Zum Inhalt der Seite

Angel Hunter

Der Pfad der Rache
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Generalangriff

Dilara war nach dem Giftangriff für mehrere Wochen außer Gefecht gesetzt. Das Toxin hatte ihr Kreislaufsystem zu stark beeinflusst. Sie lag derzeit noch auf der Intensivstation in einem von Persha überwachten Krankenhaus. Nicht einmal die Weiß-Leute wussten, wo genau sie sich befand.
 

Wieder einmal war Aika allein. Wenigstens war sie nicht einsam. Die Wochen vergingen und der Winter beglückte sie mit Unmengen von Schnee. Weihnachten war bereits ins Land gezogen und das neue Jahr war mit Raketen und Knallern begrüßt worden. Yoji hatte wochenlang das Bett hüten müssen. Aika war oft bei ihm gewesen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Er fühlte sich für Asukas Schicksal verantwortlich. Stundenlang starrte Yoji melancholisch aus dem Fenster, betrachtete die weißen Schneeflocken bei ihrem Tanz.

Omi stand derweil in regem Kontakt zu Manx und Birman. Mit wachsender Aufregung zog er den Schluss, dass Persha in naher Zukunft einen weiteren verheerenden Schlag gegen Takatori plante. Aya verbrachte in dieser auftragslosen Zeit unzählige Stunden mit seiner Schwester. Persha hatte sie vorsorglich in ein anderes Krankenhaus verlegen lassen. In den letzten Tagen war ihr Zustand schlechter geworden. Aika bekam ihn deshalb kaum mehr zu Gesicht. Sie machte sich Sorgen. Ken, der ebenfalls Ablenkung suchte, ging oft mit ihr durch Tokios nächtliche Straßen. Zu seinem Erstaunen verstand er sich mit Angel besser denn je. Beide hatten das starke Gefühl, dass in nächster Zeit noch so manche Prüfung auf sie zukommen würde.
 

Eine Woche später sollte es soweit sein. Birman hatte mit Omis Hilfe sämtliche Daten aus Masafumis Laptop entnehmen können. Darunter auch die E-Mails seines Bruders Hirofumi.

„Wir haben Kontakt zu Hirofumi aufgenommen und ihm eine offene Auseinandersetzung vorgeschlagen.“ Omi blickte in die Runde.

„Ist er darauf eingegangen?“, fragte Yoji zwischen zwei Zügen an seiner Zigarette. Birman trat vor. „Ja, erstaunlicherweise. Treffpunkt ist Shiodome, auf dem Dach des Parkhotels. Persha wird uns begleiten.“ Der letzte Satz löste blanke Aufregung aus. „Was?! Er will sich zeigen?“, rief Ken.

Aya drängte sich dazwischen: „Ich dachte, jeder der ihn sieht, muss sterben? Wollt ihr uns etwa opfern?“ Angespanntes Schweigen erfüllte den Raum.

„In diesem Fall wird Persha wohl davon absehen, schließlich war es seine Entscheidung mit Hirofumi zu sprechen.“ Birman schien auf diese Frage nicht gefasst gewesen zu sein. „Er will sich in Lebensgefahr bringen? Was ist, wenn Persha umkommt? Was passiert dann mit den Kritikern?“ Aikas Stimme bebte.

„Lass das mal unsere Sorge sein. Wenn ihr euren Job macht, gibt es keinen Grund über Plan B nachzudenken“, sagte die Sekretärin.

„Wie lauten die Anweisungen?“ Omis Blick war ernster als gewöhnlich.

„Ihr bildet zwei Teams. Da Rose auf unabsehbare Zeit ausfällt, wird Angel mit dir Bombay und Balinese in ein verstecktes Lager eindringen. Dort werden sich Estet aufhalten, die engsten Berater Takatoris. Nach unseren Informationen machen sie zur selben Zeit einen Kontrollgang. Euer Job ist es sie zu töten! Siberian, Abyssinian, ihr kommt mit mir. Wir treffen uns in dreißig Minuten hier vor dem Laden. Angel, du nimmst die Karte. Macht euch unverzüglich auf den Weg. Ich wünsche euch viel Glück!“

„Passt auf euch auf! Wir sehen uns!“ Aika verschwand unter dem Rolltor.

„Bis dann.“ Yoji folgte ihr. „Ihr kommt klar?“ Omi zögerte. Mit einem Nicken deutete ihm Birman zu gehen.
 

Trotz der späten Stunde waren noch viele Menschen unterwegs. Abseits der großen Straßen bahnten sich Angel, Bombay und Balinese einen Weg zu ihrem Auftragsgebiet. In einer schlecht beleuchteten Unterführung entdeckten sie die Tür mit der Aufschrift „Pumpenraum“. Schnell war der Eingang freigelegt. Im Inneren schwangen die einzelnen Glühbirnen, die an einem viel zu langen Kabel von der Decke hingen. Die einstmals weißen Fließen waren sandig, das feuchte Moos, das darüber wucherte, machte das Gehen zu einer unsicheren Angelegenheit. Schweigend schlichen die drei Kampfgefährten den Gang hinunter. Keine Menschenseele war zu sehen. Das monotone Geräusch von tropfendem Wasser begleitete sie über eine halbe Stunde im Gewirr der unterirdischen Gänge. Die Wandfließen wechselten sich mit dicken Kabeln und Drähten ab, dazwischen Metallkästen mit Sicherungen.

„Bist du sicher, dass wir den richtigen Weg genommen haben?“ Yoji schüttelte die letzte Zigarette aus seiner Innentasche.

„Hältst du mich für blöd?“ Aika funkelte ihn an.

„Nein, nur für orientierungslos.“ Sein Feuerzeug schien nicht zu funktionieren.

