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Adieu

von

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Adieu
 

N saß ihm gegenüber. Diesem großen, eigenbrötlerischen und verschwiegenen Mann. Ihrem Ex-Mann.

Seine Augen verrieten nichts darüber, was er im Moment fühlte, sie waren mit grauen Schleiern verhangen und ließen kein Gefühl nach außen dringen. Keine Wut, keine Trauer, keine Enttäuschung, rein gar nichts.

Das einst so warme Gesicht war klar und ausdruckslos, sein Lächeln versteinert. Es wirkte marmorn, glatt und hart. Doch ohne jeglichen Groll.
 

Sie umgreift die Tasse härter

Weiße Knöchel treten hervor

Ihr Herzschlag verstummt
 

„Hast du schon eine neue Wohnung gefunden oder nächtigst du immer noch bei ihr?“, fragte sie ohne die übliche Schärfe in der Stimme, die sie sonst immer an den Tag legte, wenn die Sprache auf seinen Seitensprung kam. Sie beherrschte sich, versuchte ruhig zu bleiben. Was brachte es ihr sich auch jetzt noch, drei Monate nach ihrer Scheidung, über Ls Untreue und sein fehlendes Rückrat aufzuregen? Sie hatten das Thema unzählige Male durchgekaut. Es war an der Zeit dies endlich abzuhaken und weiterzumachen.

„Ich wohne allein“, entgegnete er nur neutral. Wieder verzog er keine Miene. Es schien ihn nicht im Geringsten zu berühren. N unterdrückte ein Seufzen. Seit wann war L nur zu dem abgeklärten, kühlen Mann geworden, von dem sie sich scheiden lassen musste? Als sie sich vor zwei Jahren dazu entschlossen hatten zu heiraten schien doch noch alles in Ordnung.
 

Der Tee ist bitter

Und zuviel Zitrone

Die mochte sie noch nie
 

„Hast du dir schon wieder eine Neue zugelegt?“, wollte sie nun wissen. Sie bemühte sich wirklich uninteressiert zu klingen, doch die Spitze in ihrer Stimme konnte er nicht überhört haben. Er ging nicht darauf ein. Er sah sie nur an. Mit ausdruckslosen Augen.

„Interessiert dich das wirklich?“

Sie schluckte. Nein, das konnte sie ihm nicht ins Gesicht sagen. Zumindest nicht in diese gleichgültige Maske. Sie hatte sich scheiden lassen, sie durfte ihn nicht mehr lieben. Das tat sie auch nicht. Im Gegenteil. Sie hasste ihn. Hasste seine Kälte. Hasste seine Ignoranz. Hasste seine ganze Art mit ihr umzugehen. Hasste seine Augen, die noch nicht einmal den Anhauch von Reue gezeigt hatten, nicht einmal als sie ihm ihren Ring auf den Tisch legte.

„Vergiss es.“
 

Lachen vom Nachtbartisch; ein junges Paar

Unbeschwert und glücklich wie sie

Damals
 

„Deine Haare gefallen mir nicht.“

Sie schrak aus ihren Gedanken hoch und sah ihn verwirrt an. Erst nach einiger Zeit bemerkte sie, was er gemeint hatte: Heute Morgen war sie beim Frisör gewesen, hatte sich ihre blonden Haare färben lassen. Abwesend fuhr sie mit den Fingern durch das Rotbraun.

„Mir aber. Es ist ein Wunder, dass du das überhaupt bemerkst.“

Er sah sie an. Zum ersten Mal konnte sie Wärme in seinem Gesicht lesen. Oder bildete sie sich das nur ein? Seine Augen schimmerten. Tränen?

„Deine blonden Haare haben mich immer an Honig erinnert: Süß und Unschuldig. Ich vermisse deinen Kopf auf meinem Kissen.“
 

Tränen, Schluchzen, Schreien

Sie will ihn umarmen

Ihr Mund zugenäht
 

Lange Zeit sagten beide nichts. N schwieg. Ihr Herz erwachte wieder zu neuem Leben. Sie wünschte sich nichts mehr, als bei ihm zu sein, so wie früher. Doch er hatte ihr Vertrauen missbraucht. Sie konnte ihm nicht verzeihen, niemals. Sie durfte nicht. Sie wollte nicht. Oder?

Ihr Tee war längst kalt, sein Kaffee ausgetrunken. Sie wusste, sie musste etwas sagen, irgendwas, damit er blieb. Ihr fiel nichts ein.

Nachdem er ihr das Geld für seinen Kaffee auf den Tisch gelegt hatte, erhob er sich.

„Ich muss los. Mein Wagen muss noch in die Werkstatt...“

Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Wollte ihn halten, ihm verzeihen, ihn nie wieder fort wissen.
 

Ein Kuss

Einst auf die Wange

Tief auf den Mund
 

Er flüsterte ihr zum Abschied ins Ohr. Sein Gehen hinterließ Schatten auf ihrem Gesicht, in ihrem Herzen. Die Tür schloss sich hinter ihm und N saß allein an ihrem Tisch.

Es war zu spät.
 

Adieu
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-07-14T19:59:22+00:00 14.07.2009 21:59
Zum Glück weiß ich um was es da geht... auch wenn besagtes L das nicht witzig findet und ziehmlich sauer darüber wäre.
Aber dennoch ist es nicht schlecht, und ich hatte immernoch gehofft dass du irgendwann und sei es nur für mich ein sequel schreiben würdest. So mit etwas mehr realität...
Nun gut... Vielleicht kann ich dich ja dazu bestechen...
Love


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