der Sand gelegt hatte, richtete sich Fireball wieder auf. Er hatte sich schützend über Martin gebeugt und das Sandgestöber, das Ramrod bei seiner Landung verursacht hatte, abgedeckt. Ihm fiel ein Stein von Herzen als er Martin sagen konnte: „Die Star Sheriffs sind da. Wir haben ein Taxi, Marty.“

Colt rannte mit dem Erste-Hilfe-Koffer unter dem Arm bereits auf sie zu und schrie: „Geht’s euch gut?“

Gleich hinter ihm zog Alessandro die Trage die Rampe hinunter, April und Saber rannten am Italiener vorbei. Zusammen bargen sie die beiden, Fireball schilderte ihnen solange, was mit Martin geschehen war und wo Stan und Oliver waren. Noch hatten sie es also nicht geschafft. Während April bei Martin und Fireball im Krankenzimmer von Ramrod blieb, begannen die anderen drei weiter nach den verbliebenen beiden Piloten zu suchen.
 

April beobachtete, wie Fireball erschöpft an der Wand hinuntersank und einfach auf dem Boden sitzen blieb, während sie Martin die provisorische Schiene abnahm und auch den Schutzanzug entfernte. Während sie die Wunde untersuchte, sprach sie mit dem Brasilianer: „Sobald wir Stan und Olli gefunden haben, bringen wir euch alle in ein Krankenhaus. Du musst noch ein bisschen durchhalten, Martin.“

Der braunhaarige Mann nickte, er war einfach zu erschöpft um etwas zu sagen. April machte sich daran, die offensichtlichen Wunden von Martin zu desinfizieren, sie achtete darauf, behutsam vorzugehen und immer wieder sprach sie mit ihm um sicher zu gehen, dass er das Bewusstsein nicht verlor.

Der blonden Frau fiel es schwer, sich nicht auch um Fireball kümmern zu können, doch Martin brauchte ihre Hilfe viel mehr. Fireballs Freund war schwer verletzt, dem Japaner hingegen schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen.

Wenige Minuten später stand Fireball allerdings wieder auf und verdrückte sich, er sagte April lediglich kurz, er müsse ein gewisses Örtchen aufsuchen. Ihm war übel geworden, weshalb er gleich in Richtung Toilette aufgebrochen war. Flugkrank war er normalerweise nicht, aber manchmal war Ramrod hin und her geschwankt, wobei sich ihm der Magen umgedreht hatte. Während sich Fireball nun den Mund im Badezimmer ausspülte und sich das eiskalte Wasser zusätzlich noch ins Gesicht spritzte, merkte er, wie Ramrod wieder zur Landung ansetzte. Sie hatten Stan und Olli also schon gefunden. Gott sei Dank. Er trocknete sich in dem pinken Handtuch der Navigatorin noch das Gesicht, ehe er vorsichtshalber noch in die Küche huschte. Ihm war nicht nur übel geworden, er hatte auch Kopfschmerzen bekommen. Er wollte noch schnell ein Schmerzmittel nehmen, denn er hatte keine Nerven über Nacht vielleicht auch noch im Krankenhaus bleiben zu müssen. Fireball war mit dem Kopf schon bei dem Tohuwabohu, das er nach dieser Schlacht aufarbeiten musste, er konnte es sich nicht leisten, eine Nacht zur Beobachtung im Spital zu bleiben.
 

Fireball griff gerade nach den Schmerzmitteln, als Alessandro neben ihm stand und ihn ansprach: „Was machst du da?“

Erschrocken fuhr Fireball herum, er hatte nicht damit gerechnet, dass sich jemand in die Küche verirrte. Er hatte gedacht, dass sie alle zu Stan und Oliver gelaufen waren. Doch der Pilot war an Bord geblieben. Verwirrt schüttelte Fireball den Kopf und rechtfertigte sich: „Ich hab nach Kopfwehtabletten gesucht. Mir brummt der Kopf ein wenig.“

Der Italiener zog sich kopfschüttelnd auf die Anrichte und setzte sich darauf. Fireball ging hier immer noch ein und aus, als wäre er hier zuhause. Unglaublich, aber das war wirklich so. Sein Blick glitt über die Gestalt des Japaners. Er fragte sich manchmal immer noch, was April an Fireball bloß gefunden hatte. Seiner Meinung nach machte er nicht viel her, der Junge war eher schmächtig, obwohl er gut im Training stand. Fireball war nicht besonders groß und so gar nicht der Inbegriff eines Anführers. Aber zumindest wollte er ihm nicht mehr sofort an die Gurgel, wenn sie sich trafen. Dazu hatte Fireballs Vater viel beigetragen und auch April. Alessandro hätte von sich aus niemals eingelenkt und der Sturschädel vor ihm hätte sich niemals die Mühe gemacht, sich zu erklären.

Kurzentschlossen verweigerte Alessandro Fireball die Kopfschmerzmittel. Er hatte kein gutes Gefühl dabei, immerhin war Fireball mit den anderen dreien vom Himmel geschossen worden. Ein Arzt würde sich darum kümmern und ihm die richtigen Medikamente verschreiben. Der Italiener nahm Fireball die Schachtel ab und warf sie unbedacht wieder in die Schublade. Er nahm den kleineren an der Schulter und dirigierte ihn hinaus: „Lass das mal. Wir haben jetzt Dick und Doof aufgegabelt und sind im Null komma nix im Krankenhaus. In spätestens einer halben Stunde kriegst du die passenden Mittelchen.“

Unwillig lehnte sich Fireball gegen die schiebende Hand. Gerade das wollte er doch verhindern! Noch einmal drehte sich Fireball zu dem Piloten um und wollte ihm erklären: „Hör mal, das Theater kann ich mir gleich sparen. Ich hab nur ein wenig Kopfschmerzen, was soll ein Arzt schon finden?“

Doch Alessandro ließ sich auf keine weitere Diskussion mehr ein. Er gab den Wuschelkopf wieder in die Obhut ihrer Navigatorin und kurzfristig zur Krankenschwester abgestellten April. Bei ihr im Krankenzimmer des großen Cowboys waren inzwischen auch Oliver und Stanley eingetrudelt.
 

Weit nach Mitternacht war erst alles im Krankenhaus erledigt. Martin hatte sich eine komplizierte Fraktur des Unterschenkels zugezogen und zu allem Unglück auch noch die Kniescheibe bei seinem Absturz demoliert. Er war bald nach ihrer Ankunft für eine OP vorbereitet worden. Dick und Doof, wie Alessandro Oli und Stan vorhin noch genannt hatte, waren auch verletzt worden, allerdings bei weitem nicht so schwer, wie ihr Freund. Die Ärzte hatten die beiden für mindestens diese Nacht einchecken lassen, um nicht sichtbare Verletzungen ausschließen zu können. Dankbar hatten die beiden ein schönes weiches Bett angenommen, ihnen war herzlich egal, wo sie in dieser Nacht schlafen würden. Fireball hatte die Einladung des Arztes in den Wind geschlagen. Er wollte zurück in den Hangar und nach seiner Staffel sehen. Der Arzt hatte ihm nichts entlocken können und so hatte Ramrod ihn mit zum Stützpunkt nehmen dürfen.
 