„Halt lieber die Klappe. Ich bin verdammt heiß auf den Kampf, also reiz mich nicht!“ Angel ging unbeirrt weiter. Omi nahm Yoji die Zigarette aus dem Mund. „Sie macht das schon. Aber du solltest hier nicht rauchen, die japanische Polizei ist nicht dumm. Deine DNA könnte uns auffliegen lassen.“

„Das kann nur ein Nichtraucher verlangen!“ Yoji steckte die Hände in die Hosentaschen. Als die drei um die nächste Ecke bogen, schien sich Balinese im Bezug auf Aikas Kartenlesekunst bestätigt zu sehen.

„Ach! Was habe ich gesagt!“ Er fasste sich an die Stirn. Wortlos ging Aika in die Knie. Mit einem leisen Quietschen öffnete sich eine Falltür.

„Noch irgendwelche Fragen oder ein blöder Kommentar? Dann lieber jetzt als da unten in der Höhle des Löwen!“ Angel blickte ihn über die Schulter an.

„Nein, es tut mir Leid!“ Yoji senkte den Kopf.

„Gut, dann los!“ Sie schwang sich in das Loch im Boden.
 

Zur selben Zeit in Shiodome:

Das Katana in einer Reisetasche versteckt, betrat Aya als erster das über 25 Stockwerke Park Hotel im Media Tower. Birman trug unter ihrem Mantel einen eng anliegenden Bodysuit, der ihre schmale Silhouette perfekt betonte. Ken hatte die Bukug eingeklappt und schlenderte hinter den andern her. Der Aufzug brachte sie bis knapp unters Dach.

„So kommen wir nicht weiter. Hier muss es eine Tür geben, die zum Treppenhaus führt.“ Birman ging voraus. Der Eingang war schnell gefunden. Mit einer kleinen, verdämmten Sprengladung umgingen sie die Sperrbolzen. Vorsichtig wagten sie sich ins Treppenhaus. „Ich glaube, die Luft ist rein. Wir sollten uns beeilen!“ Ken blickte sich um.

Durch eine weitere eiserne Tür traten die drei aufs Dach hinaus. Ein schneidend kalter Wind heulte um die Ecken des Gebäudes.

Birman blickte auf ihre Uhr. „Fünf Minuten.“ Plötzlich ertönte ein Quietschen hinter ihnen. Aya wirbelte herum, die Hand am Heft des Schwertes. Aus dem Dunkel, in einem abgelegenen Winkel des Daches, zeichneten sich zwei Figuren ab.

„Lass dein Schwert stecken, Abyssinian!“, befahl eine männliche Stimme.

Birman schien erleichtert. „Ihr seid es. Wir dachten schon, es sei ein Hinterhalt!“

Die beiden Personen waren mittlerweile nah genug, um ihre Gesichter zu erkennen. Persha in Begleitung von Manx.

„Hallo zusammen! Wir haben uns lang nicht mehr gesehen!“ Die zweite Sekretärin lächelte in die Richtung der Weiß-Jungs. Allerdings starrten Aya und Ken unentwegt ihren Boss an.

„Sie sind Persha?“ Ken kratzte sich am Kopf.

„So ist es. Aber wie ihr mich anseht, scheine ich euren Vorstellungen nicht gerecht zu werden.“ Persha schob sich seine Brille zurecht.

„Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich habe mir Sie immer größer vorgestellt!“ Ken errötete leicht. Zu seinem Erstaunen lächelte Persha nur gütig.
 

Das unterirdische Lager war wie ausgestorben.

„Mir ist das nicht geheuer. Das letzte Mal, als es bei einem Auftrag so totenstill war, bin ich fast draufgegangen!“ Angel blieb vor einer halb geöffneten Tür stehen.

„Seht euch das an! Die haben Waffen für eine ganze Armee hier gelagert!“ Sie betrat den Raum.

„Vielleicht sollten wir uns ein paar von den Teilen ausborgen?“ Omi betrachtete eine der Pistolen. Yoji nahm eine Walter PP in die Hand. „Ich glaube, das ist keine schlechte Idee. Weiß jemand, wer Estet ist?“

Omi setzte sich auf eine der Munitionskisten. „Nein, weder mir noch irgendjemanden sonst ist mehr bekannt, als dass sie zu dritt sind. Keine Ahnung ob männlich oder weiblich, wie alt sie sind und ob die wie Schwarz über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügen.“

„Sind ja mal wieder wunderbare Vorraussetzungen für einen Kampf!“ Aika schnallte sich einen Munitionsgürtel um die Hüfte.

„Was hast du dir da eingesteckt?“, wollte Yoji wissen.

„Hochgeschwindigkeitsmunition. Die haben hier sehr gute Qualität. Der Streukreis ist geringer als bei der Billigmunition, die wir benutzen. Perfekt für Scharfschützen“, sie schob das Magazin in die Vector CP1.

„Wir sollten weitersuchen.“ Omi verschwand im nächsten Gang.

Einige Meter weiter mussten sie sich zwischen zwei Treppen entscheiden. „

Wer ist dafür, dass wir nach unten gehen?“ Yoji blickte von einem zum anderen. Sie waren sich einig. Der untere Gang war noch schlechter beleuchtet als der, aus dem die drei gekommen waren. Nach zwanzig Metern wurde es stockdunkel. Ein beißender Geruch schlug den Weiß-Jungs und Angel entgegen.

„Leute, riecht ihr das?“ Balinese hielt sich die Nase zu.

Omi taumelte. „Ich, ich kenne diesen Geruch. Er ist mir so vertraut…“

Yoji fing ihn auf. „Bombay!“ Während sie sich mit der einen Hand die Nase zuhielt, suchte sie mit der anderen an ihrem Rücken nach der Taschenlampe.

