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Angel Hunter

Der Pfad der Rache
von

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Anata wa my true love

Eine Woche war nun vergangen seit dem Auftrag gegen den türkischen Mafiaboss und Dilaras Erzfeind. Immer noch herrschte meist bedrückende Stille, wenn die vier Jungs und das Angel Hunter Mitglied im Blumenladen jobbten. Aya war wieder völlig genesen. Heute war er auf dem Weg zum Krankenhaus. In der Hand hielt Aya einen mittelgroßen Strauß weißer Lilien. Er ging seines Weges in Richtung Sanatorium, vorbei an der Intensivstation.

Was das rothaarige Weiß-Mitglied nicht ahnte, war, dass ihn eine wohlbekannte Person ins Auge gefasst hatte. Aika lag in einem der schneeweißen Betten der Station und beobachtete Aya durch eine Sichtscheibe zum Gang. Sie konnte es nicht fassen. Wusste er, dass sie hier war? Nein, sicher nicht. Aber was hatte er dann vor?

Aika befreite sich von den Infusionsschläuchen. Vorsichtig öffnete sie die Tür, spähte nach links und rechts, bevor sie sich auf leisen Sohlen hinterher schlich. Dieser Teil des Krankenhauses war meistens wie leergefegt. Aya blieb vor einem Zimmer stehen, überprüfte das Namensschild und betrat es dann. Aika warf einen Blick auf die Uhr am Ende des Flurs. „Die Besuchszeit ist gleich vorbei“, stellte sie fest.

Ayas Stimme drang aus dem Raum: „Hallo Aya, geht es dir gut? Ich bin froh, dich endlich mal wieder besuchen zu können. In letzter Zeit war es ein wenig stressig. Hier kümmert man sich gut um dich, das beruhigt mich ein wenig.“

Aika vernahm Schritte und schlüpfte schnell hinter eine Ecke, die als Abstellplatz für einige Besen und einen Kübel diente. Die Krankenschwester betrat das Zimmer.

„Ran Fujimiya, die Besuchszeit ist leider schon wieder vorbei. Vielleicht lässt es sich einrichten, dass Sie einmal früher kommen, um ihre Schwester zu sehen.“

„In Ordnung, ich möchte mich nur noch von ihr verabschieden.“

Sekunden später verließ die Schwester den Raum und verschwand wieder im Aufzug um die Ecke. Ayas Worte waren nicht zu verstehen, aber auch er kam nach ungefähr einer Minute aus dem Zimmer. Langsam ging Aya den langen Flur entlang. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand außer ihnen anwesend war, kam das vermisste Angel Hunter Mitglied aus seinem Versteck.

„Ran!“, rief Aika ihm hinterher. Wie vom Blitz getroffen drehte er sich um.

„Ai…Aika? Du lebst?“

„Oh Ran! Ich bin so froh, dich zu sehen!“ Sie humpelte auf ihn zu. Er rannte ihr entgegen und umarmte Aika stürmisch.

„Wir dachten du seiest tot!“

„Angeschlagen aber lebendig wie du siehst“, sagte sie leise.

„Warst du die ganze Zeit hier?“

„Nein, Schwarz hatten mich gekidnapped.“

Ran ließ Aika los und ging zwei Schritte rückwärts: „Du weißt was das bedeutet.“

„Du willst mich töten?“ Se traute ihren Ohren nicht.

„Ich gebe dir einen Vorsprung, bis wir Persha informiert haben. Tu mir einen Gefallen und hau ab, so lange du noch kannst!“ Er drehte sich um und setzte seinen Weg zum Ausgang fort.

Aika brach zusammen: „Ich bin so gut wie tot. Hab ich alle Strapazen auf mich genommen, um am Ende doch draufzugehen?“ Mayas Worte kamen ihr wieder in den Sinn: „Wir haben unser Todesurteil schon längst unterschrieben.“

„Sie hatte Recht, aber ich werde nicht sterben! Ich habe noch einige wichtige Sachen zu erledigen.“
 

Aya betrat seine Wohnung. Nun war es passiert. Einer von ihrer Seite würde höchstwahrscheinlich sterben müssen. Er ließ sich aufs Bett fallen. Dort blieb er liegen und versuchte angestrengt über etwas anderes nachzudenken. Eine halbe Stunde später läutete es. Aya öffnete. In der Tür stand zu seinem Erstaunen jemand, den er nicht erwartet hatte.

„Hab ich nicht gesagt, du sollt abhauen?!“, schrie Aya Aika an.

„Ich will mit dir reden, jetzt!“ Sie drängte ihn in die Wohnung.

„Bist du hier, um dich zu verabschieden?“

„Halt den Mund, ich stelle die Fragen!“, schnauzte Aika, die nur den Krankenhauskittel und gestohlene Hausschuhe trug, ihn an.

„Was zählt in deiner Welt eigentlich? Warte, bevor du antwortest! Ich weiß es. Geld. Für Geld tust du alles, nicht? Stellt sich dir nie die Moralfrage?“

„Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig!“, schrie Aya.

„Nein? Tut mir Leid, wenn ich dir das so direkt sagen muss, aber eine Morddrohung ist nicht gerade das, was ich unter Kameradschaft verstehe! Für dich zählt doch nur deine eigene verdammte Rache!“

„Für dich etwa nicht?!“, schmetterte er ihr entgegen. „Du hast deine eigene Partnerin umgebracht und stellst mir die Frage der Moral?!“

„Glaubst du, es hat mir Spaß gemacht, den einzigen Menschen zu töten, dem ich je vertraut habe?! Hättest du mir geglaubt, wenn ich dir meine Vermutung unterbreitet hätte?!“ Aikas Zorn stieg.

„Hast du es versucht?! Du kennst unsere Vereinbarung mit Persha! Was ist, wenn du zum Feind übergelaufen bist? Wie soll dir nach der Sache mit Maya überhaupt jemand vertrauen?“ Aya stierte Aika an.

„Mein Leben ist nach außen hin eine einzige Lüge, genau wie deines, aber wenigstens muss ich nicht im Namen eines geliebten Menschen töten!“ Aika biss die Zähne zusammen, sie hatte es gesagt. Ayas Faust zitterte vor Anspannung. Es hatte jemand seine Achillesferse, seinen wunden Punkt getroffen. Er taumelte um Fassung ringend zurück. Seine Hand berührte die Ablage, auf der seine Katana aufgebart war. Sekundenbruchteile später sah sich Aika der schimmernden Klinge gegenüber. Glitzernde Tränen liefen über ihre Wangen.

„Töte mich, wenn dir das einen Teil deines Schmerzes nimmt!“ Sie blickte in seine purpurnen Augen, die vor Zorn funkelten.

„Stirb!“ Mit einem Schrei holte Aya aus und zielte auf ihren Hals. Doch Millimeter davor stoppte er die Klinge. Seine Finger zitterten. Er ließ sein Schwert auf den weißen Teppich fallen.

„Verdammt, Ran! Wir leben in einer Lüge! Ich lebe in einer Lüge! Du verschließt dich vor mir, niemand weiß, was du wirklich fühlst!“ Aikas Wangen glänzten vor Tränen.

„Du bist doch genauso, also erzähl mir nichts von Offenheit!“ Er wich ihrem Blick aus. „Hast du mich je gefragt? Hat es dich je interessiert, was mit uns ist?“

„Nein“, gestand Aya.

Aika ging vorsichtig auf ihn zu und nahm seine Hand. „Dann hör mir jetzt gut zu. Ich mach mir Sorgen um dich und ich will dich nie wieder so leiden sehen wie am Tag im Tempel.“

Aya verkrampfte sich. „Warum, warum sagst du das?“ Aika warf sich an seine Brust und schluchzte: „Ist das für dich so schwer zu verstehen oder willst du es nicht kapieren!“ Sie legte den Kopf an ihn und lauschte den schnellen, dumpfen Schlägen seines Herzens. Aya war total überrumpelt. „Wa? Was machst du? Verdammt warum heulst du schon wieder?“

Aikas Blick fiel abermals auf seinen Nachtisch. Sie bemerkte, dass neben der Geburtstagskarte ein Bild von ihr stand.