Am Frühstückstisch war es an diesem Morgen außergewöhnlich ruhig. Allen hing der letzte Tag noch in den Knochen. Die Besatzung von Ramrod hatte sich geschlossen dafür entschieden, nicht in der Offiziersmesse zu frühstücken, sondern in ihrer Küche. Sie waren spät ins Bett gekommen und jeder hatte einige Momente noch gebraucht, bis er hatte einschlafen können. Trotzdem waren sie zur üblichen Zeit aufgestanden. Dementsprechend klein waren die Augen. Dafür waren die Ringe unter den Augen umso größer und dunkler. Mit fahrigen Bewegungen brachte Colt die Kaffeekanne an den Tisch. Man, er war immer noch müde für zwei.

Der letzte Tag hatte es wirklich in sich gehabt. Zuerst ihr Zeitsprung, der mehr als planmäßig geklappt hatte und dann waren sie mitten in eine Schlacht geraten und hatten vier ihrer Freunde suchen müssen. So viel Spannung brauchte Colt eigentlich nicht mehr um sagen zu können, der Tag wäre gelungen gewesen. Schweigend setzte er sich zu den anderen an den Tisch und sah sich um. Ihnen schien es ähnlich zu gehen, wie ihm. Colt bereitete seinen Kaffee zu, rührte ihn bedächtig um, ehe er die Tasse mit beiden Händen umschloss und sich gähnend zurück lehnte. Er war immer noch hundemüde.

Saber saß bereits mit der Tageszeitung an seinem Platz. Ein Thema beherrschte die Presse von Jarr seit diesem Angriff. Die Meldungen überschlugen sich und die halbe Zeitung war voll mit Berichten darüber. Die Spekulationen um eine neuerliche Aufkündigung des Bündnisses kamen dabei auch nicht zu kurz. Die Bürger des Königreiches hatten niemals vergessen, was vor über zwanzig Jahren passiert war und welche Konsequenzen es gehabt hatte. Schaudernd schlug Saber die Zeitung wieder zu. Er wollte gar nicht daran denken, was weiter auf sie zukam. Zumindest schien König Jarred das Bündnis nicht neuerlich aufkündigen zu wollen. Sonst hätte er die Leute vom Oberkommando schon längst alle zurück nach Yuma geschickt. Auch Saber gähnte verstohlen.

Sandro war letzte Nacht noch zu April ins Zimmer geschlichen. Ihm war aufgefallen, dass sie ihre Reise ziemlich mitgenommen hatte. Es war ihm nach dem Zeitsprung schon aufgefallen. Nochmal, dieses Mal sogar noch deutlicher war es ihm aufgefallen, als April Fireball ins Gewissen reden hatte wollen, er solle doch im Krankenhaus bleiben. Der Sturkopf hatte sich geweigert und April war besorgt an Bord zurück geblieben. Dankbar hatte sich April an Alessandro gekuschelt, nachdem er zu ihr unter die Decke gekrabbelt war. Er hatte einen Arm um sie gelegt und ihre Haare gestreichelt, bis sie eingeschlafen gewesen war. Alessandro genoss Aprils Gegenwart sehr, besonders wenn sie sich an ihn schmiegte. Ihre Haut duftete nach Rosen und ihre Haare nach einem Hauch Vanille. Sandro hatte während seines Aufenthalts hier gelernt, dass April bei Kummer die körperliche Nähe suchte und überhaupt in der Hinsicht ganz unbedarft war. Es hatte nichts zu bedeuten, wenn April sich dicht an ihn kuschelte und den Kopf auf seine Brust legte. Sie hatte keine Absichten, keine Hintergedanken. Das war für einen Mann mitunter schwer einzuordnen. Alessandro selbst hatte erst vor einiger Zeit begriffen, dass keine romantischen Gefühle bei April im Spiel waren. Aber er konnte sich auch mit der Rolle des Freundes zufrieden geben.

Auch April lungerte mehr beim Frühstückstisch als sie saß. Sie machte sich Sorgen und hatte deshalb nicht viel geschlafen. Ihr war nicht wohl gewesen, Fireball wieder mitzunehmen, aber der Sturkopf in Person hatte es vorgezogen, sich in den eigenen vier Wänden auszuschlafen. April wettete, dass er es nicht getan hatte, viel wahrscheinlicher war, dass er sich die Nacht damit um die Ohren geschlagen hatte, herauszufinden, wie es seiner Mannschaft ergangen war und was den Männern von König Jarred passiert war. Sie war froh gewesen, als Alessandro noch vorbei geschaut hatte. So war sie mit ihren Gedanken nicht alleine gewesen. Sie würde Fireball nach dem Frühstück einen Besuch abstatten.
 

Es blieb auf Ramrod den Vormittag über vergleichsweise ruhig. Die Crew hatte wenig bis gar nichts mit den Nachbesprechungen und Nacharbeiten zu tun. Ganz offenbar hatte das die Crew der Einser Base übernommen.

Ihr Captain saß in dem Büro, das er seit dem Beginn des Manövers nutzen durfte. Vor ihm stand ein Glas Wasser, in dem sich eine Schmerztablette auflöste. Bereits die zweite an diesem Vormittag. Die Tablette gab zischende Laute von sich und sprudelte wild im Wasserglas hin und her. Fireball rieb sich über die Schläfen und anschließend über den steifen Nacken. Er fühlte sich schrecklich nach diesen Ereignissen, davon abgesehen war ihm immer noch ein wenig übel. Gleich nach seiner Ankunft hier hatte er sich einen Überblick verschafft, geschaut, welcher seiner Jungs verletzt worden war, welche Maschinen das Zeitliche gesegnet hatten und wie es bei Jarreds Jungs ausgegangen war. Zum Frühstück war Fireball bei Jarred und Roland aufgeschlagen und hatte mit ihnen eine Mahlzeit zu sich genommen. Der Monarch war heilfroh, dass auch bei der Air Strike Base wieder alle vollzählig waren. Die drei Männer hatten sich ausgetauscht, sich gegenseitig die Neuigkeiten erzählt.

Fireball hatte vor diesem Treffen ein wenig Angst gehabt, weil dieser Angriff aus dem Ruder gelaufen war. Er hatte sehr wohl in den Morgenstunden die Nachrichten gelesen und auch, dass Jarred das Bündnis eventuell wieder aufkündigen könnte. Hätte der Monarch das wirklich getan, wäre es Fireballs Verfehlung gewesen. Gott sei Dank musste er das aber nicht verantworten. König Jarred dachte nicht im Traum daran.