„Endlich!“ Sie knipste das Licht an. „Scheiße!“ Angel wich zurück. Yoji unterdrückte den Würgereiz.

„Raus! Lass uns sofort von hier verschwinden!“, schrie sie ihn an. In all der Hektik rutschte sie auf der den Boden bedeckenden Blut- und Innereienschicht aus und wurde nur durch Yojis schnelle Reaktion am Fall gehindert. Omi lehnte benommen an der Wand, Gedächtnisfetzen durchzucken sein Gehirn:
 

Es war dunkel. Man konnte die Angst förmlich riechen. Kleine Gestalten, vielleicht Kinder. Ein Kellergewölbe in dem das Weinen widerhallte. Schüsse, Schreie, Lachen…
 

Omi schreckte auf. Reflexartig griff er sich an die Brust. Erst jetzt realisierte der Junge, dass sie sich wieder an den zwei Treppen befanden.

„Entschuldigt bitte.“ Omi wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.

„Ich will nicht undiskret sein, aber, willst du uns nicht verraten was du geträumt hast?“ Yoji strich seinem Freund eine Strähne aus dem Gesicht.

„Erinnerungen, Bruchstücke. Ich kann sie nicht einordnen. Sie werden wahrscheinlich durch Déjàvue-Erlebnisse ausgelöst.“ Omi konnte seinem Gefährten nicht in die Augen blicken.

Aika wendete sich der nach oben führenden Treppe zu. „Bleib hier, falls du dich nicht fit genug fühlst. Wir gehen jetzt da rein und reißen diesen verdammten Schweinen den Arsch auf!“ Plötzlich war Bombay hellwach. „Ich bleibe nur über meine Leiche hier!“

„Na dann.“ Yoji zog seine Pistole.
 

Kilometer entfernt verursachten Hubschrauberrotoren ein ohrenbetäubendes Dröhnen. Nach der Landung machten zwei Helfer die Einstiegsöffnung frei und vier Personen sprangen aus der Maschine. Der unbekannte Mann, der von den Schwarz-Leuten eskortiert wurde, musste der älteste Sohn Takatoris sein, Hirofumi. Aya und Ken traten vor Persha. Crawford grinste diabolisch. „Wo habt ihr denn den Rest der Truppe versteckt? Sie sollen rauskommen, falls euch etwas an diesem Treffen liegt!“

Birman antwortete ohne Verzögerung: „Wir sind allein! Ein Hinterhalt wäre unmöglich!“ Gerade als Crawford ein Wortgefecht vom Zaun brechen wollte, fasste ihm Hirofumi von hinten an die Schulter. „Lass es gut sein, Brad. Wir wollen uns zuerst anhören, was mein lieber Onkel uns zu sagen hat“ Aya warf einen kurzen unsicheren Blick zu Ken, der ebenfalls glaubte, sich verhört zu haben.

Persha drängte sich zwischen den beiden nach vorne. Er und sein Neffe trafen sich in der Mitte zwischen den Parteien.

„Wie ich erst jüngst durch den Tod meines geliebten Bruders festgestellt habe, machst du vor deiner eigenen Familie nicht halt!“ Hirofumi steckte sich eine Zigarette an.

„Er hat an dem Tag aufgehört, mein Neffe zu sein, als er Mamoru im Stich ließ!“, erwiderte Persha.

„Mamoru? Der ist zwar unser Bruder, aber nicht meines Vaters Sohn!“ Sein Neffe reagierte verärgert. Schweigen beiderseits.

„Kikuno hat mir nie erzählt…“, begann Persha vorsichtig. „Meine Mutter war ein Flittchen! Mamoru war die Frucht eurer kleinen Affäre! Weshalb hätte mein ehrenwerter Vater für ihn blechen sollen?!“ Hirofumi packte Persha am Kragen. Aya zog sein Schwert.

„Keine Bewegung, Süßer! Wir wollen doch nicht, dass jemand verletzt wird!“ Schuldig richtete seine Pistole auf Persha. „Nehmt die Waffen runter!“

Hirofumi ließ seinen Onkel los. „Lass uns zum Geschäft kommen. Wen sollen wir ausliefern, damit wir vor dir und deinen Schoßhunden Ruhe haben, Herr ehemaliger Polizeipräsident?“

„Ich will, dass dein Vater und du, sowie Schwarz und Estet Geständnisse ablegen und dass ihr eure gerechte Strafe bekommt! Im Gegenzug löse ich die Kritiker auf!“ Pershas Bart bebte bei seinen Worten.

„Wie gnädig, eure Hoheit! Aber deine mickrige Vereinigung wird unser Syndikat niemals besiegen!“ Hirofumi lachte laut auf. Ohne Vorwarnung zog Persha seine Pistole und drückte ab. Doch sein Neffe stand ohne einen Kratzer vor ihm.

„Was?“ Er wich zurück. Die Kugel schwebte vor Hirofumis Gesicht in der Luft. Nagi ließ sie zu Boden fallen.
 

Omi, Aika und Yoji stürmten in den nächsten Gang. Am Ende befand sich eine große Flügeltür. Ohne Rücksicht auf Verluste rannten die drei sie ein. Eine Kammer offenbarte sich, an deren Kopf drei ältere Herrschaften standen. In der Mitte erhob sich eine runde Steinplatte mit Runen und Kerzen. Das monotone Tropfen kam von den an der Decke aufgehängten Leichen mehrerer Frauen und Männer. An den Wänden standen mit Kapuzen verhüllte Wächter, bis an die Zähne bewaffnet. Die drei Angreifer erstarrten beim Anblick dieser grausamen Szenerie.

