Grausamer Alltag
Ich seufzte. Oh nein. Warum muss der Tag gleich mit Mathe beginnen?
Augenblicklich verschlechtert sich meine Laune. Angestrengt sah ich zur Tafel, versuchte zu verstehen was der Lehrer an die Tafel kritzelt. Denn Schrift konnte man das, was er da machte, wirklich nicht nennen. Was die Sache nicht gerade erleichterte.
Äquivalenzumformung? Habe ich so wie so nie verstanden. Wieder war ein seufzen zu hören.
Und schon schließe ich mit dem Thema ab. Ich war noch nie gut in der Schule gewesen. Um genau zu sagen, hatte ich es nie darauf angelegt es zu sein.
Verstohlen sehe ich mich in der Klasse um und betrachtete meine Mitschüler. Mein Blick bleibt an einem Mädchen mit langen blonden Haaren hängen. Kelly. Sie ist die beliebteste von allen.Was nicht verwunderlich ist, denn sie ist schlank, groß und hat das Gesicht eines Engels.
Und ich kann sie auf den Tod nicht ausstehen!
Die Männer laufen ihr hinterher und die Frauen wollen wie sie sein. Sie ist eingebildet, zickig und schrill. Ich finde sie furchtbar nervtötend.
Ein wenig Neid keift in meiner Brust, doch ich wage es nicht mir dieses Gefühl ein zu gestehen.
meine Augen schweifen weiter durch den Raum. Jeder gehörte irgendwo dazu. Jeder einzelne passt zu jemand anderen. Ob es nun die angesagten sind, die Streber oder die Freaks. Wie meine Oma so schön sagte: Auf jeden Topf passt ein Deckel.
Wieder ein seufzten. Ich hasse diesen Spruch!
Dann bleibt mein Blick wieder auf jemanden heften. Dylan. Augenblicklich bekomme ich ein warmes kribbeln im Bauch. Und wie so oft, schweife ich auch diesmal mit meinen Gedanken weit davon.
Dylan. Eigentlich habe ich für diese ganzen Schönlinge nichts übrig. Sie stolzieren herum wie Pfaue und behandeln andere wie Dreck. Auch wenn ich es nur ungern zugebe, er hat es mir irgendwie angetan. Mit seinem Blonden Haar und den blauen Augen strahlt er richtig und wenn er lächelt ist es, als wenn die Sonne auf geht.
„Miss Gardner!“
Augenblicklich schrecke ich aus meinen Tagtraum auf und sehe mich verwirrt um.
„Miss Gardner, wenn sie dann ihre Augen von Dylan los reißen und dem Unterricht wieder folgen könnten?“
Und schon bricht die Klasse in schallendes Gelächter aus.
Oh nein. Mir schießt das Blut heiß ins Gesicht. Starr blicke ich auf meine verkrampften Hände im Schoß. Bloß nicht aufblicken! Bloß nicht den Spott in ihren Gesichtern sehen!
Heiß und kalt läuft es mir über den Rücken. Für mich gibt es nichts schlimmeres, als ausgelacht zu werden.
„Die ist in Dylan verknallt!“ „Vergiss es, dich will er eh nicht!“ „Was bildest du dir überhaupt ein?“ „Geh dich lieber wieder ritzen!“
Ich kämpfte mit den Tränen. Oh bitte mach, dass es aufhört!
Ich höre aus weiter ferne, wie der Lehrer vergeblich versucht, die Situation zu beruhigen. Vergebens.
Erst das klingeln der Schulglocke rettet mich. Ich packe meine Tasche und flüchte aus dem zimmer, mit dem Gelächter im meinem Nacken.
Ich steuere geradewegs aufs Mädchen Klo zu und verschwinde in einer der Kabinen.
Schwer atmend lasse ich mich an der Wand im Rücken zu Boden gleiten. „Verdammt!“
Und Dylan hat alles mitbekommen. Warum musste ich ihn auch so anstarren?
Tea zog den Ärmel ihres Schirts herunter. Voller Hass blickte sie ihren Arm an.
Ich habe noch nie wirklich dazu gehört. Aber das war erträglich. Tat nicht so weh.
Ich packe meinen Arm, drücke zu, will das es weh tut. Erst seitdem sie das hier gesehen hatten, fingen sie an. Und da begann die Hölle für mich.
Warum? Warum gießen sie so gerne noch Öl ins Feuer?
Sie haben mit dem Finger auf mich gezeigt, haben gelacht und mich herum geschupst. Und immer wieder fragten sie, warum ich es nicht einmal richtig tun würde? Einmal richtig, damit sie mich nicht mehr ertragen müssten.
„Arschlöcher!“
Ich zittere vor Wut. Ich will es wieder tun. Ich muss es! Und dafür hasse ich mich noch mehr. Ich kann es nicht lassen und ich kann es nicht ´richtig´ tun. Ich bin zu schwach!
Minuten vergingen und wieder klingelte es. Die Pause war vorbei.
Ich warte. Warte so lange bis ich nichts mehr höre und die Geräusche von umher laufenden Teenagern verklungen sind. Mit wackeligen Beinen stehe ich auf und verlasse das Mädchen Klo. Misstrauisch sehe ich mich um, um mich zu vergewissern, dass auch niemand mehr auf dem Gang zu sehen ist.
„Gut.“ Langsam schlurfe ich zu meiner Klasse und bleibe vor der Tür stehen. Meine Hand liegt zitternd auf der Klinke.
„Ich schaffe das. Es macht mir nichts aus.“ Doch ich schaffe es nicht die Tür zu öffnen.
Und wieder muss ich mir eine Niederlage eingestehen. Mit hängenden Schultern verlasse ich leise und unauffällig das Schulgebäude. „Ich habe es schon wieder nicht geschafft.“
Ich sehe nach oben. Der Himmel ist bewölkt, wirkt traurig. Auch dafür fühle ich mich verantwortlich.
Ich wühle meinen Mp3 Player raus und lasse mich auf meinem Weg nach Hause von der Musik verzaubern. Es gibt nichts besseres als zu gehen, Musik zu hören und die Gedanken schweifen zu lassen. Mein kleines Stück von Freiheit.
In Gedanken wiege ich mich zu der sanften Ballade, die aus den Stöpseln in mein Ohr dringt.
In Wirklichkeit starre ich vor mir auf den Boden, mein Körper ist leicht gebeugt. Ich signalisiere: Nicht ansprechen und schon gar nicht anfassen!
Und bevor ich mich versehe, stehe ich schon vor dem Plattenbau, dass mein Zu Hause ist. Genauso grau wie der Himmel.
Wann habe ich zuletzt einen klaren Himmel gesehen?
Ich habe das Gefühl, desto näher ich der Platte komme, desto mehr beugen sich meine Schultern.
Als ich in den Flur eintrete, kommt mir der übliche Gestank entgegen. Was die Ursache dafür ist, darüber möchte ich gar nicht erst nachdenken. Menschlichen Abfall in Form von Pennern, gab es hier mehr als genug.
Ich hole meinen Schlüssel raus und öffne leise die Tür zu meiner linken. Vorsichtig sehe ich durch den Türspalt ins innere der Wohnung. Niemand da. Jedenfalls nicht auf dem Flur.
Ich höre den Fernseher aus dem Wohnzimmer. Fußball. Natürlich, was sonst?
Leise schleiche ich weiter. Plötzlich höre ich einen Ruf: „Verdammt, ich habe Hunger. Mach mal ein bisschen hinne!“ Mein Vater.
Meine Mutter antwortet gleich darauf. „Beweg doch selbst deinen Arsch!“ Woraufhin nur ein wütendes Schnauben folgt.
„mmh.“ Leise setze ich meinen Weg fort und erreiche schließlich die Tür zu meinem Zimmer.
Erleichtert atme ich einmal tief durch. Endlich wieder in meinem kleinen Reich. Schnell ziehe ich mir die Schuhe aus, werfe mich aufs Bett und mache meine Schultasche auf. Ich ziehe eine Mappe heraus. Mein größtes Heiligtum.
Ich male und schreibe. Das einzige, was ich wirklich kann.
Mit einem Feuerzeug mache ich eine Kerze an. Ich liebe den Duft von Blüten.
Es ist meine Art mich aus zu drücken. Nur in den Bildern und Versen bin ich, wirklich ich. Ich weiß nicht wie ich es genau beschreiben soll, aber erst auf dem Papier scheine ich eine Persönlichkeit zu bekommen.
„Aus dem Leid, entsteht die Wut. Aus der Wut entsteht der Hass. Der Hass erschafft den Tod. Aus dem Tod entstand das Leid.“
Auch wenn diese Persönlichkeit nicht gerade wünschenswert ist, so ist sie doch besser als völlig leer zu sein.
Auch wenn es ein schönes Ventil ist, so reicht es doch nicht immer aus. Heute will dieser innere Druck einfach nicht verschwinden. Ich versuche dagegen an zu kämpfen. Ich weiß das es falsch ist.
„Nur einmal kurz.“
Ich greife zu meinem Nachttisch und öffne die oberste Schublade. Und schon blitzt sie mich an. Ich versuche immer noch zu widerstehen, stärker als der Drang zu sein.
Doch es hilft alles nichts. Ich greife nach der Rasierklinge und setze sie an. Drücke sie in meine Haut. So wie viele male zuvor, schneide ich mir mein eigenes Fleisch auf.
Ich lehne mich zurück und lasse es auf mich wirken. Ich spüre, wie mein Blut warm an meiner Haut entlang läuft, spüre das Adrenalin, spüre das brennen, spüre die Erleichterung.
Fast schon verträumt verfolge ich die Bahnen meines Blutes. Das Tiefe Rot zieht mich in seinen Bann. Ein kleiner Moment des Friedens erfüllt mich.
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So, erstes Kapitel ist drin ^.^
ich hoffe ihr habt euch jetzt nicht abschrecken lassen.
Und für alle die eine ENS möchten, wenn es weiter geht, sagt mir einfach bescheid.
eure Heka