Friend or Foe
Wie angewurzelt blieb Modis stehen und konnte den Blick nicht von der Szene lassen, die sich vor ihm abspielte. Unbarmherzig griff Hassar - und er war sich sicher, dass es sein alter Freund war - mit seinen Soldaten die Leonarden an, welche sich kaum gegen die Überzahl der Feinde wehren konnten. Wie oft hatte er gehofft ihn irgendwann einmal wieder zu sehen, doch das, was er nun vor sich sah ließ etwas tief in ihm zerbrechen. Plötzlich streifte ihn Hassars Blick, hasserfüllt und kalt, wobei es jedoch nur einen Augenblick dauerte, bis sich Erkennen und damit auch Überraschung in den goldenen Augen widerspiegelte. Der andere Mann schritt auf ihn zu, was Modis dazu veranlasste zurückzuweichen. Neben ihm schrie einer seiner Freunde auf, was ihn endlich wieder zur Besinnung brachte. Er durfte sich nicht davon einschüchtern lassen, dass es Hassar war, der als Feind vor ihm stand, denn immerhin hatte er geschworen die Leonarden zu beschützen. Entschlossen packte er also sein Schwert und stellte sich Hassar entgegen, der abrupt stehen blieb, als er sah, dass Modis in Kampfhaltung gegangen war.
Ohne weiter nachzudenken stürmte dieser nun auf seinen ehemaligen Freund zu und ihre Schwerter trafen klirrend aufeinander, als Hassar seinen Hieb parierte. Konzentriert holte Modis erneut aus und die beiden lieferten sich einen harten, erbitterten Kampf, bei dem Modis immer mehr von Hassar zurückgedrängt wurde, während hinter ihnen weiter der Kampf zwischen den Rebellen und der Riamer Garde tobte. Die ganze Zeit schaute Hassar ihn mit diesem durchdringenden, undeutbaren Blick an, was Modis ein klein wenig nervös machte. Außerdem fragte er sich, was Hassar damit bezweckte sich von den anderen Kämpfern zu entfernen, denn mittlerweile konnte er die anderen nicht mehr sehen, da Bäume um sie herum sein Sichtfeld beeinträchtigten. Hassar grinste ihn an und plötzlich stolperte Modis mit einem leisen Aufschrei nach hinten.
Durch seine Unaufmerksamkeit war er über eine Baumwurzel gestolpert und das Ganze hatte ihn so sehr überrascht, dass ihm sein Schwert aus der Hand fiel und außerhalb seiner Reichweite liegen blieb. Hassar lächelte selbstgefällig auf ihn hinab und ehe sich Modis aufrappeln und nach seinem Schwert greifen konnte, hatte sich Hassars Klinge an seinen Hals gelegt. Das war es nun also. Resignierend sank Modis in sich zusammen und lachte bitter.
"Na los, töte mich! Auf was wartest du denn noch?"
Die Augen schließend dachte er an die Vergangenheit. Hassar und er waren seit Kindertagen befreundet gewesen, bis zu diesem schicksalhaften Tag vor fünf Jahren, an dem sie sich durch unglückliche Umstände aus den Augen verloren hatten. Als er noch jünger gewesen war, hatte Modis immer zu Hassar aufgesehen, da dieser ihn beschützt und verteidigt hatte. Es schmerzte Hassar als Feind gegenüber zu stehen und er fragte sich, wie es soweit hatte kommen können. Sein Blick streifte Hassar, der noch immer vor ihm stand und sich nicht rührte. In den fünf Jahren hatte er sich kaum verändert, doch seine Züge waren härter geworden und Modis lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als er an den Hass dachte, der sich in Hassars Augen widergespiegelt hatte.
Mit einem dumpfen Aufprall fiel Hassars Schwert zu Boden und er ging vor Modis auf die Knie, schlang seine Arme um den perplexen Mann und drückte ihn fest an sich. Modis keuchte erstaunt auf und wusste nicht wie ihm geschah, doch er lehnte seinen Kopf an Hassars Schulter.
"Modis... Ich dachte du wärst tot!"
Hassars Griff um seine Schultern wurde noch fester und Modis zitterte leicht, als er die Emotionen in der Stimme des sonst so stoischen Mannes hörte. Ohne weiteres Zögern umarmte er seinen Freund nun ebenfalls und seufzte tief.
"Das war ich auch beinahe. Ich... ich hab dich gesucht, Hassar... Aber niemand wusste etwas von dir."