„Du, du hast ein Foto von mir? Dann bin ich dir doch nicht so egal. Ich dachte schon, dass mein Verschwinden niemanden interessiert.“ Aya verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. „Du blöde Kuh! Alle haben um dich getrauert! So jemanden wie dich kann man schlecht vergessen! Und jetzt tauchst du plötzlich wieder auf?! Wärst du nur gleich verschwunden, damit ich dich nicht gesehen hätte, dann müsste ich dich nicht melden und du könntest normal leben, glücklich sein, eine Familie haben…“ Zum ersten Mal sah Aika, dass Aya weinte.

„Ich habe aber noch etwas Wichtiges zu erledigen, dass weißt du auch. Allein schon wegen Maya. Außerdem kann ich Dilara nicht allein lassen, die kann gerade mal auf Japanisch flirten und würde wahrscheinlich verhungern oder sonst was Dummes anstellen, dieser Kindskopf!“ Aika zwang sich zu einem Lächeln.

„Was schlägst du vor? Sollen wir dich melden und einfach deine Gefangenschaft bei Schwarz leugnen?“ Aya verschränkte die Arme locker vor der Brust wobei seine Hände sich auf Aikas Rücken legten.

„Nein“, antwortete sie ernst. „Die Kritiker könnten sämtliche Krankenhausakten durchforsten und obwohl ich gesagt habe, ich könne mich nicht an meinen Namen erinnern, würden die bemerken, dass mein Aufenthalt eine Woche gedauert hat. Da meine Wenigkeit aber zwei Tage eingesperrt war, passt das nicht mit den Tatsachen zusammen.“

„Also die ganze Wahrheit.“ Aya hielt sie fest. „Ich schlage vor, du bleibst bei mir, bis eine Antwort von Persha eingeht. Es wäre eine Zumutung für den Rest unseres Teams, dich noch einmal sterben sehen zu müssen.“ Er löste vorsichtig die Umarmung und ging in Richtung Haustür. Aika packte ihn am Handgelenk. „Versprichst du mir was?“ Ihre Blicke trafen sich.

„Falls ich sterben muss… Kannst du es tun?“

„Noch steht nichts fest. Übrigens weiß ich nicht, ob ich’s übers Herz bringen würde, dich zu töten.“ Er ging seines Weges.

Aika ließ sich auf sein Bett fallen. Ihr war so komisch, irgendwie schwebte sie, obwohl ihre Gedanken um Pershas Entscheidung kreisten.

„Wie gerne würde ich Dilara besuchen… Aber Ran hat Recht, meine Anwesenheit brächte alles durcheinander. Ich glaube nämlich nicht, dass Dilara im Fall des Tötungsbefehls, diesen einfach so hinnehmen könnte. Das wäre der Horror für mich, wenn man sie wegen fehlender Loyalität ebenfalls ausschalten würde. Meine Hoffnungen ruhen allerdings bei der anderen Version… Gott, ich weiß, dass ich nicht der gläubigste Mensch bin, aber ich bitte dich, lass mich leben, bis meine Familie gerächt ist!“
 

Dilara, die nicht im Geringsten ahnte, dass sich Aika ein Stockwerk unter ihr befand, putzte mit großem Eifer die Wohnung.

„Blitze, blitze, blitzeblank muss es sein! Erst dann, erst dann kann mein Ken hier rein! Allahallah ich töte jedes einzelne Staubkörnchen! Hya! Hya!“ Sie sprang, oder besser tanzte von einem Eck der Wohnung zum anderen, die türkische Musik erfüllte den ganzen Raum. Dilara hatte mal wieder einen ihrer mein-Hüftschwung-wirkt-gegen-alles,-auch-gegen-hartnäckige-Flecken Tage. Vielleicht war der Auslöser dafür, dass Ken in einer Stunde zum Tee vorbeikommen und sie danach zu einem Fußballspiel der kleinen Jungs, die er ab und zu trainierte, ausführen wollte. Im Kopf schmiedete Dilara bereits einen unfehlbaren Anmachplan. Irre lachend sprang sie aufs Sofa und rief in einem Anfall von leichtem Wahnsinn: „So klappt es! Und dann ist er mein, mein, mein! Jahahaha!“
 

Aika hörte auch ein Stockwerk tiefer noch jedes Wort. Sie schlug sich an die Stirn. „Mein Gott! Die scheint mal wieder auf Großwildjagd zu sein! Der arme Kerl!“ Aika gähnte, sie war ein wenig schläfrig. Tatsächlich war sie Minuten später eingenickt.

Als Aya mit dem Laptop zurückkam, fand er sie ruhig atmend auf seinem Bett wieder. „Wenn sie schläft, ist sie wirklich niedlich… Soll ich sie…?“ Er setzte sich auf die Bettkante, während er ihr sanft über die Wange streichelte. Aika drehte sich in seine Richtung und klammerte sich an seinem Hemd fest. Positiv erstaunt legte sich Aya auf seinen Ellenbogen gestützt neben sie. Nach dem langen Arbeitstag war auch er müde, irgendwann fiel sein Kopf einfach ins Kissen.
 

Dilara war mit ihrem Putzmarathon fertig und probierte sexy Posen auf der Couch aus. Das Haar, welches sie zuvor hochgesteckt hatte, fiel ihr nun in glänzenden Kaskaden über die Schultern. Bei dem Kampf in der Wrestlingarena hatte Dilara es zuvor in stundenlanger Schwerstarbeit geglättet. Ihre Naturhaarpracht gefiel ihr sowieso besser. „Bin ich zu aufreizend gekleidet“, fragte sie sich beim provisorischen Blick in den Spiegel. Dilara trug einen schwarzen überknielangen Rock, den sie mit einem weißen Glitzershirt kombiniert hatte. „Nein, ich denke nicht“, schlussfolgerte Dilara.

„Gut, dann setzte ich mal das Teewasser auf.“ Sie ging in die Küche, in der man vor lauter Sauberkeit fast geblendet war. Kurz nachdem der Wasserkocher lief, klingelte es auch schon. Mit ihrem strahlensten Lächeln öffnete Dilara Ken die Tür.

„Hallo!“, grinste er.

„Hi! Komm doch rein!“ Sie machte eine einladende Handbewegung.

„Danke.“ Ken trat ein.

„Der Tee ist leider noch nicht fertig, setz dich doch schon mal!“, trällerte sie fröhlich. Einige Zeit später tänzelte Dilara, Tassen und Teller mit einer Hand balancierend wieder ins Wohnzimmer. Ken musterte sie von oben bis untern. „Chic, chic, meine Dame!“ „Wirklich? Dankeschön!“, freute sich das Mädchen. „Ich hoffe, du magst schwarzen Tee, was anderes war nicht zu finden.“ Es schien ihr etwas peinlich zu sein.

„Was redest du? Ich trinke fast alles.“ Er nahm ihr die Tassen ab.

„Was hältst du eigentlich von den anderen?“ Ken lehnte sich zurück.

„Ich denke, sie sind ganz O.K. Leider hatten wir noch keine Zeit uns richtig kennen zu lernen. Was ist eigentlich mit Omi los, ist er immer so schweigsam?“

Ihr Gegenüber schloss die Augen und atmete tief aus. „Hat dir Aika von ihrer früheren Partnerin erzählt?“

„Ja.“

„Gut, sie hieß Maya, wie du sicherlich schon weißt, und Omi war ihr fester Freund. Vor knapp sechs Wochen hatten wir einen Auftrag in der Botschaft. Team Angel Hunter drang ins Kellergeschoss ein, wo sich wichtige Dateien auf einem Rechner befanden. Eine Fehlmeldung, wie sich später herausstellte. In Wirklichkeit hatte Schwarz einen Hinterhalt geplant. Bei einen Feuergefecht zwischen den beiden, Schuldig und Crawford, wurde Maya getötet. Aika konnte fliehen. Seitdem ist Omi völlig verändert, aber wir alle sind der Hoffnung, dass er sich wieder fängt.“

Dilara hatte vergessen ihren Tee zu trinken und stellte die unberührte Tasse zurück auf den Tisch.

