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Würfelzucker

„Ein guter Detektiv lässt sich nicht von seinen Emotionen leiten. Er lebt für seine Arbeit und erlaubt sich keine Subjektivität“
von

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Nachrichten

„Ein guter Detektiv lässt sich nicht von seinen Emotionen leiten. Er lebt für seine Arbeit und erlaubt sich keine Subjektivität“
 

Zwei Sätze, die jedes einzelne Kind in Wammy’s Haus im Schlaf aufsagen könnte. Ihnen wurde schon sehr früh beigebracht, was es bedeutete Verbrechern das Handwerk zu legen und in jeder Situation einen klaren Kopf zu bewahren. Besonders ein Junge schien ein Naturtalent dieser Kunst zu sein.
 

„Near“, ertönte eine Stimme durch das Esszimmer in dem gerade unzählige Kinder und Jugendliche ihr Mittagsmahl verspeisten. Der weißhaarige Junge erhob seinen Kopf und drehte ihn in Richtung Türe, woher auch sein Name zu erklingen schien. „Komm nach dem Essen in mein Büro.“ Der Mann der nun das Aufsehen des gesamten Raumes erregt hatte war Roger Ruvie, der in Abwesenheit von Quillsh Wammy das Waisenhaus leitete.

Near nickte nur stumm und widmete sich wieder seiner Suppe welche, er gerade erst zu essen begonnen hatte.

Währenddessen starrten einige Kinder ihn an, andere flüsterten. Man konnte Wortfetzen wie „perfektes Ergebnis“ oder „Wetten wieder ein Lob ...- - besondere Fähigkeiten...“ heraushören, was den apathischen Jungen nicht sonderlich zu stören schien. Es fielen auch Worte wie „arrogant“ und „eingebildet“, da die meisten es nicht verstanden, wie man es scheinbar als selbstverständlich ansehen konnte, dass einem Aufmerksamkeit in diesem Maße entgegengebracht wurde. Besonders Mello war dieses Verhalten zuwider, was man auch an seinem Gesicht ablesen konnte. Near hatte alles was der Blonde jemals wollte und er nahm es einfach so hin. In aller Ruhe schlürfte er seine Suppe, als ob nichts wäre. Doch jeder wusste, wer extra ins Büro geholt wurde, hatte entweder etwas angestellt oder besondere Leistungen vollbracht und da Near nie mit jemanden stritt, geschweige denn sich prügelte, konnte es nur letzteres sein.
 

Als er schließlich fertig war packte er sein Puzzle zusammen, nahm seinen leeren Teller und erhob sich langsam von seinem Stuhl. Auf seinen Weg zur Türe stellte er den Teller auf einen kleinen dafür vorgesehenen Tisch ab und schleifte sich in Richtung Büro. Träge öffnete er die prunkvolle Türe, machte einige Schritte hinein und ließ sich am Teppich nieder. Erneut senkte er seinen Kopf und widmete sich nun seinem Puzzle. Stück für Stück nahm er die Teile in die Hand und begann ein Grundgerüst, den Rahmen, aufzubauen.

Obwohl beide, Roger und Near, anwesend waren erfüllte eine erdrückende Stille den Raum.

„Near“, begann der ältere Herr schlussendlich, „Wie du weißt kämpfen du und Mello um den Platz als Ls Nachfolger. Und auch, dass du momentan weit in Führung liegst.“

Er machte eine Pause um den Jungen zu beobachten, doch dieser schien völlig in sein Tun vertieft zu sein. Aber Roger wusste, dass er immer aufmerksam zuhörte, auch wenn er keinen Mucks von sich gab.

„Deshalb“, fuhr er fort, „hatte L die Idee, dich und deine Fähigkeiten zu testen. Er sitzt momentan an einem Fall, den er schon vor längerer Zeit angenommen hatte. Und da du bereits 16 Jahre alt bist, möchte er dich nach Japan einfliegen lassen, damit du ihm dabei zur Seite stehen kannst.“ Er beendete diese Nachricht mit einem zustimmenden Laut und blickte Near erneut an.

Dieser bewegte sich nicht und er hörte auf mit seinen Fingern nach den Puzzleteilen zu fischen, starrte jedoch weiterhin zu Boden. Nach wenigen Sekunden ertönte ein unerwartetes „Verstanden“ und mit diesem Wort fing er wieder an sein Puzzle zu vervollständigen.

Nach einigen Momenten der Stille begann Roger wieder zu übernehmen. „L sagte auch noch, dass du den nächstmöglichen Flug nach Tokio nehmen solltest, also beginn langsam deine Sachen zu packen, morgen früh um neun wirst du fliegen.“

Schließlich erhob sich der Junge vom Teppich und nahm sein Puzzle in die Hand. Erneut erklang ein monotones „Verstanden“, danach kehrte Near Roger den Rücken zu und verschwand aus der Türe.

Er ging mit seiner gewohnten Mimik durch den Flur, mit dem Ziel in sein Zimmer zu gelangen, als schließlich Mello in der Türe stand. Near sah ihn an, er war leicht erschrocken über Mellos plötzliches Auftauchen, was aber keineswegs in seinem Gesicht reflektiert wurde. „Was willst du?“, gab Near nüchtern von sich während er an Mello vorbei schritt, wodurch dieser gezwungen war Platz für den Kleineren zu machen.

Bevor er die Frage beantwortete, machte er einen Bissen von einer Tafel Schokolade und folgte Near mit seinen Augen. „Was hatte Roger mit dir zu besprechen?“, fragte Mello mit gewohnter Provokation in der Stimme.

Währenddessen öffnete Near seinen Schrank und holte einen Koffer unter seinem Bett hervor. Er zögerte kurz und wog innerlich ab, ob er es ihm erzählen sollte oder nicht. Dabei schnaufte er leise, fast unhörbar. Er wollte sich Mellos - seiner Meinung nach - unnötiges Gemecker zwar nicht anhören, anlügen wollte er ihn allerdings auch nicht und was sollte er ihm denn sagen weswegen er seine Sachen packte?

„Nun...“, begann Near in aller Ruhe, „Morgen soll ich nach Japan fliegen um L bei einem Fall beizustehen.“

Und obwohl er so klang als ob es selbstverständlich für ihn wäre, klopfte innerlich sein Herz sehr schnell, zudem er sich schon beinahe vor Mellos Reaktion fürchtete.

Rivalen

Für einige Sekunden war es ganz ruhig, wobei diese Sekunden Near wie Minuten, oder gar Stunden vorkamen. Einige Leute behaupteten, sie könnten die Aura der Menschen fühlen, was Near zwar für Schwachsinn hielt, jedoch könnte er schwören, dass auch er im Moment Mellos erzürntes Herz fühlen konnte.

„Was..?“ Mello starrte Near an und verkrampfte dabei seine Unterarme. „Das... Das ist so ungerecht!! WAS denkt L sich überhaupt? WAS denkst DU dir überhaupt?!?! Du sitzt da und tust beinahe so als wäre es das normalste der Welt für dich, DU EINGEBILDETER--!!“ Mello war kurz davor obszöne Wörter zu verwenden, doch schaffte er es sich zurückzuhalten. Allerdings ging er einige Schritte auf Near zu, was den Jüngeren doch sehr verunsicherte. Er hatte sich nie auf Streitigkeiten mit Mello eingelassen, und auch wenn er es ihm gewöhnlich nicht zutraute war er sich momentan nicht sicher, ob er nun ihm gegenüber handgreiflich werden würde. Und falls dem so wäre würde Near garantiert den Kürzeren ziehen, da er um einiges schwächer als sein Kontrahent war.

Deshalb entschied Near sich dafür seine Stimme zu erheben. „Nun, Mello...“, begann er leise, wodurch er den anderen Jungen in seinen Bewegungen stoppte, „Was ich mir dabei denke, fragst du? Ich denke, dass zurecht ich gewählt wurde, da du scheinbar noch nicht reif genug bist deine Emotionen im Griff zu haben,“ – und auch wenn Near hier einen Punkt setzen hätte können entschloss er sich dazu weiterzumachen – „aber wenn du das gelernt hast begrüße ich dich herzlich als Teampartner. Wenn du jetzt bitte mein Zimmer verlassen würdest.“

Near wusste, dass er Mello damit provoziert hatte, momentan aber war ihm das recht egal, da er Mellos Verhalten einfach nicht nachvollziehen konnte. Er fühlte sich im Recht und Mello war im Unrecht. Das war seine einfache Meinung gegenüber dieser Konfrontation.
 

Mello ballte seine Fäuste, am liebsten hätte er Near direkt ins Gesicht geschlagen, was er allerdings unterließ da er Angst hatte, dass der schwächliche Junge danach nicht mehr aufstehen könnte.

„Denkst du tatsächlich dass du es mit dieser Art auch nur zu irgendetwas bringen kannst, Near?!?!“, brüllte Mello beinahe. „Wie du siehst.“ Langsam gefiel es Near Mello zu kontern, mit dem Wissen, dass er auf jeden weiteren Kommentar eine Antwort wüsste.

Das allerdings war Mello zu viel, er schnaufte unkontrolliert und stapfte in Richtung Flur. „Leck mich doch am Arsch, Scheißkerl!“, das waren seine letzten Worte bevor er wütend das Zimmer verließ. Dabei schmiss er die Türe mit einer gewaltigen Wucht zu, sodass sogar die Bilder an der Wand wackelten. Near zuckte erschrocken zusammen und war empört über Mellos Ausdrucksweise.

Wie auch immer, jetzt hatte er seine Ruhe und das war das einzige wonach er sich momentan sehnte.

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Am nächsten Morgen saß Near bereits um halb sechs Uhr früh im Gemeinschaftsraum und baute dort hochkonzentriert Kartenhäuser auf. Er war schon seit drei Uhr wach, da er vor Aufregung nicht schlafen konnte. Niemand würde es ihm ansehen, das wusste er, doch er war in seinem Leben noch nie so außer sich. Er würde L, DEM L dabei helfen einen Fall zu lösen. Als L damals mit den Kindern in Wammy’s Haus gesprochen hat begann er großen Respekt und eine gewissen Zuneigung ihm gegenüber zu entwickeln. Obwohl er ihn nur gering kannte war er sein Idol. Manchmal hatte er sich gefragt, wie es wohl wäre mit ihm zusammenzuarbeiten, er wusste allerdings bzw. dachte zu wissen, dass das niemals wahr werden würde und verwarf diesen Gedanken deshalb. Und nun? Nun war es real. Am meisten freute er sich darauf, L sein Können darzustellen und von ihm anerkannt zu werden.
 

Roger wandelte durch den Flur auf den Weg zu Nears Zimmer um diesen zu wecken, doch zu seinem Erstaunen fand er den Raum leer vor. „Near?“, fragte er leise in den Flur hinein, da dieser alle möglichen Räume miteinander Verband. Er konnte und wollte nicht lauter sprechen, es wäre noch zu früh dafür gewesen. Für gewöhnlich standen die meisten Kinder erst um sieben Uhr auf. Er wollte es sich nicht antun zu so früher Stunde schon Gelächter ertragen zu müssen.

Near vernahm ganz schwach seine Stimme, deshalb stand er auf, stellte sich in die Türe und klammerte sich leicht an den Rahmen. „Ich bin hier“, wisperte er mit gesenkter Stimme, da auch er niemanden wecken wollte.

Roger drehte sich um und erblickte Nears filigranen Körper. Es war kein Geheimnis, dass er sehr zart gebaut war, aber wenn er sich so gegen den Türrahmen drückte hatte man schon beinahe das Gefühl, dass er das nur tat um nicht umzufallen, auch wenn dem nicht so war. „In einer Stunde wirst du zum Flughafen gefahren. Bereite dich darauf vor.“ Near nickte nur und kehrte wieder in den Gemeinschaftsraum zurück.

Eine Stunde noch. Nun hieß es noch mal alle Dinge durchzugehen, da er wohl sich wohl länger in Japan aufhalten würde. Hatte er auch alle Spielsachen eingepackt? Er ging in seinem Kopf alles durch und war sich schließlich sicher alles was für ihn von großem Wert war eingepackt zu haben.

Zum Flughafen

Um sieben Uhr wurde Near zum Flughafen gebracht. Roger war mit, um ihn bis zum Schluss zu begleiten, schließlich war das Nears erster Flug und er wollte auf Nummer sicher gehen, dass auch alles glatt laufen würde.

Während der ganzen Fahrt starrte Near aus dem Fenster, mit dem Wissen, dass jede Sekunde ihn einem Treffen mit L näher bringen würde. Er fühlte seinen Herzschlag im Hals und fragte sich, ob er beim ersten Treffen einen Schwindelanfall bekommen würde. Oder ob er plötzlich nicht sprechen könnte. Gut, er war sich sicher, dass ihm nicht schwarz vor Augen werden würde, aber er machte sich tatsächlich Sorgen darum, dass sein Hals möglicherweise austrocknen könnte.

Er mochte es nicht, sich emotional zu geben, nichts war ihm mehr zuwider, doch was sollte er dagegen tun, falls es dann doch passieren würde?

Darüber wollte er erst gar nicht nachdenken, denn umso mehr Angst er davor hatte, desto wahrscheinlicher wäre es, dass es passiert. Deswegen versuchte er diese Gedanken zu verdrängen, versuchte sich irgendwie abzulenken. ... Wie L wohl aussehen mag? Bisher hatte ja immer nur seine Stimme gehört.

Plötzlich drehte Near sich nach links. „Roger, weißt du was für eine Art Fall das ist, an dem L gerade arbeitet?“ „Es geht um einen Brandstifter der sich scheinbar auf Kindergärten konzentriert. Mehr wurde mir nicht mitgeteilt“, sagte Roger mit ernster Miene.

Near sah ihn kurz an und nickte danach. „Verstanden“

Deswegen war Near Rogers Lieblingswaise. Er war ruhig, er schrie nie und schwierig war er schon gar nicht. Er machte was man ihm sagte und brachte immer die besten Leistungen. Manchmal hörte Roger wie einige Betreuer davon sprachen, dass Near ihnen leid täte, da er doch keine Freunde habe. Roger aber sah das anders. Es gab nun mal die Leute, die ohne soziale Kontakte nicht leben konnten und die, die sehr wohl dazu fähig waren. Und Near, das wusste er, gehörte zu der zweiten Kategorie, welche auch viel seltener anzutreffen war.

Die Fahrt zum Fughafen dauerte zirka eine halbe Stunde. Träge wankte Near aus dem Wagen und schleifte sich zum Kofferraum um sein Gepäck zu holen, doch Roger kam ihm zuvor. „Ich nehme es schon“, sagte er flüchtig. Near kuckte ihn still an, er wollte etwas sagen, was aber, das wusste er nicht, deswegen drehte er sich einfach um und betrat das Gebäude. Nach dem ersten Schritt hielt er für kurze Zeit den Atem an. So eine riesige Architektur hatte er noch nie zuvor gesehen, geschweige denn so viele Menschen gleichzeitig an einem Ort. Roger eilte an ihm vorbei, wodurch er schlussendlich aus seinen Gedanken gerissen wurde. Er hatte Angst den Mann aus den Augen zu verlieren, deswegen folgte er ihm so schnell er konnte, obwohl er lieber langsamer gegangen wäre.

Die beiden blieben dann bei einem Schalter stehen wo Roger ein Ticket aus der Tasche zog. Danach ging alles unerwartet schnell. Nears Koffer wurde abgegeben, er ging durch einige Passagen und schließlich fand er sich auch schon im Flugzeug wieder und das ganz alleine. Nicht, dass es ihm etwas ausmachte keine Gesellschaft zu haben, es war nur so, dass er zwar höchstintelligent war, sich im Leben allerdings rein gar nicht zurechtfand.

Wenigstens saß niemand neben ihm, so dachte er, doch er wurde eines besseren belehrt.

Near wusste nicht, ob er sein Leben als ‚glücklich’ beschreiben würde. Nun, er war zwar in einem Waisenhaus, doch es fiel ihm so einiges viel leichter als manch anderen und für gewöhnlich stand man ihm auch immer zur Seite. Freunde hätte er auch viele haben können, doch er hatte sich dagegen entschieden. Und nun wurde er sogar von L persönlich eingeladen ihm zu helfen. Alles in allem lief eigentlich so wie er es sich vorstellte, bis zu diesem Augenblick. ...

Bis zu dem Augenblick wo sich dieser schmierige Typ neben ihn setzte.

Es war zwar nicht Nears Art, Leute nach ihrem Aussehen zu bewerten, doch bei diesem Mann war er sich sicher zu wissen, was für eine Art Mensch er war.

Anfangs saß er außen. Doch nachdem das Flugzeug startete setzte er sich in die Mitte. Und in die Mitte bedeutete neben Near. Dieser kuckte kurz zu ihm rüber und sah dabei ein ekliges Gesicht, das ihn mit den Blicken auszog. Um ehrlich zu sein, er fand es widerlich. Er wusste zwar, dass es solche Menschen gab, aber musste sich noch nie mit ihnen abgeben.

Deshalb entschied er sich einfach aus dem Fenster zu kucken. Ganze zwölf Stunden lang.

Nicht, dass es ihm was ausmachte so lange vor sich hinzustarren, es war vielmehr die Tatsache, dass er nun einen halben Tag neben diesem Kerl verbringen musste.

Das einzige was ihn beruhigte war, dass er angeschnallt war. Und dass dieses Etwas angeschnallt war. Und dass dutzende Menschen um die beiden herumsaßen.
 

Manchmal stellte der Typ ihm fragen, die Near allerdings gekonnt ignorierte. Oftmals waren auch anstößige, unterschwellige Bemerkungen dabei, wofür der Junge ihn am liebsten angeklagt hätte.

Einige Male kam er ihm mit dem Gesicht beängstigend nahe. Was dachte er sich eigentlich?

Wenn er 5 Stunden lang nicht hinkuckte, wird er es später auch nicht tun. War er so dumm oder tat er nur so?

Wohl gehörte er einfach nur zu den Menschen, die es als erregend empfanden, wenn andere von ihnen angewidert waren. Jedenfalls hätte Near es sich nicht anders erklären können.

Begrüßung in Japan

Nach 12 ½ Stunden, es gab kurze Differnzen, kam schließlich das Flugzeug in Tokio an. Das war wohl einer der schönsten Momente in Nears bisherigem Leben. Es behagte ihm nur nicht ganz die Tatsache, dass er hinter dem Kerl hergehen musste. Nun, besser hinter ihm als vor ihm, so konnte er ihn wenigstens im Auge behalten. Obgleich er sich sicher war, dass er ihn nicht anfassen würde, fühlte er sich so einfach wohler.
 

Near hatte keinen blassen Schimmer, wohin er gehen sollte deshalb entschied er sich dazu einfach der Menge zu folgen, da konnte er nicht wirklich etwas falsch machen, sofern man ihn nicht irgendwo besonderes erwartet hatte, was aber nicht der Fall war, da Roger ihm kurz bevor er sich von ihm verabschiedete sagte, dass er gleich nach der Koffervergabe abgeholt werden würde.

Den gesamten Flug über fühlte er nichts, keinen trockenen Hals, kein beschleunigter Herzschlag, nichts.

Doch jetzt wo er in Japan war und kurz davor L zu treffen, fühlte er sich nicht mehr sonderlich wohl. Er hätte sich nie träumen lassen, dass er jemals in seinem Leben eine dermaßen innere Unruhe verspüren würde. Wenn L das wüsste würde er wohl an ihm zweifeln, so dachte er zumindest. Deshalb versuchte er seine Emotionen zu verstecken, was ein Kinderspiel für ihn war, jedenfalls jetzt noch. Near kam schließlich bei den Koffern an, griff nach seinem und ging angespannt weiter. Nach der nächsten Türe, das spürte er, würde man ihn abholen.

Sein Kopf sagte ihm, dass er laufen sollte, sein Körper hingegen wurde immer langsamer. Schritt für Schritt schleppte er sich zur Türe, woran sein schwerer Koffer nicht wenig Schuld hatte.

Angekommen. In der riesigen Halle. Sie ähnelte der in London, jedenfalls schien sie genau so steril, allerdings waren hier noch viel mehr Menschen. Near stellte sich rechts neben den Ausgang und wartete nervös darauf geholt zu werden. Ob es L persönlich war, der hier auftauchen würde? Oder ob er jemanden beauftragt hatte ihn abzuholen? Das wusste er nicht.
 

Nach wenigen Sekunden stand ein Mann, ganz in schwarz gekleidet und mit einem typisch detektivischen Hut neben ihm. „Near, richtig?“, fragte dieser mit einer freundlichen aber distanzierten Stimme. Der weißhaarige Junge wandte seinen Blick nach oben, da der Körper des Mannes ziemlich stattlich war, er war viel größer als er und sogar größer als Roger. „Korrekt“, antwortete Near mit seiner gewohnt monotonen Stimme.

„Mein Name ist Watari, angenehm. Ich bin hier um Sie abzuholen.“ Watari also. Das bedeutete, dass L irgendwo anders auf ihn wartete.

Nachdem er sich vorgestellt hatte, nahm Watari Near den Koffer ab um ihm den Weg zu erleichtern. Er bedankte sich leise dafür und atmete tief ein, aber erst nachdem man sich ihm abwandte. So sammelte er seine innere Ruhe und fühlte sich, auch schon kurz nachdem sie den Flughafen verließen, nicht mehr nervös. Er war wie immer, ruhig und gelassen und fühlte sich jeder Aufgabe gewachsen die man ihm stellen würde.

Es war nicht L, den er stolz machen wollte, auch wenn er einige Zeit lang so dachte. Er wollte einzig und allein sich selbst beweisen was er konnte, denn nur das Gefühl mit sich selbst zufrieden zu sein, konnte ihm die nötige Kraft geben das alles hier durchzustehen. Denn auch wenn er es sich selbst nicht eingestehen wollte, er setzte sich enorm unter Druck, da alles was er tat perfekt sein sollte.
 

Near folgte Watari über einen riesigen Parkplatz, der kein Ende zu nehmen schien. Auch wenn er wusste, dass das nur zur Sicherheit war, so behagte es ihm trotzdem nicht so lange Märsche, was es jedenfalls in seinen Augen war, zu machen.

Es schien so, als ob es morgens war in Tokio, was aber auch klar war, da zu beinahe jeder Flugstunde eine weitere hinzukam Aufgrund der Zeitverschiebung. Um also die Fakten abzuwickeln, Near stieg am 3ten September um 9 Uhr morgens ins Flugzeug ein, kam am 4ten September um 8 Uhr 30 in Japan an, verbrachte allerdings nur 12 ½ Stunden in der Luft.
 

Nach geschätzten 1 ½ Kilometern kamen er und Watari bei einer Limousine an, in welche der ältere Herr den Koffer legte. Near stand daneben und wartete darauf, dass man ihm sagen würde er solle einsteigen. So stellte sich Watari vor eine Wagentüre und öffnete sie zuvorkommend. Der Junge war leicht verblüfft über diese freundliche Geste, stieg dann aber dankend ein.

Er nahm aristokratisch in der Limousine Platz und wartete schweigend auf Watari.

Dieser stieg beim Fahrersitz ein und warf einen kurzen Blick durch den Rückspiegel. „Ich wünsche Ihnen eine angenehme Fahrt“, gab er höflich von sich und begann den Wagen zu starten.

Gerade als Near sich erleichtert zurücklehnen wollte, ertönte eine Stimme neben ihm. „Guten Morgen, Nate. Ich bin L. Es ist mir eine Freude.“
 

Sein Schock über dieses plötzliche Auftreten brachte Near dazu, anstatt sich gelassen nach links zu wenden, kreidebleich im Gesicht zu werden und seinen Kopf beinahe mechanisch in Ls Richtung zu drehen. Sogar sein Mund war leicht geöffnet. Er hätte mit vielem gerechnet, jedoch nicht damit. Seine gesamte Miene war aufgeflogen. Ob das Ls erste Prüfung war? Und hatte er ihn gerade tatsächlich mit seinem realen Namen angesprochen?

Die gesamte Situation kam ihm einfach total suspekt und falsch vor, als ob er gerade in einer wirren Traumwelt gelandet wäre.

Ankunft

Es vergingen einige Sekunden in denen Near nichts von sich gab. Er versuchte sich zu fassen, schaffte es aber einfach nicht. Sein Herz hörte nicht auf in erhöhtem Tempo zu schlagen, so sehr er auch versuchte es zu senken. Zwar hätte er L schon längst antworten können, seine Stimme wäre dann jedoch etwas uneben gewesen was für ihn Schwäche hieß. Und Schwäche konnte er sich nicht leisten. Nach zirka zehn Sekunden der Stille gab er schließlich doch etwas von sich. „Ganz meinerseits“, sagte er kühl, obwohl er wusste, dass selbst das ihm nicht mehr aus der Tatsache heraushalf, dass er sich eine Blöße gab.

L starrte Near mit einem leeren aber dennoch bedrängenden Blick an.

Kurz nachdem er sich rührte begann er schließlich ein wenig zu lächeln.

„Ich hoffe der Flug war angenehm? Und auch, dass du dich hier zurecht findest. Da dein japanisch sicher nicht sehr gut oder gar nicht vorhanden sein wird, wende dich einfach immer an mich. In deiner Zeit hier werde ich deine engste Kontaktsperson sein. Und wenn du irgendein Anliegen hast, irgendwelche Wünsche oder was auch immer, dann richte dich an Watari. Er wird alles tun was in seiner Macht steht.“

Near nickte passiv während er L genau musterte.

Im Waisenhaus sagte man ihm immer, er solle seine Haltung ein wenig ändern und dass er eine ungewöhnliche Weise zu sitzen hätte, doch L hatte ihn in dieser Hinsicht bei Weiten übertroffen.

Sein gesamtes Erscheinungsbild war sonderlich, was Near aber als ansprechend empfand, da es davon zeugte, dass er ein Individuum war und nicht wie jeder andere.

Besonders seine Augenringe verliehen ihm, in Nears Augen, eine gewisse Mystik.

Als ob man ins Leere fassen würde wenn man ihn berühren wollte.
 

Die gesamte Fahrt über verhielt Near sich ruhig wie immer.

Auch L sagte nicht viel. Er wollte die Investigation rund um den Brandstifter nicht im Auto aufrollen, da er sich nicht sicher war in wiefern sich der Junge konzentrieren konnte. Außerdem war ihm natürlich nicht entgangen, dass er ihn ziemlich erschreckt hatte und in so einer Situation fehlt es einem besonders an Aufmerksamkeit. Um ehrlich zu sein, das einzige was er über Near wusste war, dass er momentan der intelligenteste in Wammy’s Haus war und wie er vor 3 ½ Jahren aussah als er mit ihm und Mello gesprochen hatte.

Nachdem er ihn zum ersten mal seit dieser Zeit nun in der Limousine wieder sah staunte L innerlich nicht schlecht darüber, dass sein möglicher Nachfolger sich rein gar nicht verändert hatte.

Während der Fahrt beobachtete L den Jungen und ihm fiel auf, dass er scheinbar die Angewohnheit hatte eine Strähne seines Haars mit dem rechten Zeigefinger kontinuierlich einzudrehen.

Auch seine sehr androgyn klingende Stimme mit der desinteressierten Tonlage erweckte in L dasselbe Interesse wie in Near.

Er war anders und könnte vielleicht so einige ansprechende Dinge von sich geben, das fühlte er wenn er ihn ansah.

Prinzipiell bereute L es also im ersten Moment wahrlich nicht ihn eingeladen zu haben.
 

Nach einer einstündigen Fahrt konnte Near ein riesengroßes Gebäude durch das Autofenster erkennen. Er richtete seinen Kopf dezent nach oben um abschätzen zu können, wie hoch dieses Monument wohl sein mag. Er kam zu keinem Ergebnis, die Übersicht aber das Ganze war zu spärlich, als dass er eine Zahl nennen hätte können. Das einzige was er wusste war, dass es immens hoch war. Für eine Analyse wäre zudem die Zeit zu knapp gewesen, da die Limousine zu einer Unterführung kam und es plötzlich viel dunkler wurde.

Das kam ihm jetzt alles ziemlich aufregend vor, beinahe wie in diesen unverkennbaren Kriminalfilmen wo jeder Schritt des Detektivs strenggeheim behandelt wurde.

Near war neugierig darauf, was wohl als nächstes geschehen würde, als plötzlich der Wagen Halt machte. Watari lehnte sich aus dem Fenster, das konnte er erkennen, was er da tat allerdings nicht. Dann fuhren sie weiter, aber nur wenige Meter.

Der ältere Herr stieg aus und öffnete Nears Wagentüre zuerst, da er Gast war. Leicht benommen kletterte der Junge raus, ihm war etwas schlecht geworden während der Reise. Er war sich zwar sicher, dass das bald wieder verfliegen würde, hielt es dennoch für angemessen die ersten paar Minuten nicht allzu viel zu sprechen, weil er wusste, dass das sein Unwohlbefinden nur noch steigern würde. Ironischerweise, so empfand er es, hätte er sowieso keinen Laut von sich gegeben wenn man ihn nicht angesprochen hätte.

Danach marschierte Watari zur anderen Seite der Limousine und hielt L die Türe auf.

Nachdem auch er heraus stieg platzierte er sich direkt neben Near. Erst jetzt bemerkte der Kleinere, dass auch L eine beeindruckende Größe besaß, wenn man bedachte, dass er ziemlich gebückt stand. Obwohl Near wusste, dass sein Wachstum nicht unbedingt das beste war, empfand er sich selbst eigentlich nie als „zu klein“, zudem es kein vorgeschriebenes Größenmaß gab.

Doch jetzt, zwischen diesen beiden Männern, fühlte er sich winzig, geradezu mickrig.

„Nate“, begann L und rüttelte somit den Jungen aus seinen Gedanken, „Watari nimmt deinen Koffer. Ich werde dir den Weg zum Hauptquartier zeigen. Dann bringe ich dich auf dein Zimmer. Ich nehme an, du wirst müde sein?“

Nate. Also hatte er sich doch nicht verhört. Near wusste nicht, ob er als Ehre ansehen sollte, oder ob L ihn damit bevormunden wollte. Er wusste lediglich, dass es für ihn sehr ungewohnt war, wurde er doch nie bei seinem wahren Namen genannt.

„Verstanden...“, antwortete er mit leichten Bedenken. Obschon er sehr wohl müde war hatte er gewisse Zweifel sich gleich nach seiner Ankunft schlafen zu legen.

Analysen

Mit jedem Wort versuchte L Near zu analysieren. Der einzige Grund weswegen er den Jungen zu sich geholt hatte war um ihn zu testen. Dass er eine Hilfe bei dem Fall sein könnte, das war nur ein netter Nebeneffekt.

Er musste nicht prüfen, ob sein möglicher Nachfolger die nötige Intelligenz besaß, das wusste er bereits. Viel mehr ging es ihm darum, ob er auch einen klaren Kopf bewahren konnte und sich nicht mit Belanglosigkeiten abgab. Andererseits konnten es gerade solche Nichtigkeiten sein, die einen Fall aufklärten. L wollte herausfinden, ob Near in der Lage war so etwas zu filtern.

Natürlich konnte er das nicht Aufgrund von Antworten herausfinden, die sich darauf bezogen, ob er nun müde war oder nicht. Dennoch verhalf ihm auch das dazu ein Netz zu spannen, das Nears Persönlichkeit deuten sollte.

Zwar konnte er es nicht hundertprozentig wissen, dennoch war er sich sicher, dass der Junge an seiner Seite sich ausruhen wollte. Also hätte er nun sagen können, dass dem nicht so war oder doch. Lügen oder die Wahrheit sagen.

Da er sich dafür entschied die Wahrheit zu sagen lagen neue Faktoren vor.

Tat er es für sein Wohlbefinden oder um dem Fall nicht zu schaden? Vielleicht aber auch fühlte er sich nur unsicher und wollte Zeit für sich selbst um die neuen Bekanntschaften zu verdauen. Was dann aber wiederum zur ersten Möglichkeiten zurückzuführen war.

Das hieß es gab drei Stufen in denen er Near kennen lernen konnte. Die erste hatte er erreicht, und zwar die in der man Begebenheiten zusammenzählt. Die zweite wäre dann das Warum und die dritte, die letzte also, wären die kleinen Feinheiten die eine Persönlichkeit ausmachten.

Diese Stufe war es die er erreichen wollte, in seinen Augen sogar musste.

Das Zeitlimit hierfür war frei wandelbar und zwar war es die Dauer des momentanen Falls.

Nachdem dieser gelöst werden würde müsste er die Theorie, die er am Schluss hatte, behalten und konnte sie nicht mehr erweitern. Im Grunde war es ein Wettlauf gegen sich selbst.

Was würde er früher herausfinden? Wer der Brandstifter war oder wer Near?
 

Near vertraute L, andere Möglichkeiten hätte es auch nicht gegeben. Trotzdem hielt er es für adäquat nur zu sprechen wenn man ihn dazu aufforderte. Er mochte es nicht, wenn man Thesen zu seiner Person aufstellte. Er war der jenige, der andere studierte und nicht umgekehrt. Je mehr man über jemanden wusste, desto mehr hatte man gegen diesen in der Hand.

Near liebte es zu gewinnen. Was er aber nicht wusste, L hasste es genau so sehr zu verlieren.

Die beiden machten sich auf den Weg zum Quartier gegenseitig mentale Kampfansagen, was schon beinahe an Paranoia grenzte, wenn man berücksichtigte, dass keiner ein Wort darüber verloren hatte.
 

Nachdem Watari alleine war öffnete Nears Koffer um zu kontrollieren, dass keine gefährlichen Gegenstände dabei waren. L wollte Near nicht das Gefühl geben, dass man ihm nicht vertraue, deswegen hatte er vor die ganze Sache im Dunklen zu behalten.

Er wusste noch nicht welche Art Mensch der Junge war, deswegen war es das Beste, der Situation einen Riegel vorzuschieben. Es war nichts Neues für L Leute zu belügen, somit viel es ihm leicht das zu tun und er hatte ein reines Gewissen dabei. Er besaß eine recht unmoralische Art an Dinge ranzugehen, dem war er sich bewusst, doch mit Lügen erhält man am schnellsten das was man erreichen will, sofern diese notwendig waren. In Nears Fall hielt er es für besser zu lügen, da er noch nicht mit ihm umzugehen wusste.