Zwischendurch hatte ihn auch das Krankenhaus angerufen und ihm mitgeteilt, dass Martins OP gut verlaufen war und es dem Piloten den Umständen entsprechend gut ging. Fireball fiel ein Stein vom Herzen. Er hätte es sich nicht verzeihen können, wenn Martin bleibende Schäden davon getragen hatte. Die beiden Männer waren mittlerweile gute Freunde und Fireball hatte sich große Sorgen gemacht. Er und seine beiden Freunde hatten Martin nicht ausreichend versorgen können, nachdem sie ihn aus dem Wrack geborgen hatten. Fireball schob sein Telefon zur Seite, er würde Martin so bald wie möglich besuchen gehen. Nun musste er aber erst noch Reparaturaufträge und Bestellungen erledigen.
 

Alessandro hatte es sich nicht nehmen lassen und April zum Rennfahrer begleitet. Skeptisch beobachtete er, wie sich die Kopfschmerztablette in dem Wasserglas auflöste und sich der Pilot über die Schläfen fuhr. Nachdem Fireball sie offenbar nicht bemerkte, klopfte der Italiener gegen den Türrahmen: „Immer noch einen Brummschädel, Babyboy?“

April blickte verwirrt zu Alessandro, dann auf den blassen Rennfahrer. Weshalb hatte Alessandro ihr das nicht gestern schon gesagt? Sie spürte, wie sie ein mulmiges Gefühl überkam. April trat in den Raum und wartete auf eine Begrüßung.

Verwundert sah Fireball zur Tür hinüber und direkt in das Gesicht von Alessandro. Dann glitt sein Blick zu April. Sie sah ihn besorgt und auch überrascht an. Die Freunde auf Ramrod hatten am Vorabend wohl nicht mehr alles besprochen. Fireball schluckte bei dem Gedanken. Vor einigen Monaten noch hatte ihn jedes Mal die Eifersucht geplagt, wenn er daran gedacht hatte, wie gut sich April und Alessandro verstanden. Und nun fand er es plötzlich merkwürdig, dass ihr Alessandro nicht erzählte, dass sie sich am Vortag unterhalten hatten.

Fireball kniff die Augen etwas zusammen, er hatte so lange auf die Unterlagen vor sich gestarrt, dass er auf die Ferne kaum mehr scharf sehen konnte. Lächelnd bat er die beiden herein: „Hey, ihr. Kommt ruhig rein.“

April trat zum Schreibtisch, Alessandro schloss noch die Tür und ging dann ebenfalls in den Raum hinein. Der Schreibtisch des jungen Captains war wirklich so chaotisch, wie Stan das mal beschrieben hatte. Ein Wunder, dass der überhaupt irgendwas dort fand. Die blauen Augen huschten wieder über die Gestalt des Rennfahrers. Der hatte gestern Abend schon nicht übertrieben gut ausgesehen, im Moment sah er noch schlechter aus. Alessandro sah zu April hinüber. Sie machte sich offenbar Sorgen.

Die blonde Frau blieb vor dem Schreibtisch stehen und sah Fireball beinahe schon bittend an: „Hattest du schon Kopfschmerzen, als wir euch gestern Abend gefunden haben?“

Konnte er sie jetzt anlügen? Seufzend sank Fireball in seinem Stuhl zurück. Er wollte sie nicht beunruhigen, immerhin kannte er sie lange genug. Sie würde sich nicht abwimmeln lassen, zumal Alessandro sie auf eine Spur gebracht hatte und das Wasserglas quasi die Antwort gab. Fireball strich sich die Haare aus der Stirn: „Ein wenig. Ich habe einfach zu wenig getrunken, deswegen hab ich ein bisschen Druck im Kopf. Ist nicht schlimm, Süße, mach dir keine Sorgen.“

Wirklich besser waren Aprils Bedenken dadurch nicht geworden. Sie blickte auf das sprudelnde Wasserglas hinab und seufzte unterdrückt. April wusste, egal was sie nun sagen würde, Fireball würde tausende Gründe finden, weshalb er keinen Arzt brauchte. Es machte sie traurig.

Als Fireball ihren Blick deuten konnte, stand er auf. Einen Moment hielt er inne und schloss die Augen, er war wohl zu schnell aufgestanden. Als er die Augen öffnete und April wieder klar ausmachen konnte, umrundete er den Schreibtisch. Er lehnte sich dagegen und versicherte April in einem ruhigen Tonfall: „Sobald ich hier alles erledigt habe, fahr ich in die Wohnung und ruhe mich aus“, er hob ihren Kopf leicht an, damit er ihr in die Augen sehen konnte: „Versprochen, Süße.“

Auch das konnte April nicht besänftigen. Sie zog sich vor ihm zurück und näherte sich Alessandro, der wie ein Schatten neben ihr stand und zu der Debatte schwieg. April versuchte, tapfer zu lächeln: „Ich hoffe, du tust es auch wirklich.“

Mit einem Lächeln im Gesicht hob Fireball die rechte Hand nach oben: „Hoch und heilig versprochen!“

Versöhnlich fügte er hinzu: „Mach dir keine Sorgen, April. So leicht haut mich nichts um. Ich hab schon ganz andere Abstürze unbeschadet überstanden.“

April wusste, dass sie auf verlorenem Posten stand. Aber zumindest hatte sie nach ihrem Freund gesehen. Kopfschüttelnd resignierte die Navigatorin vor so viel Sturheit. Zumindest hatte sie ihm ein Versprechen abgerungen, normalerweise hielt sich Fireball an das, was er versprach.

Alessandro hatte still beobachtet. So wie er es die letzten Wochen bereits getan hatte. Seit ihm Fireballs Vater vorgestellt worden war und die Freunde zwangsläufig wieder mehr miteinander zu tun gehabt hatten, hatte er Gelegenheit dazu gehabt, seine Meinung zu ändern. Alessandro war seit jeher auf Aprils Seite gewesen, was diese tragische Liebesgeschichte betraf. Was verständlich gewesen war. Immerhin hatte er Fireball nicht gut gekannt und auch von seinen Kumpels aus der Base am Anfang immer nur negatives über deren neues Oberhaupt gehört. Und den Groll über den Schlussstrich in seiner Beziehung hatte er ebenfalls noch auf die unglückliche Beziehung übertragen. Alles in allem hatte der Japaner von vornherein nur durchfallen können.