„Habt ihr sie begraben?“

Ken blickte zur Seite. „Nein, die Geschichte geht ja noch weiter. Crawford hatte Mayas Körper mitgenommen, was Aika sehr zu Herzen ging, weil sie es nicht hatte verhindern können. Hm. Zwei Wochen später erhielt sie einen einfachen Auftrag, die stillgelegte TTSC Fabrik am Stadtrand zu erkunden. Aika hatte das Passwort an einem PC nicht knacken können und lieh sich von Omi auf rabiate Weise ein Entcodierungsgerät. Von da ab kann ich nur nacherzählen, weil keiner von uns dabei war. Also, sie kehrte in die Fabrik zurück und entschlüsselte das Kennwort. Es lautete Maya. Selbige stand Sekunden später dann hinter ihr, mit gezogener Waffe und zwei Schwarz-Leuten im Gepäck. Aika konnte ihre ehemalige Freundin zu einem Duell ohne Anwesenheit der beiden anderen überreden.“

„Ein Duell, mit welchem Ziel?“, fragte Dilara.

„Dem Tod einer der beiden“, antwortete Ken in einem Tonfall, der ihr Angst machte. Noch viel erschreckender war die Erkenntnis, die sich in Dilaras Gedanken brannte: „Da Aika überlebt hat, muss sie, muss sie… Bei Allah! Aika hat ihre Freundin umgebracht?! Das ist ja schrecklich!“ Sie war entsetzt. „Wie, wie konnte sie nur?!“

Ken unterbrach Dilara abrupt. „Du hättest sehen sollen, was Maya mit ihr angestellt hat. Aika hatte eine Kugel in der Brust, nur Millimeter von der Hauptschlagader und der Luftröhre entfernt. Maya hätte keinen Augenblick gezögert, sie zu töten! Aika litt seit dem Vorfall noch mehr an ihren Selbstzweifeln. Was hättest du getan? Dem Tod so nah schaltet sich Mitgefühl aus und alles was bleibt, ist der nackte Überlebenswille, glaube mir, dann macht man keinen Unterschied mehr zwischen ehemaligem Freund und Feind.“ Ken senkte den Blick.

„Ich weiß nicht wie ich handeln würde… und ehrlich gesagt mag ich auch nicht darüber nachdenken. Lass uns über erfreulichere Dinge reden, ja?“ Dilara nippte an dem dampfenden Tee.

„Ich bin einer Meinung mit dir, diese Themen machen mich traurig.“ Ken prostete ihr zu. „Wann spielen denn deine Schützlinge?“

„Heute um halb acht, also in ner Stunde müssen wir in der Sportarena sein.“

„Juhu! Wir feuern sie richtig an, damit sie gewinnen! Wir Türken machen ungefähr so...“ Dilara hüpfte auf der Couch auf und ab, während sie den Namen eines berühmten türkischen Spielers lauthals rief. Ken kugelte sich vor Lachen: „Ich hab noch kein Mädel getroffen, dass genauso verrückt nach Fußball ist wie ich!“

Eine Stunde später standen die beiden tatsächlich in der Sportarena der Highschool. Dilara hatte sich weiße Stiefel mit silberner Schnalle an der Schuhspitze angezogen. Ab und zu ertappte sie Kens verträumten Blick, wenn er ihren Körper mit den Augen zu röntgen schien.

„Ich finde ihn richtig süß!“ Dilaras Wangen erröteten sich, es hatte zwar knapp vier Grad, trotzdem würde es ihr in seiner Anwesenheit nicht kalt werden. Sie standen an der Bande zum Spielfeld und beobachteten den Einmarsch der zwei Schulmannschaften, die sich heute auf dem Rasen messen wollten. Die Spieler waren nicht älter als zehn Jahre. Kens Freunde winkten ihm kurz zu, als sie ihn sahen. Dilara bemerkte, wie sehr er diese Kinder mochte und dass sein ganzes Herzblut im Fußball steckte. Sie hatte es ihm gegenüber nie erwähnt, aber Aika hatte ihr erzählt, dass Ken früher einmal in der J-Liga gespielt hat. Nachdem einer seiner damals besten Freunde ihn durch eine Intrige mit Drogen belastet hatte, war er rausgeworfen worden. So kam er zu Weiß. Mit glänzenden Augen starrte sie Ken an, der fast genauso aufgeregt schien wie seine kleinen Freunde.
 

An einem anderen Ort tagte ein Krisenrat. Birman stand vor sämtlichen Kritiker Mitgliedern und erklärte die Lage. „Angel ist wieder aufgetaucht. Ein Weißmitglied hält sie bei sich versteckt, bis die Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen ist. Wie Sie alle wissen, hat Takatoris Organisation schon einmal ein Mitglied des Angel Hunter Teams in seiner Gewalt gehabt. Cat ist damals wahrscheinlich von einem der Schwarz Männer einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Sie inszenierte ihren eigenen Tod, um zu Takatori überzulaufen. Angel hatte jedoch alles herausgefunden und vollzog ohne Auftrag von Oben die Exekution. Nun ist Ihnen sicher bekannt, dass Angel bei einer Mission scheinbar getötet wurde und genauso plötzlich wie Cat wieder auf der Bildfläche erschienen ist. Jetzt steht die Frage im Raum was, zur Wahrung der Sicherheit von Kritiker unternommen werden soll. Laut offizieller Verordnung gibt es nur drei Möglichkeiten. Eine davon ist, wie allen bekannt sein dürfte, die sofortige Liquidierung der Zielperson.“ Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen.
 

Dilara und Ken feuerten derweil die Tokio Shobun an, so laut sie konnten. Als das eins zu null für die Mannschaft fiel, fassten die beiden sich an den Händen und hüpften jubelnd herum. Ihre Blicke trafen einander und plötzlich blieben die zwei wie angewurzelt stehen. Alles um sie herum schien nicht mehr zu existieren. Die Zeit blieb für diesen kleinen Augenblick stehen. Bis Kens Kopf von einem verirrten Ball getroffen wurde. Einer von seinen Schützlingen entschuldigte sich. Wütend schrie er: „Verdammt, für was bring ich euch das Spielen bei?! Damit ihr Unschuldigen den Kopf wegballert?!“

Verlegen lachend rannte der Junge zurück zu seinen Kammerraden. Dilara konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Ken sah sie mit hochgezogener Augenbraue an, bevor auch er lachen musste. Einige Minuten später ging das Spiel in die Halbzeit.

„Da drüben gibt es Glühwein, möchtest du etwas trinken, Dilara?“ Ken zeigte auf einen Bretterstand etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt.

„Was Heißes wäre eine gute Idee, aber bitte ohne Alkohol. Ich trinke aus Prinzip keinen, weißt du?“ Sie rieb sich die Hände.

„Du sprichst mir aus der Seele, Sportler entsagen dem auch. Vielleicht haben die auch Punsch, schließlich ist das eine Veranstaltung, bei der Kinder dabei sind.“

Tatsächlich schnupperten Ken und Dilara einige Zeit später an köstlich duftendem, dunkelrotem, warmen Punsch. Beide hatten von der Kälte rosige Bäckchen bekommen. Ken schaute auf seine Armbanduhr. „In fünf Minuten beginnt die zweite Halbzeit, wollen wir langsam wieder zu unserem Platz gehen?“

„Klar, ich will nichts verpassen!“ Sie grinste über den Rand des Bechers.
 

In Ayas Wohnung fuhr der Laptop wieder hoch. Der Signalton für eine neue Mail erklang, doch niemand hörte ihn. Aika und Aya lagen eng umschlungen in seinem spartanischen Bett, wo sie selig schliefen.
 

Währendessen war die zweite Halbzeit voll im Gange. Leider konnte die Gegnermannschaft gleich in den ersten Minuten eins zu eins ausgleichen. Umso mehr steigerte sich Dilara in ihr Jubelgeschrei hinein. Ihre Stimme übertraf die der anderen Zuschauer um einige Dezibel. In einer kurzen Pause ihrer Begeisterung trank sie den letzten Schluck aus ihrem Becher und wendete sich an Ken, der mittlerweile heiser war. „Ken, was ist mit dir? Du feuerst deine Kleinen seit Minuten nicht mehr an. Die müssen doch gewinnen!“

„Ich kann nicht mehr schreien… Auszeit bitte… Sonst krieg ich morgen keinen Ton raus!“, krächzte er.

Dilara schmunzelte. „Du bist auch niedlich, wenn du nichts sagst.“

„Du findest mich süß?“

Sie lief knallrot an. „So, so ist das nicht ganz richtig. Ähm, ich meine…“ Ken lächelte über ihre Verlegenheit.

„Allahallah! Das kann doch nicht wahr sein! Ich kann es einfach nicht aussprechen!“ Dilara drehte sich um und kickte einen Eisbrocken weg.

