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Borks Geschichte

Der Weg des Wassers
von

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Borks Geschichte

Borks Geschichte
 

Nahe einer weit gestreckten Bergkette lag ein kleines Dorf namens Barasal. Es war gut gelegen, denn in der Nähe floss ein erfrischender Fluss und es gab reichliche Anbauflächen, sodass niemand Not litt. Niemandem des Landes war dieses Dorf bekannt, denn es lag nicht nur nahe am Berg, es lag zwischen den Bergen, in einem Tal. Man kann davon ausgehen, dass es nie mehr als 50 Menschen in diesem Tal gab. Warum, konnte man leicht erklären. In jeder neuen Generation gab es zwei Arten von Personen. Die Heimatorientierten, die stolz und froh darüber waren, in ihrem friedlichen und harmonischen Dorf zu leben und es gab die Abenteuerlustigen, die nicht an die unglückseligen Geschichten über die Außenwelt glauben wollten und beschlossen, sie selbst zu erkunden. Es kam aber nie einer zurück. Man kann vermuten, dass sie entweder die Harmonie in ihrem Heimatdorf wahren wollten und deshalb niemandem in der Außenwelt von ihrem Dorf erzählten. Es gibt aber auch Vermutungen, das die Außenwelt so gefährlich ist, das alle sterben sobald sie dort ankommen, oder gar nicht erst dort ankommen, weil ein schreckliches Monster in den Bergen haust und nur darauf wartet, etwas zu fressen zu bekommen. Ein Vorteil dadurch ist, dass es nie eine Überbevölkerung des Tales gab und die Entscheidungen der Abenteurer zwar für einige Tage die Stimmung drückten, aber schon kurz darauf wieder ein freudiges Treiben herrschte.

Nun brach eines Tages eine Wasserknappheit an. Der Fluss barg nur noch halb so viel Wasser wie sonst und ein allgemeines Unwohlsein entstand. Zum Nachteil aller, war vor einiger Zeit schon der letzte, abenteuerlustige junge Mann aufgebrochen, der alt genug gewesen wäre um zum Ursprung des Flusses zu wandern, um nach der Ursache zu suchen. Es gab nun niemanden, bis auf einige Kinder, der sich freiwillig zu dieser Expedition meldete. So beschlossen sie, es auszulosen, doch das Los fiel auf Bork, der nicht der Schlauste war. Er war nicht geistig zurückgeblieben, aber seine Intelligenz ließ zu wünschen übrig. Nichts desto trotz war er körperlich durchaus in der Lage, diese Aufgabe zu meistern und da die anderen froh waren, das sie nicht ausgelost wurden, akzeptierten sie die Wahl Borks und bereiteten alles für seine Reise vor. Bork wurde verabschiedet und ging los. Immer am Fluss entlang, gegen den Strom. Er trug einen ledernen Beutel mit Proviant und Wasservorräten über der Schulter, an dem eine Decke befestigt war. Es war Sommer und die Sonne schien warm auf ihn herab, weshalb er keinen Mantel mitgenommen hatte, denn er war nicht schlau genug gewesen, mit Regen zu rechnen. Dieser ließ aber nicht lange auf sich warten und bald war Bork durchnässt bis auf die Haut, denn er war ebenfalls nicht schlau genug gewesen, die Decke als Mantel umzuhängen. Sein anfänglicher Enthusiasmus und Stolz, weil ihm das erste Mal in seinem Leben eine so wichtige Aufgabe anvertraut wurde, verschwand fast vollkommen und er sehnte sich nach Hause zurück. Es waren erst einige Tage vergangen, als Bork mitten in den Bergen saß und anfing zu schluchzen. Dicke warme Tränen liefen über sein Gesicht, denn nie in seinem Leben war er so weit weg von seiner geliebten Heimat gewesen. Prompt schien das Wetter Mitleid mit ihm zu haben, denn es hörte auf zu regnen und die Sonne wärmte seinen zitternden Körper. Er blieb dort zusammengerollt liegen bis die Nacht hereinbrach. Sein Körper war nun wieder trocken und er fühlte sich etwas besser. Es gab aber einen anderen Grund weshalb er sich nun aufrappelte um weiterzugehen. Er hörte ein sanftes leises Geräusch, das sein einsames Herz erwärmte. Es war eine Stimme, so traurig wie das Herz einer Mutter dessen einziges Kind starb. Es sang ein Lied, so angenehm wie der Wind, der an einem heißen Sommertag für einen kurzen Augenblick den Körper kühlt. Niemand hätte dieser Stimme widerstehen können. Bork schlich langsam weiter, denn er wollte das Geschöpf nicht bei seinem Gesang stören. Er gelangte zu einem Plateau, dessen Rand nur von Borks Augen überragt wurde. Dort sah er es.