Seit sie allerdings hier in Jarr waren, hatte Alessandro zunehmend bestaunen können, wie der junge Captain tatsächlich tickte. Der Italiener hatte doch nie ahnen können, dass das, was Fireball da bei dem Frühstück vor einigen Monaten erzählt hatte, wirklich so war! In den letzten Wochen hatte er auch von Colt, sowie von Saber und April etliche Geschichten über den Ausflug in die Zeit vor dem ersten Angriff präsentiert bekommen und war nun endgültig Teil des exklusiven Ramrod-Freundeskreises. So wie auch Martin, Oliver und Stan. Und da musste man sich zwangsläufig auch mit denen befassen, die man nicht allzu gerne mochte. Aber Alessandro hatte festgestellt, dass Fireball und er sich in mancherlei Hinsicht sogar recht ähnlich waren. Und gerade eben bekam er noch den Beweis für die Vertrautheit zwischen April und Fireball präsentiert.
 

Fireball lehnte seine Stirn an Aprils, hielt ihren Kopf mit der rechten im Nacken fest und flüsterte: „Sei nicht beunruhigt, Süße. Wenn dir wohler ist, werde ich mich ansehen lassen, wenn ich zu Marty ins Krankenhaus fahre.“

April schloss die Augen und nickte. Sie spürte seine Hand in ihrem Nacken, seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Seine Finger zitterten ein wenig, dennoch war sein Halt unglaublich stark. Sie merkte, wie sie ruhiger wurde, für sie stand fest, dass er sich noch untersuchen ließ und das nahm ihr jegliches Unbehagen.

Sie waren zwar kein Paar mehr, dafür aber endlich wieder gute Freunde. Und seit sich Fireball nicht mehr selbst im Weg stand, scheute er sich nicht m

ehr davor, sich in der Öffentlichkeit so zu verhalten, wie er es damals auf Ramrod auch getan hatte. Sie waren Freunde. Nicht mehr und nicht weniger, aber damit zufrieden. Sie hätten auch ihre Freundschaft verlieren können.

April dachte an Shinjis Worte, bevor er nachhause aufgebrochen war. Sie sah dem Wirbelwind in die braunen Augen und wusste, dass Fireballs Vater nicht gelogen hatte. Er empfand nach wie vor mehr für April, aber würde es für sich behalten.

Die Blondine folgte einem Impuls und gab dem Japaner einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze.
 

Solche Szenen hatten Seltenheitswert. Und sie bewiesen Alessandro, dass der Captain was dazu gelernt hatte. Dem hatte der Aufenthalt mit seinem älteren Pendant sichtlich gut getan. Mit einem Lächeln im Gesicht trennte er die beiden schließlich: „Arbeite erstmal dein Chaos auf, bevor du versuchst, April um den Finger zu wickeln.“

„Das tue ich doch nur, damit du sie dann nicht beschwichtigen musst, Kumpel“, ebenfalls lächelnd ging Fireball zurück an seine Arbeit. Er fasste Alessandros Bemerkung absolut nicht als Anfeindung auf. Sie klang wie jede andere Neckerei von Colt. Ihre Freunde wussten Bescheid, was gewesen war, und das fühlte sich für Fireball in erste Linie befreiend an. Er hatte keine Geheimnisse mehr vor seinen engsten Freunden, vor seinen Kumpels in der Base und auch nicht vor Aprils neuem Bodyguard. Es ließ ihn wieder unbeschwerter durch die Welt gehen.

April stemmte die Arme in die Hüften und stellte postwendend klar: „Erstens lasse ich mich von niemanden um den Finger wickeln und zweitens muss mich auch niemand beschwichtigen! Ist euch beiden das klar, sonst trichter ich euch das gerne noch mal bei einem Judotraining ein.“

Die beiden Männer sahen sich an und bissen sich auf die Lippen. Wenn sie jetzt loslachten, war jedem eine Kopfnuss sicher. Fireball nickte lediglich und wandte sich seiner Arbeit wieder zu, Alessandro nahm Aprils Hand und führte sie nach draußen. Sie sollten auf Ramrod zur Hand gehen, denn auch die Crew hatte eine ziemlich lange Liste, was alles noch erledigt werden musste.
 

Am Nachmittag hatte er es endlich geschafft und das Büro hinter sich lassen können. Fireball hatte, nachdem ihn immer noch Kopfschmerzen quälten und er sich benommen fühlte, vorsichtshalber bei Ramrod um eine Mitfahrgelegenheit ins Krankenhaus gebeten. Saber hatte sich gerne dazu bereit erklärt und nun saßen die beiden Männer im Wagen Richtung Krankenhaus.

Saber steuerte den Leihwagen sicher durch den Stadtverkehr des Königreiches. Sein Fahrgast saß auf der Beifahrerseite, hatte beide Beine leicht angewinkelt und die Augen geschlossen. Saber linste immer wieder zu Fireball hinüber, wenn er es nicht besser wüsste, würde er glauben, der Freund war eingeschlafen.

Nach einer Weile jedoch brach Fireball das Schweigen. Erschöpft ließ er sich vernehmen: „Eins ist klar. Wenn ich erst wieder zuhause bin, beantrage ich zwei Wochen Urlaub.“

Auf Sabers Lippen zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab: „Was? War es so schlimm?“

Fireball verzog das Gesicht und öffnete endlich wieder seine Augen: „Veranschlagt waren für das Manöver zwei Monate. Mittlerweile sind wir schon fast vier hier, wir haben einen ziemlich heiklen Angriff hinter uns und irgendwann bin ich auch mal urlaubsreif.“

Das Lächeln des Schotten wurde größer. Er hatte von Alessandro und April beim Mittagessen schon gehört, dass der Japaner ein wenig angeschlagen war. An einer roten Ampel musste er anhalten und hatte somit genug Gelegenheit, seinen Freund noch einmal näher zu betrachten. Er formulierte es anders: „Soso, urlaubsreif also. Ist Krankenstand für dich immer noch ein Fremdwort?“

„Gibt’s nicht, bin der Chef“, wie aus der Pistole kam der Konter von Fireball. Er machte es sich auf seinem Beifahrersitz noch bequemer. Obwohl er sonst niemals freiwillig Beifahrer sein würde, war er an diesem Tag ganz froh, nicht hinter dem Steuer zu sitzen. Müde umriss er Saber, wie das Meeting gelaufen war, wie es um seine restlichen Befehlsverweigerer stand und wie es in den nächsten Tagen weiter gehen würde. Mit einem Augenzwinkern ließ er Saber wissen: „Und bilde dir nicht ein, dass sich Ramrod da jetzt verkrümeln kann. Ihr dürft Minimum noch drei Wochen hier anhängen.“

„Das war mir klar“, Saber nickte, konnte aber dennoch nicht anders, als Fireball noch ein wenig zu necken: „Einer muss schließlich auf dich aufpassen. Wir haben ja gesehen, was passiert, wenn wir nicht da sind.“

Fireball verdrehte die Augen. War ja klar gewesen, dass auch von Saber mal so ein Spruch kommen musste. Er lächelte seinen Freund gespielt an und meinte sarkastisch: „Wieso? Sind doch alle vom Himmel runter gekommen. Auf die eine oder andere Weise.“

Saber hielt auf dem Krankenhausparkplatz. Er schüttelte leicht den Kopf. Humor hatte der junge Captain offensichtlich noch. Das beruhigte den Schotten ungemein. Saber drehte den Zündschlüssel herum und stellte den Wagen ab. Die beiden Männer hatten endlich ein paar Momente alleine. Saber nützte die Gunst der Stunde. Er fragte sich seit dem letzten Abend, was denn eigentlich genau passiert war. Niemand in der Base hatte genau gewusst, wo die Jets verschwunden waren, was mit ihnen passiert war und in der Hektik hatten sie bisher noch keine Zeit gefunden, darüber zu sprechen.