„Du wolltest sagen: ‚Ken, ich mag dich sehr gern.’“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter. Sie wusste nicht, wie in diesem Moment zu reagieren war. Ken sprach weiter. „Und ich hätte dann zu dir gesagt: ‚Dilara, möchtest du mit mir zusammen sein?’.“ Er drehte sie um. Kurze Stille, bevor Dilara antwortete: „Ja, ich will mit dir zusammen sein.“

In diesem Augenblick schoss Kens Schützling, der ihn zuvor am Kopf getroffen hatte, ein Tor. Alle Shobun Fans jubelten, nur zwei nicht, die waren in diesem Moment zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
 

Am nächsten Morgen wachte Aya zuerst auf. Aikas Kopf lag an seiner Brust. Ihr blondes Haar glitzerte golden in der vom Schnee reflektierten Wintersonne. Er betrachte sie eine Weile, bevor Aya vorsichtig seinen Arm unter ihrem Körper herauszog, um Aika nicht aufzuwecken. Er tappte barfuß zum Laptop. Sofort öffnete Aya die E-Mail. Er überflog die Zeilen und es traf ihn wie ein Schlag in den Magen.

„Der Befehl lautet: Liquidierung heute Nacht 0 Uhr am Strand, oh Gott!“ Aya löschte den Auftrag, dann stand er auf zog sich mit mechanisch anmutenden Bewegungen an und ging zum Bett.

„Bin gleich wieder da.“ Er deckte sie richtig zu, danach verließ Aya die Wohnung.

Aika wachte einige Zeit später auf. Mit geschlossenen Augen tastete sie nach Aya. Seine Seite war noch warm. Sie blinzelte in die grelle Morgensonne.

„Wo, wo ist er hin?“ Aika legte sich auf den Rücken, alle Viere von sich gestreckt. „Ob wir schon den Entschluss Pershas mitgeteilt bekommen haben?“ Sie blickte zwischen ihren Brüsten hindurch zum anderen Ende des Raumes. Der Laptop surrte leise.

„Ich sollte mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, sonst werde ich wahnsinnig!“ Da hörte Aika, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, Aya kam zurück.

Schnell schloss sie die Augen und lauschte. Er betrat die Wohnung, hängte seinen Mantel an die Garderobe und ging in die Küche. Das Rascheln von Papier drang in ihr Ohr.

„Was macht er bloß?“ Die Kaffeemaschine gurgelte und blubberte.

„Frühstück!“ Aika lief das Wasser im Mund zusammen. Zehn Minuten später zog ein wunderbarer Duft durch Ayas Wohnung.

Aika merkte, dass er auf das Bett zuging. Seine Hand strich über ihre Wange. „Aufwachen, Kleine… Ich hab Frühstück gemacht.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie schlug die Augen auf und blickte direkt in Ayas purpurne Augen. Sein sonst so ernstes Gesicht hatte erstaunlich weiche Züge angenommen.

„Guten Morgen!“, trällerte Aika.

„Guten Morgen.“ Er lächelte. „Du kannst ja freundlich schauen! Dein Lächeln ist ja umwerfend, schade, dass du uns nicht öfter damit beehrst.“

Sie fuhr ihm neckisch durchs Haar. „Lass uns frühstücken, ja?“ Er half ihr auf. Als Aika die Küche betrat, gingen ihr die Augen fast über. „Du hast dir so viel Mühe gemacht! Wegen mir?“ Aya nickte.
 

Dilara lag leise schnarchend in ihrem Bett. Ein dünner Speichelfaden lief aus ihrem Mund und sie murmelte immer wieder: „Ja ich will dich heiraten… Ich liebe dich… Ken…“

Dilara schmatzte zwei Mal und drehte sich auf die andere Seite.
 

Ein Stockwerk tiefer beendeten zwei andere Personen ihr Frühstück. Aika half Aya beim Aufräumen. Nachdem der letzte Teller abgewaschen war, zog sie Aya ins Wohnzimmer, wo er Aika aufs Bett setzte, ihre Hände jedoch nicht losließ. Aus irgendeinem Grund fühlte sie, dass etwas nicht stimmte. Aya blickte sie an, öffnete den Mund um zu versuchen mit ihr zu sprechen, aber er konnte nicht.

„Was ist denn los?“, fragte Aika besorgt. Er brach unvermittelt in Tränen aus. Da wusste sie, was Aya versucht hatte, ihr mitzuteilen. Ihr Denken setzte in diesem Moment einfach aus. Wie vom Blitz getroffen saß Aika starr auf dem Bett. Nach einigen unbeschreiblich langen Minuten wendete sie sich plötzlich an Aya, der vor ihr auf dem Boden kniete und Aikas Hände immer noch festhielt.

„Willst du mir meinen letzten Wusch erfüllen? Wenn ich schon sterben muss, dann durch die Hand eines Freundes.“

Er starrte sie an. „Du hast deine Meinung nicht geändert. Gut, wenn es dein Wunsch ist, werde ich ihn dir erfüllen. Selbst wenn es mir das Herz bricht.“

„Wo soll das Ganze stattfinden?“ Aika sah ihn nicht an.

„Am Strand, nicht weit von hier.“

„Heute ist Vollmond und der Himmel ist wolkenlos. Das ist ein guter Tag zum Sterben“, sagte Aika mit einem Blick aus dem Fenster.

„Bitte hör auf, so zu reden. Hast du eine besondere Idee, wie du den Tag verbringen willst?“ Aya drehte ihren Kopf, sodass sie ihn ansah.

„Können wir einen schönen Ausflug machen, ins Kino gehen, danach Abendessen in einem Restaurant und den Sonnenuntergang auf dem Tokiotower beobachten? Ich übernehme die Rechnung. Unter dem Sattel meiner Ninja sind ein paar Yen versteckt, die waren eigentlich für den Notfall gedacht, aber jetzt brauche ich ja nicht mehr vorzusorgen.“ Aika bemühte sich, zu lächeln.

„Alles was du möchtest.“ Er nahm sie behutsam in die Arme.

Der Tag war einer der schönsten in Aikas Leben. Aya bemühte sich nach allen Kräften, sie bei Laune zu halten, denn so schrecklich die Entscheidung der Kritiker war, sie konnte nicht rückgängig gemacht oder boykottiert werden. So verging die Zeit schneller als ihnen lieb war. Nach einem fantastischen Essen in einem der besten Restaurants in der ganzen Stadt machten die beiden sich auf zum Tokiotower. Mit dem Lift fuhren sie auf die Aussichtsplattform. Oben erwartete sie ein Ausblick, wie ihn sich Aika nicht erträumt hatte. Der Himmel leuchtete in einem Spektrum aus leuchtenden Orangetönen, Blau, Gelb und Zartlila. Die Sonne war schon fast hinterm Horizont verschwunden.

„Ein herrlicher Anblick!“ Aika lehnte sich über die Brüstung.

„Ja, wie gemalt. Eine solche Farbenpracht sieht man recht selten.“ Aya trat neben sie. In der Kälte wurde ihr Atem als kleine weiße Wölkchen sichtbar.

„Bist du glücklich?“ Er suchte Augenkontakt.

„Sehr sogar. Danke für alles, Ran.“ Aika strahlte.

„Sie nennt mich bei meinem richtigen Namen, dass hat seit Ewigkeiten keiner mehr getan. Komisches Gefühl, gerade so, als wäre mein anderes Ich aus einem langen Schlaf aufgewacht.“ Aya schaute sie wohlwollend an.

Eine halbe Stunde später war die Sonne dem Mond gewichen. Bleiches Licht ließ den Schnee geheimnisvoll glitzern. Bei jedem ihrer Schritte knisterte es unter Aya und Aikas Sohlen. In der Wohnsiedlung angekommen, sah er sich um, ob jemand sie beobachten konnte. Die Luft war rein und so holte Aya Aika hinterher. Es war schön, in der warmen Wohnung zu sein. Aika zog den Mantel aus, den sie sich geborgt hatte. Die Couch wirkte nach einem langen Tag richtig einladend und so kuschelte sie sich in eines der Kissen. Aya ging ins Bad. Er schloss die Tür ab. Seine Glieder zitterten, als er sich auf den Rand der Badewanne setzte. Alles schien wie ein bitterböser Alptraum. Gerade noch hatte er einen wunderschönen Tag mit Aika gehabt und in ein paar Stunden sollte er ihr Leben auslöschen. Aya schüttelte es. Als er vor knapp drei Jahren Weiß beigetreten war, war sein Ziel gewesen, mit dem Geld, das er für die Aufträge bekommen würde, den Krankenhausaufenthalt seiner Schwester zu finanzieren.