Man kann nicht sagen, ob männlich oder weiblich, denn es strahlte das schützende und liebevolle Gefühl einer Mutter, aber auch den starken und standhaften Eindruck eines Vaters aus. Der Körper bestand aus purem Wasser, in der erkennbaren Form eines Menschen. Am ausgeprägtesten aber war das Gesicht. Bork konnte die klaren, weißen Augen und den singenden Mund erkennen. Das Geschöpf saß auf einem Felsen, neben dem Fluss, der aus dem Berg sprudelte. Bork überlegte, was nun zu tun war. Er wollte das Geschöpf nicht erschrecken, denn er wüsste nicht, was es dann mit ihm anstellen könnte, aber nichts desto trotz strahlte es so eine Vertrautheit aus, das es doch gar nicht böse sein könnte. Oder?

In diesem Moment überkam Bork eine noch bisher unerkannte Gabe. Er lauschte einen Moment noch länger dem Gesang, dessen Worte er nicht verstand, dessen Melodie ihm aber allzu bekannt vorkam, obwohl er sich nicht erinnern konnte, sie schon einmal gehört zu haben. So stimmte er mit einem summen und brummen erst ganz leise und dann immer lauter mit ein. Zuerst schien dem Geschöpf nichts aufzufallen, doch je lauter Bork wurde, je voller und schöner erklang die Melodie und es entstand eine unsichtbare Vertrautheit nun auch vom Geschöpf zu Bork. Seine vollen, weißen Augen erblickten die blauen Augen Borks, die über das Plateau ragten. Es streckte die Hand zu Bork aus und dieser hatte keinen Funken Angst mehr in seinem Körper. So kletterte er hinauf und näherte sich dem Wesen. Er ergriff seine Hand, kniete sich nieder und legte seinen Kopf auf des Wesens Schoß. So erklang das Lied lauter und lauter und erstreckte sich über das ganze Land. Noch in weit entfernten Nischen, des entlegensten Winkels wurden in dieser Nacht alle Herzen erwärmt und niemand dachte mehr an etwas Schlechtes.

Die Sonne stand hoch oben am Himmel, als Bork seine Augen öffnete. Er dachte, er hätte geträumt, denn er lag auf einem Felsen und es gab keine Spur mehr von einem anderen Wesen, außer ihm. Nun sah er, wie dieser Ort wirklich aussah. In der Nacht glaubte er, habe der Platz bläulich geleuchtet und alles sah verzaubert aus, doch nun war er an einem kahlen, düsteren Ort, ohne Leben und Vegetation. Auch der Fluss sah nicht gesund aus. Es floss eine Braune Flüssigkeit aus dem Loch im Berg, die auf keinen Fall genießbar wäre. Auch wenn er letzte Nacht nur geträumt hätte, würde es für ihn keinen Sinn mehr haben weiter zu gehen, denn entweder ging der Fluss im Berg weiter oder er war am Ursprung angekommen. Bork glaubte nicht das er geträumt hatte. Er war sich sicher am Ursprung des Flusses angekommen zu sein, denn er konnte sich noch schwach daran erinnern, wie ihm seine Mutter einmal die Geschichte des Wassergeistes erzählt hat, der am Ursprung leben soll, aus dem alles Wasser der Erde fließt. Er dachte sich, dass der Wassergeist in der nächsten Nacht wiederkommen müsste und wartete. Doch es war vergeblich. Er saß dort oben, bis sein Proviant verbraucht war, doch die Erscheinung der ersten Nacht, kam nicht wieder. Es war ihm nun alles egal geworden. Er hatte keine Kraft mehr um umzukehren. So lag er in der Öde und versuchte nicht an seinen Hunger und Durst zu denken. Die Tage verstrichen, aber irgendetwas war noch in ihm, sodass er noch nicht als Tod bezeichnet werden konnte, auch wenn es von außen so schien.