„Seid willkommen, meine jungen Kämpfer!“ Der alte, graubärtige, kahlköpfige Mann lächelte mit aufgesetzter Freundlichkeit. Aika wich zurück.

„Wer, wer sind diese Menschen?“ Bedächtig folgten die Alten ihrem Finger. „Potenzielle Gefahren. Jedenfalls waren sie das, bevor wir sie in die Hölle vorschickten, in der auch eure Seelen brennen werden!“ In den Augen der einzigen Frau funkelte die blanke Mordlust. Im letzten Moment sprangen die drei zurück, bevor das Feuer auf sie eröffnet wurde. Omi zückte eine der Tränengasgranaten, die ihm von Birman überreicht worden waren. Die Maskierten gingen hustend zu Boden. Aika unterdrückte wie so oft ihr Gewissen, zog die CP 1 aus dem Holster und lehrte das dreizehnschüssige Magazin ohne zu zögern. Yoji lief kreuz und quer durch den Raum, während ihm Omi den Rücken frei hielt. Aika zog die gestohlene MG. Ihr Ziel waren Estet, die versuchten, durch den Hinterausgang ins Tunnelsystem zu entkommen. Die Fließen splitterten im Kugelhagel, dem Estet ausgesetzt war.

„Angel! Runter!“, hörte sie Yoji schreien. Ohne zu zögern ließ sie sich auf den Rücken fallen. Knapp über ihr surrte einen Wimpernschlag später der fast unsichtbare Draht hinweg. Sie sprang auf und ihr Blick fiel auf die Tür, aus der Estet verschwinden wollte. Dort stand jemand, an den sie sich dunkel erinnerte.

„Keine Bewegung!“ Er richtete die Waffe auf die Rücken der drei alten Menschen. „

Wer zum Henker sind Sie?“ Omi fixierte ihn mit seinen blauen Augen.

„Entschuldigt bitte. Mein Name ist Botan. Angel erkennt mich wahrscheinlich nicht mehr, aber in einer schicksalhaften Nacht vor fünf Jahren sind wir uns schon einmal begegnet.“ Aika ließ ihre Waffe sinken. „Sie waren der Mann, der uns rekrutiert hat. Weshalb sind Sie hier?“

„Sie Verräter! Sie waren der Maulwurf, nach dem wir Jahre lang gesucht haben!“, meldete sich das dritte, schnauzbärtige Estet-Mitglied zu Wort.

„Botan, Sie haben den Kritikern all diese Informationen zukommen lassen?“, fragte Yoji. „Das habe ich. Allerdings musste ich heute einfach eingreifen. Diese Sadisten darf man nicht entkommen la…“ Botan riss die Augen auf.

„Es war dein größter Fehler, uns zu hintergehen! Das ist dein Ende!“ Die Frau ballte ihre rechte Hand zur Faust. Die Pistole Botans fiel auf die dreckigen Bodenfließen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er sich an die Brust. „Was tun Sie! Hören Sie auf damit!“ Aika stürzte auf die Estet-Leute zu. In diesem Augenblick sank Botan zusammen.

„Sein Herz hat gerade seinen letzten Schlag getan. Gleich werden auch eure Herzen stehen bleiben!“ Wie auf Kommando hoben auch die beiden Männer ihre rechte Hand. Noch bevor einer des Weiß-Teams reagieren konnte hallten drei Schüsse von den Wänden wider. Estet ging zu Boden. Botan hatte mit letzter Kraft geschossen.

Aika stürzte zu ihm: „Botan, hören Sie mich?! Sprechen Sie mit mir!“ Neben ihnen bewegte sich der glatzköpfige Alte. Gnadenlos schoss ihm Yoji, der ebenfalls zu Botan geeilt war, in den Kopf.

„Bitte sorgt dafür, dass meine Familie nie erfährt, was…was ich in meinem Leben getan habe. Und Angel…Pass auf dich auf...“ Die Augen des Spions wurden starr.

„Wieder ein Opfer, das dieser verdammte Krieg gefordert hat! Hört das denn nie auf?“ Omi setzte sich neben Yoji und Angel auf den Boden.
 

Ihre Freunde steckten derweil in ernsten Schwierigkeiten. Umzingelt von Hirofumis Leuten auf einem Dach, hoch über der Shiodome Bahnstation.

„Hach! Wie lange mussten wir warten, um euch in diese Lage zu bringen!“ Crawford machte ein ungewohnt fröhliches Gesicht.

„Hey ihr beiden Schnecken, für euch haben wir eine Sonderbehandlung! Hierher!“, befahl Schuldig Manx und Birman. Langsam gingen die Frauen auf ihn zu. Keiner bemerkte das geheime Zeichen, dass sie sich gaben, kurz bevor sie links und rechts neben Hirofumi vorbeigingen. Ohne Vorwarnung trafen die Füße der Sekretärinnen jeweils eine seiner Kniekehlen. Hirofumi sackte nach vorne.

„Nehmt eure Waffen runter! Sonst stirbt euer Boss!“, Manx drückte ihren Revolver an die Stirn ihrer Geisel.

„Diesen Nervenkrieg gewinnt ihr nie!“ Schuldig versuchte sie zu verunsichern.

„Das werden wir ja sehen!“ Birmans Hand zitterte fast unmerklich, als sie die Sicherung der Beretta löste. Crawford schnappte nach Luft. Niemand bemerkte Pershas Griff zu seinem linken Handgelenk.
 

Das Funksignal erreichte Omis Pieper fast im selben Moment.