Nur deshalb brachte Aya es über sich, Menschen zu töten, die nichts mit seiner persönlichen Rache zu tun hatten. „Aber jetzt ist es anders. Ich muss jemanden töten, der mir viel bedeutet. Es ist so abartig! Ich bin ein Mörder, ich bin ein Verbrecher, auch wenn meine Dienste auf der Seite des Weiß stehen!“
 

Dilara hatte sich einen gemütlichen Fernsehabend mit Ken gemacht, zum Fernsehen sind die beiden allerdings weniger gekommen. Sie schienen süchtig nacheinander zu sein. Aika hätte wohl einen Kommentar abgelassen wie: „Wenn ihr euch weiter so abknutscht, pappen eure Lippen vielleicht irgendwann zusammen, das hätte den Vorteil, dass euch die Mühe erspart wird, euch dauernd von neuem anzusaugen!“ Ken schmunzelte.

„Sag mal, willst du heut bei mir übernachten?“, fragte Dilara scheinheilig.

„Hast du vor, deine guten Vorsätze wegen mir über Bord zu werfen?“

„Natürlich nicht!“ Sie schmollte.

„Hey, sei doch nicht gleich eingeschnappt, war nur ein Scherz!“ Ken hob die Hände. Dilara packte eines der Kissen und schleuderte es in seine Richtung. Da er von dem Angriff völlig überrascht wurde, traf es ihn mitten im Gesicht.

„Ahaha! Getroffen! Getroffen!“, jauchzte Dilara. Im selben Augenblick stürzte sich Ken auf sie. „Lass das! Lass das! Nicht kitzeln! Hihihi!“, die schrie und lachte bis ihr Bauch schmerzte. Ken hielt ihre Arme fest. Sie blickte ihn total außer Atem, aber lächelnd an: „Weiße Flagge! Ich gebe mal wieder auf! Darf ich…“ Sein Kuss unterbrach Dilara.
 

Um viertel vor zwölf weckte Aya Aika.

„Es ist soweit.“ Er reichte ihr seine Hand. Aya spürte Aikas leichtes Zittern. Ihre Augen waren leer, die Lippen bebten. Er verspürte den Wunsch, sie in den Arm zu nehmen, doch dann könnte es passieren, dass sein Auftrag scheiterte. Aikas Hand in der einen, die Katana in der anderen Hand, verließ Aya seine Wohnung.

Wenig später blickten die beiden aufs Meer hinaus. Aika beutelte es so stark, dass Aya befürchtete, sie würde den kurzen Weg zum Ufer nicht durchhalten.

„Geht es?“, fragte er.

„I...Ich denke schon“, bibberte Aika. Die letzten Meter stützte er sie. Das sanfte Rauschen der Wellen beruhigte die Nerven ungemein. Aika schaute in den großen, runden Vollmond, der sich auf der ungleichmäßigen Wasseroberfläche spiegelte. In der Zwischenzeit waren doch ein paar Wolken aufgezogen. Einige Schneeflocken schwebten durch die Luft. Aya klammerte sich an seiner Katana fest.

„Warte“, sagte Aika mit gefasster Stimme. „Ich habe noch etwas zu sagen.“ Sie schloss die Augen. „In unserem Beruf sind die Dinge etwas kurzlebig. Man weiß nie, wie lang man noch Zeit hat. Ich denke Maya war einigermaßen glücklich, bevor sie starb. Sie hat ihr Leben gelebt, als wenn jeder Tag der letzte wäre. Ich hingegen dachte, mein Leben wäre gelebt. Ich dachte, ich hätte nichts zu verlieren. Aber, jetzt weiß ich, dass ich mehr verloren hab, als mir träumen lassen hätte.“

„Bereust du deine Entscheidungen?“ Aya steckte die Katana in die dazugehörende Schwertscheide.

„Nein. Ich hab nur noch etwas zu sagen, bevor das Ende kommt. Und da das jeden Augenblick ist, tu ich’s jetzt!“ Sie öffnete die Augen, drehte sich zu Aya und ergriff seine Hand. „Ran, ich liebe dich.“

Seine steinernen Gesichtszüge entgleisten, sein ganzer Körper verkrampfte sich.

„Du, du brauchst nichts zu sagen. Egal wie du empfindest, ich wollte nur, dass du es weißt, damit ich nicht sterbe, ohne jemals meine wahren Gefühle gezeigt zu haben.“ Sie ließ seine Hand los.

„Es wird Zeit. Du hast heute Nacht eine Aufgabe, die du auf jeden Fall erfüllen musst.“ Aika fiel auf die Knie. Aya war völlig perplex. „Hast du den gar keine Angst?!“

Sie blickte zu ihm auf: „Mehr als du dir vorstellen kannst, aber ich will mir das nicht anmerken lassen. Ich bin ein starkes Mädchen!“

Bei diesen Sätzen kullerten unzählige Tränen über Aikas Gesicht. Aya rührte sich nicht vom Fleck.

„Mach schon, bevor ich’s mir anders überlege!“, schrie sie und neigte das Haupt, sodass sie ihm ihren Hals präsentierte. Wie in Trance zog Aya seine Katana. Mit Tränen in den Augen holte er aus und schlug zu, während von fern eine bekannte Stimme rief: „Stopp! Sofort!“

Aya konnte seinen Hieb nur mit Mühe anhalten. Die Klinge ritzte sich in Aikas Haut. Entsetzt wirbelte er in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Aus der Dunkelheit hob sich langsam eine Gestalt ab.

„Birman“, entfuhr es Aya. Mit besorgtem Gesicht eilte die Kontaktfrau auf sie zu. Auf dem Weg zu ihnen rief sie immer wieder: „Nicht bewegen! Hier wird heute Nacht keiner sterben!“

Als Birman abgehetzt vor ihnen stand, blickte Aika, die sich keinen Millimeter bewegt hatte, vorsichtig nach oben. Die Kälte des gefrorenen Bodens drang durch ihre Hose und betäubte langsam ihre Kniescheiben.

„Oh Gott! Ich dachte, alles wäre zu spät! Bloß weil meine Scheißkarre bei diesen Polartemperaturen stehen bleibt!“, fluchte Birman.

Aya schaute sie verwirrt an. „Was hat das zu bedeuten?“

„Ich erklärs euch. Die Kritiker haben eine Krisensitzung abgehalten, bei der entschieden wurde, was mit Aika passiert. Nun, so eine Angelegenheit wird durch ein Wahlverfahren geregelt. Die Mitglieder müssen sich für eine der drei Antwortmöglichkeiten entscheiden. Mehrheit siegt. Man kann wählen zwischen Leben, Tod oder Loyalitätsprüfung. Bei letzterer entscheidet der Geprüfte über sein Schicksal. Für Aika wurde mit absoluter Mehrheit die Loyalitätsprüfung gewählt. Da sie nicht geflohen ist, bei ihrer Meldung die ganze Wahrheit erzählt und ihren Aufenthalt in einer von Takatori geführten Anlage weder verschwiegen noch geleugnet hat, wurde entschieden, dass Aika weiterhin im Team Angel Hunter agieren wird. Also, hat sich die Sache erledigt, geht nach Hause. Ich verschwinde besser wieder. Bis bald!“ Birman winkte und joggte zur Straße zurück.

Aika schaute zu Aya hoch. Der warf seine Katana zur Seite, fiel ebenfalls auf die Knie und umarmte sie so fest er konnte. Schluchzend vor Erleichterung und Glück klammerten sie sich aneinander. Nachdem die beiden sich beruhigt hatten, nahm Aya Aikas Kopf in die Hände zog sie zu sich heran und küsste sie erst zaghaft, bevor die beiden sich in stürmischen Küssen verloren.

„Darf ich die Nacht bei dir verbringen? Ich möchte nur schlafen, keine Fragen der anderen beantworten müssen.“ Aika hatte sich auf dem Rückweg bei Aya eingehakt. „Dasselbe wollte ich dir gerade vorschlagen. Ein wenig Eigennutz war natürlich auch dabei. Nachts ist es so einsam.“ Sie schauten sich tief in die Augen.