L liebte es Dinge zu kontrollieren ohne dabei ertappt zu werden. Er liebte es genau so Leute das tun zu lassen wozu er sie benutzen wollte, natürlich ohne widerwertige Absichten.

Er lenkte seine Mitmenschen wie der Dirigent das Orchester. Man folgte ihm ohne Widerworte. Dennoch sah er sich nicht als Feldherr an, schließlich zwang er niemanden dazu.
 

Während Watari Nears Sachen auf sein Zimmer brachte betraten L und Near das Hauptquartier und als der Junge plötzlich weitere Menschen dort sah begann sein Herz wieder schlagartig zu rasen.

Hätte man ihn nicht vorwarnen können...? Nein, das war sicher ein Test, ein Detektiv lebt nicht nur durch seine Intelligenz sondern ach Aufgrund seiner Menschenkenntnisse und es war offensichtlich, dass L sein Leben wie einen riesengroßen Fall ansah den es zu lösen gab. Und jedes Wesen, welches darin eine Rolle spielte, galt es zu überführen.

Near sah es als eine Herausforderung an. Er fand L immer interessanter und wollte mehr von ihm erfahren. Doch eines war ihm klar, er spielte unfair. L standen unzählige Mittel zur Verfügung, er hingegen hatte nur seinen Verstand. Es war wie ein Training bei dem er fortwährend mit einem Schwert angegriffen wurde und man ihm aber nur einen Stock zur Verteidigung gab.

Nun hieß es diesen Stock so zu verwenden, um den Kampf gewinnen zu können.

Near wusste zwar, dass das recht anstrengend werden würde, dem fühlte er sich aber gewachsen.

Mit jeden Gedanken schien er den eigentlich Grund, jedenfalls den ihm bekannten, für seinen Aufenthalt hier in Tokio zu vergessen.

Bekanntmachung

L schritt fort in die große Halle, Near allerdings blieb beim Eingang stehen. „Near..?“, gab L fragend von sich während er sich lässig nach ihm umdreht, „Komm, ich möchte dich mit dem Team bekannt machen. Du wirst wohl länger mit ihnen zusammenarbeiten, da ist es nicht schlecht wenn man sich gegenseitig wenigstens ein bisschen kennt.“

Near. Nun nannte er ihn auch ‚Near’? Der Grund dafür war ihm klar. L vertraute niemanden, soweit dachte er ihn zu kennen. Deswegen wollte er dem Jungen jegliche Gefahr fern halten und ihn somit bei seinem falschen Namen nennen.

Das was er nicht verstand war, weshalb er ihn sonst ‚Nate’ nannte.

Es war offensichtlich, dass er ihn dadurch irgendwie manipulieren wollte.

Aber wie? – Das galt es herauszufinden.
 

Near folgte L sodann in den weiten Raum, er hatte sich wieder gesammelt. Schüchtern war er nicht, nur nicht sonderlich kommunikativ.
 

Die gesamte Besatzung wandte sich in Richtung Ausgang, manche voller Neugier auf das zeitweilig neue Mitglied. Es war schwierig ihn zu erkennen, da er relativ versteckt hinter L schien.

Der schwarzhaarige Mann tätigte einen Schritt nach rechts. „Darf ich vorstellen? Das ist Near. Wie ihr wisst wird er uns in unseren Ermittlungen zur Seite stehen.“

„Morgen Near! Ich heiße Tota Matsuda! Nett dich kennenzulernen!“, offenbarte der recht fröhlich wirkende Mann ganz links.

Keine Reaktion.

„Matsuda! Halte dich etwas in deiner Euphorie zurück!“, tadelte ein älterer Herr, dessen Haare einige graue Stellen aufwiesen. „T-Tut mir leid Chef“

„Wie auch immer... mein Name ist Soichiro Yagami. Ich bin Vorsitzender der japanischen Polizei.“

Erneut keine Reaktion von Near.

„Ich bin Shuichi Aizawa“ „Kanzou Mogi, sehr erfreut.“ „Hideki Ide“

Jetzt fehlte nur noch einer, dann hatten sich alle vorgestellt. Near wandte seinen Blick nach rechts. Dort saß ein braunhaariger junger Mann, er schien der jüngste der Männer zu sein. Seine Augen verrieten Near, dass er ziemlich intelligent sein musste. Er wirkte in etwa so undurchschaubar wie L, aber nicht halb so chaotisch. Ganz im Gegenteil, sein Erscheinungsbild war sehr schlicht, in der Masse würde er nicht auffallen.

„Mein Name ist Raito Yagami“

Yagami? War er der Sohn des Vorsitzenden? Es schien ganz so, jedenfalls würde das Alter passen und Near hielt es für unwahrscheinlich, dass es nur reiner Zufall gewesen wäre.
 

Erst jetzt wo alle sich vorstellten hielt Near es für angemessen etwas zu sagen.

„Es ist mir eine Ehre mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.“

Die Einheit war erstaunt. Sagte Ryuzaki nicht etwas davon, dass der Junge sechzehn war?

Zwar empfanden sie sein Äußeres schon als recht außergewöhnlich, war er doch nur vielleicht 1 ½ Meter groß. Doch als sie dann auch noch seine Stimme vernahmen, hätten sie ihn für ein Mädchen mit kürzeren Haaren gehalten.

Nur an Raitos und Mogis Mimik änderte sich nicht.

„Konntest du dir die Namen merken?“, fragte L Near dann nach einer Weile.

„Natürlich“, antwortete dieser leicht empört über Ls Frage.

Was sollte das? Hielt er ihn für dumm?

„Gut...“, meinte L mit einem Lächeln auf den Lippen. Es schien ein bitteres Lächeln zu sein. Jedenfalls für Near, da er sich schon denken konnte, was es damit auf sich hatte.

Er wollte seine Reaktion sehen und hatte das auch erreicht.

Zum ersten Mal fühlte Near sich nicht siegessicher. Wann kam er endlich dazu ihn zu analysieren?

Es schien so, als ob er im Rückstand lag und das behagte ihm gar nicht.

Er stand nun vor zwei ungelösten Rätseln. Zum einem war es der Fall und zum anderen L.

Es hätte ihn ziemlich weitergeholfen hätte, er gewusst, dass es dem Schwarzhaarigen genau so erging.
 

L gab sich selbstsicher, so als ob er 100%ig wüsste, dass es ein Kinderspiel wäre Near zu lesen. Doch dem war nicht so. Er unterschätzte den Jungen nicht. Er war sich zwar sicher, dass er es schaffen würde seine kalte Barriere zu brechen, aber auch, dass das einige Zeit dauern würde.

Sein möglicher Nachfolger musste auf Herz und Nieren geprüft werden.
 

„Dann bringe ich dich jetzt auf dein Zimmer“, fuhr er fort.

Near nickte beinahe katatonisch und folgte L aus dem Quartier.

Auf dem Weg zum Zimmer fiel kein einziges Wort. Viele Leute würden das als ‚erdrückende Stille’ bezeichnen, für die beiden war daran allerdings nichts merkwürdig.

„Unser Appartement ist direkt einen Stock unter dem Hauptquartier, das erspart Zeit“, gab L dann schlussendlich von sich.
 

Unser Appartement?
 

Near stand kurz davor in Ohnmacht zu fallen. Er würde nun Tage, Wochen, oder gar Monate zusammen mit L leben. In diesem Augenblick badete er so sehr im Glück, dass er ganz vergessen hatte zu denken. Aber das würde schon früh genug wieder einkehren.
 

Ironischerweise war es genau der Moment, in dem Nears Gefühle überschwappten, in dem L ihn am wenigsten hätte ergründen können. Er war so angespannt, dass die Emotionen übersprungen wurden und der stille Schock ihn überkam.

Während Near damit zu tun hatte, diese Nachricht zu verarbeiten, öffnete L die Türe zur Etagenwohnung. Als der Junge sie betrat prallten zwei Welten aneinander. Lebte er doch für gewöhnlich in einem bescheidenen Zimmer eines Waisenhauses und nun fand er sich in einer geradezu luxuriösen Wohnung wieder.

Süße Genüsse

Ohne Halt zu machen betrat L das Appartement und Near schaffte es, sich zu überwinden, sich nicht umzusehen. Er folgte ihm schweigend, versuchte allerdings so vieles wie möglich mit seinem Sehorgan aufzuschnappen. Ihm fiel auf, dass ein gravierender Bestandteil dieser Wohnung Süßspeisen waren. Wohin man auch sah, irgendwo war immer eine Torte, eine Schüssel mit Bon-Bons, Schokoladefiguren – teilweise auch angebissene – oder andere gezuckerte Köstlichkeiten.

Near fand es ziemlich sonderbar und fragte sich, ob das alles L alleine gehörte.

Und falls dem so wäre, dann hätte er etwas mit Mello gemeinsam.

Near konnte es nicht wirklich nachvollziehen, wie man seinem eigenen Körper durch solche Genussmittel dermaßen schaden konnte.

Oftmals machte er Mello gegenüber zynische Bemerkungen darüber, wie schlecht seine Zähne doch sein mussten. Mehr aber auch nicht, schließlich musste er selbst wissen, was er tat.

Natürlich war Near Süßem nicht abgeneigt, er hielt es nur für unvernünftig, es in solchen Massen in sich hineinzustopfen. Für ihn war es ein Zeichen von Disziplinlosigkeit wenn man es doch tat, nichts weiter.
 

In Gedanken versunken starrte er unbewusst eine Esther-Házy Torte an, wohl weil er das kunstvolle Muster auf der Glasur für ansprechend hielt.

„Dein Schlafzimmer ist gleich neben meinem, für den Fall dass es Probleme gibt“, sagte L dann unerwartet. Dabei sah er Near an und im ersten Moment, bevor sich dieser auch L zuwandte, konnte er seinen Blick verfolgen. „Nimm dir von hier was du willst. Ich bin reich an Vorrat, nur keine Scheu.“

Near schluckte kurz. Langsam wurde er wütend. Es schien für ihn so, als ob er für L ein offenes Kinderbuch mit groß gedruckten Buchstaben wäre, also eine Kleinigkeit zu lesen.

Das schlimmste daran war nur, dass der einzige, den er dafür beschuldigen konnte, niemand geringeres als er selbst war.
 

Dabei wollte L zum ersten Mal nur nett sein. Keiner konnte es besser verstehen als er, wenn man Heißhunger auf Süßes hatte. Wie hätte er es Near verübeln können? Hatte er doch selbst schon wieder Lust darauf ein oder zwei Tortenstücke zu verspeisen.
 

„Vielen Dank für das Angebot“, antwortete Near schließlich so höflich er konnte.

Was hätte er sonst auch sagen sollen? ‚Hören Sie auf mich zu diagnostizieren!’ ?

Wohl kaum. Außerdem hielt er es für lächerlich, jemanden den Charakter zu verbieten. Wenn man mit jemandem nicht auskam, musste man letztendlich auch nicht mit dieser Person kommunizieren.

Es war auch nicht so, dass er sich von seiner Seite aus nicht mit L verstand, das hätte er jetzt auch noch nicht wissen sondern nur erahnen können, es war vielmehr die Tatsache, dass er sich bedroht fühlte. Bedroht dadurch, dass man ihm einen Spiegel vorhalten könnte.

Er hatte zwar nichts zu verbergen, es war nur so, dass er die Rolle des Denkers nicht ohne weiteres abgeben wollte.
 

„Na dann, erhol dich von der anstrengen Fahrt. Ich lasse dich jetzt alleine.“

Anschließend drehte L ihm den Rücken zu und verließ die Wohnung. Bei der Türe stoppte er noch einmal kurz und wandte sich Near wieder zu. „Übrigens. Dein Koffer ist in deinem Zimmer“

Mit diesen Worten schloss er dann die Türe hinter sich.
 

Nun war Near alleine. Die ersten Minuten stand er einfach nur da und kuckte ins Nichts. In diesem Moment dachte er über alles mögliche nach, hätte man ihn aber danach gefragt, hätte er ehrlich mit ‚Ich weiß es nicht mehr’, antworten können.

Kurz darauf schüttelte er leicht den Kopf, ein Signal dafür, dass er wieder in dieser Welt weilte.

Er schlenderte auf ein Sofa zu, neben welchem der Tisch mit der Esther-Házy Torte platziert war.

Der Junge setzte sich hin, warf der Torte schmachtende Blicke zu, hielt es aber, obgleich L es ihm ausdrücklich erlaubt hatte, nicht für korrekt sich einfach ein Stück zu nehmen, bis er seinen Magen knurren hörte.

Er hatte sicher über 14 Stunden nichts gegessen, im Flugzeug rührte er nichts an, dafür war seine Abneigung gegenüber dem Kerl neben ihm zu groß. Niemals hätte er sich auch nur 3 Grade in seine Richtung gedreht. Somit entschied er sich also doch dazu, nach einem Teller und einer Gabel zu fischen und sich ein Stück der Torte runter zu nehmen.

Vorsichtig legte er das Esswerkzeug an der Torte an, glitt damit durch das weiche Zuckergebäck und schob es sich dann in den Mund.

Es war köstlich. Noch nie hatte er jemals so etwas Schmackhaftes zu sich genommen.

Um ehrlich zu sein, auch wenn er nur für einen kurzen Moment so dachte, aber er wäre für diese Torte gestorben.

Es dauerte nicht lange, da hatte er schon den ganzen Teller leer gegessen.

Anfangs überlegte er stichpunktartig, ob er sich noch ein Stück gönnen sollte, verwarf den Gedanken allerdings schnell wieder, da ihm dadurch wohl nur schlecht werden würde.

Somit platzierte er die Gabel ordentlich auf den Teller und stellte diesen auf den filigranen Tisch vor sich ab, der so aussah, als ob er jeden Tag abgestaubt werden würde, so wie alles in diesem Appartement.
 

Nach seiner Mahlzeit fühlte Near sich entspannter als zuvor, deswegen legte er sich kurz auf das Sofa, in der Absicht, danach in sein Zimmer zu wanken und anschließend schlafen zu gehen.

Dazu kam es allerdings nie, da er sofort auf dem Sofa einschlief.

Voyeurismus

Nachdem L die Etage verließ, ging er wieder ins Hauptquartier. Dort wartete man bereits auf ihn. „Wir haben etwas Neues herausgefunden“, gab Raito gelassen von sich, woraufhin er sich vom Computer vor ihm abwendete und L dabei ansah.
 

„Tatsächlich? Und das wäre?“, fragte dieser als ob es ihn nicht interessieren würde. Dem war aber nicht so, das war einfach eine Eigenschaft von ihm. Außerdem gab es seit dem Kira Fall keinen weiteren Verbrecher der ihn so faszinierte. Er entfachte in ihm ein Feuer, welches man noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Er war zu vergleichen mit einem Fabrikarbeiter dessen Förderband plötzlich in 10facher Geschwindigkeit lief.

Alle bisherigen Fälle waren ihm zwar nicht langweilig geworden, er sah sie nur einfach nicht als Herausforderung an.

Die Akte Kira machte ihm sogar bis zu dem Zeitpunkt noch wahnsinnig, da er sich zu 99,99999999% sicher war, dass die Morde Raitos Werk waren. Aber Aufgrund mangelnder Beweise und keiner weiteren Morde musste er den Fall verwerfen, auch wenn es seinem Detektivenherz einen Stich versetzte Er musste vernünftig bleiben und durfte die Menschheit nicht durch seinen Wahn leiden lassen.
 

„Sieh dir das an, Ryuzaki“, forderte Raito und winkte ihn zu sich. L beschleunigte seinen Schritt und beugte sich darauf folgend leicht über Raito um erkennen zu können, was sich am Bildschirm befand. „Nehmen wir an, der Täter hat zwischen seinen Arbeitszeiten einige Stunden frei, was aus unserem momentanen Standpunkt aus das wahrscheinlichste ist. Wir haben gerade die neuesten Berichte bekommen und darin befinden sich die genauen Zeiten der Vorfälle. Die bisherigen Brände fanden nur in der Kanto, der Chubu und der Tohoku Region statt, wie wir bereits gewusst haben. Die häufigsten Brände gab es zwar in Kanto, allerdings wurden die in Chubu immer zu einer früheren Zeit vollbracht.“, soweit von Raito, bis L einschritt. „Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitsplatz des Täters sich in Chubu Niigata befindet ist groß. Ich will es ausschließen, dass er in Kanto ist, da ich denke, dass er uns damit an der Nase herumführen will. Er will uns sagen, dass er in Kanto lebt, deswegen betragen die Anschläge dort mehr als 2 Viertel. Tohoku wirkt mir da ein bisschen suspekt, weswegen greift er dort nicht so oft an? Wie man an der Statistik erkennen kann benötigt er am längsten nach Kanto, was für mich so viel heißt, dass die Möglichkeit, dass er in Tohoku lebt genau so hoch ist wie die, dass er in Chubu wohnt.“

„Aber dass er in Chubu arbeitet, das ist sicher“, fügte Raito hinzu, „Es besteht immer ein Zeitunterschied zwischen 20 und 35 Minuten von den Anschlägen in Chubu im Vergleich zu denen in Tohoku“ „Ja, daran zweifle ich auch nicht“, mit diesen Worten setze L sich auf einen Stuhl und ordnete eine möglichst detaillierte Karte von Japan an.

Mogi gab ihm das Zeichen, dass er so schnell wie möglich eine besorgen würde.
 

Während die anderen im Hauptquartier damit beschäftigt waren Informationen zu sammeln, zückte L sein Handy und tippte eine Nummer ein. „Watari, kannst du kurz nach Near kucken?“

Der ältere Herr schaltete in der engen Kammer in der er saß, die mit zig Bildschirmen befüllt war, eine Kamera ein. „Mir scheint, als ob der junge Mann am Sofa eingeschlafen wäre“ „Was sagst du da? .... Schalte die Kamera für Monitor 26 ein.“ „Verstanden“

Dann flimmerte es kurz vor Ls Augen und es erschien ein anderes Programm am Bildschirm. Darauf zu sehen war eine Eckperspektive, die Ls Appartement so komplett wie möglich zeigte.

„Tatsächlich...“

Nach der Aussage fragte Watari sich, ob L ihm nicht vertraute. Er würde es ihm aber verzeihen.

„Soll ich das Bild wieder wegschalten?“ – Und genau bei dieser Frage kam L eine Idee.

„Nein, lass es so. Danke Watari... Und schalte die anderen Kameras in der Wohnung auch ein, auf Monitor 24 und 25. Teile die Bildschirme, wenn es sein muss.“, daraufhin legte L auf und starrte auf den Monitor.

»Was auch immer du tust, ich werde es mitbekommen...«, dachte sich L mit einem beängstigendem Grinsen im Gesicht. Wäre Misa zu dem Zeitpunkt hier gewesen, hätte sie ihn vermutlich als Perversen bezeichnet und ihn getadelt, er solle minderjährigen Jungs nicht ohne ihr Wissen beim Schlafen zusehen.

Es sah so aus, als ob Fortuna ihn geküsst hätte. Nun hatte er die Möglichkeit das Gesetz zu Hüten und einen möglichen Hüter des Gesetzes zu überwachen.
 

Raito warf ihm anfangs nur skeptische Blicke zu, erhob dann aber doch seine Stimme. „Ryuzaki, du dringst damit in die Privatsphäre dieses Jungen ein, bist du dir dem bewusst? Welchen Anlass würde es dazu geben, schließlich ist er kein Verbrecher, ganz im Gegenteil.“

Er fand es wirklich nicht in Ordnung, was L da machte. Es sprach total gegen seine Moral.
 

Ls Mimik änderte sich, dann starrte er Raito an. „Was gäbe es für eine bessere Methode ihn einschätzen zu können als das? Schließlich soll er zu 70% der Nächste sein, der eines Tages hier sitzen wird und darüber grübelt, wer denn wohl der Mörder sein könnte. Ich will nur wissen wie qualifiziert er ist, nichts weiter.“ „Und das indem du ihn beim Schlafen beobachtest? Oder beim Essen? Oder bei sonst was?!“, man konnte an Raitos Stimme erkennen, dass er da etwas bestimmtes im Sinn hatte.

L kuckte schockiert zum Bildschirm. „Ich hoffe doch, dass er das nicht im Wohnzimmer macht, den ersten Raum den ich betrete wenn ich in die Wohnung gehe. Das könnte für ihn peinlich werden und ich denke, dass er schon genügend Intelligenz besitzt um zu wissen, dass das ein ziemlich riskanter Ort für so etwas wäre.“
 

Raito betrachtete L mit einem leicht rötlichen und entsetzen Gesicht. „Ich meinte damit eigentlich, dass du ihn nicht beim Baden beobachten solltest.... Perversling....“

Riskante Methoden

Langsam fragte L sich, wie alle immer auf die Idee kamen, dass er pervers sei? Wie konnte man nur andauernd so missverstanden werden? Wäre er ein emotionaler Mensch gewesen, hätte er jetzt womöglich darüber philosophiert, ob vielleicht nicht doch ein wahrer Kern darin steckte und er tatsächlich pervers sei.

Lange konnte er jedoch nicht über diese Belanglosigkeiten nachdenken, da Mogi seine Arbeit gut machte und deswegen auch ziemlich früh wieder mit einer Karte zurückeilte. Er breitete sie vor dem sitzenden L auf und stellte sich seitlich hinter ihn, damit er ihn beobachten konnte um seine Gedankenwege komplett nachvollziehen zu können.

L zückte einen Kugelschreiber und zog einen Kreis um die Grenze zwischen Chubu Niigata und Tohoku Fukushima, der aber auch in der Nähe von Kanto Gunma lag.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Täter sich zwischen 12:30 Uhr und 15:00 Uhr in diesem Umkreis aufhält, zumindest werktags. Erstellt eine Liste aller Kindergärten die sich dort befinden und markiert diejenigen, welche schon in Brand gesetzt worden sind. Fertigt mir außerdem auch noch eine aller Friseure in diesem Umfeld an.“ „Friseure? Wieso das?“, fragte Matsuda naiv, und das spiegelte sich auch in seinem Gesicht wider. „Nun“, entgegnete L, „das liegt daran, dass am Tatort Spuren von Bleichungsmittel und ein Zacken, der scheinbar einem Kamm angehört hat, gefunden wurde. Man will mich entweder in die Irre führen oder die Person war einfach nur unachtsam. Die Tatsache aber, dass diese Dinge an sehr unauffälligen Plätzen gefunden wurden, bringt mich dazu nachforschen zu wollen.“ „Ah, verstehe! Sie sind großartig, Ryuzaki!“, schoss aus Matsudas Mund, als hätte er genau das Gleiche auf jede andere Erklärung auch gesagt.

L nickte bekennend, verzog seine Miene dabei allerdings kein Stück.

„Übrigens, was am aller wichtigsten ist, die Polizei darf von unseren Ergebnissen nichts erfahren, ansonsten besteht die Gefahr, dass sie den Täter oder die Täterin vielleicht verschrecken und er oder sie daraufhin einen anderen Ort sucht, um seinen oder ihren Perversionen nachzugehen. Wenn dem so wäre, müssten wir alles verwerfen und wieder von vorne beginnen“, fügte L mit einem gleichgütigen Ton hinzu.

„Aber dann besteht die Gefahr auf einen weiteren Brand!“, warf Aizawa ein.

„So leid es mir tut das sagen zu müssen, aber dieses Risiko müssen wir dann eben eingehen.“

Stille im Raum.

„Ryuzaki! Es muss einen anderen Weg geben! Wenn wir nichts unternehmen gefährden wir Unschuldige!“, konterte Raito fassungslos.

„Wenn es etwas gäbe, was die Polizei tun könnte, dann würde ich das anordnen. Momentan ist es aber noch zu früh, Raito-kun. Entweder wir würden das Subjekt mit Glück fangen oder die Länge des Falls würde sich verdoppeln.“

Raito wollte zwar etwas darauf sagen, konnte es aber nicht. L hatte recht mit dem was er sagte, er konnte seine Gefühlskälte nur einfach nicht verstehen. Aber das humane in ihm anzuzweifeln, hatte nichts mit dem Fall zu tun.

Die Welt des Gesetzes bestand aus Fakten und Urteilen, da war Subjektivität fehl am Platz.
 

Unmittelbar nachdem das ‚geklärt’ war klingelte Ls Handy. „Ja?“

Es war Watari. Eigentlich rief ihn auch niemand anderes als er an. „Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber mir scheint dem jungen Herrn geht es nicht so gut. Er hustet im Schlaf.“

L war so sehr in die Ermittlungen vertieft, dass er Nears Bildschirm gar nicht mehr Beachtung schenkte. Bemerken hätte er es jedoch sowieso nur können, wenn er genau hingesehen hätte, da es keine Audioausgabe gab.

„Er hustet?“, fragte L in einer Tonlage, die man nicht gut beschreiben konnte. Sie klang zwar nicht besorgt, auch nicht schockiert oder verwundert, dennoch fand man alle drei Aspekte darin. Man könnte auch meinen, sie wäre monoton mit kleinen Sonderheiten.

Nachdem er die Frage stellte, wandte er seinen Blick auf Monitor 26.

„Ja, man hört es deutlich“ – Watari hatte Ton, sofern er ihn einschaltete. Er war als einziger dazu in der Lage, da er sich in der Administration aufhielt – „Soll ich nach ihm sehen?“

„Nein, ich mach das. Du kannst mir inzwischen eine Erdbeertorte besorgen. – Ich habe keine mehr.“ „Verstanden“ „Danke, Watari“ – mit diesen Worten legte L auf.

Alle verhielten sich ruhig, bis L sein Handy zur Seite legte. „Ist irgendetwas passiert?“, fragte Raito schließlich. „Ja. Near scheint etwas zu fehlen“, erwiderte L und stand dabei auf, „Ich werde nach ihm sehen.“

L schlenderte auf die Türe zu und verließ danach das Hauptquartier.

Anstatt den Aufzug zu nehmen ging er die Treppe runter, was er sehr selten tat. Da es nur ein Stock war fand er, dass es so schneller gehen würde.

Es dauerte auch nicht lange, bis er beim Appartement war. Das erste was er vernahm, nachdem er die Türe öffnete, war ein Mitleid erregendes Hüsteln aus Nears Richtung. Er steuerte geradewegs auf den weißhaarigen Jungen zu und lehnte sich über diesen. Dabei rüttelte er ihn sanft.

„Nate.. Nate..!“, flüsterte er ihm aus einer gewissen Distanz ins Ohr.

L war nicht dumm. Zwar hatte er keine Intentionen dazu Near näher zu kommen, doch selbst wenn, hätte er es jetzt nicht getan. Man konnte ihn beobachten. Und er war sich sicher, dass ihn zumindest Matsuda fixierte.
 

Near wachte ziemlich erschrocken auf und riss schlagartig seine Augen auf. Im ersten Moment sah er L mit einem entsetzten Blick an, der Bände sprach.

„Nate“, flüsterte L erneut, „Watari hat dich husten gehört. Fühlst du dich...“

Er unterbrach sich selbst nachdem er an die Stirn des Jungen fasste.

„Du hast hohes Fieber“, stellte er entgeistert fest.

Fieber

Der Blick mit dem Near L ansah änderte sich nicht. „Fieber...?“, fragte er mit einer naiven Stimme. Alleine daran merkte er selbst schon, dass es wohl wahr sein musste. Sein Mund war leicht geöffnet und wenn man die Situation nicht verfolgt hätte, hätte man denken können er würde nur darauf warten, dass L ihn küsste. Auch seine rosigen Wangen trugen dazu bei.

„Setz dich auf. Ich helfe dir“, forderte L ihn auf. Er schob seinen rechten Arm unter Nears Rücken und zog ihn behutsam zu sich, ließ sich dann sachte nach hinten fallen und brachte den Jungen somit in die Vertikale. Das einzige was Near tat war sich mit einer Hand in Ls Pullover zu klammern um sein Wohlwollen zu symbolisieren.

„Bleib so. Ich hole dir ein Glas Wasser“, sagte er flüchtig, schnappte sich einen Becher und verschwand ins Badezimmer.

Er stellte den Wasserhahn auf kalt ein und ließ die nasse Flüssigkeit in das Gefäß rinnen.

Momentan dachte er eigentlich an gar nichts außer daran, dem Jungen zu helfen.

Deshalb vergaß er die Leitung wieder abzudrehen und eilte einfach aus dem Badezimmer, rein in den Hauptraum, drückte Near den Becher in die Hand und platzierte sich direkt neben ihm.

Dabei zückte er sein Handy und wählte Wataris Nummer. „Watari, bring mir bitte ein Fieberthermometer und ein nicht-rezeptpflichtiges Mittel gegen grippale Infekte.“

„Verstanden, ich bin gleich unterwegs.“ „Danke, Watari.“ – klick.
 

Near trank das Wasser ziemlich langsam. Er dachte so viel nach, dass er ab und zu vergaß zu trinken und einfach nur den Becher gegen seine Lippen drückte.

Er war ein wenig verwirrt über die netten Gesten, die L ihm entgegenbrachte. Zwar dachte er nicht, dass L ein rücksichts- oder gar herzloser Mensch war, er hielt ihn einfach nur für jemanden, der für andere nur das tat was nötig war. ... Nun, vielleicht war das auch alles was nötig war.

Vielleicht lag es auch gar nicht daran, dass L es war, der sich um ihn so liebevoll kümmerte, vielleicht war es einfach nur die Tatsache, dass ihn überhaupt jemand so liebevoll umsorgte.

Auch wenn er nie geschlagen oder grob angefasst wurde, so entgegnete man ihm allerdings ebenso keine Liebe. Es war auch nicht sein Wunsch. Trotzdem fühlte es sich merkwürdig an, oder möglicherweise gerade deswegen.
 

Nach wenigen Minuten klopfte es an der Türe. L erhob sich, marschierte auf die Türe zu und sagte zeitgleich, dass Watari hereinkommen kann, was dieser auch gleich machte.

„Löst man das auf oder nimmt man es fest ein?“, fragte L nachdem er Watari die Packung mit der Medizin abnahm. „Es sind Kapseln“, antwortete der ältere Herr kurz.

L nickte nur und setzte sich daraufhin wieder neben Near.

Dabei öffnete er die Packung und drückte zwei Präparate heraus. „Nate“, flüsterte er beinahe, so leise sprach er zu ihm.

Dieser drehte sich lethargisch in die Richtung des Schwarzhaarigen. Bevor er sich noch irgendwie wehren konnte, befanden sich auch schon Ls Finger in seinem Mund.

Near schluckte kurz. Das musste er noch verdauen. Noch nie wurde er so ‚attackiert’, Mello ausgenommen. Von ihm war er es allerdings gewöhnt. Doch von L?

Seine Bekanntschaft mit ihm war ihm einfach noch zu neu, als dass er ihm etwas in den Mund stecken durfte, ohne jetzt obszön zu denken.

Reflexartig presste er seine Lippen zusammen und das noch während sich die Finger des Älteren in ihm befanden.

L zuckte anfangs, lächelte dann aber und zog langsam seine Finger aus Nears Körperöffnung und ließ die Kapseln darin liegen.

Warum er lächelte wusste er genau genommen nicht. Hätte er sich selbst diese Frage gestellt, würde er sich wohl so erklären, dass die Reaktion so menschlich war und untypisch für den Jungen. Sie war das Anzeichen dafür, dass auch er empfand, was schließlich auch natürlich war.

„Ich bringe dir neues Wasser“, gab er dann schlussendlich von sich und nahm Near den Becher aus der Hand.

Der Jüngere wusste nicht, ob er sich nun bevormundet oder umsorgt fühlen sollte, entschloss sich aber dazu, jetzt einfach hier zu warten. Schließlich behandelte er ihn gut und versuchte ihm zu helfen.

Nach kurzer Zeit kehrte L mit einem vollen Becher zurück und reichte ihn Near. Dieser nahm ihn entgegen und führte ihn zu seinen Lippen um davon trinken zu können. Daraufhin schluckte er die gesamte Masse die sich in seiner Mundhöhle befand artig runter.

Watari stand während des gesamten Szenarios neben dem Sofa und wartete auf das Kommando, L das Fieberthermometer zu reichen.
 

„Watari, darf ich?“ – und noch bevor L weitere Anweisungen geben musste reichte der Herr ihm bereits das Thermometer. „Danke“

Danach stand L auf und bot Near seine freie Hand an.

Dieser sah ihn verwundert an. Sollte er denn jetzt nach ihr greifen? Er wusste es nicht so recht, und bevor er etwas Falsches tat, machte er lieber gar nichts.

„Komm, ich begleite dich in dein Zimmer. Leg dich hin und verwende das Thermometer.

In zehn Minuten bin ich wieder da um nach dir zu sehen.“

Also doch. Nun, wenn er ihn schon so direkt dazu aufforderte, entschied er sich dazu seinen Arm aufzustrecken und seine Hand in die Ls zu legen. Der Schwarzhaarige half dem Jungen auf und führte ihn auf dem Weg zu dessen Bett sachte neben sich her.

Dort angekommen hob L die Decke an und forderte Near auf, sich hinzulegen.

Er tat was ihm Befehl. Anderes wäre auch dumm gewesen.

„Versuche in diesen zehn Minuten bitte nicht einzuschlafen“, sagte L dezent lächelnd und verließ daraufhin den Raum.

Perversling

Seine Mimik änderte sich schlagartig, nachdem er Near den Rücken zukehrte. Sie war wie immer.

Das Lächeln welches er dem fiebrigen Jungen entgegenbrachte war zwar nicht aufgesetzt, dennoch fiel es ihm schwer es aufrecht zu erhalten, schließlich hatte er auch keinen Grund mehr dazu.
 

Doch...
 

Als er die Etage verließ breitete sich ein Grinsen auf seinen Lippen aus. Near war krank. Sehr krank sogar, wie es schien. Jetzt musste er nur noch auf die Fakten warten, doch das Ergebnis war klar.

Er musste Bettruhe einhalten. Das hieß so viel wie, dass er sich so gut wie immer auf demselben Ort aufhielt, jedenfalls immer im Appartement. Er brauchte also keine Kameras mehr. Wenn er ihn analysieren wollte, musste er einfach nur von dem einen Raum in den anderen gelangen, der Weg dorthin war kurz und die Ausrede perfekt.

Nun gut, vielleicht sollte er einen Monitor für die Wohnung eingeschalten lassen, zumindest den für Nears Schlafzimmer. Dann konnte er ihn immer beobachten und wenn er sich einmal nicht darin aufhielt konnte er einfach runterkommen und nach ihm sehen, ohne dabei selbst überwacht zu werden.