„Verdammt! Nehmt eure Beine in die Hand! Die anderen schweben in Lebensgefahr!“ Er stolperte bereits in Richtung Ausgang. Yoji half Aika auf. „Wo ist der nächste Aufstieg möglich?“

„Wir müssen die andere Treppe runter und dann gleich links, nach etwa hundert Metern gibt es einen Kanalschacht, der nach oben führt!“

Omi blieb abrupt stehen. „Wir müssen noch mal in diese Leichenkammer?“

„Willst du das wir alle so enden?!“ Angel packte ihn am Arm.

Eine halbe Minute später schlitterten sie durch den düsteren Gang, in dem Takatoris Lagerwächter durch Estet ihr modriges Grab gefunden hatten. Jeder versuchte möglichst nicht zu atmen, um den metallischen Blutgeruch nicht wahrzunehmen.

„Wie viel Grausamkeit kann die menschliche Seele vertragen?“ Diese Frage stellte sich Angel nicht zum ersten Mal.
 

Inzwischen hatte Schuldig seine zweite Fähigkeit eingesetzt, die schnelle Art, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen. Mit einem Mal stand er hinter Persha, sein Messer an dessen Kehle gelegt.

„Was jetzt?“, spöttelte der Deutsche, „wenn euer Boss stirbt, bricht die ganze Kritiker-Organisation auseinander. Hirofumi ist nur der Sohn unseres Bosses, er ist entbehrlich!“ „Das wird ein Nachspiel haben, Schuldig!“ Pershas Neffe schien seinen Mut wieder gefunden zu haben.

„Halt die Klappe, du Schnösel! Ich rette hier gerade deinen verdammten Arsch!“ Das Schwarzmitglied bremste sich in keiner Weise. Selbst Crawfords Augen weiteten sich in Anbetracht, was Schuldig erwartete, falls sie die Nervenschlacht überlebten.

„Das kostet dich mehr als den kleinen Finger, das verspreche ich dir!“, keuchte Hirofumi. Die Yakuza hinter Ken und Aya bedeuteten ihnen, die Waffen fallen zu lassen. Widerstand war gänzlich zwecklos, die beiden taten wie ihnen geheißen.

„Fujimiya und dieser Siberian sind wertlos für uns. Allerdings habe ich mit dem Rotschopf noch eine Rechnung offen!“ Er ordnete Crawford an, für ihn auf Persha aufzupassen. In den Gesichtern der beiden Frauen stand die Anspannung geschrieben. Wenn sie aufgaben, starben alle, die am Projekt Weiß beteiligt waren, Takatori würde sich zum Diktator machen und Japan beherrschen.

Schuldig war bei Aya angekommen. „Der zornige Junge mit dem Racheschwert. Wo hast du denn deine kleine Gespielin gelassen? Du weißt schon, dieses blonde Biest, dass Crawford so gerne zähmen würde?“ Er steckte sich eine Zigarette an. Aya reagierte nicht. „Und wie ist sie so? Du weißt schon, was ich meine...“ Mit obszönen Bewegungen unterstrich Schuldig seine Fragen. Schweigen.

„Oh, der Herr spricht nicht mit mir! Schade, ne Vorschau wär nicht schlecht gewesen. Egal, wenn wir sie finden, und ich verspreche dir Süßer, das werden wir, dann kann sie sich auf was gefasst machen!“

Ken konnte sich nicht länger im Zaum halten. „Fresse, Schuldig! Ich bring euch alle um! Ihr werdet keine Chance mehr haben, auch nur einen von den anderen Schaden zuzufügen!“

Abyssinian hielt seinen Kumpanen zurück. Schuldig hielt die Klinge seines Messers unter Rans Kinn, um ihn zu zwingen, näher an sein Gesicht zu rücken.

„Wie geht es deiner Schwester? Ist ihr Zustand immer noch komatös?“ Wieder zwang sich Aya, die Provokation zu überhören. Schuldig grinste. „Wie sagt man so treffend: Die Augen sind der Spiegel zur Seele. Deine Wut erzeugt ein Kribbeln auf meiner Haut. Du willst mich töten, dir blutige Genugtuung verschaffen!“ Er schnipste den Zigarettenstummel weg. Mit der freigewordenen Hand zog er Abyssinian an seine Brust und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich bin dir näher als jemals zuvor. Du spürst meinen Atem auf deiner Haut und dennoch bist du so machtlos wie damals, als wir deine Familie in die Luft sprengten. Gib endlich auf. Dein Widerstand zögert nur das vorbestimmte Ende hinaus. Selbst wenn deine kleine Schwester wieder aufwacht - wie kannst du ihr in die Augen blicken? Du bist ein Mörder. Sie wird sicher nicht erfreut über die Tatsache sein, dass du dazu auch noch ihren Namen verwendet hast.“

Rans Augen verloren jeden Ausdruck. Sein Schutzwall war durchbrochen. In diesem Moment wusste Schuldig, dass er gewonnen hatte. Er hob das Messer um Aya zu töten.

Da riss ein donnernder Schuss alle aus der Trance. Eine Hülse fiel neben Birman auf den Beton und rollte vom Wind getragen über das Dach.

Schuldigs Arm war getroffen. Mit einem metallenen Geräusch landete die Klinge neben seinen Füßen. Im selben Moment duckte sich Hirofumi und Crawford drückte ab. Dann herrschte Ruhe. Persha lag regungslos auf dem Boden. Manx schlug sich die Hand vor den Mund. Neben ihr glitt Birman die Waffe aus der Hand. Ken und Aya waren im Schock erstarrt. Es war geschehen. Sie hatten versagt und damit ihr Leben verwirkt.
 