„Wir sind uns so ähnlich…“, dachte Aika. Sie schmiegte sich an Aya.

Auf leisen Sohlen schlichen die beiden zu seiner Wohnung im zweiten Stock. Totenstille, kein Licht brannte mehr.

Aika kicherte in sich hinein: „Wer nicht weiß, dass du hier wohnst, müsste denken wir brechen ein!“

Aya grinste. „Hoffentlich kommt niemand auf die blöde Idee, die Polizei zu verständigen, sonst fängt alles von vorne an.“

„Oh Gott bloß nicht, einen Schock wie den heute Nacht würden meine Nerven keinesfalls überstehen!“, keuchte Aika. Sie betraten die Wohnung. Aya legte sein Katana weg, bevor er seinen Mantel über einen Stuhl warf. Aika hatte sich ihre gesamte Kleidung von ihm geborgt. Ein weißes Hemd und eine schwarze Bundfaltenhose, die ihr nicht wirklich passten.

„Sag mal“, fragte sie schüchtern, „hast du nen Schlafanzug für mich? Das Hemdchen vom Krankenhaus ist ein wenig frisch für diese Jahreszeit.“

Einige Minuten darauf steckte Aika in einem flauschigen schwarzen Pyjama von Aya, der ihr an Armen und Beinen etwas zu lang war. Sie gähnte herzhaft. „Gehen wir schlafen?“

Er antwortete nicht. „Ran?“ Aika schaute sich um. Plötzlich packten sie zwei Arme. Aya trug sie zum Bett und legte Aika vorsichtig hinein. „Ein richtiger Gentleman, hä?“ Er krabbelte zu ihr unter die Decke. „Kein Kommentar.“

„Das ist eigentlich mein Spruch, aber heute bin ich nachsichtig“, sie küsste ihn am Hals. Aya nahm Aika in die Arme und wenig später waren die beiden eingeschlafen.
 

Am nächsten Morgen lief Aika von einer Tür zur nächsten, wobei sie Sturm klingelte. Nacheinander streckten drei Weißmitglieder ihre zerzausten Köpfe aus der Tür. „Hey Leute! Bin wieder da! Wir sehen uns um zehn oben in meiner Wohnung!“ Die Jungs kapierten, ihren Blicken nach zu urteilen, rein gar nichts. Aika hüpfte die Treppe hinauf. Yoji wendete sich zu Omi, der die Wohnung neben ihm bewohnte: „Hab ich Halluzinationen oder war das eben mein Schätzchen?“ Er rieb sich die Augen.

Omi glotzte dumm aus der Wäsche: „Da wir sie beide gesehen haben, war es jedenfalls keine Einbildung.“ Da stürzte Ken zu ihnen: „Oh Gott! Ich habe einen Geist gesehen! Aika ist aus dem Jenseits zurückgekehrt!“ Er hielt kurz inne, blickte in Yojis und Omis Gesicht und meinte: „Nach der Art, wie ihr schaut, habt ihr sie auch gesehen!“
 

Aika sperrte mit dem Schlüssel, den Aya aus ihrem Motorrad geklaut hatte, die Wohnungstür auf. Sie trat ein und etwas Hartes traf ihren Kopf. Ein blechernes Geräusch erklang.

Als Aika die Augen öffnete, blickte ihr Dilara entgegen, in der Hand eine Bratpfanne.

„Bei Allah! Hab ich dir wehgetan? Oh mein Gott, da schickt man dich aus dem Jenseits zu mir und ich verpass dir ne Willkommensbeule!“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund. „Jenseits? Ich bin wahrhaftig und vor allem lebendig! Und ja, das tat höllisch weh! Da freut man sich heimzukommen, von wegen, bei der Begrüßung zieh ich aus!“ Aika hielt sich den Kopf. Dilara schien ebenso wenig zu verstehen wie die Weiß Jungs.

„Wie hast du es geschafft, vom Tode wieder aufzuerstehen?“ Prüfend piekste sie in Aikas Bauch. Diese machte ohne ein Wort kehrt und ging in ihr Schlafzimmer. Dilara blieb wie vom Blitz getroffen im Wohnzimmer stehen.

„Was hast du denn in meinem Schlafzimmer fabriziert?!“ Aikas Geschrei ließ die Wände erzittern.

Dilara zuckte zusammen. „Oh, oh, mein Blumenaltar!“ Sie stürmte Aika hinterher. Die starrte mit eisigem Blick und geballten Fäusten auf ihr mit Blumen vollgestelltes Bett.

„Waah! Ich bin nicht tot! Aber jemand anders könnte es bald sein! Ich will ja keinen anschauen…“ Sie fixierte Dilara mit halb geschlossenen Augen.

„Auf was habe ich mich nur eingelassen! Die Jungs hatten Recht! Bringst du mich jetzt tatsächlich um?!“ Sie klimperte mit den Wimpern. Aika schnaufte tief ein. Dilara hielt sich vorsorglich die Ohren zu, kniff die Augen zusammen und ging in Deckung. Auf einmal lachte ihre Partnerin wie eine Irre: „Hahaha, wie süß! Was hat dir Aya denn so erzählt? Dass ich alle vierteile, die mich nerven?“

Dilara öffnete vorsichtig ein Auge: „So in etwa.“

„Absoluter Quatsch! Ich schreie nur gern herum, das entspannt fürchterlich.“ Aika reichte ihr die Hand.

„Ich freue mich, dass du an mich gedacht hast, obwohl wir uns noch nicht lang kennen.“ Ihre Partnerin schmiss sich ihr an den Hals.: „Ich bin so froh, dass du wieder da bist! Ich dachte, ich würde wieder ganz allein sein!“ Dilara weinte vor Freude.

„Wie hast du es geschafft zu überleben?“

„Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähl sie euch beim Frühstück, die Jungs sind auch eingeladen. Hilfst du mir beim Tischdecken?“ Aika legte die Hände auf ihre Schultern. „Klar!“, lächelte Dilara unter Freudentränen.

Aya war der erste, der klingelte. Er war beim Bäcker gewesen. Aika nahm ihm die Tüten ab. Dilara, die gerade das Besteck aufgedeckt hatte, betrachtete Aya wie einen Außerirdischen.

„Du lässt dich zu einer sozialen Aktivität blicken?“ Sie blinzelte, als ob ein Tagtraum ihre Sinne vernebelt hätte.

„Er ist hier, weil ich ihn darum gebeten habe“, rettete Aika die Situation. Dilara glotzte sie an. „Soll das heißen, dass ich die letzte war, die mitgeteilt bekommen hat, dass du noch lebst?“

„Später“, wich Aika aus. Sie zog Aya zur Seite und flüsterte ihm ins Ohr: „Am besten, wir halten alles, was uns betrifft, erst mal geheim.“

„Einverstanden, ich habe keine Lust auf kindische Bemerkungen.“ Er nickte.

„Schön, dass wir einer Meinung sind“, grinste Aika. Aya strich ihr liebevoll eine Haarsträhne hinters Ohr. Da klingelte es zum dritten Mal an diesem Tag. Vor der Tür warteten Omi, Yoji und Ken, der eine kleine Rose dabei hatte.

Dilara winkte sie alle herein. Der Duft von frischem Kaffee und Tee erfüllte die Luft. Der Wohnzimmertisch war zur Frühstückstafel gemacht worden, um den sich die fröhliche Gesellschaft nun setzte. Dilara freute sich riesig über Kens Rose, machte aber auf Aikas Frage, warum sie so glühe, ein scheinheiliges Gesicht.

Yoji stellte die Frage, welche jedem außer Aya auf der Zuge lag: „Wie hast du überlebt?“ Aika schluckte einen Bissen ihrer Semmel hinunter, um dann mit ihrer Geschichte zu beginnen: „Wisst ihr, ich dachte selbst nicht daran, diese Nacht überleben zu können. Allerdings wurde ich vom Gegenteil überzeugt. Schwarz hatten mich in eine ihrer unterirdischen Komplexe verschleppt. Ich wachte in einem Krankenzimmer auf, keine Ahnung, wie lang man mich dort schon festhielt. Nun, zwei Männer betraten den Raum. Dadurch, dass ich mich schlafend gestellt habe, unterhielten sich die beiden unbedarft. Ihr glaubt nicht, was diese Scheißkerle vorhatten!“ Sie machte eine dramatische Sprechpause.