Noch einmal sah Saber zu seinem Kumpel hinüber. Er hatte am Abend vor dem Angriff neuerlich seinen Vater verabschieden müssen. Saber fragte sich, ob Fireball das wegstecken hatte können. Immerhin war es ihm beim ersten Abschied alles andere als leicht gefallen, obwohl Vater und Sohn damals keine gute Beziehung zueinander gehabt hatten. Nun hatten sie wochenlang gemeinsam in einem Haushalt gelebt, jeder hatte gewusst, wer der andere war, das war etwas ganz anderes gewesen. Saber begann vorsichtig: „Ist bei dir alles ok, Shinji?“

Wenn Saber ihn bei seinem richtigen Namen nannte, war es meistens an der Zeit für ein ernstes Gespräch. Da sich Fireball sicher sein konnte, dass er von Saber keine Kritik oder Zurechtweisung zu erwarten hatte, blinzelte er skeptisch.

„Du hast in den letzten Tagen viel mitgemacht“, äußerte Saber seine Gedanken: „Beim letzten Abschied von deinem Vater hast du das nur schwer verwunden. Ich frage mich, ob dein Absturz gestern etwas damit zu tun hat.“

„Nur indirekt“, gab Fireball zu. Er stellte allerdings sofort klar: „Es war nicht schön, Vater wieder zu verlieren, aber jetzt kann ich damit leben. Und der Absturz… naja“, Fireball fuhr sich durch die Haare und gestand Saber: „Ich war einen Augenblick lang abgelenkt. In der Ferne gab es einen grellen Blitz. Ich dachte, ihr seid wieder zurück und ich hab kurz nicht aufgepasst. Schon hatten sie mich erwischt. Wäre Stan nicht sein waghalsiges Manöver geflogen, wäre ich mit der Nase voran in den Erdboden geflogen. Ich hatte verdammtes Glück gestern.“

Saber nickte. Das genügte ihm als Antwort. Er wusste, wie Fireball log. Am liebsten sagte er dann gar nichts und wenn er doch log, dann so schlecht, dass man es sofort wusste, wenn man ihn lange genug kannte. Er wusste für sich, dass Fireball es dieses Mal schneller verarbeiten würde, seinen Vater verloren zu haben. Das erkannte er an Fireballs Haltung.

Die beiden Männer stiegen aus dem Wagen. Als sie Seite an Seite zum Haupteingang schritten, klopfte Saber seinem Freund noch auf die Schulter: „Dein Vater wäre vor Stolz geplatzt, wenn er dich gestern gesehen hätte.“

Fireballs Lippen umspielte ein kleines Lächeln, als er nickte. Leise versicherte er Saber: „Ein Teil von ihm ist immer da. Ich bin schließlich sein Sohn.“

Das war die richtige Einstellung. Während Saber voraus zur Unfallstation ging, auf der Martin sein Zimmer bezogen hatte, schlug Fireball noch schnell den Weg zu dem Arzt ein, der ihn am Vorabend untersucht hatte. Fireball konnte seine Symptome selbst recht gut einordnen, immerhin war er schon einige Male verletzt gewesen. Und nachdem seine Kopfschmerzen mit den üblichen Mittelchen nicht besser geworden waren, musste er doch einen Arzt drüber sehen lassen.

Er schilderte dem Arzt, der ihn freundlicherweise als Notfall dazwischen geschoben hatte, seine Wehwehchen. Und nach einem CT stand die Diagnose auch fest. Von den Worten des Arztes zeigte sich Fireball wenig beeindruckt: „War mir ziemlich klar. Das ist nicht meine erste Gehirnerschütterung.“

Der Arzt tadelte ihn: „Dann sollten Sie auch wissen, dass Sie sich sofort schonen sollten und nicht erst, wenn Sie Zeit haben.“

Geständig nickte Fireball um den Arzt zu beruhigen. Er stand auf, bedankte sich und fragte noch: „Danke für die Zeit, Doc. Können Sie mir noch ein Rezept für die Kopfschmerzen mit auf den Weg geben? Oder vielleicht was für den erholsamen Schlaf?“

Fireball hatte Bedenken, dass er ruhig in dieser Nacht schlafen würde. Bei seiner letzten Gehirnerschütterung hatte er alle Zustände im Bett bekommen, alles hatte sich gedreht. Das wollte der Japaner dieses Mal nicht mitmachen müssen, zumal er nicht wusste, ob im Notfall jemand da sein würde. Doch der Arzt enttäuschte ihn. Die Mittelchen für die Kopfschmerzen bekam er zwar, aber für den Schlaf verweigerte der Mediziner.
 

Saber klopfte kurz bevor er eintrat. Leise spähte er in das Krankenzimmer. Als er Martin im Bett liegen sah, erhellte sich sein Gesichtsausdruck. Der Brasilianer war wach und lächelte ihm schon entgegen. Sein Bein war dick mit einem Liegegips eingehüllt worden und auch die anderen Blessuren waren versorgt. Die OP war gut verlaufen, das bemerkte der Schotte schon beim Eintreten. Er setzte sich auf den Besucherstuhl und begann sich mit dem Piloten zu unterhalten. Wie er schnell bemerkte, hatte Martin niemand informiert, denn der wollte alles auf einmal wissen. Saber überwand seine Verwunderung darüber schnell, es war klar, dass Martin nichts wusste, war schließlich noch niemand hier gewesen. In der Base war die Hölle los.

Martin fragte nach seinen Mitabgestürzten Freunden, er war neugierig und auch besorgt. Er war immerhin gut versorgt worden, von den anderen dreien hatte er nichts mehr gehört. Fireball war zwar kurz mal so frei gewesen, ihn anzurufen, aber erzählt hatte ihm der Hitzkopf auch nichts. So löcherte er Saber mit diversen Fragen.

Geduldig beantwortete Saber alle Fragen. Er hätte es selbst nicht anders gemacht. Der Schotte lehnte sich in den Stuhl zurück. Als Martin im Bilde war und er sich zum hundertsten Mal vergewissert hatte, dass man sein Herzblatt nicht zu sehr beunruhigt hatte, begann Saber den Spieß umzudrehen. Es interessierte ihn brennend, was am Vortag tatsächlich noch so passiert war. All zu viel wusste Saber schließlich nicht über den Kampf.