Hastig griff L in seine Hosentasche und holte sein Handy heraus.

„Watari, schalte bitte alle Kameras im Appartement aus, bis auf die in Nears Zimmer. Belassen wir es bei Monitor 26.“ „Verstanden“ „Danke, Watari“

Am liebsten hätte er gejubelt. Es wurde immer besser. Was ihn wohl als nächstes erwartete? Er konnte es gar nicht abwarten, das herauszufinden.
 

Als L in das Hauptquartier zurückkehrte bemerkte er, dass sich eine weitere Person im Raum aufhielt, eine ihm bekannte.

„RYUUUUZAKI, du Perverser!!“, schoss es von vorne auf ihn zu. Eine rasende junge Dame kam ihm ziemlich impulsiv entgegen. Er schluckte nur und wartete auf nähere Erklärungen hierfür.

„Zuerst muss ich hören, dass du diesen minderjährigen Jungen ohne seinem Wissen beobachtest und dann sehe ich mit meinen eigenen Augen, wie du diesem unschuldigen Wesen auch noch deine Finger einfach so in den Mund steckst!! Weißt du, ich habe ja anfangs gedacht, dass er euch helfen sollte, aber wie ich sehe ist er scheinbar nur da, um deine Gelüste zu befriedigen! Perversling! Lustmolch!“, danach holte sie tief Luft, um folgendes mit genug Dramatik herausbringen zu können, „KINDERSCHÄNDER!!!
 

„Uh...“, das war das einzige was L noch einfiel. Um ehrlich zu sein, das war das einzige was auch alle anderen in diesem Raum noch von sich gaben.

Mit so etwas hatte er nun wirklich nicht gerechnet, nachdem er die Etage wechselte.

Er fühlte sich in die Ecke gedrängt, und das mit gutem Grund, da die temperamentvolle Frau ihn umgerannt hätte, hätte er sich nicht ganz dicht gegen die Mauer gedrückt.

Sie fuchtelte beinahe hysterisch mit ihrem Zeigefinger vor seinem Gesicht herum und dachte nicht daran, auch nur einen Schritt nach hinten zu tätigen.

„Ja?!“, sagte sie schließlich, „Ich höre?!“

L hatte Angst. Sehr, sehr große Angst.

Obwohl er die junge Frau mit einem einzigen Schlag zu Boden bringen hätte können, sprach es gegen seine Moral, so etwas zu tun.

„Ich... habe mich nur um ihn gekümmert. ... E-Er ist krank, Fieber...“, mehr schaffte er aber schon nicht mehr. In diesem Moment hatte er Angst, dass alles was er sagte in ihren Augen falsch sein könnte.

„Misa...“, kam es rettend von hinten, „Er sagt die Wahrheit.“

Auch wenn Raito nichts vom Fieber wusste, bestätigte er Ls Unschuld trotzdem. Er dachte nicht, dass L zu so etwas fähig wäre, auch wenn er einige Maßnahmen des Schwarzhaarigen für... suspekt hielt.
 

„Ach wirklich? Oh...“ und schon wandte sie sich wieder L zu. „Tut mir leid, Ryuzaki. Ich dachte nur...“ „Schon in Ordnung.“

Nachdem Misa ihm wieder seinen Freiraum zurückgegeben hatte, kuckte L auf die Uhr.

„Ich muss wieder zurück. Wartet nicht auf mich, führt die Recherchen einfach fort.“

Mit diesen Worten verließ L wieder den Raum.

Er bewegte sich die Treppe hinunter und hinein in die Etagenwohnung.

Achtsam öffnete er die Türe zu Nears Zimmer und spickte hinein. Es sah ganz so aus, als ob der Junge wieder eingeschlafen wäre. Erneut musste L dezent lächeln. Dieses Unschuldige stand ihm, seiner Meinung nach, viel mehr als seine kühle Fassade.

L schlich neben Nears Bett und setze sich vorsichtig an die Kante.

Jetzt, wo der Junge eingeschlafen war, wollte er ihn nicht mehr wecken, deswegen entschloss er sich dazu, einfach selbst nach dem Fieberthermometer zu suchen.

Im Mund war es schon einmal nicht, das konnte er deutlich sehen.

Dann gab es ja nur noch einen Ort, wo er es hintun hätte können.

Nun, genau genommen ja zwei, aber L war sich ziemlich sicher, dass er nicht den, sagen wir es mal so, tiefgründigen Weg gewählt hatte.

Er schob Nears Decke einwenig hinunter und lehnte sich dann dicht über ihn um ihm sein Oberteil aufzuknöpfen. Danach streifte er es über seine Schultern.

Als er damit fertig war, ertappte er sich dabei, wie er kurz Nears Körper betrachtete und konnte es Misa in dem Augenblick gar nicht verübeln, dass sie ihn so anfuhr, schließlich musste es wirklich zweideutig gewirkt haben. Er wollte gar nicht wissen, was sie in diesem Moment gerade über ihn dachte.

Genug der Philosophie, entnahm er das Thermometer, welches zwischen Nears Oberarm und seinem Oberkörper steckte.

39,6 Grad. Jetzt, wo L die Zahl vor sich hatte, fühlte er sich ein wenig schuldig dafür, dass er sich zuvor über Nears Pyrexie freute.

Unstimmigkeiten

Watari rollte einen Servierwagen vor sich her, auf dem sich die von L angeordnete Erdbeertorte befand. Er konnte zuvor auf einem Monitor erkennen, dass L sich in Nears Zimmer befand, weswegen er sich direkt dorthin bewegte.

Bevor er die Türe öffnete, klopfte er zweimal höflich daran und betrat den Raum daraufhin.

Was er sah, war ein halbnackter schlafender Near und L, der ziemlich intim über diesen lehnte.

Der ältere Herr konnte seinen Augen nicht trauen, besonders da der Schwarzhaarige sich recht erschrocken von dem Jungen abwendete und seinen Blick auf Watari richtete.

Dieser wusste nicht so recht, was er denken oder sagen sollte, deswegen beschloss er die ganze Situation L zu überlassen.

„Watari, nicht du auch noch....! Ich habe doch nur sein Fieber gemessen...“

Am liebsten hätte er geweint. Scheinbar konnte er den Verdacht, dass er pervers wäre, gar nicht mehr von sich schieben. Als ob es auf seiner Stirn „LUSTMOLCH“ stand.

Gerade er, der er seiner unteren Hälfte immer schön Einhalt gebot, wurde dazu beschuldigt, exzessiv seine Triebe auszuleben.

„Oh, ich... ich bitte Sie vielmals um Verzeihung“, so Watari nachdem er Ls Erklärung zu dieser Misere lauschte.

Auch wenn er L so etwas nicht zutraute, so wirkte das vorher gesehene Bild und die Reaktion des Detektivs relativ auffällig, und obwohl die Erläuterung dazu ziemlich glaubwürdig klang, fragte sich Watari dennoch, ob es tatsächlich nötig war, das Oberteil des Jungen gar so weit zu öffnen.

Doch er schwieg vornehm diesbezüglich und fuhr mit dem Servierwagen ein wenig tiefer in den Raum hinein.
 

Das leise, kaum vernehmbare Quietschen der Reifen, sowie die vorherigen Begebenheiten, brachten Near dazu, aus seinem Schlaf zu erwachen, wobei ihn allerdings niemand der beiden Männer bemerkte, da er keinen Mucks von sich gab.

Er schweifte seinen Blick durch den Raum, sah Watari und L, welcher ihm ziemlich nahe war.

Erst danach fühlte er die schleichende Kälte, die sich auf seiner Brust ausbreitete, was ihn dazu brachte an sich herabzusehen. Beinahe schlagartig zog er die Decke so weit nach oben, dass man nur noch die Ansätze seiner Schultern und seinen Kopf sehen konnte.

Warum zur Hölle war er so nackt? Und weswegen brachte Watari eine Erdbeertorte in sein Zimmer, obwohl er schlief?! Noch ein wenig schlaftrunken kam er auf die irrsinnigsten Ideen, zum Beispiel, dass Ls nächster Schritt wäre, dass er mit seinen bloßen Händen nach der Torte fassen, die Creme auf Nears Oberkörper streichen und sie daraufhin davon weglecken würde. »Um Himmels Willen.... Auf welche Ideen komme ich?!«
 

L drehte sich zu Near um, nachdem dieser seine Decke so ruckartig zu sich zog.

„Du bist eingeschlafen und ich wollte dich nicht wecken, darum habe ich das Thermometer einfach gesucht, aber wie ich sehe, war ich wohl nicht mild genug, tut mir leid“, verteidigte er sich, bevor er nochmals vorwurfsvolle Blicke ertragen müsste.

„Ist schon in Ordnung. Es war nicht Ihr Fehler“, entgegnete Near phlegmatisch.

War es auch nicht. Schließlich war er eingeschlafen, trotz Ls Anweisung es nicht zu tun.

Außerdem war seine Absicht gut gemeint, er wollte ihn schlussendlich nur ruhen lassen.

„Wie viel Fieber habe ich?“ „39,6 Grad. Ich schätze wir werden dich heute noch in ein Krankenhaus bringen“, antwortete L kühl.

Watari verließ daraufhin den Raum, da es in seinen Augen eine unterschwellige Aufforderung dazu war, die Dinge darauf vorzubereiten, was auch stimmte.
 

Nears Mund öffnete sich unglaubwürdig. „In ein Krankenhaus? Aber wie soll ich Ihnen dann bei diesem Fall helfen?!“ „Gar nicht, wie mir scheint, sofern du noch länger krank bist. Denn auch wenn du morgen wieder zurück sein solltest, was ich doch schwer hoffe, wirst du so lange dem Fall fernbleiben, bis du dich wieder auskuriert hast.“

Near saß einfach nur da und sah L an, als ob er ihn gerade gefragt hätte, ob er ihn heiraten wollen würde, denn genau so absurd klang das alles gerade für ihn.

„Denken Sie etwa, dass ich nicht klar denken kann, wenn ich krank bin, oder welchen Grund würde es für Sie geben, mich die ganze Zeit in dieser Wohnung zu behalten?“, langsam wurde sein Ton rauer. „Erstens das. Zweitens geht es darum, dass du dich genest und wenn du dich die ganze Zeit über deswegen so anstrengst, würde sich das nur in die Länge ziehen.“ „Anstrengen, ich verstehe. Mein Körper wird natürlich unter diesen Maßnahmen zusammenbrechen, da ich ja so schwere Arbeit vollziehen würde.“ „Jetzt wirst du langsam kindisch, Nate.“

Near holte tief Luft, allerdings mit geschlossenem Mund. Was[/b| dachte er sich überhaupt dabei, so mit ihm zu reden? Er wettete, dass L selbst sich sicher nicht durch eine kleine Infektion von diesem Fall abhalten lassen würde. Jetzt war es für ihn eindeutig klar, er wollte ihn bevormunden.

„Ich kann mich nicht erinnern Ihnen gestattet zu haben, mich bei meinem wahren Namen zu nennen.“ Punkt. Und selbst wenn er nun zickig klang, das war ihm egal. Wieso sollte dieser Mann sich das Recht nehmen, welches sonst niemand hatte?!
 

L legte seinen Kopf in eine etwas schiefe Position. „Verstanden, Near“, sagte er sachlich und stand dann von der Bettkante auf. „Das ändert dennoch nichts daran, dass du heute ins Krankenhaus kommst. Du solltest dich lieber wieder hinlegen, wenn du schnell gesund werden willst“, fügte er noch hinzu und verließ den Raum.
 

Near war außer sich. Er war sich sicher, dass L nicht bei jedem so gehandelt hätte. Er nutze nur seine Macht Near gegenüber aus und wollte wohl erneut nur seine Reaktion testen, welche der Junge ihm unverblümt vorgesetzt hatte. Kurz nachdem L ihn alleine ließ, hätte er sich dafür ohrfeigen können, da er in weniger als einer Minuten so viele Dinge von sich preisgab, wie sonst in 10 Monaten. Er zeigte Seiten seines sonst so gezügelten Temperaments.

Was machte dieser Mann bloß mit ihm?

Kopfzerbrechen

L schlenderte den Flur außerhalb des Appartements entlang.

Er war ein wenig perplex, aber zufrieden zugleich. Zwar hätte er nicht mit diesem Verbot von Near gerechnet, aber immerhin wusste er nun mehr über den Jungen. Er hasste es scheinbar unterschätzt zu werden, genau so wie bevormundet. Und was L aus seiner Gesichtsmimik entnahm; er wollte ihm scheinbar etwas beweisen.

Beweisen, dass auch er dazu fähig war, gegen das Verbrechen zu kämpfen, dass er ein guter Nachfolger wäre.

L fühlte sich dadurch etwas geschmeichelt, obwohl ihm klar war, weswegen Near sein Können demonstrieren wollte. Es gab nur bisher niemanden, der sich seine Aufmerksamkeit so sehr wünschte. Wissen konnte er nicht was in dem Herz des Jungen vorging, er konnte es sich allerdings denken und es wirkte für ihn so, als ob er ihm gerade etwas zerstört hätte.

Dennoch blieb er seinen Worten treu, er durfte an der Lösung des Falls solange nicht teilnehmen, bis er wieder gesund war.
 

Nachdem der schwarzhaarige Mann das Hauptquartier erneut betrat waren alle wie immer, ruhig und konzentriert, niemand gab einen Laut von sich, einzig und alleine die Tasten der Computer machten Geräusche. Doch beim genaueren Hinsehen konnte man erkennen, dass die Leute ziemlich angespannt wirkten.

L aber entschloss sich einfach dazu, nicht nachzufragen und setzte sich auf seinen Drehsessel. Dabei betrachtete er die Bildschirme, auf welchen Nachrichtensender zu sehen waren, in der Hoffnung es würde Neuigkeiten zum momentanen Fall geben. Doch vergebens.

Und wenn die anderen Mitglieder der Besatzung etwas Ungewöhnliches bemerkten, hätten sie ihm Bescheid gegeben. Im schlimmsten Falle hätten sie es durch die Polizei erfahren.

Ihm blieb also nichts anderes übrig, als auf die Listen der Kindergärten und der Friseure zu warten.

Wieso dann nicht einfach ein Stück Torte essen?

... Bis ihm auffiel, dass diese noch am Servierwagen war, welcher sich in Nears Zimmer befand.

Er wandte seinen Blick Monitor 26 zu. Wie erwartet stand dort der Wagen neben dem Bett des Jungen.

Und auch wenn dieser scheinbar wieder eingeschlafen war, so wollte L momentan trotzdem nicht im selben Raum sein wie er. Er war nicht wütend oder sonstiges, einfach nur nicht in der Stimmung Near zu sehen, denn er hatte gerade eben Stufe zwei des Kennenlernens erreicht, was schneller ging als erwartet. Wenn er jetzt wieder den Raum betreten würde, in dem der Junge sich aufhielt, würde er wohl durchdrehen, da er weitergehen wollte in seiner Diagnose.

Aus diesem Grund verließ er zuvor so schnell die Konversation, da er sich sonst zu lange mit ihm beschäftigt hätte, wäre er einmal in Fahrt gekommen.

Bei einem richtigen Fall war das anders, denn gerade dann sollte man weitermachen, da die Lösung immer näher rückte.

Bei zwischenmenschlichen Sachen allerdings war es immer besser, die Dinge langsam angehen zu lassen. Doch im Grunde... War es überhaupt zwischenmenschlich? Schließlich... Ging es doch nur darum, ihn zu analysieren und nicht, sich mit ihm anzufreunden oder ähnliches.

Aber er konnte ihn doch nicht einfach wie sein Forschungsobjekt behandeln, auch wenn er es war, so war er doch erst sechzehn, wie könnte er das verantworten?

Denn auch wenn er sich emotionslos und kalt gab, alleine das Gespräch, welches sie zuvor führten, zeigte ihm deutlich, dass auch Near nicht unerschütterlich war. Natürlich wollte er ihn nicht mit Samthandschuhen anfassen, schließlich wäre das eine komplett falsche Darstellung für seine mögliche spätere Arbeit, aber ihn so zu missbrauchen?

Schlussendlich musste er an seine Verantwortung denken. Er wollte der Welt helfen und sie nicht zerstören, auch wenn es sich in diesem Fall nur um eine einzige Person handelte.
 

L kuckte auf die Uhr. »Schon vier? Das ging heute aber schnell...«

„Wenn Sie fertig mit den beiden Listen sind können Sie für heute gehen. Ich denke nicht, dass sich noch weitere Hinweise zeigen werden. Jedenfalls keine, mit denen ich mich nicht auch selbst beschäftigen könnte“, warf er in den Raum. Er wollte den Männern nicht ihre Zeit stehlen und außerdem musste Near noch ins Krankenhaus gebracht werden und da wollte er dabei sein.

Jetzt ging es nämlich darum ihm zu zeigen, dass es ihm nicht darum ging den Jungen zu ärgern oder ihn abzuschrecken. Er wollte auch nicht ganz so unnahbar für ihn sein, wo er sich doch beim ersten Treffen als ‚engste Kontaktsperson’ vorstellte. Und selbst wenn es ihn reizte, Near zu erforschen, wollte er sich zurückhalten bis es ihm wenigstens ein bisschen besser ging.
 

„Ganz sicher, Ryuzaki?“, fragte Raito, „Es ist noch ziemlich früh“

„Ich weiß, aber es hat keinen Sinn mehr für heute.“

„Na, wenn Ryuzaki das sagt“, so Misa während sie Raito dezent von hinten umarmte.

Die beiden waren verlobt. Dennoch hielt sich der Braunhaarige in der Öffentlichkeit mit seiner Liebe zurück.

L nickte nur. „Mach dir keine Sorgen.“ Danach stand er auf und verließ den Raum.

Wieder einmal zog er sein Handy aus der Tasche und rief Watari an. „Können wir ins Krankenhaus fahren?“ „Natürlich. Ich bin sofort im Appartement.“ „Danke, Watari“
 

L betrat erneut die Wohnung, was er ziemlich häufig an diesem Tag machte, und ging in Nears Zimmer. Dabei versuchte er so leise wie möglich zu sein, um den Jungen nicht zu wecken.

Oh ja, da war sie. Die Torte.

Er machte einige Schritte darauf zu und nahm sich ein Stück, ohne Teller, ohne Gabel, er benutze einfach nur seine Hand dazu, um es sich in seinen Mund zu führen.

Der Anti-Zuckerschock war überwunden. Endlich wieder etwas Süßes.

Als er damit fertig war schlenderte er noch einmal kurz ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen und danach kehrte er wieder in das Zimmer des Jungen zurück, um dort auf Watari zu warten.

Der ewige Lügner

Watari ließ nicht lange auf sich warten. Er spazierte sofort in die Richtung, in der Nears Zimmer lag und blieb dann höflich im Türrahmen stehen. „Oh, Sie haben den jungen Herrn noch nicht geweckt?“

Ls Herz begann heftig zu schlagen. Er wusste, dass diese Frage kommen würde.

„Nun, ich war mir nicht sicher, ob wir ihn nicht vielleicht ruhen lassen und deswegen zum Wagen tragen sollten.“ – Auch wenn es eigentlich darum ging, dass er sich nicht der Verführung aussetzen wollte, Near zu analysieren, aber das hätte Watari wohl falsch verstanden.

„Ich verstehe“, sagte Watari und stellte sich neben das Bett um den Jungen fassen zu können. Mit einem Ruck hob er ihn hoch und drückte ihn leicht an sich, damit er nicht herunterfallen konnte.

L beobachtete ihn dabei und bemerkte, dass Near sein Oberteil scheinbar nicht mehr zugeknöpft hatte. Entweder war er also zu müde oder zu aufgeregt dazu gewesen.
 

Die beiden Männer verließen gemeinsam mit Near das Appartement und das Gebäude, ohne ein Wort zu sprechen. Sie waren nicht unbedingt gesprächig, insofern da sie sich nicht allzu viel zu erzählen hatten, da sie im Prinzip andauernd wussten, was beim Anderen geschah.

Gefühle waren Nebensache.

Als sie beim Wagen ankamen legte Watari Near behutsam auf eine der Rückbänke. L setze sich dem Jungen gegenüber.

Danach stieg Watari vorne ein und startete die Limousine.

L betrachtete währenddessen den liegenden Jungen, da ihn das Oberteil ziemlich störte.

Es ging ihn zwar nichts an, wie es aussah, er überlegte sich nur, ob es wirklich angemessen war, einen kranken Jungen zu so einer Zeit mit einem offenen Hemd in ein Krankenhaus zu transportieren.

Er kam zu dem Entschluss, dass es nicht unbedingt ratsam war. Deswegen lehnte er sich zu ihm rüber um es zuzuknöpfen. Unglücklicherweise war die Fahrt allerdings holpriger als erwartet, weswegen er sich einmal aus Reflex bei Near abstütze.

Dieser erwachte ziemlich hart aus seinem Schlaf, was L sofort bemerkte. In diesem Augenblick fragte er sich, ob es im Allgemeinen nicht besser gewesen wäre, ihn einfach gleich auf seinem Zimmer zu wecken. Oder ihm dort schon sein Oberteil zuzumachen.

Jedenfalls wäre alles vorteilhafter gewesen als das.
 

Near starrte ihn mit seinen großen Augen an und machte ein leicht quietschendes Geräusch, nachdem L sich an ihn gelehnt hatte.

„Habe ich dir wehgetan?!“, fragte L hastig nachdem er sich etwas von ihm entfernte.

Near wartete kurz mit seiner Antwort, zuerst holte er noch tief Luft, allerdings nur durch die Nase.

„Ein wenig... Wo fahren wir hin?“ „Tut mir leid. – Wir fahren jetzt ins Krankenhaus.“

Der Junge fand, dass L ihm zu nahe gekommen war, sagte aber nichts. Nachdem er seine Haltung betrachte wusste er, wieso er seinen Atem auf der Haut fühlen konnte, darum hielt er es nicht für schlimm, beziehungsweise war es nicht schlimm genug um ihn zu bitten, zurückzuweichen, wie er fand.

Der kurze Schlaf brachte Near dazu zu vergessen, wie er sich davor fühlte nachdem er erfuhr, dass er am Fall nicht teilnehmen durfte.

Einige Sekunden lang verhielten sich beide ausgesprochen ruhig, bis Near sich dafür entschied etwas zu sagen.

„L... Sagen Sie mir die Wahrheit.... Sie haben mich nur zu sich geholt damit sie mich analysieren können, nicht wahr...?“ Dabei sah er ihm genau in die Augen.

L stockte der Atem. Damit hätte er nicht gerechnet. Jedenfalls jetzt noch nicht.

Er dachte Near wäre zurückhaltender in dieser Hinsicht, nicht ganz so direkt. Vielleicht aber war er so, weil ihm die Sache wichtig war. Oder aber auch, weil er eine so stark erhöhte Temperatur hatte, was ja bekanntlich manchmal zu außergewöhnlichen Handlungen verleitete.

Jetzt musste der Ältere in wenigen Sekunden entscheiden, ob er ihn nun anlügen oder ihm die Wahrheit sagen sollte. „Denk das jetzt nicht, nur weil ich dich nicht teilnehmen lasse. Es geht mir um dein Wohl, Near. Ich möchte nur, dass du so schnell wie möglich wieder gesund wirst.“ – Er entschied sich dazu, zu lügen.

Near sah ihn mit geöffnetem Munde an. War das wirklich sein Ernst? Es ging ihm tatsächlich um sein Wohl?

Es war neu für ihn, dass es einem nicht um seine Leistung, sondern um ihn ging.

Dadurch fühlte er sich ein wenig merkwürdig, er konnte es nicht wirklich beschreiben. Anders als sonst, was aber hauptsächlich am Fieber lag.

In diesem Moment dachte er nicht einmal daran, dass L ihn anlügen hätte können – er war demnach tatsächlich sehr krank.
 

Eine angenehme Stille herrschte zwischen den beiden, welche aber dann dadurch unterbrochen wurde, dass die Limousine anhielt. „Sind wir denn schon da, Watari?“, fragte L mit einer etwas lauteren Stimme, da es schwierig war ihn ansonsten zu verstehen. „Ja, sind wir.“

Watari war verwundert über Ls Frage, da die Fahrt so lange wie immer dauerte.

Er stieg aus dem Wagen aus und öffnete dann eine der hinteren Wagentüren, aus welcher L auch gleich ausstieg. Danach bückte er sich, sogar tiefer als es sonst der Fall war, und drehte daraufhin seinen Kopf zu Near. „Komm auf meinen Rücken.“

Der Junge weitete kurz seine Augen, sagte aber nichts und tat wie ihm Befehl.

Er legte etwas zögerlich seine Arme um L, als dieser in seine Kniekehlen griff und ihn danach mit einem Ruck hochhob.

Im Wartezimmer

Near krallte sich schon beinahe bei ihm fest, als er die Wallungen fühlte, die ihn durchströmten als er empor gehoben wurde. Er war ziemlich aufgeregt, aber nicht vor Freude, er hatte vielmehr ein Bauchkribbeln, da er dachte, keinen Halt zu haben, was allerdings nur Einbildung war.

Nachdem er sich aber fest an L drückte war es angenehm, so angenehm, dass er seinen Kopf in Ls Nacken legte und seine Augen schloss.

Er versuchte sich wach zu halten, da er es nicht für sonderlich vorteilhaft hielt, bei einer Untersuchung zu schlafen. Und erneut aufgeweckt zu werden würde ihn nur stressen.
 

L brachte Near ins Krankenhaus und teilte Watari mit, dass dieser draußen warten könnte, da es voraussichtlich nicht allzu lange dauern würde.

Der Schwarzhaarige blieb direkt an der Rezeption stehen und fragte nach einem praktischen Arzt, der sich gerade im Gebäude aufhalten sollte.

Man sagte ihm, er solle ins Wartezimmer gehen und dass er auch bald aufgerufen werden würde.

Somit trottete er mitsamt Near in den genannten Raum, musste allerdings feststellen, dass nicht wenige Leute dort warteten.

Mit seinen halonierten Augen suchte er den Raum auf einen freien Sitzplatz ab, gab die Hoffnung auch schon beinahe auf, bis ein Name aus dem Lautsprecher dröhnte und sich daraufhin eine Dame von einem der Stühle erhob.

Bevor auch nur irgendjemand auf die Idee kommen hätte können, dort Platz zu nehmen, steuerte L geradewegs auf diesen Stuhl zu.

Kurz überlegte er, ob er Near einfach darauf setzen sollte, entschied sich aber anders.

Er ließ ihn sachte hinter sich runter, ließ sich dann auf dem Platz nieder und setzte den Jungen auf seinen Schoß. Dabei benutzte er einen seiner Arme dazu um ihn bei den Schultern leicht zu sich zu drücken, damit er nicht runterfallen konnte.
 

Nears Herz klopfte schnell und er fragte sich, ob es Ls Absicht war es so zu drehen, dass dem Jungen noch heißer wurde. Am liebsten hätte er Dinge gesagt wie „Ich kann schon stehen.“ oder „Ich leg mich einfach auf den Boden.“

Er wollte nur unter allen Umständen nicht auf ihm sitzen.

Dass es ihm gar nichts ausmachte? ... Vielleicht tat er so was ja öfter...

Das muss es wohl gewesen sein. Oder er dachte sich einfach nichts dabei und war erwachsen genug, Situationen zu trennen.

Nach dieser Erkenntnis fühlte Near sich wieder sehr jung. Er wusste zwar, dass man mit sechzehn keineswegs alt war, er aber hielt sich selbst für sehr erwachsen, ruhig und bedacht – was er für gewöhnlich auch war.

Doch als L den Kopf des Jungen so gegen seine Brust drückte, war ihm plötzlich so, als ob er ein Sechzehnjähriger mit ersten sexuellen Erfahrungen war. – Seiner Meinung nach war das gerade jedenfalls sehr sexuell.

Wenn man nie angefasst wurde, musste einem das wohl einfach sehr intim vorkommen, damit erklärte er sich zumindest dieses Gefühl.

Aber als L an seine Stirn fasste begann er von diesen Gedanken abzulassen.

„Du fühlst dich fast noch heißer an als zuvor...“, meinte L mit einer monotonen Stimme, „Hoffentlich ist es nichts allzu Ernstes“, fuhr er dann fort.

Near unterließ es, ihm ins Gesicht zu sehen und nickte nur dezent.
 

Sie saßen noch einige Minuten dort, bis man schließlich „Mr. Lawliet, bitte in die Ordination“, hörte.

L hob Near behutsam von sich, stand auf und nahm den Jungen an der Hand.

Near zuckte kurz. Denn auch wenn die Sprache Japanisch war, so konnte man deutlich ‚Mister Lawliet’ verstehen. Lawliet. War das sein echter Name? Oder nur ein gefälschter?

Es interessierte ihn brennend, er konnte sich allerdings nicht so viele Gedanken darüber machen, da L ihn schon in das Ärztezimmer geschleppt hatte.
 

Er hörte dem Mediziner und L schweigend beim Sprechen zu, bis sein Begleiter ihn darum bat, sich auf die Liege zu setzen, welche an der hinteren Mauer des Zimmers stand.

Der Junge schwankte etwas benommen auf das Gestell zu und ließ sich dann darauf nieder.

„Jetzt mach deinen Oberkörper frei“, befohl L sodann.

Somit wurden die Hauptuntersuchungen durchgeführt. Schließlich befestigte der Doktor ein Fieberthermometer an Nears Ohr und teilte L mit, dass sie nun einige Zeit warten müssten.

Near kam sich sehr komisch vor. Er wollte wissen, was hier vor sich ging, konnte aber die Sprache nicht verstehen, was ihn ziemlich unruhig machte, besonders jetzt in der Zeit wo seine Temperatur gemessen wurde, redete L viel mit dem Arzt.

Deswegen entschied Near sich dazu, sich einfach im Raum umzusehen.

Da waren einige Bilder von Leuten zu sehen, die scheinbar zur Familie des Arztes gehörten.

Es war auch ein klischeehaftes Skelett im Raum, sowie ein Computer und einige Dinge, mit denen man Patienten untersuchte. Als der Junge auf die Uhr kuckte konnte er sehen, dass es schon bald 18 Uhr war.

Nach dieser Einsicht begann das Fieberthermometer plötzlich zu piepen und der Arzt nahm es vorsichtig von Nears Ohr. Daraufhin erzählte er L etwas, welcher sich danach Near zuwandte und „Du hast 40,2 Grad Fieber. Zumindest für heute solltest du eine Nacht hier bleiben, hat der Arzt empfohlen“, sagte.

Die erste Nacht im Krankenhaus

Near war nicht sonderlich überrascht darüber, da L bereits einmal andeutete, dass er möglicherweise im Krankenhaus bleiben müsste.

Er blieb auf der Liege sitzen und starrte den Schwarzhaarigen stumm an, sein Blick verriet alles.

Er wartete darauf, dass man ihm sagte, was nun als nächstes passieren würde.

„Es wird bald jemand kommen, der fließend mit dir sprechen kann. Bis dahin bleibe ich bei dir“, teilte L Near mit.

Der Junge nickte und knöpfte danach sein Hemd wieder zu, nachdem L einige Schritte auf die Türe zumachte. Er wartete beim Ausgang auf Near und gab diesem danach wieder die Hand, als der Junge bei ihm angekommen war.
 

Near fühlte sich deutlich krank. Es war ihm unangenehm L immer seine Hand zu geben, oder gar auf ihm zu sitzen, doch er wusste nicht, ob er dann nicht vielleicht kollabiert wäre.

Es hieß also entweder sich wie ein kleines Kind führen zu lassen, oder sich trotzig auf den Boden zu legen, was ihm eindeutig fern lag.
 

Gemeinsam mit L schleppte der Junge sich müde den Weg entlang, bis der Ältere ihn dann wieder auflas, mit der Begründung, dass das wohl gemütlicher für ihn sein würde, womit er unglücklicher Weise recht hatte.

Mit Near auf dem Arm bat er bei der Rezeption um ein Zimmer und legte einen Zettel vor, den er zuvor vom Arzt erhalten hatte.

L musste vor Ort noch einige Papiere ausfüllen. Währenddessen legte er Near auf eine gepolsterte Bank und wünschte sich Watari an seine Seite, da dieser dann die Fragebögen für ihn beantwortet hätte. L mochte es nicht sonderlich sich, mit solchen Belanglosigkeiten abzumühen. Und wenn er nicht ein privates Zimmer für den Jungen verlangt hätte, müsste er jetzt wohl nur halb so viel Papierkram erledigen müssen. Als er den Kugelschreiber schwang seufzte er einige Male, wurde schlussendlich aber dann doch damit fertig und gab die ausgefüllten Blätter wieder bei der Empfangsdame ab, woraufhin man ihm dann ein Stockwerk und einen Raum nannte, in welchen er Near bringen sollte.

Somit spazierte er zurück zur Bank, auf der er den Jungen liegen gelassen hatte, schnappte ihn sich und stieg in einen der vielen Aufzüge ein.
 

Es dauerte nicht lange, da hatte er schon das für Near vorgesehene Zimmer gefunden und brachte ihn hinein. Drinnen platzierte er ihn dann auf dem Krankenbett und deckte ihn fürsorglich zu.

Nachdem zog er einen Stuhl zu sich und setzte sich ihm gegenüber.

L betrachtete ihn genau, und auch wenn ihm vorher schon aufgefallen war, dass Near doch sehr jung aussah, so machte ihn seine momentane Röte schon beinahe zum Kind.

Zum androgynen Kind wohlgemerkt, da er weder männlich noch weiblich aussah. Faktoren beider Geschlechter waren gleichmäßig in seinem Gesicht verteilt.

Insgeheim fand L ihn sehr hübsch – für einen Jungen. Seine Züge waren so eben und gleichmäßig, geradezu edel, man hätte sie mit denen eines Prinzen oder einer Prinzessin vergleichen können.

Am liebsten wäre er näher gerückt um Near genauer zu betrachten, aber obwohl der Junge die Augen geschlossen hatte, war L sich sicher, dass er noch wach war und schließlich wollte er ihn nicht belästigen.
 

Near merkte ganz genau, dass er beobachtet wurde, weswegen er sich nicht rührte und so tat, als ob es ihm nichts ausmachen würde, dem war aber nicht so. Er empfand es als sehr unangenehm, besonders da er nicht wusste, was sein Gegenüber gerade dachte. L sah ihn einfach nur an, nichts weiter.