Hirofumi, der sich in Sicherheit gebracht hatte, brach in schallendes Gelächter aus. „Ihr Versager! Jetzt seid ihr sowieso tot! Wir brauchen uns die Hände nicht mehr schmutzig machen! Ha ha! Die letzte Amtshandlung der Kritiker wird es sein, euch durch einen unbekannten Auftragskiller ermorden zu lassen um die Spuren zu verwischen!“
 

In diesem Augenblick wurde die Tür zum Hotel aufgerissen. Ohne die Umstände zu berücksichtigen, griffen die verbleibenden Weiß-Mitglieder an. Aika wirbelte mit ihrem Katana Schwert durch die Reihen von Takatoris Männern. Yojis Fäden erledigten den Rest. Im Eifer des Gefechts schnappten sich auch Aya und Ken wieder ihre Waffen. Omi schnitt den Fliehenden zusammen mit Manx und Birman den Weg zum Hubschrauber ab. Das Blatt hatte sich rasant gewendet.

Trotz allem sprach Hirofumi Omi an: „Na Kleiner, erinnerst du dich an den lieben Hiro-san?“

„Wie meinen Sie das?“ Das jüngste Weiß-Mitglied zielte mit der Armbrust auf den Gangster.

„Sag bloß, du erinnerst dich nicht mehr an deinen großen Bruder, Mamoru?“

„Halt den Mund!“, rief Manx dazwischen.

„Zu spät! Es ist an der Zeit, dass euer Freund erfährt, wer er wirklich ist!“ Hirofumi wendete sich wieder Omi zu: „Nämlich mein Halbbruder! Mamoru Takatori! Na, wie gefallen dir diese Neuigkeiten?“ Yoji suchte Angels Blick: „Wusstest du etwas davon?“ „Natürlich nicht. Aber was hat das alles zu bedeuten?“ Sie blickte auf den Toten zu ihren Füßen.

„Das ist Persha. Oder Shuichi Takatori, Reiji Takatoris Bruder!“ Aya beantwortete Aikas Frage, bevor sie dazu kam, sie zu stellen.

Angel ließ das Schwert sinken. „Dann sind wir bereits tot.“ Yoji spürte einen leichten Anflug von Panik in sich aufsteigen.
 

Omi sammelte sich nach dem ersten Schock: „Wer sind meine Eltern?“

Hirofumi grinste: „Dein Vater liegt dahinten. Er hatte dich so lieb, dass du für ihn zum Mörder werden musstest! Und deine Mutter? Dieser verdammte Drecksack hat meine Mutter geschwängert!“

Das Weiß-Mitglied sank zu Boden: „Warum hat mir niemand etwas gesagt? Warum?!“ Betroffen blickten Birman und Manx ins Leere. Ran ging vor Omi auf die Knie und tat etwas, was er noch nie getan hatte: Er nahm das jüngste Weiß-Mitglied in den Arm.

Ermutigt durch Ayas Verhalten, hob Aika ihr Schwert: „Hirofumi Takatori! Ihr habt unseren Boss getötet! Absolute Loyalität. ist die erste der drei Regeln in unserem Job! Wir haben versagt, deshalb werden wir hingerichtet. Das wäre die zweite. Aber ist ein Tötungsbefehl erst einmal ausgesprochen, hält nichts als ihr eigener Tod die Assassinen davon ab, diesen auszuführen. Das ist die dritte und letzte unserer Regeln. Mach dich bereit!“ Der Funke sprang über. Ken und Yoji gingen ebenfalls in Angriffsstellung über. Hirofumis anfängliches Lächeln verblasste und wich einem panisch verzerrten Gesichtsausdruck.

„Takatori-san! Verschwinden sie!“ Nagi ließ alles, was sich nicht niet und nagelfest war, auf die Angreifer niederprasseln. Yoji warf Schuldig zu Boden und verwickelte ihn in einen Faustkampf. Hirofumi lief an Crawford vorbei, der sofort von Aika mit dem Schwert angegriffen wurde. Seine Fähigkeiten erlaubten ihm, jedem Hieb auszuweichen. Ken schaffte es mit aller Kraft zu Nagi durchzudringen. Mit seinen Krallen zerfetzte er die Schuluniform des Schwarzmitglieds. Takatori hatte fast den rettenden Hubschrauber erreicht, als ein brennender Schmerz in seiner Brust ihn daran hinderte, auch nur einen weiteren Schritt zu tun. Als er an sich herunter blickte, sah er die blanke Spitze eines Pfeils aus seinem Brustkorb ragen. Langsam drehte er sich um. Omi stand, die Armbrust noch im Anschlag, neben Abyssinian. Einen Moment darauf wurde Hirufumi von zwei Kugeln aus den Waffen der Sekretärinnen Pershas niedergestreckt.
 

Zu aller Erstaunen rappelte sich Hirofumi langsam wieder auf. Die Schwarz-Männer und ihre Gegner hatten die Kampfhandlungen eingestellt. Keuchend kroch sein Boss auf Schuldig zu, der wenige Meter entfernt auf dem Glasdach des Atriums stand.

„Hilf mir. Hilf mir, Schuldig! Ich verzeihe dir auch dein Benehmen von vorhin!“ Er kniete zu den Füßen seines Bodyguards. Die Weiß-Leute hoben ihre Schusswaffen.

„Hey! Einen Moment!“ Er hob die Hand. Niemand bewegte sich. Schuldig wandt sich wieder Hirofumi zu. „Tut es sehr weh?“

Die Szene war so absurd, dass nicht mal Crawford und Nagi in der Lage waren, etwas zu unternehmen.

„Verdammt, was soll das?“ Takatoris Sohn starrte zu dem Schwarz Mitglied hinauf, während aus seinem Mund ein dünnes Blutrinnsal dem Gravitationsgesetz folgte und dicke runde Flecken auf dem Glas unter ihm hinterließ.