Martin erzählte bereitwillig und nicht ohne Stolz. Er wusste, dass sie sich alle gut geschlagen hatten, bei einer Überzahl an Outridern wäre auch einer anderen Einheit der Hintern auf Grundeis gelaufen.

Wenig später klopfte es ein weiteres Mal an der Zimmertür und Martins Captain steckte den Kopf herein. Er grüßte leicht lächelnd: „Hey, du Bruchpilot.“

Grinsend setzte sich Martin in seinem Bett auf: „Du bist selber ein Bruchpilot, Babyboy“, er winkte seinen Freund ans Bett und wollte wissen: „Wieso lässt du dich erst jetzt hier blicken?“

Da der Besucherstuhl besetzt war, schob Fireball seinen Hintern behutsam auf das Bett seines Kumpels. Er betrachtete aufmerksam das operierte Bein und den dazugehörigen Freund. Mann, er hatte Angst um Martin gehabt. Nun sah der wieder besser aus und er hatte auch schon wieder die Kraft, Fireball zu nerven. Er wollte Martin nicht beunruhigen, weshalb er log: „War viel los, du weißt ja. …Chef und so Kram.“

Oh, dieses Verhalten kannte Saber. Und so, wie er Martins Blick deuten konnte, auch der. Da wurde es gleich spannend. Der Schotte lächelte in sich hinein.

Martin boxte ihm leicht gegen die Schulter: „Trotzdem hättest du eher mal vorbeschauen können. Sogar Saber hat es vor dir hier her geschafft.“

Er hätte den Säbelschwinger doch in der Ambulanz auf ihn warten lassen sollen. Ein Blick zu Martin genügte, der Schlauberger wusste genau, dass sie zusammen hergefahren waren. Fireball hatte einfach keine Lust, sich neue Ausreden einfallen zu lassen. Also gestand er so halb: „Hätt ich auch vorgehabt. War noch mal zur Kontrolle beim Doc“, noch bevor sein Freund besorgt schauen konnte oder gar fragen konnte, wiegelte Fireball ab: „Keine Sorge, alles ok. Alle Knochen noch heil. Wir sind nur alle ein wenig ausgezehrt.“

Martin nickte lediglich leicht. Das klang für den Moment so in Ordnung, immerhin konnte er keine Verbände oder ähnliches an Fireball ausmachen. Der kleine Kampfschlumpf hatte ja noch nicht mal irgendwo ein Pflaster kleben! Martin lehnte sich in seine Kissen. Erst langsam begann er zu realisieren, welches Glück sie alle gehabt hatten. Und noch etwas anderes fiel ihm ein. Ramrod hatte einen Auftrag zu erfüllen gehabt, es hatte sich bisher keine Gelegenheit ergeben, sich danach zu erkundigen. Und da nur Saber und Fireball in seinem Zimmer saßen, fragte er behutsam nach dem Verbleib von Fireballs Vater: „Wie ist es euch gestern ergangen, Saber?“

Fireball nahm dem Schotten die Antwort vorweg. Er stützte die Arme hinter sich auf und lehnte sich etwas nach hinten. Sein Blick richtete sich zum Fenster hinaus. Leise ließ er Martin wissen: „Sie sind zu viert wieder gekommen, ich befinde mich in keinem emotionalen Chaos also schätze ich mal, es ist wie geschmiert gelaufen.“

Ungläubig schüttelte Saber den Kopf. So klare Worte hatte er von Fireball nicht erwartet, immerhin hatte er bisher eher zu dem Thema geschwiegen. Klar, dem Schotten war aufgefallen, dass der Aufenthalt von Fireballs Vater in dieser Zeit etwas bewirkt hatte, aber das hatte nur am Rande etwas mit dessen Person zu tun gehabt. Beinahe explosionsartig hatte sich durch Shinjis Ankunft der Kreis der Mitwisser beinahe verdoppelt. Und das hatte dem Japaner seltsamerweise sogar gut getan. Bei Fireball schienen sich damit auch die letzten Verkrampfungen gelöst zu haben. Er war als Captain in der Base endgültig angekommen und stand offenbar auch als Mensch dort, wo er sich sicher fühlte. Das freute Saber sehr. Die persönliche Entwicklung hätte auch ein katastrophales Ende nehmen können, wie Saber nicht nur einmal befürchtet hatte. Nichts desto trotz ergänzte er Fireballs Aussage: „Es ist alles gut gelaufen. Und nur, damit hier niemand auf dumme Ideen kommt, es war der definitiv letzte Sprung! Ich weiß nämlich noch nicht, wie wir die teilweise Abwesenheit während des Angriffs erklären sollen.“

Die Männer sahen sich einen Moment erstaunt an. Saber hatte Recht. Ramrod war nicht lange weg gewesen, einen halben Tag vielleicht und es hätte unter normalen Umständen auch niemanden interessiert, weil es niemandem aufgefallen wäre, aber durch den Angriff war das anders. Martin legte die Stirn in Falten: „Was zeichnet der Flugschreiber denn in so einem Fall auf?“

„Nichts!“, wie aus einem Mund antworteten Fireball und Saber auf die Frage hin. Immerhin wussten beide vom ersten Sprung noch, was so einem Flugschreiber nicht schmeckte. In diesem Fall waren es ein blonder Major und eine blonde Navigatorin, die die Daten manipulieren konnten, ohne Spuren zu hinterlassen. Da hatte wohl ein weiteres Mal das Datenloch gerade Ramrods Systeme erwischt und gleich noch die Sicherungskopie mitgefressen!
 

Die beiden Freunde blieben nicht mehr allzu lange bei Martin. Einerseits war der Brasilianer nach seiner OP dann doch noch nicht so fit und andererseits schlich sich auch die Müdigkeit bei Fireball ein.

Er war dankbar, mit Saber den Nachhauseweg antreten zu können. Es dämmerte bereits, als die beiden Männer den Weg zurück zum Hangar einschlugen. Fireball spürte nur allzu deutlich, dass er endlich in ein Bett sollte. Er hatte an diesem Tag lediglich ein paar Minuten im Büro gedöst, richtige Erholung war das keine gewesen und auch die Kopfschmerzen machten ihm zu schaffen. Weil er die Schmerzmittel vom Arzt sofort ausgehändigt bekommen hatte, mussten sie zumindest keinen Umweg über eine Apotheke machen.

Sie schwiegen die Fahrt über, aber es war keine unangenehme Stille. Für Fireball war es eine Wohltat, sich auf nichts konzentrieren zu müssen und Saber empfand es als ausgeglichen. Sie mussten nicht dauernd sprechen, auch Schweigen war ab und an das richtige.