Es machte ihn geradezu wahnsinnig. Er fühlte schon dieses Kribbeln das man spürte, wenn man kurz davor war wild um sich zu schlagen und zu schreien, ohne dass es einen erklärbaren Grund dafür gäbe. Natürlich aber würde er niemals seine Contenance verlieren, dafür hatte er sich viel zu sehr unter Kontrolle.

Als sich plötzlich die Türe öffnete zuckte er allerdings ziemlich und quietschte deutlich hörbar, da der innere Druck schon so groß war.

„Oh, entschuldige“, sagte die lächelnde Frau, welche gerade den Raum betrat, „Habe ich dich erschreckt?“

Near antwortete nichts darauf, er sah sie einfach nur an, genau so wie L.

Dieser aber warf zuvor noch einen Blick auf den Jungen hinter sich.

„Es freut mich, dass Sie so schnell kommen konnten.“ Danach stand der Schwarzhaarige auf und drehte sich wieder zu Near. „Ich lasse dich jetzt alleine. Wenn du irgendetwas brauchst, musst es nur sagen, alles wie gehabt. So früh ich morgen Zeit finde werde ich dich wieder besuchen kommen.“

Mit diesen Worten schlenderte er an der eben gekommenen Krankenschwester vorbei und verließ den Raum.

Near sah ihm bedrückt hinterher, er wollte nicht, dass er jetzt schon ging, auch wenn sie nichts sprachen, es war einfach nur seine Präsenz die er wollte.

Er wusste, dass das egoistisch war, gegen diesen inneren Wunsch konnte er nur leider nichts machen.
 

„Hier“, sagte die Krankenschwester und unterbrach somit die Gedanken des Jungen. Dabei reichte sie ihm ein Glas Wasser und vier Medikamente, wovon zwei dieselben zu sein schienen.

„Das sind deine Medikamente. Mit denen wirst du wieder schnell gesund.“

Wieder lächelte sie. Eigentlich lächelte sie die ganze Zeit.

Near wollte sie schlagen. Nicht für ihr dämliches Grinsen, was es in seinen Augen war, sondern dafür, dass sie mit ihm wie mit einem kleinen Kind sprach. Er wusste, dass Medikamente dafür da waren, um Leute wieder gesund zu machen, oh Wunder.

„Ist mir neu“, antwortete er sarkastisch und nahm die Kapseln, sowie das Glas, langsam entgegen.

Nein, er konnte es nicht zurückhalten, war diese Reaktion doch schon gnädig, wenn man bedachte, was er eigentlich vorgehabt hätte.

Tränenreiche Momente

Die Nacht ging schnell vorbei, da Near sofort nachdem er seine Medikamente geschluckt hatte eingeschlafen war. Am nächsten Morgen wurde er um 8 Uhr geweckt und man gab ihm erneut Tabletten, diesmal aber war eine weg und dafür eine neue dabei. Near dachte sich nicht viel dabei, es musste wohl an der Tageszeit liegen.

Er nahm sie ein und bekam ca. eine halbe Stunde später Frühstück, die Medizin sollte auf nüchternem Magen eingenommen werden.

Wenige Minuten nachdem er fertig gegessen hatte, maß man sein Fieber.

Alles ging recht schnell, so kam es dem Jungen jedenfalls vor.

Zumindest bewegten sich die Schwestern sehr geschwind fort. Das wirkte für ihn ein bisschen suspekt, da es etwas Ungewöhnliches für eine Krankenschwester war, wenn es sich nicht um einen Notfall handelte. Schließlich wollte man dem Patienten kein unwohles Gefühl verpassen.
 

Die Krankenpfleger verspäteten sich um zwanzig Minuten, um nach Nears Temperatur zu sehen.

Diesem war das im Prinzip egal, schließlich würde das nichts an seiner Lage ändern. Er würde nach wie vor dasselbe Befinden haben, das einzige was sich ändern würde, wäre sein Wissen über seinen momentanen Zustand.

Und das interessierte ihn nicht sonderlich, er war zu sehr damit beschäftigt, mit dieser Langeweile klarzukommen. Gewöhnlich hatte er immer irgendwelche Spielsachen um sich und wechselte auch gerne zwischen ihnen. Er brauchte immer ein gewisses Maß an Unterhaltung, in dieser Hinsicht war er eindeutig mit einem kleinen Jungen zu vergleichen.

Was aber im Moment noch schlimmer war, als in diesem ermüdenden Raum zu liegen war die Tatsache, dass er L nicht bei dem Fall helfen konnte. Es lief alles anders als geplant.

Er erinnerte sich an den Augenblick zurück, als ihm mitgeteilt wurde, dass er nach Japan fliegen sollte. Das Kribbeln, das er damals im Bauch verspürte, fühlte er noch nie zuvor.

Er würde an Ls Seite gegen einen Verbrecher vorgehen und ihm zeigen können, dass er seiner würdig war.

Dazu kam es aber nie, auch wenn er möglicherweise noch rechtzeitig genug gesund werden würde, was sehr wahrscheinlich war, wäre L bereits kurz vorm Ende.

Near fühlte jegliche Hoffnung schwinden, jetzt wo er genügend Zeit hatte, um über alles nachzudenken, da ihm im Grunde nichts anderes übrig blieb.

Er starrte gegen den Plafond und zog sich die Bettdecke bis knapp unter sein Kinn. Eine innere Leere machte sich in ihm breit, wie ein hohler weißer Raum mit Tropenklima.

Tropenklima deswegen, weil er drohte mental zu explodieren, es war nur eine Frage der Zeit, vergleichbar mit einem Gysir.

Der Junge drehte seinen Körper in Richtung Außenmauer, dabei riss er die Decke mit sich, klemmte sie zwischen seine Beine und umarmte sie schon beinahe.

Seine Augen waren ausdruckslos, wie die eines Toten.

Und dann passierte es schließlich, der Moment in dem alles in ihm überschwappte.

Sein Oberkörper krümmte sich zusammen und er drückte die Decke fest an sich. Binnen weniger Sekunden fühlte er wie einzelne Tränen seine Wangen entlang rannen.

Für einige Augenblicke fürchtete er, keine Luft mehr zu bekommen, da es sich anfühlte, als ob sich ein grober Strick um sein Herz schnürte.

Near begann schnell und heftig zu atmen, so als ob er um sein Leben laufen müsse und daraufhin fing er leise zu schluchzen an, was allerdings zunehmend lauter wurde.

Er drückte sein Gesicht in das Kissen und betete einfach, dass das alles schnell vergehen sollte.

Er wollte zurück ins Waisenhaus, wollte in seinem Zimmer sitzen und ein Puzzle lösen oder einfach nur irgendetwas spielen. Es wäre ihm sogar lieber sich Mellos Gemecker anzuhören als das hier. Um ehrlich zu sein, er hätte jetzt gerne den blonden Jungen um sich gehabt.

Denn selbst wenn Near nie weinte, oder zumindest nicht offensichtlich, so hatte er schon des Öfteren mitgekriegt, wie Mello sich um andere kümmerte, wenn es ihnen schlecht ging.

Near wollte nicht, dass man ihn tröstete oder weiteres, es war nur die heitere und menschliche Art des Blonden, nach der er sich in diesem Moment sehnte.

Aber... wenn er ehrlich war, wäre der andere Junge nun bei ihm gewesen, hätte er nicht geweint, also hätte es ihm nicht wirklich etwas gebracht.

Es fiel ihm einfach schwer, seine Gefühle zu zeigen, schließlich wollte er nicht verletzlich wirken, was er schlussendlich auch nicht war.

Er war nur human und selbst das wollte er nicht deutlich offenbaren.
 

Der Junge zuckte zusammen und hielt den Atem an. Man hatte ihn berührt. Irgendjemand hatte ihn gerade berührt. Wie war diese Person hier rein gekommen?

Er hatte nichts, rein gar nichts gehört. Wie nur konnte sich jemand hier rein schleichen?

Sah diese Person ihn jetzt weinen? Natürlich tat sie das, was für eine dumme Frage.

Near war so beschämt, dass er sich anfangs nicht umdrehen wollte, oder gar konnte.

Er konnte nicht sagen, ob sein Herz nun rasend schnell oder fürchterlich langsam schlug, dazu war diese Situation einfach zu plötzlich gekommen, er wusste nur, dass irgendetwas deutlich falsch war.

„Near... ist etwas vorgefallen...?“, hörte er eine tiefe und ihm bekannte Stimme fragen.

Es war Ls. Natürlich war es seine. Wie hätte es auch anders kommen können? Ein richtiger Alptraum war erst dann komplett, wenn der Horror sich stetig steigerte.

In diesem Augenblick hatte Near das Gefühl, er wäre am Höhepunkt angelangt.

Glückliche Wendung

Near bewegte sich nicht. Er versuchte so schnell wie möglich, eine gewisse innere Ruhe zu finden, um während der bevorstehenden Konversation nicht wieder ‚rückfällig’ zu werden. Nach kürzester Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, fuhr der Junge sich dezent mit der rechten Hand über sein Gesicht und wischte sich somit seine Tränen weg.

Was sollte er nun antworten? Er wusste nicht wirklich, was er sagen könnte, beziehungsweise wollte sein Mund ihm nicht gehorchen. So sehr er auch etwas herausbringen wollte, es hätte nicht funktioniert.

Zu sehr fühlte er sich, von dem plötzlichen Erscheinen des Mannes hinter sich, überrumpelt.

‚Hinter’ ihm war falsch ausgedrückt, da L geradezu über ihm lehnte.

Near könnte schwören, dass er seinen Atem im Nacken spüren konnte. Warum musste er ihm auch immer so verdammt nahe kommen?

Er wollte ihn wohl verunsichern und Gratulation, erneut gelang ihm das mit Bravour.
 

„Near...?“, fragte der Ältere erneut und dachte scheinbar nicht im Geringsten daran, auch nur einen Zentimeter zurückzuweichen.

Daraufhin drehte Near seinen Körper träge um, er hielt sich ein wenig hinter der Bettdecke versteckt, sah L aber genau in die Augen.

Sie waren glasig und noch leicht gerötet, was L dazu brachte sich etwas zu entfernen, denn in dem Moment, wo die Gesichter sich ansahen fand er, dass er dem Jungen zu nahe gekommen war.

„Weswegen hast du geweint?“, erkundigte sich der Schwarzhaarige mit monotoner Stimme, welche aber leicht ins Sanfte ging. Er sah ihn dabei direkt an und erhoffte sich eine baldige Antwort.

Zwar hätte er wohl mit Leichtigkeit den Grund für Nears Tränen herausfinden können, das aber sehr unpersönlich und teilnahmslos, was nicht unbedingt dazu beitragen würde, es so aussehen zu lassen, als ob es ihn wirklich interessierte.

Er war nicht der Typ zum Trösten. Deswegen war es ihm eindeutig lieber, wenn Near es von alleine erzählte.
 

Der Junge fummelte an der Bettdecke herum, das aber so, dass man es aus Ls Position nicht bemerken hätte können, nämlich an der Unterseite.

„Ich... denke es liegt wohl am Fieber und der gesamten Situation. Das hat vermutlich meine Nerven etwas strapaziert, nichts Besonderes also.“

Während er L das erzähle, drehte er seinen Kopf unwillkürlich Richtung Mauer, damit er ihn dabei nicht ansehen musste.

Sein Herz klopfte wie wild dabei, schließlich wusste er nicht, welche Reaktion er jetzt von L erwarten konnte und er fühlte sich durchaus unwohl dabei, ihm davon zu erzählen, da er ihn doch erst am vorherigen Tag kennen gelernt hatte.
 

„Ich verstehe“, meinte L bekennend und stieß sich mit geringem Schwung vom Bett ab. Danach drehte er Near den Rücken zu und ging in Richtung Tisch.

Der Junge fixierte den Mann dabei genau und war gespannt darauf, was wohl als nächstes kommen würde.

L hob eine flache Schachtel vom Tisch und brachte sie zu Near. Bevor er ihm aber noch offenbarte, was er da hatte, zog er wieder den Stuhl zu sich und setzte sich dem Jüngeren gegenüber.

Dieser erhob sich neugierig, hielt sich aber in seiner Mimik zurück.

„Man sagte mir, dass du gerne Puzzles löst. Und da dir hier wohl ziemlich langweilig werden könnte, dachte ich mir, dass ich dir das hier schenke.“

Danach drückte er Near die Schachtel in die Hand, in welcher wohl offensichtlich ein Puzzle drinnen war.

„24 000 Teile....!“, stotterte Near und nahm die Schachtel leicht zitternd entgegen.

VIERUNDZWANZIGTAUSEND!!! Er wusste gar nicht, dass es Puzzles mit so vielen Teilen überhaupt im Handel gab. Das Motiv war schlicht, es bestand aus verschieden großen und langen Vierecke, welche sich manchmal überlappten und sich so die jeweiligen Farbtöne miteinander multiplizierten. Das ganze war in einem fahlen Blau gehalten.

Der Junge richtete sich sichtlich glücklich zu L. „Ich danke Ihnen...! Das ist so... nett von Ihnen..“

Und als er das sagte machte es ‚klick!’ in seinem Kopf.

Es war sicherlich sehr liebenswert, dass er ihm dieses Geschenk mitbrachte.

Die Frage war nur, ob er wirklich so freundlich war, oder ob er einfach nur wissen wollte, wie Near in solchen Situationen reagierte.

Er freute sich. Ja, er freute sich sehr. Wer würde das nicht?

Das dachte L sich wohl auch. Deswegen kann es wohl gar kein Test gewesen sein, schlussendlich war die Reaktion des Jungen bloß natürlich.

Nein, er machte es einfach um Near glücklich zu machen.

Nach dieser Erkenntnis entschied sich der Jüngere dazu, weiter nachzuhaken.

„Weswegen sind Sie schon so früh hier? Damit hätte ich nicht gerechnet.“

Er versuchte zwar lethargisch zu klingen, war aber noch immer von Ls Geste überrascht, wodurch er weiterhin ziemlich erfreut klang.

„Ich habe mich dazu entschieden, dass wir heute etwas später mit den Ermittlungen beginnen, damit ich dich heute noch besuchen kann, schließlich könnte es sehr spät werden und ich wollte dich nicht wecken, deswegen.“

Nears Atem stockte. Das machte er alles für ihn? L wollte für ihn da sein?

Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte, zu seinem Glück aber übernahm L weiterhin das Sprechen. „Ich habe nachgefragt, wann du wieder gehen kannst und man hat mir gesagt, dass ich dich voraussichtlich morgen früh wieder abholen könnte.“

„Tatsächlich....?“

Near war glücklich. So viele tolle Dinge auf einmal... und das alles nachdem L hier erschienen war.

Schweigen

Wie konnte man nur solche Stimmungsschwankungen haben? Vor wenigen Minuten noch lag Near im Bett und weinte bitterliche Tränen in seinen Kopfpolster hinein, jetzt aber war er schon kurz davor zu lachen. Und er lachte gewöhnlich nie.

Höchstens, wenn er sich bei irgendetwas als Sieger sah, dann aber lachte er diabolisch in sich hinein.

Wenn er sich freute lächelte er eigentlich bloß und das auch nur wenn er alleine war.

Fakt also war, man sah ihn nie von Herzen glücklich sein, als Außenstehender.

L aber hatte nun dieses Privileg, zumindest beinahe, das wusste er aber nicht.

Schließlich hatte er den Jungen nicht studiert, er konnte nicht sagen, was er wann tat, er konnte nur erahnen, dass es wohl eine Seltenheit war ihn so zu sehen.
 

„Wenn Sie später beginnen, heißt das dann wohl, dass Sie früher gehen werden, nicht wahr?“, fragte Near mit ruhiger Stimme und sah seinen Gegenüber dabei mit einem ziemlich leeren und dennoch unschuldig wirkenden Blick an, was aber keine Absicht war.

„Willst du denn, dass ich früher gehe?“ „Das war nicht meine Frage.“

Daraufhin schwiegen beide.
 

L, weil Nears Antwort im Grunde ziemlich vorhersehbar war, er aber nicht mit ihr rechnete. Das gab ihm ziemlich zu denken. Weswegen erahnte er das nicht? Die offensichtlichste Antwort, welche er überhaupt erwarten hätte können... gab es in seinem Kopf zuvor nicht?

Wie konnte er nur so falsch liegen?

Er dachte nämlich, dass der Junge wohl etwas Emotionaleres, etwas Kindlicheres erwidern würde. Und das, obwohl die Realität doch im Grunde so klar war?

... Oder ... wollte er das vielleicht? Aber wenn dem so wäre, wieso?

Was für einen Grund hätte er gehabt? Belustigung? Womöglich. Aber dafür würde er seinen Scharfsinn nicht zurücksetzen.

Zwar kannte er ihn erst einen Tag, dennoch fühlte er die innere Schande für sein Versagen.
 

Near schwieg, weil er sich eine baldige Antwort verhoffte.

Und weil er es für prekär hielt, was er von Ls ‚Willst du denn, dass ich früher gehe?’ halten sollte.

Ob der Mann wohl wieder versuchte, ihn zu eruieren?

Weswegen aber dann mit einer solchen Frage? Damit würde er doch nur erreichen herauszufinden, in wiefern er Bedeutung für ihn hatte. Oder aber auch, ob man ihn schnell beschämen konnte, was wohl eine logischere Schlussfolgerung wäre.

Denn es genierte ihn tatsächlich mental, dass sein Gegenüber das wissen wollte.

Es klang beinahe wie eine schlechte Anmache, auch wenn Near sich sicher war, dass dem nicht so war. Er war sich nicht nur sicher, er wusste, dass L so etwas nicht tun würde.

L war nicht pervers, so weit dachte er ihn zu kennen und auch wenn er immer noch einen kalten Schauer verspürte, wenn er daran zurückdachte, als der Schwarzhaarige ihm die Kapseln mitsamt seinen Fingern in den Mund steckte, so hielt er ihn für einen respektablen Menschen.
 

„Nunja, ich werde wohl nicht bis achtzehn Uhr bleiben, aber bis zwölf. Ist das in Ordnung?“, äußerte L sich schlussendlich. „Vollkommen.“

Damit war Near zufrieden. Drei Stunden, in denen er L um sich hatte und die übrige Zeit damit zu verbringen, an einem Puzzle sitzen.

Der Tag wirkte viel versprechend.

„Darf ich das Bett verlassen?“ „Natürlich, schließlich hast du im Grunde genommen nichts Ernstes.“

Darauffolgend legte der Junge die Schachtel mit dem Puzzle behutsam zur Seite und rutschte an den Bettrand, sodass er L genau gegenüber saß.

„Dann möchte ich mich hier mit Ihnen ein wenig umsehen.“

Das klang schon beinahe wie ein Befehl und L schien ihn zu befolgen, da er sich gleich daraufhin vom Stuhl erhob und Near seine Hand reichte um ihm aufzuhelfen.

Dieser fasste leicht verlegen nach ihr, wo er sich doch immer noch nicht an dieses zuvorkommende Verhalten gewöhnt hatte. Außerdem war er sich sicher, dass das für gewöhnlich nicht Ls Art war und er es wohl bloß tat, weil Near krank war. Und dadurch fühlte er sich ziemlich feminin, egal wie merkwürdig das auch klingen mag. Dem war wohl so, weil L ihn eindeutig so behandelt, jedenfalls seiner Meinung nach.

Und wenn er so darüber nachdachte, schockierte es ihn noch mehr, denn er war sich nicht ganz sicher, ob es ihm gefiel oder nicht.
 

„Wenn du alles gesehen hast, gehen wir dann in eine Konditorei, dort gibt es sehr gute Sachen.“

„Ich... danke Ihnen, aber ich habe erst gegessen, also denke ich nicht, dass das sehr ratsam wäre...“

L drehte sich zu Near um und sah ihn stumm an. Man hätte schon fast Angst bekommen können, aber der Junge versuchte dem mit eiserner Miene standzuhalten..

„Keine Sorge... das Krankenhaus ist groß. Es wird sicher noch eine Stunde dauern bis wir dort sind. Außerdem ist das Frühstück hier nicht unbedingt berauschend.“

„Mh... Wie Sie meinen.“ »Schließlich muss ich ja nichts essen.«
 

Near ließ nach wenigen Schritten Ls Hand los, nachdem er bemerkte, dass er sie immer noch festhielt. Er tat so, als ob es selbstverständlich für ihn wäre, innerlich allerdings ohrfeigte er sich dafür. Was L wohl von ihm hielt? Er wollte es gar nicht wissen.

So schwieg er einfach und verließ gemeinsam mit dem Schwarzhaarigen das Krankenzimmer.

Gewonnene Zuneigung

L und Near brauchten 45 Minuten um das gesamte Krankenhaus durchzugehen. Dabei wechselten sie außergewöhnlich viele Worte für ihre sonstigen Verhältnisse. Wenn sie sprachen, dann meistens nur über rationale Dinge die Tatsachen in sich verbargen. In dieser dreiviertel Stunde aber erzählten sie einander von sich selbst. Die Informationen waren zwar spärlich, aber wie gesagt, deutlich mehr als in Relation zu dem, was sie sonst zu verkünden hatten.

Near zum Beispiel sagte, nachdem er erfuhr, dass er in der Kinderabteilung aufgenommen wurde, dass er es nicht mochte, wie so eines behandelt zu werden. Etwas, das viele nicht leiden konnten und deswegen offensichtlich war, dennoch nahm er dabei Bezug auf sich und das war schon ein ziemlicher Fortschritt.

Er wusste auch, dass das altersbedingt war weswegen er in der Kinderstation lag und akzeptierte es auch sofort, trotzdem fühlte er sich frei sich diesbezüglich zu äußern.
 

Nach der mehr oder minder kleinen Besichtigung brachte L den Jungen wieder in sein Zimmer und verließ für einen Moment seine Gesellschaft.

Er erkundigte sich bei einer Krankenschwester, wie lange er mit ihm weg bleiben dürfte und vernahm bei ihrer Antwort einen zaghaften Ton, welcher ihm signalisierte, dass das wohl nicht unbedingt ratsam wäre mit dem Jungen außer Haus zu gehen.

Deswegen unterbot er ihren Vorschlag von einer Stunde auf eine halbe, fügte aber auch deutlich hinzu, dass er diese Zeit möglicherweise überschreiten würde, jedoch nicht um mehr als eine viertel Stunde.

Dadurch schaffte er es, der Dame einen zufriedenen Gesichtsausdruck zu verpassen und fühlte sich somit seiner Sache sicher.

Er nahm noch einen Hustensaft entgegen und verschwand danach in Nears Zimmer.
 

Dieser wartete auf seinem Bett auf den Mann.

„Hier. Trink das, dann können wir losgehen.“ Dabei streckte er dem Jungen das Gefäß mit der Flüssigkeit hin, welches dieser auch gleich entgegennahm.

Er starrte etwas misstrauisch hinein, beschloss es dann aber doch zu schlucken.

Und seine Skepsis war begründet. Der Saft schmeckte ekelhaft, er war bitter und hatte eine unerklärbar üble Note. Am liebsten hätte er ihn ausgespuckt, entschied sich allerdings dagegen.

Es lag ihm fern, einen Aufstand zu verzetteln oder L ein schlechtes Bild zu vermitteln.

Schließlich war jeder falsche Schritt momentan gefährlich.

Deswegen stellte er das Glas einfach auf den Nachttisch ab und schlüpfte schweigend in seine Schuhe, wenn auch nur missmutig. Er mochte es nicht so etwas an den Füßen tragen zu müssen. Es engte ihn auf eine gewisse Art ein, so dachte er jedenfalls.

„Gehen wir.“

Daraufhin erhob der Junge sich vom Bett, stellte sich neben L und folgte ihm, nachdem er begann sich vorwärts aus dem Zimmer zu bewegen.
 

Doch auf einmal schien sich die Distanz der beiden wieder aufzubauen. Wo sie sich doch diese dreiviertel Stunde zuvor beinahe kontinuierlich miteinander austauschen, sprachen sie auf den Weg zum Wagen kein einziges Wort.

Erst als sie einstiegen sagte L etwas. „Weißt du schon, was du essen möchtest?“

Near überlegte kurz und entschied sich dazu, erst einige Sekunden verweilen zu lassen, bis er antwortete. „Ich weiß nicht so recht, ich kenne zwar einige Süßspeisen, aber wohl nicht genug um Ihnen jetzt zu sagen, was ich möchte. Sie können mich doch dann sicherlich beraten, nicht wahr?“

Daraufhin lächelte der Ältere beinahe selbstgefällig. „Werde ich.“

Was hatte dieses Lächeln zu bedeuten?

Nachdem Watari die Limousine startete, hatte Near genug Zeit um sich darüber Gedanken zu machen. Ob er sich darüber freute, dass Near ihn um Rat fragte? Ob er sich dadurch ‚gut’ vorkam? – Lächerlich. L löste Fälle die wohl in die Geschichte eingehen würden, weswegen würde er sich dann an so einer Lappalie ergötzen?

Nun, er könnte auch einfach nur nett gewesen sein. Weswegen auch nicht? Genau so wie zuvor mit dem Puzzle, das er ihm schenkte. Es war einfach eine freundliche Geste von ihm.

Near beschloss sich dazu, L zu mögen. Wirklich zu mögen, nicht einfach nur anzuhimmeln weil er so intelligent und ‚toll’ war.

Er behandelte ihn schon beinahe liebevoll, wobei Near das nicht genau einschätzen konnte, die Gradwanderung hierbei war einfach zu riskant.

Wie auch immer, er schien ihm gegenüber sehr umgänglich zu sein, hatte aber dennoch eine starke und respektable Persönlichkeit.

Near mochte solche Menschen. Die, die nur freundlich zu ihm waren, weil sie ‚Angst’ vor ihm hatten interessierten ihn nicht. Was wohl in ihren Köpfen vorging? Er konnte es nicht verstehen, wie man einem Menschen gegenüber so scheinheilig sein konnte und verabscheute es regelrecht.

Und die, die selbstbewusst waren, waren meistens überheblich und hielten sich mit jeder Faser ihres Körpers für etwas Besseres. Wie, stellte sich die Frage, hätte Near auch mit ihnen auskommen können, wo er doch selbst schon beinahe zu ihnen gehörte?

Natürlich stritt er das vehement ab, da er schließlich wirklich etwas Besseres war und genug Grund dafür hatte, seine Nase hoch zu tragen, auch wenn er im tiefsten Inneren wusste, dass es hierfür niemals eine Rechtfertigung geben könnte.

Deswegen hakte er diesen Gedanken ab, schließlich wollte er nicht über sich selbst zu philosophieren beginnen.

Scheinbar verstand Near etwas von gutem Timing, denn gerade in dem Moment, in dem er sich wieder beruhigt hatte, hielt der Wagen vor der Konditorei an.

Süchtig

Watari öffnete den beiden Fahrgästen standesgemäß die Wagentüre und zog sich nach ihrem Eintritt in das Gebäude vornehm zurück. Er war ein äußerst geduldiger Mensch, was ihn zu einer sehr angenehmen Person machte. L schätzte sich wahrlich glücklich, einen solchen Menschen als ‚Assistenten’ zu haben, auch wenn dieser nur einer der zahlreichen Ausdrücke war, welche auf den alten Herren zutrafen.
 

Währenddessen folgte Near dem Schwarzhaarigen durch die prachtvoll geschmückte Halle, durch die sie gerade wandelten und fragte sich, wie teuer hier wohl ein einziger Keks sein würde. Um noch tiefer in seinem Gehirn herumzuwühlen, er befürchtete, dass sogar L selbst der Gründer dieser Konditorei wäre. Schließlich traute er ihm zu, wo er ihn doch noch nicht so recht kannte und dennoch schon bemerkte, dass er recht eigen war, dass er so einige merkwürdige Dinge tun würde um seine Gier nach Süßem zu befriedigen.

Nach diesem Gedanken wusste er nicht, ob er ihn belustigte oder schockierte.

Versunken in diesem Wirrwarr an abstrakten Ideen war er kurz davor, an einem Stuhl anzulaufen. Nun, kurz davor war der falsche Ausdruck, schließlich war es bereits geschehen, auch wenn er nur leicht daran streifte. Augenblicklich wandte er sich zu L um zu kontrollieren, dass er diesen Fauxpas nicht mit ansah und war sehr beruhigt, da der Mann genau in diesem Moment Platz nahm und scheinbar ziemlich ungeduldig auf etwas wartete, was mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit etwas mit dem Naschwerk zu tun hatte.

»Wie ein kleines Kind«, dachte sich Near und setze sich unauffällig auf den Stuhl, mit welchem er bereits ‚Bekanntschaft’ machte.

Der Junge richtete seinen Blick auf L, er begann ihn zu beobachten. Es schien ihm genau der richtige Moment zu sein, seinen Gegenüber auszukundschaften, da er ganz und gar unaufmerksam schien.

Der erste Blick fiel wieder auf seine Haltung. Near fragte sich, in wiefern das bequem sein sollte. Schließlich saß er dauernd auf diese Art, was ihn schlussfolgern ließ, dass es für den Mann komfortabel sein musste.

Nachdem er zu diesem Zeitpunkt nichts weiter Interessantes feststellen konnte, wanderte er mit seinen Augen hinauf zur höchsten Etage, Ls Kopf.

Den Blick in die Ferne gerichtet und das sichtlich mit einem Ziel.

Vermutlich kam ein Kellner oder ähnliches, Near war sich diesbezüglich eigentlich außerordentlich sicher. Die ‚Zuckeraugen’, die das Gesicht seines Gegenübers plötzlich zierten, sprachen Bände.

Ob er süchtig war?

Es sah wirklich ernstzunehmend zutreffend aus.

„Bitte sehr, die Herren“, sprach eine Stimme die wie aus dem Nichts zu kommen schien. Doch Near musste nicht lange überlegen um zu schlussfolgern, dass das wohl der Kellner gewesen sein muss, den L die ganze Zeit über fixierte.

Near starrte weiterhin den Schwarzhaarigen an und wartete, dass dieser bestellte bis sich herausstellte, dass ‚Bitte sehr’ wohl keine Frage nach einer Bestellung, sondern vielmehr bereits das Angebot war, da der Junge, nachdem er nach einigen Sekunden den Kopf drehte, einen großzügig beladenen Servierwagen mit mehreren Stöcken sah.

Sie hatten doch noch gar nicht ihr Essen angefordert? Oder war das eine hautnahe Zurschaustellung dessen, was sie erwarten könnte?

Near entschloss sich dazu, das Reden einfach L zu überlassen um für sich selbst herauszufinden, was das zu bedeuten hatte.

„Danke.“ „Und was möchten Sie trinken?“

Dabei wandte der Mann sich L zu weswegen Near weiterhin schwieg.

„Ich möchte einen Café Latte. Und du?“

Nach dieser Frage sahen beide, der Ober und L, Near erwartungsvoll an, auch wenn L nicht ganz danach aussah.

Der Junge zögerte einige Sekunden, äußerte dann aber bestimmend, dass er ein Mineralwasser möchte und wunderte sich insgeheim darüber, weswegen der Mann Englisch sprach.

Danach bedankte sich die Bedienungskraft und tänzelte mit einem Tablett, welches er kurzweilig auf den Servierwagen abstellte, zu einem der anderen Tische.
 

L griff genüsslich zu indem er sich gleich zu beginn drei Tortenstücke und einen Teller mit Keksen vom Servierwagen herunterholte. Es wirkte fast so, als ob er sich damit einmauerte.

Noch nie in seinem Leben fühlte sich Near so sprachlos wie zu diesem Augenblick.

„Sagen Sie... gehört dieser ganze Wagen denn uns beiden alleine?“ „Im Prinzip schon.“

„Im Prinzip?“, fragte Near skeptisch. Was war das denn für eine Antwort?

„Nunja, ich habe das Essen darauf nicht bestellt, es ist also mit einem Buffet gleichzustellen.“ „Verstehe...“, antwortete der Junge nachdenklich.

Ein Buffet das aus Desserts bestand und inmitten dieses Raumes waren die beiden die einzigen, die so einen Wagen neben dem Tisch hatten.

Es war außer Frage, dass L wohl häufiger hier dinierte, sonst wäre der Ober nicht so rasch hier mit dem ganzen Essen erschienen. Außerdem aß er offensichtlich immer sehr viel, wenn er hier war.

„Darf ich Sie etwas fragen?“ „Nur zu“, bescheinigte sein Gegenüber.

Der Junge pausierte nicht lange nach Ls Erlaubnis. „Essen Sie nichts anderes als Süßspeisen?“

Dabei versuchte er so neutral wie möglich zu klingen, um dem Mann nicht das Gefühl zu geben, dass er diese Frage nur stellte, um ihn zu kritisieren.

„Manchmal auch Obst.“ – Diesmal aber unterbrach L seine Lebensmittelzufuhr länger als die vorherigen Male. Er betrachtete den Jungen mit seinem gewohnt emotionslosen Blick und wirkte sichtlich nachdenklich, was Near signalisierte, dass er vorsichtiger vorgehen sollte.

Appetit

Ls Blick schien endlos und Near wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Für eine recht lange Zeit verhielt er sich ruhig, bewegte sich nicht und sagte auch nichts.

„Verstehe.“ – sein endgültiger Entschluss.

Seine typische Antwort, mit ihr konnte man nichts falsch machen in solchen Situationen.

„Möchtest du nichts essen?“, fragte der Schwarzhaarige kurz nachdem Near sein Statement abgelegt hatte.

Daraufhin zuckte der Junge kurz und wandte sich dem Servierwagen zu.

Er betrachtete die köstlich aussehenden Speisen und dachte daran zurück, dass er vor zirka einer Stunde noch der Meinung war, nichts zu sich nehmen zu wollen.

Doch hatte er erstens noch den widerlichen Geschmack der Medizin im Mund und zweitens lief ihm schon beinahe das Wasser im Mund zusammen, bei diesem appetitlichen Anblick.

„Doch... Ich weiß nur noch nicht was, die Auswahl ist so groß.“

Wenige Sekunde nach dieser Aussage kam der Ober und brachte den beiden stumm, aber mit einem charmanten Lächeln im Gesicht, ihre Getränke.

Schnell verschwand er auch wieder und die Szene konnte weitergehen.

L wollte gerade etwas sagen, da ertönte bereits Nears Stimme. „Ist das die Torte die ich gestern gegessen habe?“, fragte er und deutet dabei auf eines der Desserts.

Sein Gegenüber folgte dem Finger des Jungens. „Ja. Das ist eine Esther-Házy Torte.“

Daraufhin lehnte Near sich, ohne ein Wort zu sagen, angestrengt über den Tisch und zog den Teller mit dem Zielobjekt zu sich.

Wie weit dieser Wagen doch von ihm entfernt war... Und seine spärliche Größe war ihm hierbei nicht unbedingt eine Hilfe.

Während er damit beschäftigt war, sich darauf zu konzentrieren, sein Gleichgewicht zu halten, war es ihm recht unangenehm, dass man es ihm sicherlich anmerkte wie sehr er sich bemühte, diesen Teller zu holen.

„Ich sehe, du mochtest sie scheinbar“, stellte L nüchtern fest.

„Auch.“ Daraufhin schenkte Near dem Tortenstück seine ganze Beachtung.

L hingegen fragte sich, was er wohl mit ‚auch’ gemeint hatte.

Er mochte die Torte, und...? Was und?

Gewöhnlich fand er Dinge heraus, indem er einfach nur nachdachte und Fakten zusammenzählte, gerade aber gab es keine Fakten. Sollte er fragen? Das ist doch etwas Typisches. Wieso dann also nicht?

„Auch?“, gab der Schwarzhaarige schließlich von sich.

Der Junge hob seinen Kopf und sah L schon beinahe ernst an. Dabei schluckte er das runter, was er gerade von der Speise im Mund hatte und wartete kurz.

„Ich bin mir nicht sicher, was ich von hier noch gemocht hätte. Deswegen habe ich das hier genommen.“

Near fühlte einen starken inneren Trotz. Er wusste, dass L ihn dadurch schildern wollte und auch, was er jetzt dachte. ‚Er geht wohl immer auf Nummer sicher. Das ist schon gut, aber manchmal muss man auch etwas riskieren.’

Natürlich dachte er das. Es sei denn, er hätte etwas dazu gedichtet.

Dieser verdammte... Near hätte Ls Frage nicht einmal ausweichen können. Das wäre noch viel merkwürdiger gewesen.
 

Er hatte Recht. Das war wirklich das, was L dachte, nur ein wenig anders. Denn L war sich im Klaren darüber, dass dieses eine Mal nichts aussagte. Fast nichts, um genau zu sein.

Schließlich wusste L jetzt, wozu der Junge zumindest manchmal neigte.

Zudem sind Nahrungsaufnahme und das Überführen eines Verbrechers zwei völlig verschiedene Dinge. Dennoch, das sagte etwas über Near aus, wenn auch nur wenig.

„Nun, dann...“

L legte eine kurze Pause ein und streckte sich dann über den gesamten Tisch hinüber zu Near. Dabei hielt er ihm eine Gabel an die Lippen, auf welcher ein Stück Kirschkuchen war.

„.. Probier das doch.“

Near schluckte und hielt dabei seinen Mund geschlossen. Er blickte dem Älteren ins Gesicht, welcher ein wenig zu lächeln schien und fragte sich, in wiefern er jetzt wohl darauf reagieren sollte.

Einfach die Lippen öffnen?

Er hasste solche Situationen. Weswegen musste man ihn immer so ‚angreifen’?

Near dachte an den vorherigen Tag zurück und an den Moment, wo L ihm die Kapseln verabreichte. L schien wohl eine Vorliebe dafür zu haben, Leuten Dinge in den Mund zu stecken.

Der Junge sah L mit leicht geweiteten Augen an und öffnete schließlich doch seinen Mund und nahm die Gabel, mitsamt das Kuchens, zwischen die Lippen.

Nachdem er das Stück mit seiner Zunge von dem Besteck genommen hatte, zog L seinen Arm wieder zurück.

Dieser Kuchen war köstlich. Near fragte sich, was er in seinem bisherigen Leben wohl verpasst hatte und konnte endlich verstehen, weswegen L sich den ganzen Tag mit Süßigkeiten voll stopfte – Nun ja, zumindest konnte er es nun geringfügig nachvollziehen.

Während der Junge diesen paradiesischen Moment genoss, wartete L gespannt auf seine Reaktion, da er sich im Gesicht nichts von seinem Geschmacksorgasmus anmerken ließ.

„Es ist... sehr delikat“, sagte Near schließlich.

„Freut mich, dass es dir schmeckt“, antwortete ihm sein Gegenüber mit einem Lächeln.

Ja, er war tatsächlich glücklich. Es war immer wieder ein Hochgenuss, jemanden auf den Geschmack seiner kleinen Welt zu bringen.

„Wir können ihn uns ja teilen“, fügte er schließlich hinzu und schob den Teller in die Mitte des Tisches.

Near sah L ungläubig an und beobachtete seine Bewegungen. Der Junge errötete leicht und fragte sich, weswegen ihm auf einmal so heiß wurde.

Vertrauen

Near traute sich nicht so wirklich den Kuchen anzufassen. Nun, ‚trauen’ war das falsche Wort. Es war wohl eher ungewohnt für ihn zu teilen.

Im Waisenhaus hatte er keine Freunde mit welchen er so etwas getan hätte.

In diesem Moment dachte er an Mello. Er wäre die einzige Ausnahme gewesen.

Dafür hätte es allerdings keinen Grund gegeben, schließlich konnten sie sich immer wieder nachholen und die Auswahl war nicht sonderlich groß.

Wenn man die Gesamtsituation von oben betrachtete, hätte eigentlich so gut wie jeder mit ihm geteilt, nur Mello wäre der einzige gewesen, bei dem er es auch angenommen hätte.

Denn auch wenn er es sich nicht wirklich eingestehen wollte, aber er betrachtete Mello als einen Freund. Einzig und allein die innere Blockade Nears hinderte ihn daran, ihn näher an sich ranzulassen.

Dinge von sich aus mit jemandem zu teilen hieß für ihn, derjenigen Person zu vertrauen. Es war für ihn schon beinahe eine Art Zeremonie, die man sich erkämpfen musste. Und um das zu schaffen war es von großer Wichtigkeit für ihn, diese Person zu kennen.

Es sei denn es wäre Tradition in einem kleinen Dörfchen, so wie zum Beispiel das Rauchen der Friedenspfeife bei den Indianern. In diesem Fall würde der Junge es nicht als Akt des Vertrauens sondern als Brauch behandeln, es wäre etwas komplett anderes gewesen.

Jetzt hingegen stand er vor dieser eigentlich gewöhnlichen Situation, die für ihn allerdings von großer Bedeutung war.

Noch dazu war L sein Gegenüber.

Nichts im Leben täte er momentan lieber, sein Bauchgefühl aber war so zerrissen, dass er sich kaum rühren konnte.

Um das hier festzuhalten, L wollte mit ihm gemeinsam einen Kuchen teilen, mit ihm von einem Teller essen.

Je mehr er diesen Gedanken verinnerlichte, desto schneller klopfte sein Herz.

Es drohte ihm schon beinahe aus der Brust zu springen und den Kirschkuchen vom Teller zu schleudern, sodass es selbst darauf liegen würde.

Ein ziemlich makaberer Gedanke, wenn man bedachte, dass die beiden es dann möglicherweise essen würden. ... Nun ja, zu diesem Zeitpunkt wäre L wohl der einzige, da Near bereits tot mit dem Kopf in der Esther-Házy Torte stecken würde.

»Das hieße dann wohl, dass ich ihm mein Herz schenken würde...«

Kaum hatte er diesen Satz zu Ende gedacht, fühlte er nahezu wie seine Wangen zu glühen begannen. Und wenn er es sogar schon spürte, bedeutete es dann mit großer Wahrscheinlichkeit, dass man es sicherlich auch sehen konnte.

„Fühlst du dich nicht gut...?“, fragte L schließlich und betrachtete Near dabei genau.

»Vielleicht hätte ich noch nicht mit ihm rausgehen sollen...?«

Man könnte jetzt meinen, dass Ls Frage Near in eine große Misere stürzen würde, der Schein trog allerdings, denn gerade sie war es, die ihm für sein ganzes Verhalten eine perfekte Ausrede herbeiwinkte.

„Es ist nicht so schlimm, ich denke nur, dass das Fieber wieder ein wenig die Oberhand ergreift..“, antwortete der Junge mit schwacher Stimme, sah sich innerlich hingegen schon triumphieren.
 

L schluckte kurz. Hatte er tatsächlich einen Fehler gemacht?

Sofort fasste er die gesamte Lage zusammen. Er nahm einen Jungen, welcher wegen hohem Fieber ins Krankenhaus geliefert wurden, sofort am nächsten Tag nach draußen und störte somit seine Ruhe und das alles um... Um?

Eigentlich gab es dafür doch keinen Grund, schlussendlich hätte er genau so gut alleine oder eben mit Watari hierher kommen. Weswegen entschied er sich also dafür, Near hier durch zu quälen?

So sehr er seine Gehirnzellen auch anstrengte, er kam zu keinem Ergebnis.

Zu keinem plausiblen. Das einzig Mögliche war also, dass es dafür keine logische Erklärung gab, was soviel hieß, dass es mit dem Herzen zu tun hatte.

Was hätte es also sein können? Er liebte ihn nicht und wollte ihm aber auch nichts antun.

Vielleicht... Wollte er ihm auch nur eine Freude machen? – Und das, ohne dabei nachzudenken?

Ls Welt drehte sich um einige Grade.

Nie zuvor tat er etwas, ohne zu denken.
 

Near bemerkte den inneren Kampf seines Gegenübers. Er freute sich sehr darüber, dadurch fühlte er sich nämlich sicher. Wieder mit vollkommener Selbstsicherheit beträufelt schnappte er seine Gabel und nahm sich ein Stück des Kirschkuchens.

Dabei blickte er L an. „Es ist wirklich nicht schlimm. Sie müssen sich keine Sorgen machen.“

Oh ja. In diesem Moment sah er sich langsam wieder die Stufen des Erfolges hinaufklettern.

Er saß einfach nur da, machte das was er wollte und sprach frei seine Gedanken aus. In diesem Fall äußerte er sogar eine kleine Diagnose, und zwar, dass L sich Sorgen machte.

Near war sich so sicher, damit recht zu haben, dass er einfach nicht anders konnte.

Seine bisherige Zeit in Japan hatte er immer das Gefühl, dümmer und schwächer als sein ‚Gegner’ zu sein, was ihm rein gar nicht behagte.

Und da das jetzt sein erster Triumph war, machte er es sich zur Aufgabe, daran weiterzuarbeiten.

Eines hatte er soeben gelernt. L mochte es nicht, Fehler zu machen und genau das war Nears jetziges Ziel: Die Fehltritte Ls zu finden und sie ans Tageslicht bringen.

Rückweg ins Krankenhaus

„Trotzdem werde ich mir etwas überlegen“, gab L von sich.

Wenige Sekunden danach griff auch er wieder nach der Gabel und aß in Ruhe weiter.
 

Etwas überlegen?

Was meinte er damit? Near fragte sich, ob er sein mentales Freundschaftsbekenntnis wieder zurückziehen sollte. Dieser Mann machte ihn wahnsinnig.

Er fühlte sich wie eine Hausfrau, die die Wohnung gerade vom gesamten Schmutz einer Überschwemmung säuberte und sich nachfolgend kurz auf dem Sofa ausruhen wollte, bis allerdings ihr Mann mit dreckigen Schuhen durch den Flur stieg.

Denn genau dasselbe passierte hier gerade. Kaum fühlte Near sich sicher, L gelesen zu haben, schon gab er etwas von sich, was Rätsel hinterließ.

Es gab so viele Dinge, die er damit meinen hätte können. Noch dazu war die Aussage so zusammenhanglos. ‚Sie müssen sich keine Sorgen machen.’ – ‚Trotzdem werde ich mir etwas überlegen.’

Meinte er vielleicht, als Wiedergutmachung?

Near schüttelte dezent seinen Kopf. Weswegen machte er sich darüber überhaupt Gedanken? Diese Aussage, wie belanglos sie doch eigentlich war, vollkommen uninteressant.

Wo er doch gerade etwas Gravierendes über den Meisterdetektiv herausgefunden hatte.

Deswegen entschied er sich symbolisch über diese Schmutzspuren hinwegzusehen und darauf zu warten, dass L sie selbst vom Fußboden entfernen würde.

Der Junge versuchte klare Gedanken zu fassen und fuhr mit dem Essen fort.

Es dauerte nicht, lange, da hatten beide den gemeinsamen Kuchen komplett aufgegessen.

Daraufhin widmete Near sich wieder der Esther-Házy Torte, bis er sich schließlich eingestehen musste, dass er einfach nicht mehr konnte.

Er entschloss sich dazu einfach zu warten, bis L fertig war, auch wenn in den Sternen stand, wann das sein würde.

Near beobachtete den Schwarzhaarigen bei der Lebensmittelzufuhr und musste sich eingestehen, dass einige seiner Mimiken etwas Kindliches hatten, was in diesem Fall ein Geheimcode für ‚niedlich’ war.

»Wo wir gerade dabei sind.. Wie alt er wohl ist?«

Er schätze ihn auf Ende zwanzig ein, womit er eigentlich ziemlich richtig lag, wenn man bedachte, dass L sich gerade in seinem achtundzwanzigsten Lebensjahr befand.
 

Während der Junge gerade über Ls Alter sinnierte und dabei einige Schlucke von seinem Wasser machte, blickte dieser beiläufig auf die Uhr.

Er machte einen letzten Bissen von der Malakoffschnitte, die er sich zuvor vom Servierwagen nahm und stand daraufhin auf.

„Wir liegen gut in der Zeit, trotzdem wäre es besser jetzt zu gehen“, meinte er schließlich und fasste mit der bloßen Hand nach dem restlichen Stück des Desserts.

Es dauerte einige Sekunden bis Near realisierte, dass L gerade aufgestanden war, zu sehr war er damit beschäftigt ihn zu beäugen.

Natürlich ließ er sich davon aber kaum etwas anmerken und erhob sich darauf folgend auch gleich.

Ohne ein Wort zu sagen folgte er dem leicht gebückten Mann und sah sich erneut in der Konditorei um.

»Scheint so, als ob es ihm tatsächlich gehören würde. Er zahlt nicht und wird sofort vor allen anderen empfangen, wenn er kommt...«
 

Als die beiden das Gebäude verließen sprachen sie nichts miteinander, stattdessen stopfte L sich sein Mitbringsel genüsslich in den Mund.

Außerhalb des Betriebs wartete Watari neben der Limousine und Near fragte sich, ob er die ganze Zeit über dort verharrte.

Er öffnete die Wagentüre, die an den Gehsteig grenzte, wo schließlich auch alle zwei einstiegen.

Innerhalb des Wagens wischte L sich seine Hände mit einer Art Taschentuch ab und warf dieses in ein Seitenfach, das ein Mülleimer zu sein schien.

Near schenkte dem Szenario nicht viel Beachtung und vertrieb sich die Zeit lieber damit, sich eine Locke seines Haars einzudrehen.

Schließlich startete Watari das Gefährt und Near kam in Gedanken wieder auf die Aussage Ls zurück, dass er sich noch etwas überlegen wolle. Schnell aber verwarf er das Gegrübel wieder, schließlich würde er zu diesem Zeitpunkt ja doch nicht darauf kommen, was er damit meinte.

Deswegen entschloss er sich dazu, sich über angenehmere Dinge den Kopf zu zerbrechen, zum Beispiel darüber, ob er gleich nach Ankunft mit dem Puzzle beginnen sollte, das L ihm zuvor schenkte, oder ob er sich zuerst hinlegen sollte. Ganz ehrlich, diese Frage war nicht leicht zu beantworten.
 

Der Rückweg zum Krankenhaus dauerte eindeutig nicht so lange wie der Hinweg zur Konditorei, da Near viel weniger als zuvor dachte, sie aber trotzdem schon ankamen.

Erneut öffnete der ältere Herr die Wagentüre für die beiden Insassen, wartete bis sie ausstiegen und schloss sie sogleich auch wieder.

Der Junge entschied sich dazu, nicht weiter darüber nachzudenken, inwiefern Watari sich L zuschrieb, da er sich nicht vorstellen konnte, jemals selbst diese schon baldige Sklavenarbeit zu vollrichten.
 

Wieder schwiegen die zwei als sie das Krankenhaus durchquerten.

Diesmal jedoch fand sogar der sonst so rationale und wortkarge Near die Stille etwas erdrückend.

Er wollte einfach nur noch in sein Krankenzimmer und sich ausruhen, selbst wenn nicht so viel geschehen war.

Nachdem die Lifttüre sich öffnete, wäre er am liebsten schnell in den für ihn vorgesehenen Raum und dessen Türe abschließen, auch wenn er selbst nicht so recht wusste, weswegen er so fühlte.

L schritt voran, blieb kurz bei einer Krankenschwester stehen und bat Near darum, schon vorauszugehen.

»Nichts lieber als das«, dachte er sich und tat wie ihm Befehl.

Er setzte sich auf sein Bett, wartete aber nicht lange auf den Schwarzhaarigen.

Vermutlich wollte er nur kundgeben, dass sie wieder zurückkehrten.

Der Junge sah wie sein Gegenüber sich ihm mehr und mehr näherte und ab einem gewissen Abstand wurde ihm etwas mulmig Zumute.

Es blieb ihm allerdings erspart, sich länger diesem Gefühl auszusetzen, da er bereits von zwei Armen umschlungen wurde.

Trügerische Umarmung

Near lehnte sich, was eine völlig natürliche Reaktion war, leicht nach hinten, da er nicht auf diese Attacke Ls gefasst war. Der Junge fühlte, wie sich auf seiner Stirn eine Schweißperle bildete und auch, dass er in diesem Moment noch viel röter wurde, als er es je in seinem bisherigen Leben gewesen war. Sein zierlicher Körper begann leicht zu zittern und er fragte sich, wenn er selbst in so einem Moment schon einen Schock erlitt, wie sich wohl ein Vergewaltigungsopfer fühlen musste.

Seit jeher war er übrigens ein noch größerer Verfechter davon, dass Sexualverbrecher zu unmenschlich hohen Strafen verurteilt werden sollten.

Doch obgleich er lieber aus dem Fenster gesprungen wäre, als sich dieser Situation zu stellen, so gab es in ihm einen inneren Druck, der ihn in Ls Richtung zu drängen schien.

Langsam schob sich sein Körper nach vorne, genau so wie sein Kopf, wessen Stirn er dezent gegen Ls Brust stützte.

Das heikelste stand ihm allerdings noch bevor: seine Arme zu bewegen.

Es war wie ein Kampf. Sein Verstand drückte sie nach hinten gegen das Bett, sein Herz hingegen hinterließ ein Kribbeln in ihnen, das sich, wie unzählige kleine Eisenteilchen besonders aggressiv in Elle und Speiche manifestierte.

Es wirkte so, als ob diese Partikel von einem Magneten angezogen wurden, wobei es sicherlich klar war, wer diesen vermeintliche Magneten verkörperte.

Es war einer der wenige Augenblicke in Nears Leben, in dem mehr von seinem Gefühl als von seinem Geist vorhanden war.

Somit war klar, dass die Anziehungskraft Ls gerade stärker war als der Gegendruck seines Gehirns.

Die Barriere brach und schon nach wenigen Sekunden war das schwierigste geschafft.

Auch wenn seine Arme vibrierten wie ein Erdbeben der Stufe vier, so schaffte er es doch, sie um den Korpus seines Gegenübers zu legen.

Wieder spielte sein Herz in dieser Angelegenheit eine große Rolle und er fragte sich, wie oft das wohl noch an diesem Tag der Fall sein würde. Diesmal aber war es anders als die vorherigen Male, denn diesmal stand es still. Zumindest machte es den Eindruck.

Wenn es vorhin bei dem Drama mit dem Kirschkuchen mit dem einer Maus zu vergleichen war, so schlummerte plötzlich das eines Elefanten in ihm.

Während er darüber nachdachte fiel ihm auf, dass da dennoch etwas war, das offensichtlich dem Tempo eines normalen Menschenherzens glich. Träge schloss er seine Augen um besser hören und fühlen zu können, wodurch er bemerkte, dass es Ls Herz war, welches er gerade pumpen hörte.

»So.. nahe...«, dachte er geniert, was ihn jedoch nicht davon abhielt, sich noch mehr an ihn zu pressen. Ja, es war bereits von pressen die Rede.
 

L, der von Nears Reaktion recht überrascht war, sie allerdings durchaus zuließ, senkte seinen Kopf etwas und platzierte diesen ziemlich genau neben dem Ohr des Jungens.

„Wir waren gestern zu sehr in Eile, als dass ich es dir geben hätte können, aber hier ist ein Handy auf dem nur eine einzige Nummer eingespeichert ist. Es ist meine. Lass es immer ausgeschaltet, es sei denn, du brauchst etwas. Wenn du es verwendet und wieder ausgeschaltet hast, dann gib den PIN Code, den ich dir gleich sagen werde, drei mal falsch ein. Das Handy ist so präpariert, dass du dreimal den PIN und einmal den PUK Code benötigst. Das heißt, wenn der PUK abgefragt wird musst du zuerst den PIN eingeben, danach den PUK und dann wieder zweimal den PIN.

Ich werde dir jetzt die beiden Codes sagen, also höre mir genau zu.

Der PIN lautet 3-1-1-0 und der PUK 2-4-0-8-1-3-1-2“, flüsterte er Near zu.

Dabei klang er äußerst seriös, was den Jungen sofort aufmerksam machte und ihn dazu brachte, die Umarmung etwas zu lockern.

»1312 und 2408... Das ist einfach. Mellos und meine Geburtsdaten. Sicher mit Absicht.«

Darüber ärgerte Near sich etwas. Dachte L denn tatsächlich, dass er sich nicht einmal zwölf lächerliche Ziffern merken konnte? Doch was hätte er sagen sollen, das nicht schnippisch klang? Eigentlich gab es nichts. Schließlich war L einfach nur umsichtig und was war denn falsch daran?

Es war einzig und allein Nears Stolz worum es gerade ging, deswegen versuchte er diesen Impuls stark zu unterdrücken.

»Und der einunddreißigste Oktober? Halloween? Ob L sich hier einen Scherz erlaubt hat?«
 

Langsam merkte Near, dass der Schwarzhaarige die Umarmung immer mehr zu lösen versuchte, wobei er ihn unterstütze, indem er seine Arme zurückzog, ebenso wie seinen Kopf.

Erst zu diesem Zeitpunkt merkte er, dass L die ganze ‚Sache’ bloß inszinierte, um ihm diese Botschaft vollkommen unbemerkt übermitteln konnte.

„Also dann. Werde gesund, damit ich dich wieder mitnehmen kann“, sagte L mit einem unauffälligen Lächeln und verschwand recht prompt aus dem Zimmer.
 

Die wenigen Sekunden zwischen dem Ende der Umarmung und dem Verschwinden Ls, musste Near in etwa dasselbe durchmachen, wie jemand der am liebsten laut loslachen würde, es allerdings Aufgrund der Situation äußerst unangebracht wäre.

Auch wenn es nicht ein Lachen war, das er zurückhalten musste.

Er stand vom Krankenbett auf und bewegte sich mit einer steifen Haltung auf die Türe zu, um sie zu schließen. Auf dem Weg zurück wurden seine Schritte immer langsamer, was wohl daran lag, dass er schon beinahe um Luft ringen musste.

Nears Erkenntnis

Near krümmte seinen Oberkörper und hielt dabei seine Hand vor seinen Mund, da er plötzlich zu husten begann. Es gelang ihm nur auf Umwegen, wieder das Bett zu erklimmen, was er im Prinzip auch genau so gut lassen hätte können, da er sich kurz darauf auf den Boden setzte.

Dabei senkte er seinen Kopf um das Husten ertragen zu können.
 

Warum dieser schlagartige Ausbruch?

Nun, es war so... Einerseits war es die Peinlichkeit, die Near überkam, als er bemerkte, dass er sich an L drückte, obwohl dieser die Umarmung bloß als Vorwand verwendete.

Andererseits brachte ihn das dazu sich zu überlegen, warum er das tat. Schließlich war ihm natürlich nicht entgangen, dass sein Körper in dieser Situation ein Eigenleben entwickelte.

Deswegen versuchte er binnen weniger Sekunden herauszufinden, weswegen dem so war.

Er zählte die verschiedenen Begebenheiten und bisherigen ungewöhnlichen Gefühlsregungen zusammen, wobei er recht schnell zu einem für ihn erschreckendem Ergebnis kam, welches er vergebens zu dementieren versuchte.

Hatte er sich in L verliebt?

Alles würde dafür sprechen, doch wie war das möglich?

In seinem gesamten Leben war Near noch nie[/6] verliebt gewesen und jetzt sollte es plötzlich um ihn geschehen sein? Und das auch noch in eine Person, die er erst seit so kurzer Zeit kannte?

Er fasste zu seinem Herzen, was wohl unterbewusst einen tieferen Sinn hatte, oberflächlich gesehen aber versuchte er irgendwie etwas gegen seinen Oberkörper zu drücken, um dieses unerträgliche Husten etwas zu reduzieren. Er dachte nicht, dass es ernsthaft helfen würde und lag dabei leider auch goldrichtig.

Hatte L ihm zuvor nicht einen Hustensaft gegeben?

Diese Tatsache bewies ihm, dass die Psyche doch mehr Einfluss auf das Wohlergehen hatte, als irgendeine von Menschenhand erschaffene Medizin. Wobei das natürlich rein rhetorisch zu sehen war, da schließlich mehr Maschinen ihre ‚Finger’ bei der Arzneiproduktion im Spiel hatten, als Menschen aus Fleisch und Blut.

In diesem Moment aber war es überflüssig darüber zu philosophieren, inwiefern diese leblosen Geräte eine Bereicherung für die Bevölkerung waren, da sich Meinungen bekanntlich teilten.

Vielmehr war es Near ein Anliegen herauszufinden, ob er mit seiner Vermutung tatsächlich Recht hatte.

Das Problem bei Herzensangelegenheiten war nur, dass sie mit logischem Denken nicht zu erklären waren. Es gab nur eine Person, die ihm hierbei helfen konnte... könnte.

Zwar würde er Mello in dieser Hinsicht niemals um Hilfe bitten, niemals, aber andere noch viel weniger, somit war es also immerhin nicht ganz das Letzte, was er täte.

Zugegeben, sein Herz wollte momentan nichts anderes, doch konnte er diesem überhaupt noch trauen? Schließlich dachte er auch, dass er es auf keinen Fall jemals an jemanden verlieren würde, jetzt hingegen wendete sich scheinbar das Blatt.

Wie könnte er also wirklich sicher wissen, dass er es Mello nun mitteilen wollte oder nicht?
 

Wieder musste Near etwas intensiver Husten, wobei ihm tatsächlich beinahe die Luft wegblieb und auch wenn er eigentlich nicht mehr weinen wollte, so wurden die Tränen nahezu gewaltsam aus ihm herausgepresst.

Schleierhaft konnte er noch hören, wie sich die Türe öffnete und eine Frauenstimme ihn rief, bis er schlussendlich in Ohnmacht fiel.
 

Währenddessen war L dabei das Krankenhaus zu verlassen und schien in Gedanken versunken. Man könnte meinen, dass das ein völlig normales Bild sei, besonders bei ihm, doch diesmal war etwas anders.

Nach genauerem Hinsehen konnte man auch erkennen, was es war – und zwar der Blick.

Er hatte nicht diese analysierende Schärfe in den Augen, es wirkte eher so, als ob ihn etwas wirklich beschäftigte, etwas, das nicht mit reiner Kombinationsgabe zu lösen war.

Ohne lange drum herum zu reden, L dachte über die Umarmung nach.

Er verspürte eindeutig Nears gewaltigen Gegendruck und fragte sich, inwiefern er das nun ernst nehmen sollte.

Anfangs erklärte er es sich dadurch, dass der Junge sich wohl schon länger nach Umarmungen sehnte, sie allerdings nicht erhielt und sich deswegen so an ihm klammerte.

Gegen diese Theorie stand allerdings die Tatsache, dass Near sich eindeutig zu beherrschen wusste und auch, dass er ungerne seine Gefühle preisgab.

Das hieße dann also wieder, dass, sofern diese eigentlich so plausible Theorie zutraf, es einen Zusammenhang zwischen den beiden zuvor genannten Fakten geben musste.

Der einzige, der L momentan einfiel war, dass Herz und Kopf wohl nicht harmonierten, was dann allerdings etwas Schwerwiegenderes sein musste, als bloß die Sehnsucht nach körperlicher Nähe.

Niemals wäre er auf Nears Verdacht gekommen, er wäre ihm viel zu überholt vorgekommen, weswegen er nachdenklich das Krankenhaus verließ und sich in die Limousine setze.

Darin beschloss er seine Überlegungen zu verwerfen, da er meinte, dass es wohl nicht viel bringen würde, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wo der Junge doch schließlich nicht anwesend war und er ihn somit nicht beobachten konnte. Genau so wenig hatte er die Situation zuvor verfolgt, da er nicht damit rechnete, so eine Reaktion von Near zu erhalten.

„Ich habe hier die geforderten Listen, Ryuzaki“, ertönte plötzlich Wataris Stimme.

„Listen?... Ah, die der Kindergärten und Friseure!“

Im ersten Augenblick war L so mit seinen Gedanken bezüglich Near beschäftigt, dass er kaum noch an den derzeitigen Fall dachte.

Als er die Listen entgegennahm war er darüber überrascht, wie viele Kindergärten und Friseure es doch gab. Darüber hinaus steigerte sich sein innerer Druck nachdem er sah, dass noch unzählige Betreuungseinrichtungen existierten, die potenzielle Ziele für den Brandstifter waren.

Neues Verständnis

Während der Autofahrt zum Hauptquartier studierte L die beiden Listen.

Es stellte sich heraus, dass von der stattlichen Summe der 5.324 Kindergärten ‚nur’ 17 bereits dem Täter zum Opfer gefallen waren. Friseure gab es 4.006 aufgelistete, 1.267 davon befanden sich in der Chubu Region, 1.955 in Kanto und 784 in Tohoku.

»Und das obwohl Kanto bloß so spärlich in diesem Umkreis auftaucht...«

L war heilfroh, dass der Gesuchte sich in Chubu aufhielt, zumindest während der Arbeitszeit.

Tohoku allerdings war ihm ein ziemliches Rätsel. Es war von allen drei Regionen die am wenigsten angegriffene, aber auch die unverdächtigste.

Von Kanto ‚wussten’ sie ja bereits, dass der Brandstifter sie bloß auf eine falsche Fährte locken wollte und deswegen dort so oft zuschlug. In Chubu befand sich eindeutig der Arbeitsplatz, wegen den früheren Zeiten und... Halt!

Vielleicht machte er oder sie das mit Absicht. Möglicherweise passte die Person genau auf, wann sie losgehen würde, um sie auch hier wiederum an der Nase herumzuführen.

Das war doch so... eindeutig gewesen.

Und dafür brauchte er einen ganzen Tag?

Für diese kleine Schlussfolgerung, die doch so einfach zu durchschauen war?

Langsam begann er daran zu zweifeln, ob Near ihm tatsächlich eine Hilfe, oder nicht doch viel mehr eine Last war.

Hätte er nicht die ganze Zeit an ihn denken müssen, wäre er wohl schon viel weiter in seinen Ermittlungen gewesen.

Zuerst wurde er krank, danach dachte L den übrigen Tag nur noch daran, wie er den darauf folgenden so einrichten könnte, um ihn morgens zu sehen. Er forschte nach, was ihm gefiel um ihm etwas schenken zu können. Heute stand er auf, aß sein tägliches Frühstück und machte sich noch kurz auf den Weg zu einem großen Spielzeuggeschäft, um dort ein Puzzle für ihn auszusuchen. Daraufhin verbrachte er den Vormittag mit ihm und verschwendete dabei keinen Gedanken an den momentanen Fall.
 

Der Wagen hielt an, was L signalisierte, dass sie wieder im Hauptquartier sein sollten.

Er stieg aus und ging seinen gewöhnlichen Weg hinauf.

Dabei stieg in ihm für wenige Minuten eine gewisse Abneigung Near gegenüber, er machte ihn sogar ein bisschen für seine Nachlässigkeit verantwortlich.

Das legte sich aber wieder nach kurzer Zeit, schließlich versuchte er immer gerecht zu sein und das, was er hier gerade tat, war es eindeutig nicht.

Es war gewiss nicht Nears Absicht, ihn so abzulenken. Zudem konnte er nichts für seine Krankheit. Genau so wenig dafür, dass L ihm etwas schenken wollte.

Seine ganzen Gedanken und Gefühle dem Jungen gegenüber hatte er sich selbst zuzuschreiben und nicht ihm.

L fühlte sich schuldig. Bloß weil er sich selbst keinen Fehler eingestehen konnte, machte er Near innerlich zum Leidtragenden für die ganze Misere.

Wie es sich wohl anfühlte, hätte er seine Gedanken diesbezüglich geäußert?

Er wollte es sich gar nicht vorstellen.

Doch selbst wenn der Junge nichts dafür konnte, so nahm L sich trotzdem vor, seine Gedanken im Zaum zu halten und nur das Wichtigste zu erledigen.

Natürlich hatte er die Umarmung immer noch im Hinterkopf, was ihn, obwohl er es eigentlich unterlassen wollte, weiterhin beschäftigte.

»Ist das denn nicht einfach nur menschlich...?«

So versuchte er sich zumindest zu erklären, weswegen er so viel darüber nachdachte.

Schließlich kam es nicht oft vor, dass man ihn umarmte. Um deutlicher zu werden, es war eine richtige Rarität.

Vielleicht war es auch das, weswegen die ganze Angelegenheit so an ihm nagte.

Möglicherweise war er davon sogar gerührt?

Langsam driftete das in ziemlich gefährliche Gefilde, zumindest empfand L das so.
 

Seine gesamte Gedankenwelt wurde unterbrochen, als er plötzlich vor der Türe stand, die zur Zentrale führte.

Somit versuchte er seine Rationalität zurück zu rufen und dadurch Near aus seinem Kopf zu verdrängen.