Modis schloss die Augen und jegliche Anspannung verließ seinen Körper. Diese Nähe zwischen ihnen brachte alte Erinnerungen zurück und auch alte Gefühle, von denen er gedacht hatte, sie ein für alle mal begraben zu haben. Wie von selbst wanderte seine Hand zu Hassars Nacken und streichelte dessen Haar, was diesen wohlig aufseufzen ließ. Was sie hier taten war völlig irrational und obwohl Modis noch immer die Geräusche des Kampfes hörte und seinen Gefährten zur Hilfe kommen sollte, brachte er es einfach nicht fertig sich von Hassar zu lösen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er seinen Freund tatsächlich in den letzten Jahren vermisst hatte.
"Ach Modis, ich bin so froh dich endlich wieder gefunden zu haben..."
Weiche Lippen drückten einen sanften Kuss auf seinen Hals und Modis musste sich zusammenreißen um nicht aufzukeuchen. Seine Hand verkrampfte sich in Hassars Haaren und als er eine feuchte Zunge an derselben Stelle, auf die Hassar zuvor den Kuss gehaucht hatte spürte, riss er erschrocken die Augen auf.
"H-Hassar! Was...?"
Verwirrt lehnte sich Modis etwas zurück und Hassars Griff lockerte sich, jedoch nur soweit, dass sie sich in die Augen sehen konnten. Hassars Blick war geradezu brennend und Modis fing leicht an zu zittern, nicht weil er Angst gehabt hätte, sondern weil er ein bisschen unsicher war, was Hassar nun tun würde. Dessen Augen wanderten zwischen Modis' Lippen und dessen Augen hin und her, wobei er sich über die Lippen leckte. Langsam überbrückte er die wenigen Zentimeter zwischen ihnen und Modis schluckte schwer, wimmerte leise, als sich ihre Münder trafen. Sanft und leicht lagen ihre Lippen aufeinander und erst, als Modis ihn nicht zurückwies intensivierte Hassar den Kuss, legte seine Hände an Modis' Wangen. Der wusste erst nicht, was er tun sollte, warf dann jedoch alle Zweifel über Bord und erwiderte Hassars Kuss mit einer Vehemenz, die sie beide aufkeuchen ließ. In seinem Vorhaben bestätigt, fuhr Hassar mit der Zunge über Modis' Unterlippe, bat so stillschweigend um Einlass, den sein Freund ihm auch gewährte. Es war wie ein elektrischer Schlag, als ihre Zungen einander berührten und Modis klammerte sich an Hassars Schultern fest. Sanft streichelte Hassars Zunge an Modis' entlang und erforschte dann dessen Mundhöhle, ehe er sich nach Luft ringend vollkommen zurückzog. Atemlos schauten sie einander wieder an und Modis strich sich über die leicht geschwollenen Lippen, konnte nicht ganz fassen, was sie soeben getan hatten.
Jegliche Gedanken schienen aus seinem Kopf verschwunden zu sein und noch immer konnte er Hassar auf seinen Lippen fühlen. Modis verstand nicht, warum Hassar ihn - nachdem sie sich fünf Jahre lang nicht gesehen hatten - plötzlich auf einmal geküsst hatte. Verzweifelt hatte er in den vergangenen Jahren versucht seine Gefühle für Hassar zu verdrängen und hatte es bis zu diesem Augenblick auch sehr gut geschafft, doch nun war es, als würde ein Damm in ihm brechen und das Verlangen nach Hassar wie eine Sintflut zurückkehren lassen. Es
machte ihm Angst, weil alles so ungewiss war und er nicht wusste, ob er Hassar, den er soeben wieder gefunden hatte bald wieder verlieren würde.
Hassar beobachtete Modis schweigend, streckte jedoch erneut eine Hand nach ihm aus und streichelte über seine leicht gerötete Wange. Ihr war beinahe das Herz stehen geblieben, als er Modis auf einmal vor sich gesehen hatte - und dann auch noch auf der Seite der Rebellen. So lange hatte er gedacht, dass sein Freund tot war und es erschütterte ihn tief Modis lebendig vor sich zu haben, was er sich äußerlich natürlich nicht anmerken ließ. Der Drang in ihm den anderen zu berühren war übermächtig gewesen, ihn zu fühlen und sich mit den eigenen Fingern zu vergewissern, dass er real war und nicht nur ein Streich, den ihm seine Fantasie spielte. Modis zu küssen, war aus einem Impuls heraus geschehen und nun, wo er den Kuss Revue passieren ließ, bemerkte er wie richtig es sich angefühlt hatte. Er hatte den anderen so sehr vermisst und es war ihm schwer gefallen nach vorn zu sehen, sein Leben weiterzuleben, obwohl er geglaubt hatte, dass Modis tot war. Früher waren sie einander so nah gewesen, hatten sich blind vertraut und Hassar war sich sicher, dass die Zeit, die er mit Modis verbracht hatte die glücklichste in seinem Leben gewesen war. Was auch immer passieren würde, er schwor sich Modis jetzt nicht mehr aus den Augen zu verlieren und an seiner Seite zu bleiben.