Nachdem Saber den Wagen abgestellt hatte und er sich an der Rampe von Fireball verabschieden wollte, wurde Fireball doch wieder gesprächig. Er hatte sich eigentlich fest vorgenommen, sich die Ruhe dann zu gönnen, wenn er konnte, aber er hatte doch auch so etwas wie Vernunft in den letzten Monaten entwickelt. Vorsichtshalber bat er Saber: „Säbelschwinger, kannst du mich eventuell ein paar Tage vertreten? Es ist bei dem Absturz doch ein wenig was durcheinander gekommen. Es sollte die nächsten Tage sowieso ruhig sein…“

Bedächtig nickte der Schotte: „Klar, ist sicherlich kein Problem. Sag nur auch deinen Jungs Bescheid, dass du dir eine Auszeit gönnst.“

Für Saber stand außer Frage, dass er sich in den nächsten paar Tagen auch um die restlichen Mitglieder der Base kümmern würde. Die meisten waren ohnehin im Krankenstand, die paar, die noch flugtauglich waren, sollten in den nächsten Tagen einfach ihren Papierkram erledigen und selbst ein wenig ausspannen. Ihm war aber auch klar, dass er sich in Fireballs Namen mit König Jarred und Commander Eagle auseinander setzen musste. Er sah seinem Freund noch einmal ins Gesicht und musste feststellen, dass er ein paar Tage Ruhe wirklich gebrauchen konnte. Fireball war blass und nachdem, was Alessandro und auch April erzählt hatten, war der Schotte besorgt: „Was fehlt dir?“

Verlegen strich sich Fireball den Pony aus der Stirn. Ja, er hätte beinahe vergessen, seinen Bruchpiloten mitzuteilen, dass Saber ein paar Tage die Führung übernahm. Saber dachte wie immer einen Schritt voraus. Mit einem kleinen Lächeln ließ er seinen Freund wissen: „Ich hab eine kleine Gehirnerschütterung ausgefasst. Ist nicht weiter tragisch, aber nachdem es nicht meine erste ist, weiß ich inzwischen, dass nur Schlaf hilft.“

Verständnisvoll nickte Saber. Und um sicher zu gehen, dass Fireball auch in der Wohnung ankam, brachte er ihn selbst dort hin.
 

Wie zu erwarten blieb es die nächsten paar Tage zumindest flugtechnisch ruhig. Es gab keine weiteren Übergriffe der Outrider, alle Beteiligten konnten sich erholen. Nicht einmal zwei Tage nach dem Angriff landete Commander Eagle im Königreich Jarr und machte sich selbst ein Bild der Lage. Er hatte die Air Strike Base zwei vorgeschickt, als Absicherung für die angeschlagene Flotte. Der Kommandant der Sektion West war mit der Arbeit aller Beteiligten äußerst zufrieden, auch der Monarch fand noch immer keinen Grund zu nörgeln. Alle waren mehr als heilfroh, dass alle mit dem Leben davon gekommen waren.

Für Saber standen etliche Besprechungen auf dem Plan, nachdem er sich auch offiziell dazu bereit erklärt hatte, Fireball bis auf weiteres zu vertreten, fielen auch die repräsentativen Aufgaben darunter. Stan und Oliver unterstützten den Interimscaptain so gut als möglich. Die beiden hatten Fireball an jenem Abend in der Wohnung in Empfang genommen und nachdem dieser sich sofort geständig gezeigt hatte, war er gleich in sein Bett kommandiert worden. Sie würden alles weitere übernehmen und sich mit Saber die Scharmützel liefern.

So blieb Ramrod tatsächlich noch eine Weile im Königreich Jarr. Nachdem der große Cowboy nicht gebraucht wurde, teilten sich die verbliebenen drei Freunde die Aufgaben. Alessandro beehrte so die Base wieder mal aus beruflichen Gründen und agierte als rechte Hand von Saber. Dieser nahm die Hilfe dankbar an. Obwohl ihm auch Stan und Oliver halfen, verstand er nicht immer, was ihm die Piloten mitteilen wollten und das Bindeglied zwischen Air Strike Base und Ramrod in Form von Alessandro war in diesem Fall ein echte Erleichterung.

Colt und April teilten sich die verbleibenden Aufgaben auf Ramrod auf, halfen auch den anderen wo immer sie konnten. Sie behielten sich aber das Recht vor, alle paar Takte auch Krankenbesuche zu erledigen. Vor allem April war das ein Bedürfnis, da Fireball sonst alleine zuhause gewesen wäre.

Da sich die Kopfschmerzen nach der ersten Nacht nicht sichtlich gebessert hatten, hatte der Wuschelkopf rigoros für sich entschieden, wirklich ein paar Tage zuhause zu bleiben und auch kein Telefon anzunehmen. In Absprache mit Stan und Oli und auch Ramrod hatte er das Telefon ins Wohnzimmer gelegt und war wieder ins Bett gegangen. Die Welt würde schon nicht untergehen, solange er sich erholte.
 

An diesem Nachmittag standen Colt und April mit einigen Einkäufen vor der Wohnungstür. Während Colt umständlich versuchte, den Schlüssel, den sie sich von Oliver hatten geben lassen, ins Schlüsselloch zu manövrieren, ging es April nicht leise genug. Sie zischte ihren Kumpel an: „Psst. Mach nicht so einen Lärm!“

„Mach ich doch gar nicht!“, schmollte Colt und schloss damit endlich die Tür auf. Er rollte gespielt genervt die Augen und bat April herein. Aber wirklich verstimmt war der Texaner nicht. Er wusste schließlich, wie April so war. Und mittlerweile wusste er sogar schon mitunter, weshalb sie so drauf war. Ihre beengte Arbeit ließ wenig Spielraum für Spekulationen. Den Gesichtsausdruck von April hatte er schon einige Male zuvor gesehen. Er streckte der Freundin die Zunge heraus und mokierte sich: „Wenn ich Kopfschmerzen hätte, wär dir das völlig egal. Aber weil es ja der Herr von und zu ist, darf ich nicht mal mehr pupsen.“

April bekam rote Ohren, obwohl sie das nicht wollte. Hatte sich am Ende wieder etwas geändert?! Sie selbst hatte für sich selbst bemerkt, dass sie seit dem Gespräch mit Fireballs Vater wieder vermehrt versuchte, herauszufinden, in welche Richtung sich alles entwickeln würde. Eigentlich hatte sie gedacht, sie wäre mit einer Freundschaft mehr als zufrieden. Aber war sie das wirklich? Colts dämlicher Spruch hatte sie nun daran erinnert, wo der Ursprung für ihre tieferen Gefühle bei ihrem ersten Versuch gelegen war. Das war ihr irgendwie peinlich. Deswegen versuchte sie abzulenken und schoss auf Colt zurück: „Du darfst aus einem anderen Grund nicht mehr pupsen, Bohnenfresser!“