»Es ist zu früh, um sich darüber Gedanken zu machen..«

Mit diesen inneren Worten besiegelte er seine persönlichen Probleme, um sich wieder den Nachforschungen zu widmen.

Er öffnete die Türe und war überrascht zu sehen, dass schon alle anderen wieder auf ihrem Posten waren.

„Haben Sie schon die Liste erhalten, Ryuzaki?“, fragte Mogi und sah ihm dabei aus der Ferne ins Gesicht.

„Ja, habe ich,“ antwortete er kühl und schritt langsam voran, „Dabei bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass der Täter wohl möglicherweise doch in Tohoku stationiert ist. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass er dort wohnt.“

„Genau dasselbe wollte ich dir gerade auch sagen“, warf Raito ein.

„Freut mich. Jetzt habe ich zumindest die Bestätigung, dass ich Recht habe.“

Nach dieser Aussage nahm L auf seinem Stuhl Platz, wie immer in seiner gewohnten Pose.

Dabei nahm er die Liste der Frisöre und einen Stift zur Hand, mit dem er beinahe blitzartig einige Stellen unterstrich.

Alle im Raum warteten gespannt auf sein Fazit, was sie nach wenigen Sekunden auch zu hören bekamen.

„Insgesamt sind es 473 Friseure, bei denen Ort und Mittagszeit auf die des Täters zutreffen.

Ich möchte, dass man untersucht, welche von diesen weißes Blondierpulver verwenden.“

„Wie kommen Sie auf Weißes?“, fragte Matsuda naiv, wie immer.

„Weil das, das vor Ort gefunden wurde, weiß war“, antwortete L kühl.

„Matsuda, du bist eine Schande für die japanische Polizei!“, herrschte Soichiro Yagami ihn an.

„Nicht doch!“, meinte L, „Das ist bloß menschlich.“

Dabei richtete er seinen Blick in die Luft und schien etwas Gedankenversunken.

Verleugnung ist der beste Weg

Matsuda starrte L an. Eigentlich nicht nur er, alle ihm Raum warfen dem schwarzhaarigen Mann mehr oder minder offensichtliche Blicke zu.

Schließlich hatte er noch nie für den Jungpolizisten Partei ergriffen, zumindest nicht in dieser Hinsicht.
 

L blinzelte die Einheit an. „Ist etwas mit Ihnen?“

„Äh.. nein, gar nichts...“, so Matsuda.

»Hmm...«

Er konnte sich denken, warum man ihm gerade diese Aufmerksamkeit schenkte, weswegen er wahrlich nicht mehr darüber nachdenken wollte.

Eigentlich war es ihm egal, was andere über ihn dachten, da doch jeder Mensch Meinungsfreiheit hatte.

Dennoch machte er sich langsam Gedanken darüber, wie er wohl auf andere wirkte. Denn es war wohl kein Geheimnis mehr, dass man ihm andichtete pervers zu sein, man ihm auf der anderen Seite allerdings für so unsozial hielt, dass man ihm nicht einmal ein Herz zutraute.

Zumindest keine menschlichen Gefühle, oder sonstiges, was einen emotionalen Hintergrund hätte.

Nun, aber wenn er darüber nachdachte musste er sich doch eingestehen, dass es merkwürdig war, während den ganzen siebenundzwanzig - bald achtundzwanzig - Jahren die er lebte, noch nie verliebt gewesen zu sein.

Doch er erklärte es sich dadurch, dass der oder die ‚Richtige’ einfach noch nicht in sein Leben getreten war.

Diese Gedanken machten ihn ziemlich zu schaffen, wo sie doch nicht zu erklären waren.

Außerdem kümmerte es ihn wie gesagt nicht, was andere von ihm hielten.

Jetzt konnte er sich erklären, warum einiges so wirkte wie es wirkte und mehr interessierte ihn eigentlich nicht mehr.

„Wie auch immer... Können Sie das für mich erledigen?“, fragte L schlussendlich.

Dabei warf er einen bohrenden Blick in die Runde.

Anfangs schwiegen alle, bis sich schließlich doch Mogi meldete.

„Ich werde das gleich der Zentrale mel--„ „Nein!! Ich habe doch bereits gesagt, dass die Polizei davon noch nicht erfahren darf! Ich brauche hier engagierte und kompetente Menschen, womit die Polizei leider nicht dienen kann, zumindest nicht in diesem Ausmaß.“

Im ersten Moment erschrak der Großteil der Einheit, weil L seine Stimme zuerst recht deutlich ausreizte. Er zeigte nicht oft Emotionen, deswegen waren die meisten etwas sprachlos.

Eigentlich war es bloß Raito, der sich dadurch nicht einschüchtern ließ.

„Ich gebe Ryuzaki Recht. Wir können nicht riskieren, dass ein Fehltritt das alles wieder zunichte macht. Die Methoden der Behörden sind einfach zu undicht, als dass wir sie einsetzen könnten“, gab Raito von sich.

Wieder verharrten die übrigen Personen im Raum mit leicht geöffnetem Mund und sagten nichts.

Manchmal hatten sie alle das Gefühl, wie dumme kleine Vorschüler zu sein, die von den weisen Geistern Aufträge erhielten die sie blind ausführen mussten.

Und selbst wenn sie sich dabei wie Idioten vorkamen, so blieb ihnen nichts anderes übrig. Schließlich hatte L hier das Sagen und man konnte mit ihm bekanntlich nicht diskutieren, sofern man nicht Raito Yagami hieß, welcher ihm diesmal sogar zustimmte, was das Urteil also festigte.

Natürlich war es in diesem Fall nichts Tragisches, doch alleine die Tatsache, dass sie sich nicht im Geringsten dagegen wehren könnten, weil ihr Gegenüber ein Diktator sondergleichen war, behagte ihnen so gar nicht.

Eine eiserne Stille füllte den Raum, weswegen L seine Stimme erhob. „Es tut mir leid, wenn ich Sie damit überfordert habe. Ich werde Watari diese Aufgabe überlassen.“

Weiterhin herrschte Ruhe, doch wenn man genau hinhörte, konnte man ein leises Schnaufen von Mogi vernehmen.

L bemerkte es, machte sich aber nicht die Mühe, dazu einen Kommentar abzugeben.

Er nahm ein Bein vom Drehsessel, um sich langsam zu einem der Laptops vor sich zu ziehen.

Dabei fasste er nach vorne um sich ein Bonbon zu genehmigen, das in einer prachtvollen Schüssel mit vielen weiteren Süßigkeiten lag.

„Momentan können wir nicht mehr unternehmen als zu recherchieren. Machen Sie sich bitte an die Arbeit.“

Daraufhin nickten alle und die, die nicht bereits einen Rechner vor sich hatten, nahmen anschließend vor so einem Platz.
 

Bereits zwei Stunden waren vergangen, in denen Dateien durchkämmt und Auffälligkeiten in einen dafür vorgegebenen Ordner verschoben wurden.

Jedes Mal, wenn eines der Mitglieder diesen verwendete, wurde L darüber informiert und überprüfte, ob das was man ihm vorsetze auch wirklich von belangen war.

‚Vorsetzen’ deswegen, weil bloß 17% der Dinge, die in diesen Ordner geschoben wurden, auch wirklich brauchbar waren, wofür man in der Schule also eine glatte Sechs kassieren würde.
 

„Ryuzaki“, hallte es plötzlich im Raum. Zumindest kam es L so vor, da er bloß wenige Zentimeter vom Sprecher entfernt war.

„Ja?“, fragte L mit einer recht monotonen Stimmlage und wandte dabei seinen Blick nicht vom Monitor ab.

„Könnte es sein, dass dich heute etwas beschäftigt?“

Nach dieser Frage zuckte L kurz zusammen, beziehungsweise schien sein Herz für einen Augenblick von seinem natürlichen Rhythmus unterbrochen, was ihm allerdings kaum anzusehen war.

„Du hast wirklich gute Menschenkenntnisse, Yagami-kun.“

L pausierte kurz, fuhr dann allerdings mit seiner Aussage fort. „Das hat hier aber nichts zu suchen. Ein guter Detektiv lässt sich nicht von seinen Emotionen leiten. Er lebt für seine Arbeit und erlaubt sich keine Subjektivität.“

Die ersten Sekunden schwieg Raito, da ihm die letzten beiden Sätze schon beinahe auswendig gelernt vorkamen, ließ sich aber von einem Konter dennoch nicht abhalten.

„Das siehst du wohl zu eng. An deiner Behauptung mag zwar etwas Wahres dran zu sein, aber einige Dinge sollten nicht einfach so ignoriert werden.“

Daraufhin hob L schlussendlich doch seinen Kopf und starrte seinen Gegenüber an.

„Ich schätze, dass es gerade die Ignoranz ist, die mir in diesem Fall weiterhelfen kann.“

Gedankenversunken

Mittlerweile neigte sich der Tag dem Ende zu, es war bereits 21 Uhr.

Zu dieser Zeit saß Near auf dem Krankenbett und blickte zum Fenster hinaus.

Dabei war er an einer Infusion angeschlossen, was bedeutete, dass er wohl eindeutig nicht am nächsten Tag entlassen werden würde.

Man könnte jetzt meinen, dass das für ihn eine furchtbare Nachricht gewesen sein musste, doch dem war nicht so. Im Gegenteil, er freute sich sogar unglaublich über diese Tatsache, da er momentan ziemlich verwirrt war und es für besser hielt, L erstmal so häufig es ging zu meiden.
 

Nachdem Near aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, fragten ihn die Ärzte darüber aus, wie er sich davor fühlte und wunderten sich, wie das in einer sitzenden Position passieren konnte.

Natürlich gaben sie sofort L die Schuld daran, weil er so rücksichtslos war und Near in seinem Zustand mit raus nahm.

Der Junge aber dementierte diese Schlussfolgerung und gab an zu wissen, weswegen es dazu gekommen war, meinte aber, dass es eine Nichtigkeit war und nicht weiter zu beachten, was die Schwestern aber nicht so sahen.

Sie wollten ihm sogar einen Psychologen zur Verfügung stellen, weil man durch eine ’Nichtigkeit’ nicht einfach so ohnmächtig wurde, was Near jedoch ablehnte.

Schließlich kannte er den Grund nur zu gut und kein Psychologe der Welt konnte ihm hierbei helfen.

Ein Hypnotiseur wäre schon eher eine Überlegung wert gewesen, der könnte nämlich vielleicht seine Gefühlswelt wieder ins Lot bringen, indem er L aus seinem Herzen löschte.

Gewiss war das bloß eine Mutmaßung, der man keine weitere Aufmerksamkeit schenken sollte, schließlich wäre das lächerlich, zumindest für Nears rationales Gehirn.

Er war sich im Klaren, dass es Leute gab, die anhand von enormem psychologischem Wissen und weiteren wichtigen Aspekten dazu in der Lage waren, Leute zu kontrollieren und auch deren Unterbewusstsein ans Tageslicht bringen konnten. Doch um an der Seele eines Menschens herumpfuschen zu können, musste man diesem einer Gehirnwäsche unterziehen und für Okkultismus hatte der Junge nichts übrig.

Es gab bloß zwei Möglichkeiten hierfür und zwar war es entweder so, dass das alles Heuchelei, also nichts weiter als Betrug war, oder es funktionierte wirklich, was aber wiederum hieß, dass der Anwender mit einem alles machen konnte was er wollte.

Allem voran aber war es einfach die Tatsache, dass er sich erstens nicht wirklich sicher war, ob er sich tatsächlich in L verliebte und zweitens wäre es hirnrissig, wegen so einer Lappalie einen vermeintlichen Spezialisten aufzusuchen.
 

„Hnn...“

Das war das einzige, was Near noch herausbringen konnte.

Jeder weitere Gedanke, der von diesem heiklen Thema handelte, brachte nichts, er würde sich damit also bloß belasten.

Langsam legte er seine Beine über die Bettkante und stand auf. Nachfolgend umfasste er mit seiner rechten Hand die Stange, an welcher der Infusionsbeutel befestigt war.

Er ging ziemlich vorsichtig damit um und schob sie demnach behutsam vor sich her.

Der Grund weswegen er aufstand war, weil er genauer auf die Stadt sehen wollte und sich deshalb sehr dicht vor das Fenster stellte.

»Diese vielen Lichter... es ist so ungewohnt, ganz anders als zu Hause..«

Dabei ließ er seine linke Hand hinauf zur Fensterscheibe gleiten, über welche er sanft und geistlos strich. Als er damit in etwa in Brusthöhe war, wandte er sich ab und blickte zu Boden auf das Puzzle von L, das er nach dem Gespräch mit den Schwestern begonnen hatte.

Mittlerweile hatte er 3.586 Teile zusammengefügt, verlor danach aber die Lust für den Augenblick und hörte deswegen auf.

Außerdem regte sich ein Arzt zuvor indirekt darüber auf, dass es zu viel Platz einnehmen würde, was Near allerdings herzlich egal war. Trotzdem schob er es etwas zur Seite, schließlich war es nicht seine Absicht die Leute hier zu verärgern oder sonstiges, darum versuchte er damit den Frieden zu wahren.

Das war allerdings schon alles. Falls man ihn nochmals darauf ansprechen sollte, würde er vermutlich auf stur schalten und so tun, als würde er das nicht hören und wenn man ihn gar aufforderte es wegzuräumen, würde er sofort mit einem harschen „Nein“ antworten, egal wie kindisch das auch war. Er ließ sich nun mal nicht gerne etwas befehlen.
 

Near setze sich wieder aufs Bett und ließ sogleich die Stange los.

Beinahe im selben Augenblick öffnete sich die Türe einen Spalt, durch welchen eine der Krankenschwestern linste.

„Du bist ja noch wach“, sagte sie leise. Wahrscheinlich weil sie die anderen auf der Station nicht wecken wollte. „Ruh’ dich jetzt lieber aus, okay?“, fügte sie dann hinzu.

Entgegen jeder Logik, wenn man das zuvor erwähnte in Betracht zog, lächelte Near sie an und sagte, „Ich werde es versuchen.“

Darauf hörte er noch ein leises „Gute Nacht“ und anschließend das Knarren der Türe.

Near schenkte der Schwester ein Lächeln, weil er das Gefühl hatte, dass sie sehr liebenswürdig war und es nicht verdient hätte, sein Trotzverhalten zu spüren zu bekommen.

Deshalb legte er sich einfach ins Bett und schloss seine Augen in der Hoffnung, bald einschlafen zu können, was auch der Fall war.

Verdeckte Ermittlungen

Es vergingen vier Tage nachdem Near in Ohnmacht gefallen war.

Inzwischen hatte L ihm auf Wunsch einige Lehrbücher über die japanische Sprache, sowie ein sehr umfangreiches Wörterbuch mitgebracht. Die gesamte Zeit die er mit dem Jungen alleine war, verbrachte er damit, um mit ihm zu lernen.

Wieder einmal wurde ihm bewiesen, welch großes Potenzial sein möglicher Nachfolger doch besaß. Nach jedem verstrichenen Tag wusste er mehr und mehr, L benötigte er bloß für die richtige Aussprache, die er schon hervorragend beherrschte. Hie und da machte er kleine Fehler, die er aber sofort verinnerlichte und ausbesserte. Der Schwarzhaarige war erstaunt über den enormen Fortschritt, den Near in so kurzer Zeit machte.

Es hatte den Anschein, als ob er den ganzen Tag nichts anderes machen würde, als sich damit zu beschäftigen. Das schlussfolgerte L dadurch, da das Puzzle das am Boden lag sich kaum veränderte. Vielleicht waren 1.500 Teile mehr zusammengesetzt, das war es aber auch schon. Schließlich wusste er, dass der Junge unheimlich gerne spielte und Rätsel löste. Apropos Rätsel, er bat L auch darum ihm japanische Quizhefte zu besorgen.

Die Sprache zu lernen schien ihm wirklich ernst zu sein, wobei L ihn nur zu gerne unterstütze.

Near schrieb etliche Aufsätze die er ihm zu lesen gab um zu erkennen, wobei er noch Probleme hatte. Der Ältere schnappte sogar einmal auf, dass er selbst die Schwestern manchmal dazu ‚missbrauchte’, um mit ihm zu lernen.

Near wirkte wirklich unersättlich.
 

Der fünfte Tag war angebrochen und Near wusste, dass es sehr wahrscheinlich war, dass man ihn heute gehen ließ. Er würde die ‚süße’ Krankenschwester vermissen, die sich immer so nett um ihn kümmerte, machte sich darüber aber keinen zu großen Kopf.

Er beschloss sich noch einmal in der Abteilung umzusehen, nicht ganz ohne den Hintergedanken, vielleicht einige japanischen Sätze aufzuschnappen, um diese dann bloß in seinen Gedanken zu übersetzen. Ja, er war besessen.

Es gab aber noch einen Grund dafür und zwar war er am vorigen Abend von den Infusionen abgeschlossen worden, wodurch er sich also wieder frei bewegen konnte und nicht ständig eine Stange vor sich herschieben musste.

Somit stand er also vom Bett auf und schritt gemütlich aus seinem Zimmer.

L würde erst in 5 Stunden kommen um ihn abzuholen, also hatte er noch genug Zeit dafür.

Am Flur sah er einige Kinder die miteinander Brettspiele spielten oder mit irgendwelchen Stofftieren kuschelten.

Die meisten aber zeichneten, was sich auch auf die Wände der Kinderabteilung auswirkte.

Hier brauchte man keine Tapete mehr, so viele Bilder hingen an der Mauer und an Türen.

Es war interessant zu sehen, wie japanische Kinder zeichneten. Near hatte den Eindruck, als ob man Asiaten das Talent einpflanzte, mit einigen Ausnahmen versteht sich.

Trotzdem fand er es ungewöhnlich.

Natürlich war es kein Vergleich zu den künstlerisch begabten Kindern in Wammy’s Haus, was allerdings ersichtlich war, da diese ja schließlich Aufgrund ihres Talentes dort waren.
 

Einige Minuten schlenderte er geistlos an den Bildern vorbei, bis ihm etwas sehr Auffälliges ins Auge stach. Sein Herz blieb für wenige Sekunden stehen und er hastete schon beinahe zu einem der Werke.

Ihm blieb der Atem weg.

Auf dem Bild waren viele Kinder zu sehen und ein Haus. ... Ein brennendes Haus.

Das hatte eindeutig mit dem Fall zu tun.

»Natürlich... Ich bin hier auf der Kinderabteilung. ...«

Dabei starrte er die Zeichnung lange an, bis er etwas Gravierendes bemerkte.

Seitlich war ein Mensch zu sehen, ein Mann mit blauem Haar.

Er wirkte wirklich sehr Abseits zu stehen, als ob er nicht dazugehörte.

»Der Brandstifter?!« - Das war Nears erster Gedanke.

Hatte ein Kind tatsächlich den Täter dabei beobachtet, wie er den Kindergarten in Flammen setzte?

Ohne über weiteres nachzudenken eilte er zu seiner Krankenschwester und fragte sie, ob sie wüsste von welchem Kind dieses Bild war und ob es noch im Krankenhaus war.

Er dachte, dass wenn es sich jemand gemerkt hätte, dann sie, wo sie doch immer so liebevoll und aufmerksam mit ihren Patienten umging.

Und er hatte Recht, sie wusste wirklich von wem die Zeichnung stammte und sagte auch, dass das Mädchen sich noch hier auf der Station befand.

Als sie Near fragte, warum er das wissen wollte, antwortete er ihr darauf, dass er es so ‚interessant’ fand und dass er mit der Kleinen sprechen wolle.

Natürlich war die Schwester sofort damit einverstanden und brachte ihn zu ihr.

Near ging auf das Mädchen zu und hoffte, dass sein Japanisch dafür ausreichte um genaueres herausfinden zu können. Schließlich wollte er L nicht wegen einer vagen Vermutung hierher zitieren.

„Wie heißt du?“, fragte er höflich, obwohl es ihn nicht interessierte.

Doch er wusste, dass man sich an Kinder richtig herantasten musste, weil sie oftmals dazu neigten trotzig zu werden, was so viel hieße, dass sie ihm wohl wichtige Informationen mit Absicht unterschlagen würde und das wollte er schließlich nicht.

„Ich heiße Namie und wer bist du?“ „Mein Name ist Near. Ich wollte dich fragen, ob das Bild da hinten von dir ist.“

Dabei zeigte er auf die besagte Zeichnung, sah dem Mädchen aber ins Gesicht.

Sie schien ziemlich unbefleckt, wie eben fast jedes Kind. Aber auch sehr lieblich, was die Sache natürlich einfacher machte.

„Mh!“, antwortete sie rasch und nickte dabei. „Da sind alle meine Freunde drauf! ... Auch Kouhei, selbst wenn er jetzt bei den Engelchen ist.“

Vater-Mutter-Kind

Near fühlte, wie ihm ein Schauder überkam. Was für eine Kreatur musste dieser Mensch gewesen sein, dass er es mit sich vereinbaren konnte, Kindergartenkindern das Leben so leichtfertig zu nehmen?

„Dort ist er sicher gut aufgehoben...“, sagte er schließlich.

„Ja, das hat meine Mama auch gesagt“, antwortete ihm das kleine Mädchen.

Daraufhin schwieg Near kurz. Bisher war die Kommunikation ja nicht sonderlich schwierig.

Er musste bloß versuchen, das Gespräch simpel zu halten.

„Sag mal, Namie... Kannst du mir auch sagen, wer der Mann da ganz am Rand ist?“

„Ja, das ist der liebe Herr, der mir den Weg zu den anderen gezeigt hat. Er ist nur leider schon davongelaufen, bevor ich mich bei ihm bedanken konnte.“

Puh. Das war schon um einiges schwieriger. Zwar konnte Near den Wörtern folgen, es wurden aber so viele auf einmal aneinander gereiht, dass er schon beinahe den Überblick verloren hatte.

„Ach, tatsächlich?... Hat er da irgendetwas zu dir gesagt?“, bohrte er schließlich nach.

„Ja, er hat gesagt, dass meine Mama und mein Papa Glück haben. Aber ich weiß nicht, was er damit gemeint hat. Ich habe ihn fragen wollen, aber da ist er schon weg gewesen.“

Wieder so eine lange Aussage, die sogar schwerer war als die andere.

Near dachte aber zu wissen, was die Kleine ihm sagen wollte.

„Danke, dass du mir das erzählt hast, Namie.“

„Gern geschehen“, antwortete sie, „Aber dafür musst du jetzt mit mir spielen.“

Der Junge musste kurz abwägen, ob er es wirklich tun sollte und ob es nicht möglicherweise zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

„Einen Augenblick. Ich muss kurz in mein Zimmer.“ „Ja, aber beeil dich bitte.“

Dabei sah Namie ihn schon beinahe herrisch an, was Near aber nicht sonderlich viel ausmachte, schließlich war sie noch ein kleines Kind.

Der Junge drehte sich recht hastig um und verschwand in Windeseile in seinem Krankenzimmer.

Er warf sich mit einer fast lächerlichen Dramatik auf sein Bett und knöpfte schnell den Überzug seines Kissens auf, denn darin hatte er das Handy versteckt das L ihn vor einigen Tagen gab.

Nachdem er es aktivierte, gab er dreimal einen falschen PIN an und tippe dann schnell 31102408131231103110 ein, genau so wie L es ihm ansagte.

„Ja, Near?“, hörte der Junge, nach einer für ihn unermesslichen Wartezeit, schließlich am anderen Ende der Leitung ertönen. „Gibt es ein Problem?“

„Nicht ganz. Es ist eher so, dass ich denke etwas über den Fall herausgefunden zu haben.“ „... Ich höre?“

L stellte seine Frage mit seiner gewöhnten Stimmlage, war allerdings viel interessierter als es den Anschein hatte.

„Nun, es ist so.. Hier ist ein Mädchen stationiert, das scheinbar einem der Brände zum Opfer gefallen war und sie hat den Täter gesehen.“

Near wirkte ziemlich aufgeregt, obwohl er mit aller Kraft versuchte die Ruhe zu bewahren.

„!!... Ich bin gleich bei dir“, antwortete L und legte daraufhin sofort auf.

Plötzlich klopfte Nears Herz rasend schnell, es schien so, als ob er jetzt erst realisierte, was das alles überhaupt bedeutete. Er war mitten in die Ermittlungen verwickelt und trug möglicherweise einen großen Teil zur Aufklärung des Falls bei.

In seinem momentanen Schock vergaß er beinahe, das Handy wieder auszuschalten.

„Near?“, vernahm er überraschend von der Zimmertüre.

Er drehte sich recht rapide um und erblickte Namie am Gang.

„Ich bin gleich bei dir“, sagte er während er auf sie zuging, „Was möchtest du eigentlich spielen?“

„Vater-Mutter-Kind“, entgegnete ihm das Mädchen.

Nears Augen weiteten sich. ‚Vater-Mutter-Kind’? War das wirklich ihr ernst?

Daraufhin musste er seufzen. Natürlich war es ihr ernst, kleine Mädchen mochten dieses Rollenspiel bekanntlich.

„Und wer soll ich sein...?“, fragte er ziemlich entrüstet.

„Na den Vater, ist doch klar!“, sagte Namie mit viel Elan.

»Oh Gott...«

Near behagte das alles so gar nicht... Er in einer Vaterrolle? Sollte das ein Scherz sein? Er konnte sich rein gar nicht vorstellen, jemals Vater zu werden und selbst die Tatsache, dass er bloß so tun sollte, war für ihn ein Grauen.

„Na schön... gehen wir wieder hinüber zu den Tischen.“

Um der Gerechtigkeit Willen würde er selbst das über sich ergehen lassen.

Außerdem sollte L bald hier erscheinen, was gute Aussichten drauf waren, dass er sich nicht allzu lange mit diesem Mädchen beschäftigen musste.

Also setze er sich mit der Kleinen, die sich in der Zwischenzeit eine Puppe holte, hin und sah sie an.

„Weißt du auch, was jetzt passieren soll?“, fragte er sie dann.

Letztendlich gehörte zu so einem Rollenspiel auch eine Geschichte, egal wie simpel sie auch war.

„Also, du kommst gerade von der Arbeit nach Hause und ich mache dir Essen. Dabei musst du auf das Baby aufpassen und es wickeln“, meinte Namie mit einer ziemlichen Sicherheit in der Stimme.

Zum Glück hatte Near die vorherigen Tage so viele Vokabel gelernt, ansonsten wäre er jetzt aufgeschmissen gewesen.

„Ist gut...“, antwortete er widerwillig. Dabei nahm er die Puppe entgegen, die das Mädchen ihm in die Hand drückte und sah ihr dabei zu, wie sie in einem leeren Gefäß mit einem Löffeln herumwirbelte.

Momentan schien noch alles glatt zu laufen, er saß nur da und beobachtete sie wie sie ein imaginäres Gericht zubereitete und sie schien damit zufrieden zu sein.

„Hier!“, gab Namie überraschend von sich und schob Near den Löffel in den Mund.

Er war zwar etwas erschrocken, aber ganz so aufdringlich wie L war sie nicht dabei.

„Mh.. Ich denke, dass da noch ein bisschen Salz fehlt“, sagte er und lächelte sie an.

Der Handel

Es waren sicher bereits 30 Minuten vergangen, in denen Near mit der kleinen Namie spielte. Mit der Zeit konnte er sich mit seiner ‚Vaterrolle’ bereits etwas anfreunden, dennoch wünschte er sich nichts mehr, als dass L jetzt hier auftauchen und das Mädchen verhören würde.

Sie tat Near sehr leid. Dieser Kouhei, von dem zuvor die Rede war, war scheinbar ihre ‚erste große Liebe’, wenn man das so sagen durfte.

Namie erzählte Near, dass ihr früherer ‚Mann’ bei einem Kriegsumfall ums Leben gekommen war und sie sich sehr darüber freute, dass er nun für sie und ihre kleine Tochter Kumiko sorgte.

Bemerkenswert, wie kleine Kinder mit diesem Schock umgingen. Bemerkenswert, doch traurig zugleich.

Vermutlich schickte man sie seit diesem tragischen Erlebnis zu einem Psychologen, wo man doch selbst ihm ein solches Treffen andrehen wollte.

Insgeheim hoffte er, dass L nicht allzu harsch mit ihr umgehen würde, wo sie doch so zu bemitleiden war.

Während der Zeit, die er mit dem Mädchen verbrachte, dachte Near darüber nach, ob er langsam vielleicht wirklich zu sentimental werden würde.

Natürlich, er wusste dass Verbrechen illegal und Morde noch dazu grausam waren.

Doch er konnte sich nicht erinnern, dass ihm jemals jemand so leid tat.

Vielleicht aber war es auch so, da er zum einen noch nie persönlichen Kontakt mit einem Opfer hatte und zum anderen war sein Gegenüber noch so jung und zerbrechlich, wusste nichts von der Welt und musste doch schon so viel Schmerz erfahren.

Namie verdrängte die ganze Sache, das war klar. Sie suchte sich schnell einen neuen ‚Mann’ für ihr Spiel und tat so, als ob sich nichts veränderte, doch im tiefsten Inneren machte ihr der Verlust ihres Freundes Kouhei sicher ziemlich zu schaffen.

»Wo bleibt L...?«

Ca. sieben Sekunden, nachdem Near sich das dachte, erschien der schwarzhaarige Mann schließlich in dem Beschäftigungsraum der Kinderabteilung. Es war beinahe wie Magie.

„Namie, richtig?“, fragte L.

Ohne sich vorzustellen, ohne auch nur einer kleinen Begrüßung platzierte er sich neben Near und war dem Mädchen somit gegenüber.

Ihren Namen fand er heraus, indem er zuvor eine Schwester um den Namen des Mädchens bat, mit dem Near sich gerade beschäftigte.

»Wie rau...«, dachte sich Near, gab aber keinen weiteren Kommentar ab. Schließlich wusste er, dass Ermittlungen nicht da waren, um Leuten Honig ums Maul zu schmieren.

Vermutlich würde er selbst wohl nicht anders sein, hätte er schon so viele Fälle wie L hinter sich.

„Ja...?“, sagte die Kleine etwas zaghaft und sah ihn skeptisch an.

„Gut. Ich habe einige Fragen an dich. Fühlst du dich in der Lage, sie mir zu beantworten?“

„Ich...“ Dabei warf sie Near einen äußerst unsicheren Blick zu.

Sie spürte unterbewusst, dass die beiden zusammengehörten, deswegen war ihr seine Meinung dazu sehr wichtig. Er würde schon wissen, ob dieser Mann gute oder böse Absichten hatte.

Near nickte bloß verhalten, schien dabei aber recht angespannt zu sein, was nicht wenig mit Ls Anwesenheit zu tun hatte.

„Ich...“, stotterte Namie erneut. Dabei fummelte sie an ihren Fingern herum, um ihre Nervosität etwas zu unterdrücken. „... Davor möchte ich aber etwas....“

Langsam begann sich eine zarte Röte auf ihrem Gesicht zu erstrecken.

„Und das wäre...?“, fragte L sehr sachlich und monoton.

Near hingegen wirkte sichtlich erstaunt. Er fragte sich, ob das Mädchen schon öfter so verhandelte.

Schließlich wollte sie auch zuvor von ihm eine Gegenleistung für ihre Auskunft. Sie würde wohl eine gute Geschäftsfrau abgeben.

„Nun, ich will...“

Es war so, als ob ihr etwas im Halse stecken geblieben wäre. Immer wieder senkte sie ihren Kopf beschämt und spielte kontinuierlich mit ihren Fingern.

Was sie wohl wollte?

L schien sehr geduldig und die Ruhe selbst zu sein. Das war natürlich ersichtlich, wo er doch schon so viele Fälle hinter sich hatte. Da würden die paar Minuten mehr oder weniger auch keinen Unterschied mehr machen.

„...Einen Kuss.. von...“, quetsche sie schwerfällig heraus, „...Near....“

„Was?!“, fragte der Junge blitzartig in seiner Muttersprache. „Hat sie gerade Kuss gesagt?“

Das war einfach undenkbar, er musste sich verhört haben. Schließlich lernte er die Sprache erst seit wenigen Tagen, da war so etwas durchaus plausibel.

„So sieht es wohl aus. Sie hat sich anscheinend in dich verliebt. Das geht recht schnell bei so kleinen Mädchen.“

L wirkte weiterhin unberührt und starrte Namie mit eiserner Miene an.

Near hingegen starb geschätzte zehntausend Tode, was man ihm auch von seiner Mimik ablesen konnte.

„Das... Das geht nicht, tut mir leid“, versuchte der Junge ruhig und sachlich zu erklären. Es fiel ihm aber deutlich schwer. Der Schock war einfach zu groß.

»Durchlebe ich gerade eine neue Phase des Pubertätsalters? Liebe hier, Liebe da.. Ich komme mir vor, als ob ich die Hauptrolle in einem dieser billigen Teenager Fotoromane spielen würde...«

Und dieser Gedanke kotzte ihn richtig an, um die Sache beim Schopf zu packen.

„Dann spreche ich nicht mit ihm... und mit dir auch nicht mehr! Hm!“

Dabei drehte die Kleine sich stur zur Seite. Natürlich war es ersichtlich, dass sie erwartete, gleich darauf ihren Willen zu bekommen.

Near wandte seinen Blick auch von ihr ab, er aber weil er verzweifelt war und darauf wartete, was L zu der Gesamtsituation zu sagen hatte.

Dieser kaute auf seinem Daumennagel herum und schien in die Ferne zu gaffen.

„Hm...“, machte er schließlich.

Nears Herz fühlte sich an, als ob es in seinem Brustkorb Luftsprünge machte.

L fiel etwas ein, zum Glück. Und er dachte schon er müsse...

“Küss’ sie.“

......

... sie küssen...

Ein bedeutender Schritt

Near erstarrte. War das sein Ernst? Sein voller Ernst?!

War dieser Mensch denn noch ganz dicht?

„Das können Sie doch unmöglich ernst meinen!“, stellte Near empört fest.

„Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber.. Doch, ich meine es genau so, wie ich es gesagt habe“, antwortete der Mann zu seiner Linken kühl.

„Was denken Sie sich eigentlich?! Dieses Mädchen ist etwa 12 Jahre jünger als ich! Außerdem kenne ich sie doch gar nicht!“

L kaute weiterhin auf seinem Daumennagel herum. Sein Blick war immer noch zur Decke gewandt und scheinbar ließen ihn Nears Aussagen völlig kalt.