„Weißt du, Jonny Boy, du siehst aus, als könntest du nen Arzt brauchen!“, Schuldig ging in die Hocke und tippte seinem Boss auf die Stirn. Die Weiß-Leute tauschten verdutzte Blicke. Waren sie gerade Zeuge einer Meuterei der Schwarz-Leute gegen Takatori? Wieso gerade jetzt?

In diesem Moment fand Crawford seine Sprache wieder: „Hey! Du bekiffter Idiot! Du bringst uns noch alle ins Grab!“

„Klappe, Brad! Im Gegenteil, ich arbeite daran, unsere drei Ärsche zu retten!“ Der Deutsche wandt sich wieder Hirofumi zu: „Ums kurz zu machen. Ich habe keinen Bock, dich zu retten! Du bist uns nur ein Klotz am Bein! Ach ja, ich mag es überhaupt nicht, wenn man mir mit seinem Papi droht! Das was jetzt kommt, hast du dir selbst zuzuschreiben, du Bastard!“
 

Drei Schüsse fielen in rascher Abfolge. Weder Weiß noch Schwarz konnten glauben, dass Schuldig seine Waffe gebraucht hatte. Hirofumi lebte noch. Im Vierfüßlerstand und mit einem Gesicht, in dem die blanke Angst geschrieben stand, starrte er zwischen seinen Händen hindurch. Das Fensterglas, eben noch klar und durchsichtig, hatte drei Einschusslöcher. Lange Haarrisse zogen sich mit jedem Atemzug Hirofumis weiter über die Fläche. Nach einigen Sekunden tat sich nichts mehr. Erst jetzt bemerkte Crawford, dass er die ganze Zeit nicht geatmet hatte. Erstaunlich schnell kehrte die Farbe auf Hirofumis Gesicht zurück und er begann lauthals zu lachen.

„Du hast gerade dein eigenes Todesurteil unterzeichnet, Schuldig!“ Mit seinem linken Ärmel wischte er sich das Blut vom Kinn.

Wäre Takatori einer von ihnen gewesen, hätte Aika ihn jetzt gewarnt. Aber so warteten alle Weiß-Mitglieder weiter ab. Nagi und Crawford liefen auf ihren Boss zu. Schuldig wich zurück, alle Überheblichkeit war Unsicherheit gewichen.

„Takatori-san! Ich gebe Ihnen meine Hand! Sie müssen sofort da runter!“ Der Anführer der Schwarztruppe streckte seinen Arm aus, doch er konnte seinen Chef nicht erreichen, ohne dass sich dieser weiter auf ihn zu bewegte. In einer Kurzschlussreaktion stand Takatoris Sohn auf. Jetzt blickte er direkt in Crawfords Gesicht. Für einen kurzen Moment trafen sich sein siegessicherer Blick und Brads entsetzter. Fast im selben Augenblick zerbrach die Scheibe und Hirofumi verschwand in der entstandenen Lücke. Aika hatte den starken Wunsch, sich die Ohren zuzuhalten, um das entsetzliche Geräusch des Aufpralls nicht zu hören. Der Aufschrei der Menschen im Erdgeschoss drang bis zu ihnen nach oben. Der Deutsche grinste: „Jetzt ist er unten.“

Crawford stand unter Schock. Nur mühsam brachte er es fertig, wieder die Fassung zu erlangen. „Schuldig! Was hast du getan?!“

„Was regst du dich so auf? Der hätte eh bald ins Gras beißen müssen! Ich habe es satt, für diesen Takatori zu arbeiten! Sein Weg führt niemals zur absoluten Macht. Oder hast du das nicht selbst gesagt?“ Schuldig strich seinen kurzen, weißen Mantel glatt. Für einen Moment schwieg Brad Crawford.

„Wusste ich es doch!“ Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern.

„Du Vollidiot! Wenn du so lang wärst wie blöd, müsstest du aufpassen, um nicht mit den Satelliten in der Umlaufbahn zu kollidieren!“ Da war er wieder, der Crawford, der ihnen allen bekannt war. Ungebremst wetterte der Schwarz-Anführer weiter: „Estet braucht Zeit, um das Vertrauen Takatoris Kontakte zu gewinnen! Wir können nicht einfach desertieren! Das heißt, wir müssen erklären, wie zum Teufel Hirofumi ins Atrium des Park Hotels gestürzt ist!“

„Ist doch kein Problem. Die waren's!“ Schuldig zeigte auf die Weiß-Mitglieder.

„Das ballistische Gutachten wird ergeben, dass die Patronen zu deiner Waffe gehören, die wie alle anderen auch in unserem Hauptrechner verzeichnet sind. Bei der Polizei lässt sich diese Geschichte verkaufen, aber nicht bei unserem Sicherheitsmanagment“, Nagi trat neben Brad.

„Egal! Estet ist stark genug, um Takatori die Stirn zu bieten! Wir brauchen nur unterzutauchen!“ Schuldig steckte sich eine Zigarette an.

„Das wird nichts werden“, sprach Yoji die drei an.

„Halt dich da raus! Ihr solltet euch lieber verziehen!“, bellte Crawford ihn an.

„Estet existiert nicht mehr!“ Aika warf Schwarz die schicksalsentscheidende Nachricht hin wie einem Hund das Fressen.

„Dann haben wir nichts mehr zu verlieren!“ Schuldig zog sein Messer aus dem Lederriemen am Gürtel. Plötzlich waren sich die Schwarz-Mitglieder wieder einig. Crawford schrie die verbleibenden Untergebenen an, sich gefechtsbereit zu machen. Die Weiß-Leute tauschten fragende Blicke untereinander. Eine Offensive war reiner Selbstmord. Zögernd gingen die sieben in Abwehrstellung. Aya sah seine Stunde der Rache an Schuldig kommen. Seine Katana funkelte in den Farben der Stadtlichter. Sie wussten, dass sie bald Gesellschaft bekommen würden. Alles musste schnell über die Bühne gehen.
 