"Warum?"
Modis' zaghafte Frage ließ Hassar den Blick wieder heben, den er zu Boden gewandt hatte. Es gab vieles, dass er auf diese Frage hätte antworten können, doch er hatte ein wenig Angst vor Modis Reaktion, davor, dass dieser ihn zurückweisen würde. Ohne es wirklich zu wollen, wurde er defensiv und verweigerte es sich vor Modis zu rechtfertigen.
"Wenn du jetzt von mir erwartest, dass ich mich entschuldige muss ich dich leider enttäuschen, denn es tut mir nicht leid, dass ich dich geküsst habe Modis!"
Fassungslos schaute Modis seinen Freund an und wich ein Stück vor ihm zurück. Mit einer solch heftigen Antwort hatte er nicht gerechnet und er wusste auch nicht, wie er nun darauf reagieren sollte. Natürlich wollte er keine Entschuldigung dafür, dass Hassar ihn geküsst hatte, er wollte einfach nur eine Erklärung. Sie waren immer eng befreundet gewesen, jedoch nicht mehr und Modis wusste einfach nicht, woher der plötzliche Sinneswandel Hassars kam, besonders nachdem sie sich über solch eine lange Zeit nicht gesehen hatten. Modis hatte damals mehr für seinen Freund gefühlt, sich jedoch nie etwas anmerken lassen, weil er ihre Freundschaft nicht gefährden wollte, denn diese war das Wichtigste in seinem Leben gewesen. Zwar hatte er über die Jahre hinweg versucht diese Gefühle zu vergessen, doch auch in fünf Jahren und ohne die Gewissheit, dass er Hassar jemals wieder sehen würde, waren diese nicht weniger geworden oder gar verschwunden. Und nun waren sie eigentlich Feinde...
"Ich möchte keine Entschuldigung, sondern einfach nur eine Erklärung, Hassar... Warum hast du mich geküsst?"
Modis hatte nur sehr zaghaft gesprochen und seine Stimme klang sehr unsicher. Wieder wollte er sich verteidigen, konnte sich jedoch im letzten Moment davon abhalten. Er sollte ehrlich zu Modis sein und nicht irgendwelche Ausflüchte erfinden, nur damit er nicht verletzt wurde. Vielleicht war es ja auch ein gutes Zeichen, dass sein Freund keine Entschuldigung für den Kuss wollte.
"Ich wollte es einfach..."
Nervös fuhr er sich mit einer Hand durch die kurzen silbernen Haare und schloss kurz die Augen, ehe er Modis wieder anschaute.
"...und es hat sich so richtig angefühlt. Du bist der einzige Mensch, der mir je wirklich etwas bedeutet hat und als ich dachte du wärst tot..."
Seufzend zog er Modis wieder in seine Arme und war dankbar dafür, dass dieser sich nicht dagegen wehrte. Sanft streichelte Hassar über Modis Rücken, legte seinen Kopf auf dessen Schulter und sprach flüsternd weiter, wobei seine Lippen leicht Modis Ohr berührten und er fühlte wie dieser dabei erschauerte.
"Ich war so verzweifelt und irgendwann habe ich aufgehört mich um irgendetwas zu kümmern. Mir war alles egal... Die Menschen und Leonarden die ich getötet habe - es hat mir nichts bedeutet - denn ich habe nichts mehr gefühlt, da war nur noch diese Leere, die du hinterlassen hast..."
Modis konnte nicht glauben was er da hörte und sein Herz tat weh bei dem Gedanken daran, was Hassar durchgemacht hatte. Gleichzeitig jedoch lief ein Schauer über seinen Rücken, als er daran dachte, wie viele Leben sein Freund in den fünf Jahren ausgelöscht haben mochte. Fest kniff er die Augen zusammen und wollte nicht daran denken. Er wünschte sich die letzten fünf Jahre wieder rückgängig machen zu können, aber natürlich war das nicht möglich. Alles was er tun konnte, war diese zweite Chance, die sie hier und jetzt hatten beim Schopf zu packen und auf eine gemeinsame Zukunft mit Hassar zu hoffen, der ihn scheinbar genauso sehr vermisst hatte, wie er ihn. Sanft drückte er Hassar von sich weg, sah den Schmerz und die Verzweiflung in dessen Blick und konnte einfach nicht anders. Wie von selbst trafen sich erneut ihre Lippen und alles was Modis wollte, war Hassars Schmerz und Leid wegzuküssen, ihm zu zeigen, wie sehr er ihn liebte. Kurz erschrak er bei diesem Gedanken, doch tief in seinem Herzen hatte er schon immer gewusst, dass es Liebe war, die er für Hassar empfand. Der Kuss den sie nun teilten, war mit dem ersten zaghaften kaum zu vergleichen. Zwar hatte er ebenfalls sanft angefangen, doch je länger ihre Münder aufeinander lagen, desto leidenschaftlicher küssten sie sich. Ihre Hände wanderten fahrig über den Körper des jeweils anderen, wollten berühren wo sie nur konnten.