„Ich würde es tun und ich bin viel älter als du. Dieser kleine unscheinbare Kuss kann helfen, einem krankhaften Mörder das Handwerk zu legen. Willst du denn so viele Menschen, so viele Kinder, sterben lassen, bloß weil das hier nicht deiner Moral und Ethik entspricht?“

Near schwieg. Was für eine böse aber wahre Tatsache.

Normalerweise ließ er immer die anderen Leute die Drecksarbeit erledigen.

Vermutlich hätte er, wäre er an Ls Stelle gewesen, ebenso denselben Befehl erteilt.

Diesmal aber ging es um ihn und nur um ihn.

Namie verfolgte im Augenwinkel das Wortgefecht, wobei sie aber mehr die Mimiken der beiden Personen betrachtete, als ihnen zuzuhören, da sie kein Englisch verstand.

»Warum will er mich dann nicht küssen...? Möchte er mich denn... nicht als seine Frau...?«

Daraufhin begann die Unterlippe der Kleine zu zittern und es dauerte nicht lange, da bahnten sich unzählige Tränen ihren Weg über ihre Wangen.

Dabei presste sie ihre Fäuste gegen ihr Gesicht und schluchzte deutlich hörbar.

Natürlich entging das den beiden keineswegs, weswegen sie sich ihr zuwandten.

Near schluckte kurz. »Wie wunderbar... Kann man das nicht abstellen?!«

Eigentlich war es so, dass er im tiefsten Inneren Schuldgefühle deswegen hegte und dieses Befinden mochte er nicht. Es war ihm einfach zu fremdartig, auch wenn er es schon einige Male zuvor erlebte.

„Siehst du? Jetzt weint sie wegen dir.“

„Denken Sie nicht auch, dass dieser Kommentar vollkommen unnötig war?“, entgegnete Near dem Schwarzhaarigen harsch.

Er hatte schon genug damit zu kämpfen, dass erstens die Kleine einen Kuss einforderte, dieser zweitens wichtige Informationen versprach und sie drittens nun auch noch weinte.

Nein, er wollte niemals Kinder kriegen, das stand fest.

„Namie“, ertönte es schließlich aus Nears Mund.

Daraufhin unterbrach die Kleine ruckartig ihren Gefühlsausbruch und versuchte ihm zuzuhören, selbst wenn es ihr schwer fiel, da ihre Ohren sich wegen dem Druck in ihrem Kopf recht taub anfühlten.

„Wenn ich... dich jetzt küsse, dann versprichst du mir, dass du uns wirklich all unsere Fragen beantwortest, verstanden?“

Der Junge wirkte merklich angespannt, schließlich sollte das hier sein erster Kuss überhaupt werden, welchen er mit einer vermutlich Vierjährigen praktizieren würde. Noch dazu saß L genau neben ihm, was ihm besonders zusetzte.

„Ja.. Ja, das habe ich doch gesagt“, antwortete die Kleine trotzig.

Near seufzte. Die Gefahr, dass eine Schwestern dieses unsittliche Spektakel mit ansehen könnte lag bei 37 Prozent. Einerseits war es so, dass sich ständig jemand um die Patienten kümmerte, andererseits waren so viele Kinder hier untergebracht, dass kaum Zeit übrig war, um sich mit ihnen spielerisch zu beschäftigen. Wiederum aber rauschten sie förmlich an diesem Ort vorbei, da sich dahinter noch einige Zimmer mit belegten Betten befanden.

„Na gut... Dann komm her“, forderte der Junge sie schließlich auf und beugte sich über den Tisch.

In diesen wenigen Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, wollte er mindestens sechs Mal „Nein, ich kann nicht“ sagen, riss sich allerdings zusammen, um die ganze Angelegenheit schnell hinter sich zu bringen.

Namie schob ihre Fäuste etwas erschrocken zum oberen Teil ihres Thorax.

Ihre momentane Aufregung war ihr wie ins Gesicht geschrieben und Near fragte sich, wer von beiden zur Zeit wohl angespannter war.

Nichtsdestotrotz erhob er seine Hand und platzierte sie unter ihrem Kinn.

Wenn er sie schon küssen musste, dann war auch er derjenige, der das Geschehen lenken durfte.

Dabei war ihm nicht klar, dass diese scheinbar unbedeutsame Bewegung das Mädchen nur noch nervöser machte.
 

Da passierte es. Ihre Lippen berührten sich.

Near hielt seine Augen offen um ihr ins Gesicht blicken zu können. Schließlich musste er abwarten, wann sie damit zufrieden war, damit er endlich dieser Farce entweichen konnte.

Nach etwa vier Sekunden presste Namie sich enger an den Jungen und öffnete dezent ihren Mund.

In diesem Augenblick fuhr ihm ein Schock durch all seine Glieder.

Er wusste sich nicht ganz zu helfen. Die Situation drohte von jetzt auf gleich zu eskalieren. Reflexartig machte auch er seinen Mund auf, jedoch bloß um ihren daraufhin wieder zuzuschieben, was ihm auch gelang.

Allerdings fühlte er für den Hauch eines Moments ihren Atem in sich, was ihn erneut erschrak. Deswegen beschloss er, den Kuss zu beenden. Vermutlich war es nicht ihre Absicht das zu tun, dennoch musste er abbrechen.

Denn selbst wenn sie nicht wusste, was das bedeutete, so hatte er sehr wohl eine Ahnung davon.

Als Near sich zurückzog weilte sein Blick weiterhin auf ihr, er wollte mit eigenen Augen bestätigen, dass das ausreichte, um sie glücklich zu machen.

Ihrem Ausdruck zufolge war das tatsächlich der Fall, wodurch auch er innerlich aufatmete.

Das hieße, dass er sich jetzt bloß noch zurücklehnen und L bei seiner Arbeit zusehen musste.

„Wo das jetzt erledigt ist... Konzentriere dich und versuche die Details so gut wie möglich wiederzugeben, gut?“, ertönte es aus Ls Richtung.

Die Kleine nickte etwas benommen, doch gerade als L mit seiner ersten Frage beginnen wollte, unterbrach ihn eine Schwester, indem sie Namie Aufgrund von Untersuchungen mit sich nahm.

Französischunterricht

Sofort nachdem die Schwester Namie mit sich nahm erkundigte L sich, wie lange diese Untersuchung wohl dauern würde. Man sagte ihm, dass das Mädchen in etwa fünfzehn Minuten wieder zurückgebracht werden würde.

Near fand, dass das gerade der schlechteste Augenblick war, den sie sich aussuchen konnten, um Namies Zustand zu kontrollieren, denn zum einem mussten die beiden erneut auf Auskunft warten und zum anderen lag sein Kuss nicht lange zurück.

Das bedeutete, dass der Junge immer noch angespannt deswegen war und er wusste genau, dass es ihm anzusehen war.

Wäre die Kleine jetzt hier gewesen, hätte L sich bloß auf sie konzentriert.

Nun, er schwieg, doch wer wusste denn schon was noch alles kommen würde?

Um ehrlich zu sein war Near sich nicht ganz sicher, was er lieber gehabt hätte, denn die Stille, die gerade zwischen den beiden herrschte, war eisern. Aber auch wenn dem so war, war Near nicht dazu gewillt etwas zu sagen. Alles, egal was, wäre ihm gezwungen vorgekommen, was die Angelegenheit noch unangenehmer gemacht hätte.

Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, möglicherweise betrachtete L das zuvor Geschehene wirklich bloß als ‚Mittel zum Zweck’. Seiner vorherigen Aussage zufolge war das auch sehr wahrscheinlich.

Für einige Sekunden fühlte Near sich wie ein kleines Kind neben dem Schwarzhaarigen, wo er doch die ganze Sache geistig so aufpushte, L aber in seiner gewohnten Gelassenheit sinnierte.
 

„Zu dumm, dass du gerade Japanisch anstatt Französisch lernst“, warf der Ältere in den Raum.

Near schwieg nach wie vor, aber sein mentaler Zustand änderte sich drastisch.

Was war das denn für eine geschmacklose Äußerung?

Doch unabhängig von dieser Tatsache fühlte er plötzlich, wie ein Hauch von Schamesröte langsam seine Wangen bedeckte.

„Sie wissen schon, dass das Mädchen noch in den Kindergarten geht, nicht wahr?“, antwortete Near erstaunlich gefasst.

Allerdings reichte alleine ein Blick in sein Gesicht um zu wissen, dass Ls Aussage ihm sehr peinlich war.

„Natürlich weiß ich das. Aber auch, dass du gerade die Oberstufe absolvierst.“

»... Meint er also, dass man zu der Zeit als Mann in der Lage sein muss, einen François oder einen Pierre zu spielen?...«, dachte Near sich mit einer gehörigen Portion Sarkasmus.

Er hätte L zu gerne diese Frage gestellt, fühlte sich aber nicht dazu bemächtigt dabei seinen Langmut zu bewahren. Er ärgerte sich darüber, dass er scheinbar noch so kindisch war und mit solchen Dingen schwer umgehen konnte, zumindest wenn es um ihn ging.

„Sagen Sie...“, äußerte der Junge nach einer kurzen Pause, „Können Sie denn Französisch?“

Unglaublich, welch’ zweideutigen Charakter dieses Gespräch nun annahm.

Noch dazu war er derjenige, der es weiterführte. Doch eines wusste er gewiss, man musste Feuer mit Feuer bekämpfen, jedenfalls wenn L der Kontrahent war.

Er sah dem Schwarzhaarigen ins Gesicht und bemerkte, dass dieser ein für ihn außergewöhnliches Grinsen aufsetzte. Eigentlich war jede Art des Lächelns merkwürdig für L.

Zwar war Near sich sicher, dass er nicht verbittert oder dergleichen war, dennoch dachte er ihn bisher so weit kennen gelernt zu haben, um sagen zu können, dass er normalerweise einen erschreckend neutralen, manchmal schon fast verstörten, Gesichtsausdruck aufsetzte.

Voraussichtlich um unantastbar für seinen Gegenüber zu bleiben.
 

Jetzt aber lächelte er und... kam ihm näher?

Einen Augenblick, wollte er ihm denn nun seine ‚Französisch Kenntnisse’ demonstrieren?!

»Nein...--«, dachte Near sich panisch.

Wie bei der Umarmung vor fünf Tagen gefror ihm das Blut in seinen Adern. Langsam aber sicher fühlte er, wie sein gesamter Körper sich verkrampfte. Jede Sekunde die verstrich sah er Ls Gesicht immer näher vor dem seinen. »Nein, bitte nicht. Nicht hier... Nicht jetzt.«

Für einen Kuss dieser Art war er eindeutig noch nicht bereit und das auch noch im Spielbereich der Kinderabteilung des Krankenhauses.

»Warum musste ich ihn auch danach fragen? Ich hätte wissen müssen, dass diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen war!«

Near verteufelte sich selbst für diesen Fakt und fühlte zu diesem Zeitpunkt bereits Ls Atem auf seinen Lippen. In kürzester Zeit stiegen ihm Unmengen von Blut in sein Gesicht und Schweißperlen fingen an sich auf seiner Stirn zu bilden. Dieser Moment kam ihm wie eine Ewigkeit vor, was L scheinbar auskostete, da er tatsächlich für kurze Zeit in dieser Position verharrte.

Die Nervosität des Jungen erreichte ihren Höhepunkt und wüsste er es nicht besser, so hätte er gedacht, dass sein Herz kurz davor war zu explodieren.

Sein Blickfeld wechselte immerwährend zwischen L und dem Fußboden und er musste mit Unwohlbefinden feststellen, dass sein Gegenüber offensichtlich eine stark ausgeprägte sadistische Seite an sich hatte.
 

Da. Er kam wieder näher, so schien es jedenfalls. Near war nicht mehr in der Lage, das genau abzuschätzen, da er ihm einfach schon zu nahe war, als dass er eine Veränderung bestätigen hätte können. »Was mache ich bloß? Diese Situation ist zu schnell gekommen... Ich hatte viel zu wenig Zeit, um mir etwas zu überlegen, ich...«

Und in dem Augenblick entschied Near sich dazu, dass es keine andere Möglichkeit mehr gab, als zu kapitulieren. Also öffnete er seine Lippen einen Spalt und wartete darauf, dass L tat, was er nicht lassen konnte.

Jetzt gab es kein zurück mehr. Denn selbst wenn er es eigentlich vorhatte, er konnte sich einfach nicht bewegen. Und außerdem... wollte er es wirklich nicht?

Aus der Ferne

„Ich frage mich, was Near gerade so macht. ... Ich meine... wo er doch jetzt bei L in Japan ist..“

„Ah.. hm“

„Vielleicht habe ich mich zu sehr aufgeregt..? Schließlich ist er nun mal so. .. Ich bin mir sicher, dass auch er sehr nervös war, nachdem er davon erfahren hat. Ich weiß doch, dass

er ihn sehr bewundert. ... Nur eben still und heimlich..“

„Mh...“
 

Matt, verdammt! Hör mir gefälligst zu, wenn ich mit dir rede und leg’ das verfickte Spiel weg! Das hast du doch bereits siebenmal durch, ist das denn so viel interessanter als ich?“, fauchte Mello den Rothaarigen an.

Um seine Wut zu unterstreichen, schlug er mit einer enormen Energie auf den Nachttisch zu seiner Linken.

„Versteh das jetzt nicht falsch... Aber ich bin gerade beim Endboss, also...“, erwiderte Matt mit einer ruhigen Tonlage. Doch wenn man genau hinhörte, konnte man auch eine etwas devote Eigenschaft vernehmen.

Noch bevor Mello irgendwie antworten konnte, fügte er ein weiteres Attribut seiner Aussage hinzu.

„Außerdem wusste ich nicht so recht, was ich dazu sagen sollte... Wo ich es doch selbst nicht weiß.“

Der blonde Adoleszent schnaufte ausgiebig und wollte damit sein zaghaftes Verständnis für Matts Ansicht vermitteln. Er hatte schon recht damit, dass man auf seine Äußerungen schlecht eine Meinung abgeben konnte. Es wäre ihm bloß lieber gewesen, nicht gegen eine Wand zu sprechen.

„Ich meine nur...“, warf Mello plötzlich ein, „Erinnerst du dich an dieses Chatprogramm, das Near und ich entwickelt haben?“

„Ja... Das, auf das lediglich ihr beide Zugriff habt.“

Nach diesem Satz kehrte vorübergehend eine unangenehme Stille ein.

„Nimm das nicht immer so persönlich. Das ist bloß für den Fall, dass wir voneinander getrennt sind und uns die Meinung des Anderen zu etwas einholen wollen. Für Fälle und so weiter“, verteidigte sich Mello. »Selbst wenn ich derjenige war, dem die Idee gekommen ist... Und der, der Near ganze elf Tage dazu überreden musste.... «

„Schon in Ordnung“, meinte Matt und seufzte zufrieden.

Scheinbar besiegte er seinen Gegner, da er nachfolgend den Nintendo DS zuklappte und den dazugehörigen Touchpen behutsam wieder in die dafür vorgesehene Öffnung schob.

„Ich hätte doch auch keinen Grund zur Eifersucht“, merkte Matt besonnen an und machte eine demonstrative Pause. „Also, was ist mit dem Chatprogramm?“

Nach dieser Frage verschränkte der Blonde seine Beine und starrte nachdenklich gegen die Decke des Zimmers. „Er loggt sich nicht ein.“

„...Und?“ „Warte doch!“, herrschte Mello seinen Gesprächspartner an.

„Wir haben ausgemacht, dass wir uns gegenseitig Bericht erstatten, falls so etwas eintreffen sollte. Also, falls einer von uns beiden 'mal gebraucht werden sollte. ... Ich meine, er sagt das nicht nur einfach so. Bevor er wegen solchen Dingen lügen würde, würde er sich eher in seinem Zimmer einsperren und mich draußen schreien lassen, verstehst du?“

Nach dieser langen Aussage musste er erst einmal ein Stück Schokolade zu sich nehmen.

„Das heißt...? Aus deinem letzten Satz kann ich entnehmen, dass du nicht denkst, er würde es mit Absicht machen. ... Nun, vielleicht hat er es auch einfach nur vergesse--” „Near? Etwas vergessen?! Mach dich nicht lächerlich!“, merkte Mello recht forsch an.
 

„...Du solltest dir vor Augen halten, dass er auch nur ein Mensch ist. Und du weißt doch genau so gut wie ich, dass er L anhimmelt. Das hast du sogar selbst vor wenigen Minuten gesagt“, entgegnete Matt deutlich gelassener als sein Freund.

Erneut herrschte Stille, diesmal hingegen war sie nicht so gedrückt wie zuvor.

In Mellos Augen konnte man erkennen, dass er gerade heftig am Überlegen war. Währenddessen biss er mehrere Stücke seiner Schokoladentafel ab und kaute diese behäbig in seinem Mundinneren.

„Das ist zwar eine Möglichkeit, aber worauf ich eigentlich hinaus wollte ist... Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist?“

„Nun, dann...“, nuschelte Matt schon beinahe, „Werden wir das schon noch früh genug herausfinden“

Daraufhin erhob er sich von dem Drehsessel, auf dem er zuvor saß und begab sich zu Mello auf das Bett. „Bevor du noch etwas sagst...“, fügte er ruhig hinzu, da er Mellos momentane Gedankenwelt an seinen Augen ablesen konnte. „Ich möchte nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist und es ist mir auch nicht egal. Ich will damit nur sagen, dass wir nichts dagegen unternehmen könnten. Wir wissen doch nicht einmal eine Nummer, geschweige denn eine Adresse von L. Das einzige, worauf du jetzt bauen kannst ist, dass er sich doch noch einloggt. Außerdem ist er erst seit einer Woche dort. Wer weiß denn, wie beschäftigt er momentan ist? Wenn L ihn schon wegen eines Falls zu sich holt?“

Der Blonde starrte ihn für einige Zeit an, seufzte dann jedoch zustimmend und ließ seine komplette Anspannung fallen, machte zuvor aber noch etwas Platz für den Anderen.

Dieser legte sich somit neben ihn und wandte seinen Blick gegen die Decke, genau wie Mello.

„Du bist heute ziemlich gesprächig, richtig ungewöhnlich. Wie kommt dieser plötzliche Sinneswandel? Perfekter Score?“, meinte der Hellhaarige belustigt und drehte seinen Kopf in Matts Richtung.

„Nein, das ist einzig und alleine dir zuzuschreiben, oder hast du deinen vorherigen Ausbruch etwa schon vergessen?“

Für eine kurze Dauer schwiegen beide bekennend vor sich hin und schienen vollkommen geistlos nebeneinander zu liegen, ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

„Und wenn du schon so danach fragst... Ja, ich hatte einen perfekten Score“, murmelte der Rothaarige fast unhörbar.

Das führte dazu, dass sich ein fragiles Lächeln auf Mellos Lippen bildete und er anschließend nach Matts Hand fasste. „Was auch sonst?“

Aufstieg zum alten Ich

„Oui“, hauchte der Schwarzhaarige auf Nears Lippen und zog sich allmählich zurück.
 

... Oui. Oui? .... Oui.
 

„Sagen Sie... Können Sie denn französisch?“ „Oui.“

Richtig. Das eine war die Frage... und das andere die Antwort.

Diese kleine ‚Showeinlage’ war also bloß da um ‚Spannung’ zu erzeugen.

Einleuchtend. L wollte wohl bloß mitspielen oder zumindest sein humoristisches Theaterstück zu Ende bringen.
 

Dieser kleine Absatz war wortwörtlich als Nears Gedanken zu nehmen, er war nur zu fassungslos um seine Gefühle als Sätze zu formulieren, weswegen sich hier der Autor dazu bereiterklärte, es zumindest zu versuchen.
 

Der Junge fühlte plötzlich eine unsagbare innere Leere und ein stechendes Gefühl, das aber eindeutig als Scham zu definieren war. In dem Moment, in dem sein Gegenüber sich langsam von ihm entfernte, kam es im so vor, als ob sich ein Abschnitt seines Lebens im Schnelldurchlauf in seinem Kopf abspielte.

Die Bilder waren verschwommen und hatten keinen ersichtlichen Zusammenhang, klar war nur, dass das ganze sich im Waisenhaus abspielte.

- Diese Peinlichkeit. Diese Blöße.

In seinem Magen füllte sich sukzessiv eine verkalkte Flüssigkeit, die, je mehr er versuchte dagegen anzukämpfen, immer mehr und mehr stieg.
 

„Entschuldigen Sie mich für einen Augenblick“, gab Near selbst für seine Verhältnisse versteift von sich, stand aber nichtsdestotrotz galant von seinem Stuhl auf, um wenigstens ein bisschen seiner Würde zu bewahren.

„Natürlich“, antwortete L und schien dabei nicht wenig amüsiert, was man von Near nicht unbedingt sagen konnte.

Er schlenderte den Krankenhausflur entlang und flüchtete beinahe in einen der beiden Toilettenräume, was ihm äußerlich selbstverständlich nicht anzusehen war.

Umgeben von dieser kalten und einsamen Atmosphäre, fiel ihm eine enorme Last von den Schultern, was seine Aufruhr jedoch kaum linderte.

Er begab sich träge zu einem der Waschbecken und drehte nahezu apathisch den Wasserhahn auf, worunter er daraufhin seine Hände hielt.

»Ich muss wieder einen klaren Kopf bewahren. Selbst wenn ich etwas für ihn empfinde, ich muss meine Gefühle im Zaum halten.«

Zwar waren das bloß Gedanken, doch hätte er sie laut ausgesprochen, dann würde man darin keinerlei Emotionen erkennen können.

Das war nämlich bereits eine kleine Einführung in sein gewöhnliches Gemüt, welches er sich um jeden Preis wieder aneignen wollte.

Dabei wusch er sich recht angespannt mit eiskaltem Wasser und schüttete dieses beinahe ruckartig in sein Gesicht. Nachfolgend schauderte es ihn ein wenig, was er aber nicht negativ aufnahm.

»Vielleicht hilft mir das ein bisschen.«

Er war nahezu empört über sich selbst, dass man sein Verhalten seiner Meinung nach schon beinahe mit dem Mellos vergleichen konnte.

»Ich mag zwar für einige Zeit etwas gesunken sein... Aber diesen Ausrutscher... Kann ich ausbügeln. – Nein, ich muss ihn ausbügeln.«

Near schloss seine Augen und ließ einzig und alleine seinen Gehörsinn die Führung übernehmen. Bemerkenswert wie intensiv man die Geräuschkulisse eines leeren Raumes wahrnehmen konnte, wenn man sich nur genug konzentrierte.

Natürlich war nicht außer Acht zu lassen, dass das unaufhörliche Plätschern des Wassers die wichtigste Rolle in diesem Spektakel spielte.

Für den Jungen war es eine entspannende Atmosphäre, die ihn deutlich zur Ruhe kommen ließ.

»Ich denke... ich bin so weit.«

Als er diesen Gedanken fasste war ihm fast so, als ob er eine wichtige Prüfung bestanden hätte.

Zwar stand er nie vor so einer, beziehungsweise fühlte er sich ständig sicher und wusste, dass er sie sowieso mit Bravour bestehen würde, doch wäre er ein Durchschnittsschüler gewesen so hätte er sein momentanes Befinden mit einer solchen Situation verglichen.

Nachdem er den Augenblick ausreichend genoss, drehte er besinnlich den Wasserhahn ab und trocknete sich mit Papiertüchern Gesicht und Hände.

»Dieser Mann... will mich bloßstellen.«

Daraufhin öffnete er die Türe und verließ mit unterdrückter Aggression den Raum.

Sein Gesichtsausdruck vermittelte Arroganz und Selbstbewusstsein, eine Mimik, die er schon seit einiger Zeit vermisste. Nun gut, der Blick war die ganze Zeit über derselbe gewesen, doch das Empfinden wenn L bei ihm war machte ihm immer wieder zu schaffen.
 

Als Near den Flur entlang stolzierte kam ihm gerade Namie mit der Schwester von zuvor entgegen.

»Was für ein Timing«, dachte er sich ironisch und platzierte sich wieder neben L, schenkte ihm allerdings kaum Beachtung.

Schließlich war er momentan bloß wegen dem Mädchen hier, da ihre Worte ihm vielleicht etwas mehr Einsicht in den momentanen Fall gewähren könnte. Zudem hatte er das merkwürdige Gefühl, dass L bereits eine Vorahnung von seiner Zuneigung hatte und das ausnutze um ihn besser analysieren zu können. Sprich, Near dachte zu wissen, dass er auf seine Kosten vorankommen wollte und das zu erlauben wäre für ihn ein Unding.

„Geht es dir gut?“, fragte L mit einer Unschuld in der Stimme, die Near schon beinahe Ekel heraufwürgen ließ. „Mir ging es noch nie besser“, konterte er scharf, verlor dabei allerdings nicht seine Gelassenheit. – „Freut mich zu hören.“

»Freut mich zu hören.« imitierte der Junge ihn gedanklich, versuchte sich aber von seinen persönlichen Gefühlen nicht ablenken zu lassen um vollkommen bei der Sache sein zu können.

Dafür hätte er sowieso keine Zeit gehabt, da Namie sich wieder auf ihren vorherigen Platz setzte, wobei sie nicht wenig eingeschüchtert wirkte.

Abschied vom Krankenhaus

„Gut, dass du so schnell wieder zurück bist.“, meinte L in irrer Apathie.

»Wenn man etwas von Kindern will, dann sollte man das anders anfangen.«

Zu diesem Zeitpunkt kritisierte Near zum ersten Mal Ls Verhalten wenn es um Fälle ging.

Er meinte zu wissen, dass er hier durchaus bessere Chancen hätte brauchbare Informationen aus dem Mädchen zu locken, besonders wenn man in Betracht zog, dass sie scheinbar für ihn schwärmte und noch dazu ein gewisses Angstverhalten L gegenüber aufwies.

Er fasste seine Gefühle gerade nicht in Worte und hatte das auch nicht vor, doch hätte er es getan, dann würde einer der Sätze „Ich bin ja so viel besser als du.“ lauten.

„Also! –“, warf der Junge harsch ein und übernahm somit die Position des Vernehmenden, welche L eigentlich beibehalten wollte. „Namie...“, fuhr Near schließlich mit einer sehr ruhigen aber dennoch ernsten Stimme fort. Er hatte nicht vor, die Kleine unter Druck zu setzen, trotzdem hielt er es für wichtig ihr weiß zu machen, dass es sich hier nicht um ein Spiel handelte.

„Dieser Mann mit den blauen Haaren... Du hast mir doch erzählt, dass er dir den Weg zu deinen Freunden gezeigt hat. Was genau hat er da zu dir gesagt? Hat er irgendetwas Außergewöhnliches gemacht? Versuch dich bitte zu erinnern.“

»Erstaunlich was Nervosität ausmachen kann«

Mit diesem Gedanken spielte Near darauf an, als er vor zirka einer Stunde mit Namie sprach und sich sehr schwer damit tat, Japanisch zu sprechen oder zu verstehen, was offenbar seinem Schock zu verdanken war.

Wenn er länger darüber nachdachte erschien ihm das plausibel, schließlich könnte er ohne angeben zu wollen eindeutig von sich behaupten, dass er die Sprache bereits hervorragend beherrschte.

„Also, er... Er hat Angst gehabt, glaube ich. Und er war traurig... Ich war gerade auf dem Klo, darum bin ich nicht bei den anderen gewesen. Und wie ich dann raus gegangen bin, habe ich ihn halt gesehen, da hat er dann seine zweiten Haare genommen. Die gefallen mir besser als die ersten. Von den anderen weiß ich nicht einmal mehr wie sie ausgesehen haben, so wenig habe ich sie gerne gehabt.“

„Seine zweiten Haare?“, warfen L und Near so ziemlich gleichzeitig ein. Beide schienen gleich überrascht über diese Aussage zu sein, selbst wenn ihre Emotionsregungen kaum darüber Auskunft gaben.

„Ja, blau ist meine Lieblingsfarbe“, meinte das Mädchen darauf.

„Eine Perücke?“ Während Near seine Frage stellte wandte er sich ungewöhnlich rasch dem Schwarzhaarigen zu. Dieser bewegte sich nicht und starrte nach vorne. Es wirkte beinahe so, als ob er in Namie einen Monitor sehen würde den es kontinuierlich zu beobachten galt. – „Sieht so aus.“

„Namie“, sagte der Junge schließlich, „Hat er sich seine ’zweiten Haare’ denn aufgesetzt? Wie einen Hut?“

Die Kleine nickte nur, da sie mit ihrer Aussage fortfahren wollte, die zuvor von den beiden unterbrochen wurde.

„Wie ich ihn dann gefragt habe, wo die Tante ist, hat er sich erschreckt und geweint. Er hat sich die Tränen schnell weggewischt, aber ich habe sie gesehen. Dann hat er mich nach draußen geführt und hat gesagt, dass meine Mama und mein Papa Glück mit mir haben. Aber wie ich fragen wollte war er schon weg.“

»Diese Ausdrucksweise... wenn selbst ich die Fehler bemerke...«

Innerlich mit den Augen rollend fiel Near auf, dass er die Sache mit dem ‚Glück’ schon einmal aus Namies Mund hörte. Doch gerade als er eine Frage ansetzen wollte, unterbrach L ihn noch bevor er angefangen hatte.

„Weißt du noch etwas? Etwas Genaueres? Wie groß war er in etwa?“

Dabei bohrten Ls Augen förmlich ein Loch in Namies Kopf.

„Lassen Sie mich das machen! Bei Erwachsenen mögen diese Methoden vielleicht etwas erreichen, aber Kinder schreckt das bloß ab!“, herrschte Near den Mann zu seiner Linken an.

Endlich war es raus. Dass er jemals “Ich kann besser mit Kindern umgehen als du!“ sagen könnte, hätte er nie gedacht. »Irren ist menschlich.«

„Okay.“, antwortete L recht verdutzt. Er fühlte sich schon fast wie ein kleines Kind, das etwas Verbotenes tat. Nein, eigentlich nicht. Viel eher wirkte Near wie ein Elternteil oder ein Lehrer, der einem gerade die Leviten las.

„Lass dich nicht einschüchtern, wir brauchen dich jetzt.“

Nears Stimme wirkte bei dieser Aussage ziemlich sanft und mitfühlend, was äußerst untypisch für ihn war. Zugegeben, er wollte bloß demonstrieren, dass er hierfür geeigneter war als L.

Das Mädchen schluckte kurz, versuchte sich aber zu fassen.

„Er ist nicht groß gewesen. Wie ich am Klo fertig war habe ich zuerst geglaubt, dass er die Tante ist. Sonst wäre ich nie zu ihm hingegangen. Mein Papa sagt immer, dass ich Fremden nicht vertrauen darf.“

„War seine Stimme auffällig?“, warf L plötzlich von der Seite ein.

In diesem Moment zog sich ein dominantes Stechen durch Nears gesamten Körper.

»Könnte es sein, dass...?«

„Uhm... Ich.. Also er.. Sie war so wie... Deine!“

Namie zeigte daraufhin ausgesprochen dynamisch auf Near und schien sich ihrer Sache sicher zu sein.

»...«

„Danke, Namie, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Du darfst jetzt wieder spielen gehen“, so L.

„...Uhm...“, gab die Kleine recht verunsichert von sich.

Near betrachtete sie und wusste ganz genau, worauf sie hinaus wollte. „Soll ich mit dir spielen?“

Schließlich war ihm bewusst, dass das wohl das letzte Mal war, dass er sie sehen würde.

Die weiche Seite

Während Near sich mit der kleinen Namie beschäftigte, machten Watari und L sich an die Arbeit, Nears Sachen in die Limousine zu bringen. Außerdem unterhielt der Schwarzhaarige sich zusätzlich noch mit Ärzten und Schwestern um einerseits Papierkram zu erledigen und um sich andererseits zu erkundigen, inwiefern der Junge sich noch genesen musste und was er meiden sollte.
 

Achtundzwanzig Minuten nachdem Near sich hinsetze um mit dem Mädchen zu spielen, wurde sie erneut von einer Schwester geholt, allerdings bloß zur Blutabnahme.

Diesen Zeitpunkt nutzte der weißhaarige Junge aus um sich von ihr, und somit dem gesamten Krankenhaus, zu verabschieden.

Namie lächelte die ganze Zeit über als sie mit Near zusammen war, doch nachdem er sich dann von ihr abwandte und in Richtung L ging konnte sie endlich weinen. Weinen, weil sie genau so gut wie er wusste, dass sie sich wohl nicht mehr sehen würden. Natürlich existierten in ihr die Träume und Wünsche eines kleinen Mädchens, in denen sie ihm bald wieder über dem Weg laufen würde, doch dieses Mal breitete sich die kalte Realität viel schneller aus als ihre geringen Hoffnungen, die weder Hand noch Fuß hatten und förmlich in Luft aufzugehen schienen.
 

„Hast du dich von ihr verabschiedetet?“, fragte L den Jungen als dieser sich ihm näherte.

- „Sozusagen; - Haben Sie hier noch etwas zu erledigen?“

„Nein, ich habe bloß auf dich gewartet.“

- „Entschuldigen Sie, dass ich mir so lange Zeit gelassen habe.“

„Schon in Ordnung“

Daraufhin stellte L sich etwas schräg hinter Near und platzierte seine Handfläche auf seinem Rücken.

Der Jüngere zuckte zwar anfangs ein wenig, rief sich aber in sein Gedächtnis zurück, dass das eigentlich eine sehr oberflächliche Berührung war, der man normalerweise kaum Beachtung schenkte.

Er versuchte sich rational der Wirklichkeit zu stellen, was ihm zu Beginn wohl noch für einige Zeit recht schwer fallen sollte. Denn schließlich war er immer noch in L verliebt, selbst wenn er momentan ziemlich schlecht von ihn dachte.

Near schwieg einfach vor sich hin als sie auf dem Weg nach draußen waren, so würde er, was immer auch geschehen sollte, auf der sicheren Seite sein.

„Erinnerst du dich daran, als ich mit dir in die Konditorei gegangen bin?“

- Nun, es sei denn, man spräche ihn an.

„Natürlich.“

Dabei richtete Near seinen Blick nach oben um L ins Gesicht sehen zu können.

Im ersten Augenblick erschrak er, da dieser ihn bereits förmlich anstarrte.

»Wollen Sie mich psychisch fertig machen?« - Am liebsten hätte er ihn das gefragt, hielt sich aber vorbildlich zurück.