Die Weiß-Jungs und Dilara klebten an ihren Lippen. Amüsiert von soviel Neugier fuhr Aika fort: „Ich sollte an ein Bordell verkauft werden, nachdem Schwarz mit mir fertig war! In irgendeinen Drecksschuppen namens Lolita, wie geschmacklos! Hm, da hab ich die Schweine gekillt. Hab nur vergessen, dass die Tür codegesichert war…“

Omi fasste sich an die Stirn: “Wie immer, erst killen, dann Fragen stellen… So nebenbei hast du für eine ganz schöne Überraschung bei Kens und Dilaras Auftrag gesorgt!“

Aika runzelte die Stirn. „Wie denn das?“

Ken mischte sich ein: „Wir sollten diesen Burak-Deppen umnieten, der Kerl, dem Dilara-chans Bruder zum Opfer gefallen ist.“

„Den?!“ Aika, die gerade etwas trank, musste sich zusammenreißen, um nicht über den Tisch zu spucken.

„Genau den. Er hätte eben in dieses Bordell gehen sollen. Uns wäre es bequem möglich gewesen, ihn aus dem Hinterhalt auszuschalten und dann unbemerkt zu verschwinden. Aber Takatori muss wegen des Vorfalls mit dem Besitzer beschlossen haben, den kleinen „Vergnügungsausflug“ im Gebäude gegenüber stattfinden zu lassen, auf dessen Dach wir mit dem Scharfschützengewehr postiert waren.“

Aika lachte. „Ich hab doch gesagt, dass Chaos ist nicht zu besiegen! Aber ihr seid ja ziemlich lebendig, deswegen gehe ich davon aus, der Auftrag war erfolgreich war.“

Dilara lächelte. „Ich hab’s ihm mächtig heimgezahlt, dass kannst du mir glauben.“

„Was anderes hatte ich nicht erwartet…“, schmunzelte Aika.

Yoji unterbrach sie: „Du saßt in der Falle, wie bist du entkommen?“

„O.K. Ich erzähl schon weiter. Eigentlich wollte ich den Nächstbesten überraschen, aber leider war mein nächster Gast niemand anders als Schuldig. Pech für mich. Crawford wartete schon mit einem Wahrheitsserum auf mich.“ Aika trank noch einen Schluck.

„Du hast doch nichts?!“, Omi krallte sich am Tischtuch fest.

„Natürlich nicht, wir wissen doch alle nichts, außer drei Codenamen und unsere Aufträge. Völlig uninteressant für Schwarz, aber nicht mal das habe ich gesagt, obwohl die Dreckskerle mir fünf Nadeln durch den Arm gejagt haben.“

„So ein Glück!“ Er atmete auf.

„Glaubst du, die Kritiker hätten mich am Leben gelassen, wenn nur eine kleine Info über meine Lippen gekommen wäre?“ Aika lehnte sich zurück und erzählte, wie sie entkommen war. Als Aika zu der Stelle kam, an der Aya sie am Strand fast getötet hatte, vergaßen ihre Kameraden glatt zu essen.

„Da ich die Loyalitätsprüfung bestanden habe, spricht nichts dagegen, dass ich beim nächsten Einsatz wieder dabei bin“, schloss sie ihre Geschichte. Ihr Magen knurrte und so fügte Aika hinzu: „Und bevor ich vor Hunger sterbe, lasst uns in Ruhe frühstücken! Kann ja nicht jeder von Luft und Liebe leben!“ Dabei warf sie einen Seitenblick zu Dilara, die neben ihr saß.

Diese kam sich ertappt vor. „Wie kommst du denn darauf?“

„Nur so.“ Aika biss in ihre Honigsemmel. Die Gemeinschaft aß mehr oder weniger schweigend weiter. Niemand bemerkte Ayas und Aikas funkelnde Augen. Seit Minuten starrten die beiden sich an.

Na gut, fast niemand nahm Notiz, außer Dilara. Mit argwöhnischem Blick musterte sie Aya, um daraufhin anzumerken: „Hey du, Rotschopf! Was starrst du meine Aika so an?“ Aya wurde aus seiner Trance gerissen. „Ich schaue hin wo ich will, Mädchen! Hast du Angst, sie schmilzt vom Anschauen?“

Aika ging dazwischen. „Nicht streiten. Heute ist mein Tag des Friedens!“ Sie wandt sich an Dilara: „Bist du eifersüchtig? Wenn ja, worauf?“

„Was läuft zwischen euch? Ihr guckt so abwesend.“

„Gar nichts, ich starre so ins Leere, denke über die vergangenen Tage nach“, log Aika. Ihr Blick fiel auf Ken, der, den Kopf auf den Arm gestützt, vor Dilara saß und sich fast ansabberte.

„Und wenn schon, verklärter als der kann nicht mal ich schauen.“ Ihre Freundin folgte Aikas Blick und ihre Wangen wurden leicht rosa, als sie ihn ansprach. „Ken! Mach den Mund zu!“

Gelächter erfüllte den Raum. Dilara stellte die Teller auf einen Stapel und fragte ihn mit zuckersüßem Lächeln: „Hilfst du mir bitte?“ Ken nahm den Rest des Geschirrs mit in die Küche. Als Aika aufstand, um beim Aufräumen zur Hand zu gehen, bremste Dilara sie aus: „Du bleibst schön sitzen und unterhältst unsere Gäste. Ken und ich schaffen das allein.“

Aika zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst.“

Die beiden verschwanden.

„Hat einer ne Ahnung, was die so spinnen?“, Aika war verwirrt. Omi und Yoji grinsten wissend, sie hatten eine Ahnung, weshalb sich Dilara und Ken so merkwürdig benahmen. Aika zuckte abermals mit den Schultern. „Auch egal, unterhalten wir uns über spannendere Sachen. Was war bei euch sonst so los?“

In der Küche hatten Ken und Dilara eine kleine Auseinandersetzung.

„Wieso darf ich dich nicht anschauen? Wir sind doch zusammen, oder nicht?“ Er stellte die Teller in die Spülmaschine.

„Du kannst mich ansehen, wann und wo du willst, aber sabber in Gegenwart von Aika niemals den Tisch an! Du weißt besser als ich, wie sie auf Verliebte reagiert!“ Dilara stemmte die Hände an die Hüfte.

„Zu mir hat sie vor geraumer Zeit was anderes gesagt, außerdem ist Aika irgendwie seltsam, seit sie zurück ist. Vielleicht hat ihr Aufenthalt in Ayas Wohnung abgefärbt und sie ist wegen seiner Ernsthaftigkeit wahnsinnig geworden?“ Ken drehte sich zu ihr.

„Wenn du meinst. Benimm dich trotzdem nicht gar so auffällig. Ich möchte unsere Beziehung so lang geheim halten, bis ich mir sicher bin, dass das länger hält, bist du einverstanden, Ken-chan?“ Dilara setzte ihr entwaffnendes Lächeln auf. Ken nahm sie in die Arme. „Ich bemühe mich, deiner Anziehung zu widerstehen, meine Schöne!“ Sie küssten sich.

Aika lachte sich derweil über einen von Yojis dreckigen Witzen tot. Selbst Aya zeigte sein Lächeln, wodurch Aika noch mehr strahlte. Sie fühlte sich lebendig und leicht ums Herz. Da kamen Dilara und Ken zurück. Mit scheinheiligen Gesichtern setzten sich die beiden wieder an den Tisch. Dilara nippte wie immer vornehm an ihrem Tee.

„Schnüff, schnüff.“ Das Geräusch kam von Aika, die an ihrem Pullover roch. Alle schauten wortlos auf die Mädchen. Nach einiger Zeit verengten sich Aikas Augen zu Schlitzen und sie fixierte Dilara mit diesem durchbohrenden Blick, bevor sie anmerkte.

„Du riechst nach ihm!“ Mit einem Kopfnicken lenkte sie die Aufmerksamkeit auf Ken. „Habt ihr etwa in der Küche rumgeknutscht?“ Aika betonte das letzte Wort akribisch. „Ähhh“ sagten die beiden synchron und wurden von den Fußsohlen bis zum Haaransatz knallrot.

„Ertappt! Mann, bin ich gut!“, sagte ihre Partnerin triumphierend.