War dies das Ende? Das Ende von Schwarz und Weiß? Schüsse hagelten zwischen Pershas Leuten hindurch. Nirgends gab es eine Möglichkeit in Deckung zu gehen. Zu Aikas Entsetzen stürmte Aya wie ein Berserker auf Schuldig zu. Im selben Augenblick streifte eine von Brads Kugeln ihren Oberarm. Nagi lenkte die verbrauchten Geschosse mit mörderischer Geschwindigkeit um und machte es Weiß noch schwerer, nicht getroffen zu werden. Yoji schaffte es glücklicherweise, Crawford die Pistole zu entreißen. In hohem Bogen plumpste sie in das Atrium. Schuldig wehrte mit seiner Waffe Aya ab. Funken schlugen vom Metall.

„Jetzt schick ich dich zur Hölle!“ In den Augen Rans glühte der Hass. Er drängte Schuldig zum Rand des Daches. Mit einem Schrei stach er zu. Brust an Brust standen die Kontrahenten am Abgrund. Aya hatte nicht getroffen. Sein Katana steckte unter dem Arm des Schwarz-Mitglieds. Schuldig legte den verbleibenden Arm hinter Rans Hals und sprach in sein Ohr: „Ich werde mich fallen lassen. Wen denkst du nehme ich mit?“

„Dann sterben wir beide!“, sagte das Weiß-Mitglied ruhig und sprang.
 

Aikas Herz blieb stehen. Sie stürzte zum Rand des Daches. Der Wind blies ihr Haar in alle Richtungen, als sie nach unten sah. Zehn Meter weiter unten lag Schuldig auf einem schwebenden Eisengitter. Nagi hatte ihn gerettet, und mit ihm Aya, der mit einer Hand an der Seite des Gitters hing. Langsam schwebte der unkonventionelle Aufzug nach oben.

Schuldig löste Ayas Finger. „Verdammt! Ich darf jetzt nicht sterben! Nicht, solange der lebt!“ Abyssinian fiel abermals. Doch Yoji hatte reagiert. Seine Drähte wickelten sich um Aya und hielten ihn fest. Omi kämpfte mit Crawford, um ihn daran zu hindern, einzugreifen. Mit vereinten Kräften zogen Angel und Yoji ihren Kameraden nach oben.

Schuldig war schneller oben. Er griff die beiden nicht an, sondern packte Crawford am Ärmel und rannte auf den Hubschrauber zu. Ken, Omi, Manx und Birman versuchten die drei Schwarz Leute zu stellen. Wieder einmal waren Schuldigs Bewegungen zu schnell für Siberian. Crawford und Nagi wichen zu beiden Seiten aus. Einige ihrer Leute opferten sich um den Weiß-Jungs den Weg zu versperren. Mit einem Satz enterten die Flüchtigen den Helikopter. Aya zog sein Schwert aus der Brust eines getöteten Yakuza. „Wieso sterbt ihr für diese Schweine?“

„Warum setzen wir unser Leben aufs Spiel, obwohl wir hätten flüchten können?“ Aika kniete sich neben Pershas Leiche.

„Was machen wir mit ihm?“ Birman hinkte zu ihnen. „Wir müssen ihn leider hier lassen.“ In ihrem Gesicht glänzten die Tränen. „Acht Jahre habe ich für ihn gearbeitet. Was wird jetzt? Die Kritiker werden sich auflösen und ihr könnt nur auf ihre Gnade hoffen.“

Manx hatte den Arm um Omi gelegt. „Erst mal sollten wir verschwinden!“ Angel blickte nach oben.

„Und wie sollen wir das anstellen? Da unten sind die ersten Streifenwagen!“ Yoji wandte den Blick nicht ab.

„Rate mal“ Sie schaute demonstrativ die Fassade hinunter.

„Du spinnst!“ Ken wich zurück.

„Das bedeutet den sicheren Tod. Allerdings hab ich ne gute Lebensversicherung dabei.“ Aika zog eine Pistole aus der Innenseite ihres Mantels.

„Willst du dich erst erschießen und danach springen?“ Yoji verstand nur Bahnhof.

„Dummkopf!“ Sie schoss sechs Mal in das Mauerwerk unter ihr.

„Balinese, spann dein Drahtseil da in die Haken rein! Wir seilen uns zwei Stockwerke tiefer!“ Keiner ließ sich zweimal bitten. Innerhalb zwanzig Sekunden waren alle in eines der unbewohnten Zimmer entkommen.

Im Eiltempo ging es zu einem der Aufzüge. „Wir fahren getrennt voneinander, das fällt weniger auf! In Zweier- und Dreiergruppen!“ Omi schickte Ken und Manx in die Kabine.

Die Türen schlossen sich.

„Balinese fährt mit Angel und mir. Birman mit Abyssinian auf der anderen Seite!“

Einige Minuten später verschwanden acht Gestalten in dem ewigen Strom der Menschen auf der Straße. Beleuchtet von Reklametafeln und Blaulicht verschmolzen sie mit der Masse.
 

____________________________________________________________________________________
 

Endspurt! Schwarz verrät Takatori, wer hätte das gedacht?

Immer wenn ich dieses Kapitel lese, dass überkommt mich ein bischen Wehmut. Zwischen Kapitel 1 und 12 liegen immerhin fast 7 Jahre...
 

Das nächste Mal heißt es Showdown! Wird Takatori besiegt? Oder sehen die Weiß Mitglieder und Angel Hunter ihrem Tod ins Auge?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück