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Unscharf

von

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Der Songtext ist von Farin Urlaub und gehört nicht mir.
 


 

Wir waren vor ein paar Jahren in diese Stadt gezogen. Ich war schon immer gerne durch die Gegend gelaufen, hatte neue Plätze erkundet, deswegen stromerte ich vom ersten Tag an durch die Stadt.

Auf einer dieser Touren gelangte ich in einen Park und traf dort auf s i e.

Natürlich hatte ich in meinem Leben schon viele Mädchen gesehen, völlig verschiedene Typen, aber sie war irgendwie anders. Sie sah nicht außergewöhnlich aus, ganz im Gegenteil, sie war völlig normal gekleidet, aber dennoch war sie anders. Sie war wie eine Puppe. Wenn ich darüber nach dachte, dann traf es Marionette wohl bedeutend besser. Ich hab bisher in der langen Zeit, in der ich sie kannte, noch nie gesehen, wie sie sich von alleine bewegt hat. Wenn sie sich bewegte, dann reagierte sie nur, strich sich zum Beispiel das Haar aus der Stirn, wenn der Wind es in ihr Gesicht geweht hatte. Aber ich hatte noch nie gesehen, wie sie von sich aus etwas tat.
 

Seitdem war ich so gut wie jeden Tag dort. Meist saß ich auf der gleichen Parkbank wie sie, denn auch sie war ein Stammgast dieses Parks. Sie saß jedes mal völlig regungslos und stumm dort. Aber manchmal sah sie kurz zu mir, wenn ich mich setzte, wandte den Blick jedoch schnell wieder ab.
 

Wieder einmal war ich im Park. Trotz der späten Stunde – es war schon nach 2 Uhr morgens - war auch sie da. Ob sie wohl genauso wie ich nicht schlafen konnte? Die Vorstellung, dass sie sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt hatte, beunruhigte mich, weswegen ich sie schnell aus meinen Gedanken verbannte.

Diesmal bemerkte sie mich nicht, sah nicht auf. Vielleicht ignorierte sie mich aber auch nur. Wer wusste das schon? Ich jedenfalls nicht. Ich wusste überhaupt nur sehr wenig über sie. Nicht einmal ihren Namen kannte ich.

Ich hab vor ein paar Monaten mal in meinem Bekanntenkreis herum gefragt, aber niemand konnte ihn mir sagen. Es war, als wäre sie nicht wirklich da, nicht von hier. Vielleicht von einem anderen Stern? Aber das war natürlich Schwachsinn.
 

Ich setzte mich an das andere Bankende und beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Viel konnte ich nicht erkennen, da ich Brillenträger war, sie aber jetzt nicht auf hatte. So konnte ich sie nur unscharf erkennen.

Unscharf, ja, das passte zu ihr. Es war, als wäre ihr Körper leicht verschwommen und sie fügte sich so ganz leicht in die Umgebung ein, wurde noch unauffälliger, als sie es ohnehin schon war.
 

Wir hatten eine seltsame Beziehung. So gut wie jeden Tag saßen wir hier beieinander, aber wir hatten noch nie miteinander gesprochen. Ich hatte mich bisher nicht getraut – schließlich waren immer andere Menschen um uns herum - und sie beachtete mich ja kaum. Es war frustrierend, aber dennoch genoss ich es neben ihr zu sitzen. Ich war von ihr fasziniert, freute mich jeden Tag darauf, sie wieder sehen zu dürfen.
 

Sie war mir auf eine seltsame Weise vertraut – ähnlich, wie mir mein eigener Körper vertraut war, wenn nicht noch stärker – auch wenn ich sie nicht kannte. Ihr Charakter war mir völlig fremd, deswegen konnte ich auch meine Faszination nicht einordnen.

War ich in sie verliebt oder zog mich nur ihre geheimnisvolle Aura an? Vielleicht war es auch gar nichts von beidem, sondern etwas völlig anderes. Ich wusste es nicht. Und ich glaubte auch nicht, dass ich das je heraus finden würde. Sie redete nicht, jedenfalls nicht in meiner Gegenwart. Mit wem denn auch? Außer mir hatte ich noch nie jemanden bei ihr gesehen.
 

Aber sie war mir immerhin so vertraut, dass ich mittlerweile an ihrer Körperhaltung erkennen konnte, wie es ihr ging. Ich hatte lange dafür gebraucht, hatte sie fast ein Jahr lang studiert und jedes Detail in mich aufgenommen, aber jetzt konnte ich es. Manchmal kam ich mir vor wie ein Stalker... dachte sie auch so über mich? Ich hoffte nicht, aber das wäre eine Erklärung, warum sie mich nie ansprach. Warum sollte sie das schließlich auch tun?

Aber ich sehnte mich viel mehr danach, zu erfahren, was sie dachte, anstatt diese Dinge zu wissen, denn ihre Gedanken verriet ihre Körperhaltung nie. Jedenfalls konnte ich sie nicht so gut lesen, dass ich es erraten konnte.

Ich fragte mich, ob sie es auch genoss, so gut wie jeden Tag neben mir zu sitzen. Ob sie mich irgendwie mochte und mich gerne sah. Aber besonders fragte ich mich, wie ihre Stimme klang.
 

Es war sehr still um uns herum, vielleicht fand ich deshalb nach drei Jahren endlich den Mut dazu, sie an zu sprechen. Wenn ich mich blamierte – was ich sicherlich tat – dann würde es nur sie bemerken. So wie ich sie 'kannte', würde es auch niemand von ihr erfahren. Und vielleicht würde sie ja sogar lachen? Selbst wenn es wohl eher ein Auslachen sein würde, würde es mich nicht im geringsten stören. Ich war wirklich seltsam, dass musste ich zugeben.
 

„Du bist unscharf an den Rändern...“
 

Innerlich schlug ich mir selbst vor die Stirn, etwas bescheuertes war mir wohl nicht eingefallen oder wie? Vorsichtig linste ich aus den Augenwinkeln zu ihr, war trotz meiner Scham gespannt, wie sie reagieren würde. Ob sie überhaupt reagieren würde. Da, sie öffnete den Mund und ich machte mich innerlich schon auf das 'Idiot' bereit, dass sie mir sicherlich um die Ohren hauen würde. Vielleicht auch ein 'Lass mich endlich in Ruhe'.

Aber sie schloss ihn einfach wieder, ohne vorher etwas gesagt zu haben. Hatte sie nur einen tiefen Atemzug nehmen wollen?
 

Ich hatte ehrlich gesagt eine... eindeutigere Reaktion erwartet. Oder sollte ich eher sagen, überhaupt eine Reaktion, die sich auf mich bezog? Aber je länger ich darüber nach dachte, desto weniger ärgerte ich mich darüber. Es passte irgendwie einfach zu ihr. Und wer weiß, vielleicht würde ich ihr ja irgendwann wirklich einmal eine 'richtige' Reaktion entlocken können?
 

Ich stand auf, da ich der Meinung war, sie für heute lange genug belästigt zu haben, und machte mich auf den Weg nach Hause. Ich war froh darüber, dass ich nicht hatte schlafen können, denn so hatte ich erstens sie wieder einmal getroffen und zweitens hatte ich sie besser kennen lernen dürfen. Ich wusste jetzt, dass sie auf billige Anmachen nicht reagierte. Etwas, was irgendwie von ihr zu erwarten gewesen war, wenn ich ehrlich war.

Leise lachend ging ich durch die Straßen, grinste wohl wie ein völliger Volldepp. Ich hatte den Mut gefunden, sie an zu sprechen. Von jetzt an konnte es nur aufwärts gehen und irgendwann, irgendwann würde sie mir das geben, was ich am allermeisten wollte...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-05-27T11:14:39+00:00 27.05.2009 13:14
Das ist wirklich gut umgesetzt, ich finde vorallem gut, dass du dich nicht Zeile an Zeile an die Lyrics gehalten hast, sondern der Geschichte wirklich eine richtige Geschichte zugeordnet hast.
Besonders der Bezug auf das Unscharf und dem Brillenträger war gut,
also ich weiß kaum noch was ich schreiben soll, ich hoffe es ist okay, wenn ich schreibe, dass ich sie einfach toll fand =)
,Mischa


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