Hassar stöhnte in den Kuss und bemerkte, dass ihm seine Hose langsam aber sicher zu eng wurde. Ohne weiter nachzudenken zog er Modis näher zu sich und fühlte plötzlich dessen Härte an seiner eigenen. Modis wand sich in seinen Armen, was ihre Erektionen aneinander rieb und Hassar musste den Kuss beenden, schnappte wie wild nach Luft. Modis schien es nicht viel besser zu gehen und Hassar bemerkte, dass sein Freund sich nicht mehr bewegte. Leicht und doch bestimmt hielt er Modis in seinem Griff, rieb sich dieses Mal bewusst an seinem Freund, was dem anderen ein kehliges Stöhnen entlockte. Modis hatte den Kopf zurückgeworfen und sein Mund stand leicht offen, während er schwer atmete. Vorsichtig löste Hassar Modis' Haarband, so dass dessen hüftlange Mähne wie ein Vorhang aus Seide um sie herum fiel. Andächtig fuhren seine Finger durch die weichen Haare, vergrub er seine Nase in ihnen und sog tief Modis' Duft ein. Ein Hauch Vanille und etwas, das unverkennbar Modis war strömte ihm entgegen, ein Geruch der ihn an damals erinnerte. Immer und immer wieder rieben sie sich aneinander, kämpften ihre Zungen um Dominanz, bis Modis schließlich sein Gesicht an Hassars Schulter vergrub und so seinen Aufschrei dämpfte, der seinen Höhepunkt begleitete. Hassar brauchte ebenfalls nicht viel länger, gab aber kaum einen Laut von sich.
Zitternd hielten sie einander in den Armen, drückten sich fest aneinander und wollten nie mehr loslassen. Doch irgendwann löste sich Modis wieder von Hassar und schaute diesen mit einem ernsten Gesichtsausdruck an. Es gab noch etwas, das zwischen ihnen stand und es war an der Zeit das letzte Hindernis zu überwinden. All seinen Mut zusammennehmend schaute Modis direkt in Hassars Augen und nahm dessen Hand, ehe er sprach.
"Ich liebe dich, Hassar."
Wie vom Donner gerührt starrte Hassar Modis an und war vollkommen sprachlos. Unsicher wich er nun dessen Blick aus und starrte auf ihre Hände. Es war typisch Modis selbst so etwas in kurze und prägnante Worte zu verpacken. Seufzend streichelte er mit dem Daumen über Modis Handrücken, während er sich eine Antwort überlegte. Er wusste nicht, ob er Modis liebte, denn er wusste nicht wie man dieses Gefühl definierte. Alles was er wusste war, dass er Modis nicht noch einmal verlieren wollte.
Modis zweifelte langsam daran, dass es eine gute Idee gewesen war sich Hassar zu offenbaren. Die unbehagliche Stille zwischen ihnen machte ihn geradezu wahnsinnig und er wollte seine Worte schon zurücknehmen, als Hassar sich räusperte und anfing zu sprechen.
"Ich weiß nicht ob ich dich liebe, Modis... Ich hab noch nie jemanden geliebt, deswegen weiß ich nicht, ob das was ich für dich fühle Liebe ist... Ich weiß nur, dass ich dich nicht wieder verlieren und dich an meiner Seite haben will."
Sanft drückte er Modis Hand und hoffte, dass er seinen Freund nicht allzu sehr verletzt hatte. Als Modis ihn leicht anlächelte und nickte, fiel ihm geradezu ein Stein vom Herzen. Er war froh, dass sein Freund verstand, was er zu erklären versucht hatte. Er war noch nie ein Mann vieler Worte gewesen und das würde sich wahrscheinlich niemals ändern, aber für Modis würde er sich Mühe geben. Keiner von ihnen konnte wissen was die Zukunft brachte, jedoch wusste Hassar, dass er alles tun würde, damit er diese gemeinsam mit Modis erlebte.