Sie ließ damit keinen Zweifel, was sie meinte. Ihr verschmitztes Lächeln tat ihr Übriges. Sie konnte einem verdutzten Colt die Tüte in die Hände drücken und die Schuhe ausziehen. Als sie barfuß im Flur stand, ermahnte sie Colt noch mal im Flüsterton: „Sei bitte leise, Cowboy. Er soll sich erholen und nicht noch mehr Kopfschmerzen bekommen.“

„Ihr müsst nicht leise sein, ich bin wach“, Fireball steckte den Kopf aus der Badezimmertür und lächelte freundlich in die Gesichter seiner beiden Gäste: „Hi ihr zwei!“

Nun sah sich Colt in ihrem freundschaftlichen Disput angesichts dieser Tatsache völlig im Recht. Er stemmte eine Hand in die Hüften und beschwerte sich grinsend bei April: „Siehst du, Fire ist fit. Der hätte sich auch selbst um Brötchen gehen können. Nur er wird so von dir verwöhnt. Deine armen Kollegen kriegen keine solche Zuwendung.“

Ja, ein bisschen dunkler konnte das Rot ihrer Ohren noch werden, wie April feststellte. Was sollte sie dazu denn bloß noch sagen? Sie streckte Colt die Zunge heraus, entriss ihm die Tüte und stapfte wie selbstverständlich in die Küche.

Während Fireball irritiert die Augenbrauen nach oben zog, kickte Colt die Schuhe in eine Ecke. Er ließ April die paar Momente, bis sie wieder Normaltemperatur hatte. Er erkundigte sich lieber nach Fireball. Aber eben auf seine Art: „Na, wie lange willst du ihre Fürsorge noch ausnützen und dich vor der Arbeit drücken, Matchbox? Du siehst schon wieder verdächtig gesund aus.“

„Danke der Nachfrage, mir geht es besser“, damit kam Fireball aus dem Bad. Tatsächlich ging es ihm endlich besser. Die ersten drei Tage hatte er halb schlafend halb dösend im Bett verbracht, bis sich endlich die Symptome gebessert hatten. An diesem Tag hatte er Stan und Oliver zur Arbeit verabschieden können und hatte am Vormittag sogar schon einige liegen gebliebene Arbeiten erledigt. Gerade hatte er sich frisch gemacht und eigentlich nicht so zeitig mit Besuch gerechnet. Aber das waren eben seine Freunde. Schmunzelnd dachte er daran, dass sie immer da waren, wenn man sie brauchte.

Die beiden Männer folgten April schließlich in die Küche und setzten sich zusammen. Sie unterhielten sich, machten Scherze und wärmten alte Geschichten wieder auf. Als Fireballs vorübergehende Mitbewohner von ihrem Dienst nachhause kamen und auch Saber mitgebracht hatten, kochten die Freunde zusammen und freuten sich ihres Daseins. Sie bedachten auch ihren gemeinsamen Freund mit wohlwollenden Gedanken und ließen den Tag ausklingen.
 

Commander Eagle saß mit König Jarred beim Abendessen und genoss es durchaus, dass er einige Tage nicht im Kavallary Oberkommando zubrachte. So hatte er sich selbst einen Eindruck von den Verhältnissen schaffen können und auch selbst einschätzen können, wo die Bündnispartner standen. Für Charles stand fest, das Bündnis zum Königreich Jarr hatte sich gefestigt. Er hatte während des Aufenthalts der Base immer wieder auch König Jarred persönlich angerufen und sich erkundigt, ob denn alles zur Zufriedenheit verlaufe. Dank der Generation, die bald die Ruder übernehmen würde, war das Verhältnis zwischen Yuma und dem Königreich wärmer und freundschaftlicher geworden. Die Basis war gelegt, vielleicht folgte auf ein militärisches Bündnis ein wirtschaftliches.

Aber auch intern hatte sich etwas geändert. Das fiel Charles erst jetzt auf, da Saber wie selbstverständlich das Kommando über die Air Strike Base übernommen hatte und diese es ohne zu meutern akzeptierte. Durch den Wechsel im letzten Jahr war Ramrod nun näher zu den Einheiten der Luftwaffe gerückt. Die Verbindung war die Freundschaft der ehemaligen Ramrodcrew und Alessandros zu seiner ehemaligen Kampfeinheit. Es erfüllte Charles mit Stolz, dass sich alles gut entwickelt hatte, schließlich hatte es kurz nach Fireballs Versetzung nach einem absoluten Fehlgriff ausgesehen. Nun war alles im Lot und Charles konnte sich vorläufig zurücklehnen und beobachten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kittykate
2019-02-10T15:52:50+00:00 10.02.2019 16:52
Hallo :-),
wow zu Ende. Und was für ein Abschluss. Zum Glück gehts allen gut, sie haben sich wieder gefunden und dürfen vorerst eine friedliche Zeit verleben.
Auch Shinji ist wieder zuhause und es ist alles gut gegangen mit der Hin und Rückreise.
Schade, dass es aus ist und ich hoffe sehr irgendwann wieder was von dir zu lesen :-)
Ganz liebe Grüße
Kittykate (ehemals Sunshine)
Von:  Reblaus
2016-08-27T12:01:56+00:00 27.08.2016 14:01
Wie kannst Du nur denken, daß sich niemand mehr an Deine toll FF erinnert. Wie oft habe ich nachgesehen ,ob es weitergeht!
Schade, daß dies nun das letzte Kapitel war. Aber klar irgendwann endet ja jede FF.

Wer weiß vielleicht bekommst Du eines Tages einen Rappel und schreibst einen dritten Teil? Ich mag Deinen Stil und auch Deine Umsetzung der Charaktere sehr. Sie sind menschlich , nicht nur Phantasie. Der Spagat zwischen Sci-fi und 'realer' Welt ist gut gelungen.

Zwar kein fulminantes Ende, aber Eines, daß nicht mehr Fragen als Antworten hinterläßt.

Deine Ff werde ich immer wieder lesen!

Toll gemacht!

LG reblaus
Von:  Sury
2016-07-28T20:59:23+00:00 28.07.2016 22:59
Deine fantastische Art der Schreibweise Text bildlich zu veranschaulichen ist grandios! ( Bevorzug von mir Shinji/April) Deine FFs lesen zu dürfen, beflügelt meine kindlich versteckte Lebensweise, die sich vertieft in deine so fantastisch geschriebenen Stories!
Einfach phänomenal verfasst und so wunderbar realistisch geschrieben!
Ich verneige mich vor dieser Leistung, eine Geschichte so bildlich beschrieben zum Leben zu erwecken!
Hoffentlich darf ich durch deine gigantische Gabe noch viele, viele weitere FFs von Saber Rider and the Starsherriffs lesen!
Ein Stück meiner Kindheit wird durch deine so wundervollen gedanklichen Ideen, die dieser Story weiter ein Gesicht und Herz gibt, wieder ein Geschenk glückliches Kopfkino!
Vielen Dank für deine Mühe und Hingabe!
Ein Meisterwerk!
LG Sury


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