Dilara lenkte ab: „Ich mach mal ein wenig Musik an, in Ordnung?“

Ein türkisches Lied dröhnte aus den Boxen der Stereoanlage. Sofort war alle Verlegenheit wie weggeblasen. Sie tanzte durch die Wohnung, wobei Dilara alle, bis auf Aya mitriss. Aika hüpfte mit ihrer Partnerin im Wohnzimmer herum. Ken bewunderte nur seine Angebetete. Mit der Zeit schlich sich Yoji an Aika heran. Der nächste Song war einer der langsamen Sorte. Er umschlang ihren Körper und wiegte sich mit ihr im Takt. Sie lehnte sich an ihn und dachte: „Ich habe euch alle so vermisst!“ Aika schloss ihre Augen, so bemerkte sie Ayas eisigen Blick nicht. Yoji berührte mit der Nase ihren Hals, im selben Moment wurde er von ihr gerissen. Aika öffnete vor Schreck die Augen. Aya hatte Yoji am Kragen gepackt. „Komm ihr nicht zu nahe! Sie ist keine von deinen Einwegfrauen!“

„Hey, hey, reagier mal nicht über!“ Er hob abwehrend die Hände. Aika schlang von hinten ihre Arme um Ayas Brust. „Es ist gut, lass ihn los.“ Er entspannte sich. Sie zog ihn von Yoji weg, der nichts Besseres zu tun hatte, als Aya hinterher zu rufen: „Kannst du ihr das bieten, was ich mit ihr anstellen könnte?“

Damit hatte er das Fass zum Überlaufen gebracht. Aya ging wie ein Verrückter auf ihn los. Nach Fassung ringend beobachtete Aika, wie die ersten Vasen zu Bruch gingen. Kurz darauf fiel der Esstisch mit den restlichen Tassen um. „Oh Gott, meine Wohnung!“ Sie schlug die Hände vors Gesicht und Dilara konnte sie gerade noch davor bewahren, eine von Yoji geworfene Skulptur an den Kopf zu bekommen, die eigentlich für Aya gedacht war. Omi, Ken, Dilara und Aika suchten hinter dem Sofa Schutz. Als im Wohnzimmer fast nichts mehr heil war, hielt es Aika nicht mehr aus. Sie stellte sich hin, wich dem nächsten fliegenden Gegenstand eiskalt aus und schrie so laut es ihr möglich war: „STOOOOP!“ Keine Reaktion, Yoji und Aya prügelten sich weiter. Da wurde es Aika zu viel. Sie streckte beide mit gezielten Tritten nieder, dann packte sie erst Yoji am Kragen: „Du weißt, was ich dir gesagt habe! Vergiss es, zwischen uns ist nichts! Müssen sich Männer immer profilieren?!“

Danach schimpfte Aika Aya: „Wegen mir prügelt man sich nicht! Schau nur, wie du aussiehst!“ Aika tupfte eine blutige Schramme an seinem Kopf ab. Sie wandt sich zu Yoji, drehte seinen Kopf zur Seite und rief zu Omi, der sich ebenfalls aus dem Versteck getraut hatte: „Im Bad ist der Medischrank, lass dir von Dilara den Schlüssel geben! Wir brauchen Pflaster!“

Die beiden taten wie ihnen geheißen. Aika schaute die beiden Streithähne an: „Warum musstet ihr euch schlagen?“

Aya setzte sich auf, packte die vor ihm Kniende und umarmte sie einnehmend.„Sie gehört mir,verstanden?“

Yoji schaute mürrisch drein. „Seit wann?“

„Seit gestern kurz nach zwölf.“ Aika kam sich vor wie eine Puppe, um die sich zwei Kinder stritten. Irgendwie überraschte sie Yojis Reaktion.

„Schön, dass ihr euch gefunden habt. Wehe, du passt nicht gut auf sie auf, dann prügle ich dich windelweich!“

Ayas Finger krallten sich in Aikas Kleidung.

„Darauf kannst du dich verlassen!“

Ken, der wortlos alles beobachtet hatte stammelte: „Die beiden größten Hitzköpfe unserer Gruppe sind ein Paar! Ich glaub, ich werde verrückt! Die Welt wird untergehen!“ Mit diesen Worten fiel er um.

Nachdem die Streithähne verarztet waren, machten sich alle ans Aufräumen. Dilara versuchte Ken, wiederzubeleben.

„Wieso bist du ohnmächtig? Die anderen haben sich geschlagen!“ Er kam auch durch Klatschen auf seine Wangen nicht zu sich.

„Dann eben anders!“ Sie beugte sich über ihn und beatmete ihn, was natürlich völlig unsinnig war, weil Ken von selbst schnaufen konnte. Dilara ahnte aber, was ihr Freund vorhatte. Sie behielt Recht. Ken wollte die Chance nutzen, um ihr einen weiteren Kuss aufzudrücken.

„Du bist ein echtes Schlitzohr!“, kicherte sie.

Nach drei Stunden intensiver Arbeit konnte man sich wieder in der Wohnung bewegen. „Geschafft, allerdings sind sämtliche Möbel draufgegangen!“ Aika machte einen leidenden Gesichtsausdruck.

„Ich finds toll, dass die Jungs das Auseinanderbauen für uns erledigt haben“, meinte Dilara.

„Wie kommst du darauf, dass ich meinen schönen Schrank verschrotten wollte?“ Ihre Partnerin warf ihr einen strengen Blick zu.

„Ähm, du hast ja nichts von dir hören lassen, also dachte ich, wenn Aika nicht wiederkommt, sollte die Wohnung meinem Geschmack angepasst werden. Die neuen Möbel werden am Montag geliefert.“

Dilara ging in Deckung. „Was?! Das erfahre ich jetzt?!“ Aika rastete aus.

„Wann hätte ich es dir sonst sagen sollen?“

„Hast auch wieder Recht. Sonst noch Überraschungen?“ Sie schaute ihre Partnerin durchdringend an.

„Nun ja“, druckste Dilara herum, „morgen kommen zwei Maler, die alles in Rot und Rosa streichen, für eine heimische Atmosphäre.“

„Ahh, ich glaub mein Schwein pfeift! Die ganze Wohnung Rosa?! Ich bring dich um!“

Aika krallte sich den erstbesten Gegenstand, den sie finden konnte, ironischerweise eine Bratpfanne.

„Ken, rette mich!“ Dilara wollte sich in Sicherheit bringen, aber ihre Partnerin war schneller und verpasste ihr einen saftigen Schlag.

„Aua!“, heulte Dilara.

„Jetzt sind wir quitt!“ Aika ließ die Pfanne fallen.

„Aya, wir gehen! Ich brauch Abstand! Das ist ja nicht auszuhalten, was das Mädel in eineinhalb Wochen fabriziert!“

Er zögerte. Aika küsste ihn. „Ich sagte, wir gehen jetzt ein wenig zu dir.“ Aya nahm ihre Hand.

„Bis später, Leute!“ Die Tür fiel hinter den beiden ins Schloss.

„Ach du liebe Güte! Aika ist verknallt und noch unberechenbarer als normal!“ Ken legte einen Arm um Dilara.

„Bin ja gespannt, ob euch zweien das Verliebtsein nicht zu Kopf steigt“, merkte Omi an. Yoji lachte: „Hättet ihr gedacht, dass sich zwei Eisbrocken gegenseitig schmelzen?“ „Wieder mal ein Weltwunder“, grinste Omi.
 

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Da haben sich endlich zwei gefunden. Hat auch lang gedauert^^ Ich hab beim Schreiben selber mitgefiebert... verrückt, oder?

Ach ja, Dilara hat die gleichen Sprüche drauf, wie meine liebe Freundin für die ich diesen Charakter extra entworfen habe. Also nicht wundern^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Evilsmile
2009-07-20T21:42:20+00:00 20.07.2009 23:42
Ach mann Dilara ist so cool!! Mag die jetzt schon mehr als Maya. Ganz am Anfang hab ich maya und aika noch verwechselt *blush* aber jetz bin ich richtig drin ;)
Jap...es war ein sehr emotionales, nervenaufreibendes Kapi, wie du schon angedeutet hast. Ich hab richtig mitgezittert!! Aber dann kam ja birman- und plopp, hatte sich die Sache aufgelöst!!
Das war lustig, dass Aika und Dilara ihre Beziehungen verheimlichen wollten aber dann doch aufgeflogen sind.
Himmel, der letzte Satz, der war der Beste!!! Der ist so tiefsinnig, so lustig, so durchdacht!!!
weiter so!
LG


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