Das rauschen des Flusses erklang unaufhörlich. Bork nahm davon allerdings schon keine Notiz mehr. Er sah nur wie die braune Brühe den Berg hinunter strömte. Es war das Einzige, das sich an diesem Ort bewegte. Doch eines Tages geschah es. Aus unerklärlichem Grund verspürte Bork den Drang seinen Arm zum Fluss auszustrecken und ein letztes Mal zu spüren, das er noch lebte. Als seine Fingerspitzen das Wasser berührten passierte etwas. Bork spürte wieder Leben durch seinen Körper fließen. Zuerst dachte er, die Strömung rege nur seinen Kreislauf wieder an, doch desto länger er seine Hand im Wasser ließ, desto kräftiger wurde er wieder. Er konnte seine Augen wieder ganz öffnen und sich nach einiger Zeit sogar wieder ein Stück aufrichten. Er verstand nicht was vor sich ging, aber es war ihm warm ums Herz. Er hatte seinen Lebenswillen zurückerhalten. Dies war die Stunde in der sein sehnlichster Wunsch erfüllt wurde. Neben ihm saß wieder das Geschöpf aus Wasser. Es berührte Bork an der Schulter und er konnte ganz aufstehen. Er setzte sich neben das Geschöpf auf den Felsen und dessen Hand blieb an seiner Schulter. Bork hatte sich so viele Fragen gestellt während er gewartet hatte, doch auf einen Schlag, ohne Worte, wurden sie ihm alle beantwortet. Er konnte es spüren.

Er lag richtig mit der Vermutung, dass es ein Wassergeist war. Aber dieser war nur für diesen einen Fluss zuständig. Vor langer Zeit wurde ihm dieser Fluss anvertraut, doch nun war er voller Schmutz und Krankheiten, denn der Fluss ist nur so gut wie die Geschöpfe die von ihm leben. Die Zeiten sind härter geworden. Die Menschen wurden immer unmenschlicher in ihrem Verhalten. Dies ist der Grund warum der Fluss keinen Grund mehr darin sah, diese Menschen mit seinem lebenswichtigen Wasser zu erhalten, da sie es seiner Meinung nach nicht mehr wert waren zu überleben. Der Wassergeist konnte ihn nicht überzeugen, denn er hatte selbst noch nie Kontakt zu einem Menschen gehabt, aber der Fluss genug. Dies ist der Grund, weshalb der Wassergeist jede Nacht dieses traurige Lied gesungen hat, bis Bork kam. Da Der Wassergeist ein Geschöpf der Natur ist, genauso wie der Mensch, spürte er sofort die Verbindung und Vertrautheit, aber er wollte ihn erst einmal beobachten, denn es war der erste Mensch den er je gesehen hatte. Er wollte sich selbst davon überzeugen, ob er es Wert ist weiterzuleben oder nicht. Bork hatte eine reine Seele, ohne schlechte Gedanken und ohne Hass. Er wollte seinem Volk helfen und hätte dafür sogar sein Leben gegeben. Das hatte der Fluss auch bemerkt. Er hatte sich wohl geirrt. Es gab also mindestens einen Menschen, der es Wert war zu überleben. Doch reichte ihm das um alle Menschen weiterleben zu lassen indem er wieder rein wird? Ja, doch er hatte zu lange gewartet. Bork hatte keine eigene Lebenskraft mehr. Sie war zu Ende, als seine Fingerspitzen den Fluss berührten. Da Bork aber der einzige, überlebenswerte Mensch war, floss die Kraft des Flusses in Bork hinein. Dem Fluss tat es Leid, das er so lange gewartet hat. Er ist der Lebensspender für alle Lebewesen, die an ihm wohnen, doch den einzigen, würdigen hatte er verloren. Darum wollte er das wieder gut machen, indem er Bork in sich aufnimmt. Von alleine würde es zu lange dauern um wieder sauber zu werden, aber wenn Bork sein Leben, das nun nur noch von der Kraft des Flusses abhängt, für die Säuberung zur Verfügung stellt, wird es durch seinen reinen Geist fast vollkommen sofort passieren. Bork war verwirrt. Er war also eigentlich schon Tod, lebt aber doch noch durch den Fluss weiter. Außerdem kann er den Fluss wieder voll und sauber machen, würde aber dadurch sein eigenes Leben verlieren.

Bork hatte nie zu den Intelligentesten gehört, aber er wusste den einzigen Weg um seine Verwandten und Freunde rechtzeitig zu retten. Niemand erfuhr je was oben auf dem Berg geschehen war. In den Geschichtsbüchern der großen Bibliotheken ist nur von einer schrecklichen Dürre die Rede, die auf unerklärliche Weise nach einiger Zeit wieder verschwand. Borks Dorf konnte es sich ebenfalls nicht erklären. Sie glaubten, dass es die Natur wohl selbst geschafft hatte sich wieder zu regenerieren und Bork niemals zurückkehrte, weil er verunglückt war und wahrscheinlich nichts dazu beigetragen hatte. Dies drückte zwar für einige Zeit die Stimmung, aber kurz darauf herrschte wieder ein freudiges Treiben und aus dem Stück des Flusses, der am Dorf vorbeiläuft erschallt des Nachts eine beruhigende Melodie.



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