„Gut, denn... Ich weiß, dass es nicht richtig war dich, gleich am nächsten Tag wieder nach draußen zu zerren, deswegen habe ich mir überlegt, wie ich das wieder gut machen könnte.“

Der Junge weitete seine Augen ein wenig.

»Achja... Genau. Er meinte, dass er etwas wieder gutzumachen hätte....«

Near musste sich innerlich selbst loben. Seine Theorie, dass L das von alleine auflösen würde und er sich somit keinen Kopf darüber machen müsste, ging tatsächlich auf.

„Oh, ich erinnere mich daran, dass Sie so etwas ähnliches erwähnten“, gab der Junge ruhig von sich und konnte sich dabei ein selbstgefälliges Lächeln kaum verkneifen, womit er aber deutlich kämpfte.

Kurz darauf nahm L schlussendlich seine Hand von Nears Rücken, welche eine sehr ausgeprägte Wärmequelle war, was dem Jungen allerdings erst dann auffiel, als sie weg war.

„Achja? Nun, wie auch immer. Ich weiß, dass du sehr gerne spielst und... nunja... da du deutlich weniger Stofftiere als anderes Spielzeug besitzt, dachte ich mir...“

„Dass Sie mir ein Stofftier schenken?“, fragte Near mit wiedererlangter kalter Miene.

„Ich, nein, denke nicht, dass ich damit eine Entschuldigung erkaufen möchte.“

Daraufhin blieb Near abrupt stehen und starrte L mit einem dezenten Lächeln an. Diesmal jedoch versuchte er nicht, sein Gesicht neutral wirken zu lassen.

„Zeigen Sie mir gerade Ihre weiche Seite?“

„Vielleicht etwas... Denke ich.“

Nach diesem Satz kehrte eine angenehme Stille ein, die sich keiner von den zweien wirklich erklären konnte. Scheinbar war es aber bloß die Tatsache, dass Ls Aussage so ehrlich wirkte, dass beide es schlichtweg für richtig und angenehm empfanden.
 

Für einige Sekunden standen sie einfach nur stumm da, sahen sich dabei aber nicht an.

„Vielleicht sollten wir weitergehen, Watari wartet bereits auf uns“, warf L schließlich ein.

„Sie haben vermutlich Recht.“

Erneut legte L geistlos seine Hand auf Nears Rücken, wogegen der Junge eindeutig nichts einzuwenden hatte.
 

Außerhalb der Krankenhausmauern stand Watari vor der Limousine und hielt vornehm eine der hinteren Wagentüren auf.

„Danke Watari, dass du hier gewartet hast.“

„Aber, das ist doch nicht der Rede wert“, antwortete der ältere Herr höflich.

Anschließend betraten die beiden anderen das Gefährt und setzten sich hin, woraufhin Watari die Türe wieder schloss.

Innerhalb des Wagens konnte Near es kaum erwarten herauszufinden, welche Art Stofftier L für ihn besorgt hatte.

Doch noch vielmehr als das beschäftigte ihn die neu aufgekommene Frage, ob nicht nur er, sondern auch L eine Art Zuneigung für ihn empfand, auch wenn seine Hoffnungen noch viel geringer waren, als die der kleinen Namie.

Weiß in weiß

Die Fahrt zurück zum Hauptquartier und somit zu Ls Wohnung verging für Near schneller als erwartet. Er dachte zu wissen, dass es an seiner Vorfreude seinem Geschenk gegenüber lag, selbst wenn es einem dann gewöhnlich länger vorkommt.

Aber was wäre es denn sonst gewesen?
 

Nach der Ankunft verlief wieder alles recht schnell. Sie stiegen aus, Watari und L nahmen Nears Sachen und schließlich befanden sich alle drei wieder im Appartement. Im Wohnzimmer angekommen ließ Near seinen Blick etwas schweifen, mit dem Ziel eine Uhr zu entdecken. Es dauerte nicht lange, da erspähte er eine im Jugendstil gehaltene Standuhr neben einem mit Büchern voll gestopftem Regal.

»15:36 Uhr... Schon so spät?«

Der Junge drehte sich skeptisch zu L, versuchte sich seine Verwirrung jedoch nicht anmerken zu lassen und wandte sich deswegen bald wieder ab.

Er fragte sich, weswegen L ihm zuvor im Krankenhaus so viel Zeit ließ, obwohl sie doch mitten in einem Fall steckten. Bald aber kam ihm die Einsicht, dass der aktuelle Tag ein Sonntag war und selbst L an solchen anscheinend nicht arbeitete, auch wenn Near das nicht erwartete.

Er dachte immer, dass sein Vorbild immerwährend damit beschäftigt war, Fälle zu lösen.

Die Tatsache, dass er es diesmal nicht tat erklärte er sich bloß so, dass es für die momentane Investigation unnötig war, da der Täter bloß werktags zuschlug und die neuesten Informationen wohl bereits durchdacht waren, weswegen es im Augenblick nichts zu unternehmen gab.

„Du stehst so verloren im Raum herum“, merkte L überraschend dicht hinter Near stehend an.

Von Schock übermannt, da er in diesem Moment nicht im Geringsten damit rechnete, machte der Junge einen gewaltigen Schritt nach vorne, sodass es beinahe so wirkte, als ob er stolperte.

„Hören Sie auf damit, mich ständig zu erschrecken!“, meinte Near recht atemlos während er sich zu dem Älteren umdrehte.

„Ständig?“

- Natürlich, was auch sonst?

Nun wollte L sich also die Bestätigung dafür holen, dass er das, was er erreichen wollte, auch erreicht hatte. Diesen Erfolg wollte Near ihm allerdings nicht gönnen, beziehungsweise hatte er nicht vor, ihn in seinem Triumph zu unterstützen, deswegen tat er so, als hörte er ihn nicht.

Ihm war klar, dass das mehr als unglaubwürdig war, da L in normaler Lautstärke sprach und es in diesem Raum dermaßen leise war, dass man höchst wahrscheinlich eine zu Boden fallende Nadel hören würde. Einzig und allein das Ticken der Uhr brachte etwas Unruhe in die Stille hinein, welche dadurch jedoch so minimal gestört wurde, dass es schon lächerlich war, es auch nur gedanklich in Betracht zu ziehen.

Doch selbst nach all diesen Fakten blieb der Junge stur.

Um die ganze Sache abzurunden entfernte er sich allmählich von L, was ihn langsam aber sicher vor seine Zimmertüre führte.

»Ob da drinnen mein Geschenk ist?«

Welch’ ein Glück Near doch hatte, dass ihm dieses Schlupfloch, das zuvor angekündigte Präsent, offen stand, wodurch er sich mit einem sogar mehr als akzeptablen Grund von L abwenden konnte.

Eigentlich war er immer schon höflich, wenn auch sehr kühl und antipathisch, gewesen. Aber diesmal kam es ihm nicht einmal in den Sinn zu fragen, ob er den Raum betreten dürfe. Hätte er nicht voller Erwartung und Übereifer seinem Stofftier entgegen gefiebert, so wäre ihm ein solcher Fehltritt nie passiert. Doch wie Kinder nun mal sind, und er war eindeutig eines wenn es um Spielsachen ging, vergaß er alles um sich herum.

Wollen wir aber nicht weiter in Persönlichkeitstheorien abdriften und nähern uns endlich dem wahren Zielobjekt dieses Augenblickes, dem überdimensional großen Hasenstofftier, welches geradezu aufdringlich in der Mitte des Raumes auf den Jungen wartete.

»Ein... riesiger... Hase.«

Etwas fassungslos darüber, dass Ls Wiedergutmachung so gigantisch war, betrat Near recht zögerlich das Zimmer. Die Tatsache, dass das Tier mit jedem weiteren Schritt immer größer und größer zu werden schien machte die Sache nicht einfacher für ihn.

Mit einer Sprachlosigkeit, die ihm praktisch ins Gesicht geschrieben war, kniete er sich lethargisch vor diesem stattlichen Berg aus Plüsch.

Dabei musste er perplex feststellen, dass er theoretisch seinen gesamten Körper damit bedecken könnte, es wahlweise für ihn aber auch als Matratze verwendbar wäre.

»Wie soll ich das denn transportieren?!«

Es vergingen einige Sekunden, bis sein Entsetzen sich wieder etwas legte.

Gleich darauf bewegte er beide Hände nach vorne, um das Riesenkanickel zu berühren.

Der weiche, flauschige Stoff des Bezugs verursachte ein äußerst angenehmes Kribbeln auf seiner Haut, wodurch er sich, müsste er es beschreiben, wie ein behüteter Embryo im Mutterleib fühlte – allerdings bloß auf den Handflächen.

Deswegen krallte er sich schon nahezu in das Tier hinein, um es somit zu sich ziehen zu können, was Aufgrund dessen fulminanten Gewichtes viel schwieriger zu meistern war als geplant.

Dennoch wäre die Aussage, dass Near dafür zu schwach war eindeutig übertrieben gewesen. Also dauerte es nicht lange, dass der weißhaarige Junge, mit seinem gleichfalls weißen Pyjama, den perfekter Weise ebenso weißen Hasen, weitgehend umarmte.

„Süß“, hörte man L, zugegeben recht unerwartet, vom Türrahmen aus sagen.

Zwar konnte man kaum Emotionen in seiner Tonlage erkennen, was aber nichts Neues für Near war und daher von ihm unbeachtet blieb. Es war vielmehr dieses kleine Wort, welches ihn erschaudern ließ.

»Süß, ich?«

Nate

Near ließ verblüffend gefasst den Hasen los und richtet seinen Blick auf L, wofür er sich jedoch umdrehen musste.

„Was soll daran denn süß sein?“, fragte er mit einer gewissen Skepsis in der Stimme.

Verständlich wenn man bedachte, dass er den Ruf hatte genau das Gegenteil davon zu sein.

„Das Gesamtbild.“

- „Und das wäre?“

„Ein Junge, der viel älter ist als er aussieht umarmt einen Plüschhasen, der größer ist als er selbst und das auch noch mit einem Pyjama bekleidet.“

Nach dieser Äußerung wusste Near nicht so recht, was er darauf sagen sollte.

Die vorherrschende Definition für Ls Worte wäre zwar für einige Leute in der Tat ‚süß’ gewesen, aber... hier ging es doch gerade um ihn, nicht wahr? Und immerhin war er alles andere als süß, zumindest war er davon ziemlich überzeugt.

„Oh, ich vergaß...“, meinte er schließlich, um einerseits das Thema zu wechseln und um andererseits die Stille zu brechen.

„Ich weiß nicht, wie ich mich hierfür bedanken kann... Es ist wundervoll.“

Darauf folgend erhob er sich und ging langsam auf L zu, um ihm dabei direkt ins Gesicht sehen zu können. Eine Geste, die er nicht vielen erbracht hätte.

- Bewegung? Was war das noch gleich?

Wie auch immer.

Als Near L gegenüberstand, bemerkte er erneut, wie klein er doch im Gegensatz zu seinem Idol war.

„Du musst dich nicht bedanken, schlussendlich war es doch bloß eine Wiedergutmachung.“

Dabei hob der Schwarzhaarige seinen Arm und legte seine Hand auf die Wange des Jungen, welche er mit seinem Daumen dezent streichelte. „Aber ich bin froh, dass es dir gefällt, Near.“

Danach ließ er von ihm ab und kehrte ins Wohnzimmer zurück.

Near hingegen stand wie angewurzelt an Ort und Stelle und fasste sich zaudernd an die Stelle, die vor wenigen Sekunden noch von L berührt wurde.

Seine Mimik hierbei war recht schwierig zu beschreiben, weil er gleichzeitig erschrocken, versteift und schmachtend aussah. Erschrocken, da er zweifelsfrei nicht mit Hautkontakt rechnete; versteift, weil er jegliche Zurschaustellung von Emotionen unterdrücken wollte und ‚schmachtend’ bedurfte wohl keiner weitern Erläuterung.

„Warten Sie - !“, rief er ihm schließlich doch mehr oder minder gefasst hinterher.

Daraufhin hielt der Ältere Inne und blickte über seine Schulter zu Near.

Seine gesamte Ausstrahlung machte deutlich, dass er bloß darauf wartete, was der Junge ihm zu sagen hatte.

„Ich wollte Ihnen bloß sagen, dass... – Nennen Sie mich Nate.“

Von der Peinlichkeit überschüttet, dass er sein klares Verbot L gegenüber gerade wieder zurückzog, wurde er dazu angetrieben nervös mit seinen Fingern zu spielen.

Besonders die Tatsache, dass der Schwarzhaarige keine Reaktion darauf zeigte, ließ ihn bereuen, dass er soeben seine Stimme erhob.

Sechs Sekunden verharrte Near in dieser mehr als unangenehmen Situation, bis L sich schließlich komplett zu ihm drehte und scheinbar endlich etwas dazu zu sagen hatte.

„Ich habe mich schon gefragt, wann du diese Vorschrift wieder aufheben würdest“, gab ihm der Ältere als Antwort. Natürlich war sein Gesichtsausdruck hierbei nebensächlich, er war wie gewohnt, - desinteressiert und unerschüttert.

„Wie bitte? Sie haben damit gerechnet?“, fragte Near ziemlich verblüfft, vollkommen ohne Schauspielerei oder sonstiger Unehrlichkeit, da er wirklich außerordentlich überrascht über Ls Vorausschauung war. Unglücklicherweise aber ließ ihn das an die vermeintliche ‚Französischstunde’ von zuvor zurückdenken, welche somit als durchaus beabsichtigt bewiesen wurde. »Er macht nichts ohne Grund.«
 

„Nicht ganz, ich habe es bloß in Betracht gezogen – Und bevor wir diese Unterhaltung weiterführen - Setz’ dich doch“, forderte L ihn auf, während auch er auf einen Sessel zuging, auf welchem er übrigens bevorzugt Platz nahm. Near nickte bekennend und tat es ihm gleich, wobei er sich allerdings das Sofa als Sitzgelegenheit aussuchte.

„Mir fällt ein, dass ich Sie noch etwas fragen wollte“ verlautete der Junge wenige Augenblicke nachdem er sich setzte. „Der Code des Handys, mit dem ich Sie erreichen konnte bestand aus Mellos und meinen Geburtsdaten... Aber da war noch ein drittes Datum, der einunddreißigste Oktober, Halloween. Was hat es hiermit auf sich?“

Zeitgleich, als Near mit seiner Frage ansetzte, begann L zu schmunzeln, da er scheinbar schon erahnen konnte, was diese eine Sache war, die dem Jungen noch ungereimt vorkam.

„Es war klar, dass du es mit diesem irrtümlichen Feiertag in Verbindung bringen würdest, aber eigentlich habe ich damit mein Geburtsdatum gemeint.“
 

Drei mögliche Rückmeldungen,
 

a) Haben Sie denn etwas gegen Halloween?

b) Sie haben zu Halloween Geburtstag?

c) Welcher normale Mensch hätte es denn nicht mit Halloween assoziiert?!
 

Doch Aufgrund seines inneren Impulses, ständig ernst genommen und geachtet werden zu wollen, breitete sich besonders die dritte Variante in seinem Bewusstsein aus.

„Sie tun beinahe so, als wäre es schwachsinnig in diesem Datum Halloween wieder zu erkennen“, zische er also von der Seite mit einem etwas schnippischen Unterton, womit er sein Missfallen unterstreichen wollte.

„Entschuldige, ich sollte mehr auf meine Wortwahl achten. Es ist bloß, dass bisher jeder so wie du gedacht hat, deswegen habe ich es ein wenig lustig gefunden.“

Während seiner Erklärung platzierte L seine rechte Hand auf seinem Hinterkopf und wirkte ein bisschen verdutzt über die Tatsache, dass Near so aufgebracht reagierte.

„Schon in Ordnung“, meinte der Junge darauf und nahm sich eine Praline von dem silbernen Tablett, das sich mitten am Tisch befand.

Es war inzwischen Routine für ihn geworden, ohne nachzufragen kleinere Süßigkeiten von L zu entnehmen, da dieser ihn mit solchen geradezu überhäufte, als er im Krankenhaus stationiert war.

»Seine Schale löst sich immer mehr«, dachte er sich offenkundig lächelnd und starrte L dabei ungeniert ins Gesicht.

Am nächsten Morgen

An dem Tag verbrachten Near und L sehr viel Zeit miteinander, was für beide ein ziemlicher Tanz mit dem Feuer war. Schließlich waren sie immer noch sehr bedacht darauf, sich dem anderen nicht zu offenbaren.

Es dauerte aber nicht lange, dass sie ihre Theorien entwickelten, wann ihr Gegenüber sich zu verraten drohte. Bei L war es so, dass er teilweise um Dinge herumredete und sich unterschwellig für etwas erklärte, was er scheinbar eigentlich gar nicht sagen wollte. Near hingegen neigte dazu, mitten im Satz aufzuhören, zumindest milderte er zeitweise seinen Redefluss deutlich, um nachzudenken, ob das was er äußern wollte auch nicht zu riskant war.

- Natürlich waren das, wie zuvor erwähnt, alles bloß Vermutungen von denen beide nicht wussten, ob sie auch stimmten, weil viele analytischen Fähigkeiten dazugehörten, um den jeweils anderen lesen zu können. Denn beide waren unglaublich talentiert darin sich, in welcher Hinsicht auch immer, nichts anmerken zu lassen.

Besonders Near wurde vorsichtiger, da er nun wusste, dass L nicht davor zurück schreckte, unfaire Mittel zu benutzen um an sein Ziel zu kommen.

Nichtsdestotrotz genoss er die Zeit mit dem Schwarzhaarigen, wo er sich doch so sehr nach seiner Gegenwart und Aufmerksamkeit sehnte. Die eineinhalb Stunden am Tag, die er mit ihm im Krankenhaus verbrachte, waren mehr als ernüchternd. Jedes Mal, als er sich wieder von ihm verabschiedete, kam es dem Jungen so vor, als wäre er erst seit ein paar Minuten mit ihm beisammen gewesen.

Deswegen entschied er sich dazu, entgegen jeder Vernunft, erst nach Mitternacht zu Bett zu gehen und hätte er L nicht verheimlichen wollen, dass er es bloß wegen ihm täte, so wäre er wahrscheinlich noch länger wach geblieben.

Doch da nächtelange Eskapaden nun wirklich nicht seinem Charakter entsprachen, hielt er es für klüger, auf den richtigen Moment zu warten in welchem er sich allmählich zurückzog. Hierfür schöpfte er sein gesamtes Potenzial an Willenskraft aus, was ihm äußerst schwer fiel. Aber wie hieß es so schön? Man sollte aufhören, wann es am Schönsten ist und dem fügte er sich auch.
 

Als er sich dann aber gemeinsam mit seinem Plüschhasen ins Bett legte, konnte er kein Auge zumachen. Er war einfach zu sehr mit seiner neu aufgekommenen Frage beschäftigt. Damit, ob L etwas für ihn übrig hatte.

Dabei ging es noch keines Wegs um Liebe, wie es bei ihm bereits der Fall war, sondern einfach nur um bloße Sympathie. Mehr wünschte er sich auch gar nicht, zumindest noch nicht.

Und selbst wenn er wohl zu den rationalsten und realistischsten Persönlichkeiten gehörte, so konnte er sich nicht mit dem Gedanken zufrieden geben, dass es zur Zeit keinen Sinn hatte darüber nachzugrübeln.

Demnach blieb ihm nichts anderes übrig, als darauf zu warten, müde zu werden und endlich einschlafen zu können.
 

Als er am nächsten Morgen von Geräuschen außerhalb seines Zimmers aufgeweckt wurde, fühlten sich seine Augen furchtbar schwer an. Zu Beginn war es ihm nicht einmal möglich sie zu öffnen.

Da wusste er dann, dass sich sein Körper für seine Nachlässigkeit an ihm rächte, was er ihm auch nicht Übel nahm, da er schließlich der Verantwortliche hierfür war. Es ärgerte ihn bloß ein wenig, dass es gerade an dem Tag sein musste, an dem er L zum ersten Mal wirklich bei den Ermittlungen beistehen würde.

Aber wie gesagt, egal wie sehr man es drehte und wendete, er hatte es sich selbst zuzuschreiben, weswegen er seinen innerlichen Frust hinunterschluckte und sich auflehnte.

Dabei schob er seinen Hasen etwas von sich und verließ auf wackeligen Beinen das Bett.

Danach schlenderte er zur Türe und öffnete diese mit mehr oder weniger starkem Kraftaufwand.

„Du bist schon wach?“, hörte er L sofort nachdem er den nächsten Raum betrat fragen.

Das kam jedoch so unterwartet und abrupt, dass Near erstmal eine kurze Pause machen musste um zu realisieren, was dieser Satz überhaupt beinhaltete.

„Ich... wurde von einem Klirren geweckt...“, stotterte er etwas betroffen, ließ sich aber kaum etwas anmerken.

„Oh... Entschuldige bitte, mir ist ein Tablett hinuntergefallen.“

Die Erklärung hätte L sich allerdings gutem Gewissens sparen können, da Near ihr bloß geringe Beachtung schenkte. Hart ausgedrückt, er nahm sie Aufgrund seiner Schlaftrunkenheit gar nicht wahr. Einzig und alleine seine Beine waren bemüht, sich aus diesem Semi-Ruhestand zu befreien, aber nur um eine Sitzgelegenheit aufzusuchen, auf welcher er erneut rasten konnte.

Somit bewegte er sich geradeaus auf das Sofa zu, was sich übrigens bereits zu seinem Platz entwickelt hatte.

„Sagen Sie...“, meinte er ruhig unterdessen er sich hinlegte, „Wann beginnen wir heute mit den Ermittlungen? Sie haben mir gestern keinen genauen Zeitpunkt genannt.“
 

Beide schienen so, als wollten sie miteinander kommunizieren, dennoch sah keiner dem anderen ins Gesicht. L war damit beschäftigt, Zucker in seinen Kaffee zu schütten und Near starrte gebannt gegen die Decke, während er gelassen eine seiner Haarsträhnen eindrehte.

„Wir? Du bleibst heute an Ort und Stelle, dein Körper ist noch nicht ganz auskuriert.“

Für zirka vier Sekunden rührte sich der weißhaarige Junge nicht, ja atmete nicht einmal.

Zu diesem Zeitpunkt war das einzig gängige Geräusch das welches der Silberlöffel machte wenn L damit beim Rühren an der Tasse ankam.

„Wie... bitte?“, fragte Near mit stählerner Besonnenheit, die man jedoch sprichwörtlich als ‚Ruhe vor dem Sturm’ bezeichnen konnte.

Keine halben Sachen

Der Raum, in dem L und Near sich gerade befanden, wurde von einer schon beinahe apokalyptischen Atmosphäre gefüllt.

„Sie meinen, mein Körper wäre noch nicht ganz auskuriert? Wie darf ich das verstehen? Wenn ich mich recht entsinne, wurde ich frei von jeglichen Zweifeln aus dem Krankenhaus entlassen“, merkte Near in gefährlich stiller Apathie an.

Sein Ton war jedoch von so einer inneren Unruhe angetrieben, dass seine Stimmbänder mit einem Druckkochtopf zu vergleichen waren.

Da sich Ls Worte aber immer noch als Missverständnis herausstellen konnten, presste er den Deckel des Topfes gewaltsam nach unten, schließlich war voreiliges Handeln für ihn ein Unding.

Trotzdem richtete er sich äußerst bedrohlich auf und starrte L ins Gesicht, auch wenn ihm selbst nicht bewusst war, wie einschüchternd er anhand seiner Vorahnung momentan wirkte.

„Du entsinnst dich recht“, bestätigte L seinen Gegenüber, wirkte dabei aber nicht wenig nachahmend und zynisch, „Aber bis du deine Medikamente nicht vollständig aufgebraucht hast, kannst du dich auch nicht wirklich als gesund bezeichnen. Ich mache keine halben Sachen.“

»Warum haben Sie mich dann nicht geküsst?«, schoss dem Jungen wie aus dem Nichts in den Kopf, zeitgleich aber katapultierte sich nach Ls Aussage auch sein imaginärer Druckkochtopfdeckel in die äußere Hemisphäre.

„Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Einen Tag nachdem ich mit hohem Fieber ins Krankenhaus eingeliefert wurde, fahren Sie mit mir in eine Konditorei und nun, wo ich kaum noch Zeichen einer Infektion aufweise, meinen Sie, ich könnte mich nicht hinsetzen und nachdenken? Wofür halten Sie mich eigentlich?“ Der Junge machte hiernach eine kurze Pause, was aber bloß daran lag, dass er nach Luft schnappen musste.

„Wenn Sie vorhaben, mich weiterhin in diese Idiotie zu verwickeln, dann bestehe ich darauf, dass Sie mich zurück nach England einfliegen lassen, was mein Gutes Recht ist.

Es liegt folglich an Ihnen, ob ich frühzeitig zurückkehre oder nicht.“

Eigentlich war es ihm ein Anliegen, L aufs wüste zu beschimpfen, ihm vorzuwerfen, er wäre es nicht wert als Vorbild angesehen zu werden. Er hätte ihm auch unter die Nase reiben können, dass L bei dem IQ Test, dem sich jeder im Waisenhaus zu einem bestimmten Alter stellen musste, schlechter abschnitt als er. Doch Near hielt es für unnötig und respektlos, vor allem aber hatte es nichts mit der momentanen Situation zu tun.

Deswegen versuchte er mit allen Mitteln seinen Ärger zu zügeln und wartete geduldig auf Ls Antwort.

„Ich muss schon sagen, dein Japanisch wird immer überzeugender.“
 

....
 

„Sie...“, zischte der Junge mit einer derartigen Anspannung, dass sein gesamter Körper zu zittern begann. Teilweise fühlte es sich sogar schon fast so an, als ob ihm Adern platzten und Sehnen rissen.

„Warte, warte!“

Als L mit diesen Worten die Situation vor der Entgleisung retten wollte, ließ er sogar von seinem Kaffee ab um mit seinen Händen gestikulieren zu können.

Er fuchtelte mit ihnen vor seinem Gesicht herum und schien dabei sogar ein wenig überrascht, ja schon beinahe konfus.

„Ich habe es nicht so gemeint, beruhige dich bitte...!“

„Nun, dann erklären Sie es mir!“, fuhr Near ihn ziemlich erbost an.

Er dachte nicht im Geringsten daran, sich jetzt zu beruhigen, denn wie auch immer L es meinte, er wollte sich auf jeden Fall über ihn lustig machen.

So sah er es jedenfalls und er war sich zu einem sehr hohen Prozentsatz auch sicher, damit recht zu haben.

„Das... Das war bloß ein Scherz, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich—“

„Beleidigen, wann denn? Sie haben meinen sprachlichen Fortschritt gelobt, das sehe ich nicht als Beleidigung an, aber dafür als Ablehnung meiner Person, zumindest in dieser Situation.“

Der Junge schloss für einen kurzen Moment seine Augen und atmete tief ein.

Er hasste seine Zuneigung L gegenüber, sie brachte ihn dazu, ihm zu schnell zu vergeben und die Dinge nicht mehr ganz so objektiv zu sehen wie früher.

Natürlich war er immer noch wegen seinem respektlosen Verhalten geladen, doch schon dieser Bruchteil einer Entschuldigung senkte sein Temperament beachtlich.
 

„Das, was ich vorhin zu Ihnen gesagt habe, war ernst gemeint. Deswegen möchte ich auch eine ernst gemeinte Antwort von Ihnen haben.“

Daraufhin schwieg L und starrte etwas verloren in seine Tasse, kurz darauf erhob er seinen Kopf aber wieder und sah Near ins Gesicht.

„Wenn ich dich nicht mitmachen lassen würde... Dürfte ich dich wohl wieder nicht ‚Nate’ nennen, richtig?“, fragte er ihn schließlich mit kindlicher Unschuld in den Augen, doch konnte man heraushören, dass er genau wusste, was er gerade sagte.

„Ist das ein Ja?“

„Muss ich denn noch deutlicher werden?“

Nachfolgend konnte Near sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er rechnete fest damit, dass er schon bald wieder im Flugzeug sitzen und nach Hause fliegen würde.

Innerlich war ihm klar, dass er es spätestens in dem Moment bereut hätte, in dem er am Flughafen alleine stände. Denn zu diesem Zeitpunkt wäre deutlich geworden, dass die beiden sich danach wohl nie wieder sähen. Dann würde er im Waisenhaus sitzen und für sehr lange Zeit seiner großen Liebe nachweinen, was zudem auch noch seinem Ansehen schaden würde, selbst wenn er bloß symbolisch weinte.

„Sagten Sie nicht, Sie würden keine halben Sachen machen?“, warf der Junge plötzlich ein und spielte damit auch vollkommen unerkenntlich auf den vorgetäuschten Kuss an, wusste aber, dass L wohl nicht daran denken würde.

- Ja, dieses Ereignis lag ihm immer noch schwer im Magen.
 

„Meinst du nicht auch, dass dein gesamter Besucht hier mehr als unvollkommen wäre, würdest du vor der Beendung des Falles gehen?“

„Da haben Sie wohl Recht...“
 

Oh ja, wie sehr diesem Mann doch nachweinen würde.

Nervosität

Nach ihrer kleinen Meinungsverschiedenheit machten L und Near sich auf den Weg in die Zentrale. Der Jüngere war unglaublich aufgeregt, war er doch erst ein einziges Mal auf Ls Arbeitsplatz gewesen und das auch noch sehr kurz.

Er musste sich eingestehen, dass er sich große Sorgen wegen seinem Akzent machte, auch wenn ihn vermutlich niemand erwähnen würde. Doch gerade das war es, was ihm Angst machte. Er fürchtete sich davor, im Ungewissen darüber zu sein, was Ls Leute über ihn dachten.

Er war zwar keineswegs jemand, der sich viel aus der Meinung anderer machte, aber wenn er schon Seite an Seite mit L einen Fall aufklären sollte, so wünschte er sich die Anerkennung aller Beteiligten.

Ihm war klar, dass sein Stellenwert bei weitem nicht so hoch sein würde wie der seines Idols, dennoch war er sich darüber bewusst, dass er wahrscheinlich über mehr Intelligenz verfügte als die anderen Männer.
 

„Sie denken, dass der Täter eine Frau ist, nicht wahr?“, fragte Near aus dem Nichts, da die beiden sich momentan eigentlich sehr ruhig verhielten.

„Zu Beginn war es bloß eine vage Vermutung, jetzt bin ich mir aber ziemlich sicher, ja“, antwortete L kühl, er sah den Jungen dabei nicht einmal an.

»Wenn ich mich recht erinnere, hat er mir im Krankenhaus einmal flüchtig erzählt, dass es sich um einen Friseur handle... Ist die Auswahl dadurch jetzt nicht viel größer geworden?«

Near entschied sich jedoch dafür, nicht weiter nachzufragen und nickte deswegen bloß bekennend. Gäbe es etwas Wichtiges dazu zu sagen, würde er es früher oder später sowieso herausfinden.
 

Als das Tor zum Hauptquartier zu sehen war, begann der Junge allmählich nervös zu werden. Von da an war es nicht nur sein Kummer bezüglich seines Akzents, sondern auch die Angst davor, etwas verkehrt zu machen. Jede falsche Bewegung, jedes falsche Wort würde ihn förmlich umbringen.

Scheinbar verursachte Nears Aura, die sich durch dieses innere Wirrwarr entwickelte, eine so enorme Unruhe, dass L seine Zweifel, selbst ohne ihm ins Gesicht zu sehen, bemerkte.

„Es gibt keinen Grund dafür, nervös zu sein“, meinte er geruhsam und legte seine Hand auf Nears Kopf. Dabei streichelte er über sein Haar und fuhr ihm dezent durch einige Strähnen.

Daraufhin zuckte der Junge ziemlich heftig und wandte L sein Gesicht zu.

»Leugnen ist zwecklos.«

Ihm war die Situation außerordentlich peinlich, besonders da er ihr schwer entkommen konnte, ohne dass es noch peinlicher werden sollte.

„Ich...--“, sagte er leise, was der Hall-Effekt allerdings furchtbar laut erscheinen ließ, weswegen er schnell verstummte.

Im selben Augenblick blieb der Schwarzhaarige stehen und hielt Near an der Schulter fest.

„Ist schon gut“, beteuerte er und lächelte ihn einträchtig an.

Der Junge errötete bei diesem Anblick und senkte folglich sein Haupt.

»Ob er auch das mit Absicht gemacht hat?«

„Wir sollten die anderen nicht warten lassen.“

Diesmal achtete Near aber darauf, eine wirklich niedrige Lautstärke zu verwenden, was den Endklang wieder ins Gleichgewicht brachte.

L nickte schmunzelnd, da er genau wusste, dass der Kleinere äußerst beschämt war, es aber nicht zeigen wollte. Er fand diesen Charakterzug von Near ausgesprochen süß, weswegen er es immer wieder auskostete, wenn er ihn so erleben durfte.

Dennoch brachten diese Momente jedes Mal aufs Neue einen bitteren Nachgeschmack mit sich.

[...]
 

Nachdem die beiden schlussendlich durch das Tor schritten hielt Near für einige Sekunden die Luft an und reduzierte sein Blickfeld auf den Boden vor sich.

Da er aber um jeden Preis verhindern wollte, dass noch jemand seine Unsicherheit erkannte, bemühte er sich darum, alles fließend wirken zu lassen. Somit blieb ihm also nichts anderes übrig, als seinen Kopf nach und nach wieder zu heben und nach vorne zu sehen.

Zu seiner Überraschung waren bisher bloß drei der sechs Männer anwesend, Soichiro und Raito Yagami sowie Tota Matsuda.

Einerseits war er darüber sehr erleichtert, da er sich nicht gleich allen auf einmal stellen musste, andererseits fragte er sich, weswegen gerade Raito einer dieser Männer sein musste.

Er war der einzige gewesen, der ihm damals sofort aufgefallen war, obwohl er doch so unscheinbar wirkte.

„Ah, du bist wieder gesund. Das freut mich“, meinte Raito, als er sich gelassen zu den beiden Hochbegabten umdrehte. In seinem Gesicht war ein Ausdruck des Frohsinns zu erkennen, was in diesem Fall äußerst charmant wirkte.

„Ich danke Ihnen“, entgegnete ihm Near ziemlich ruhig und näherte sich L dabei ein wenig, um sozusagen für einen Rettungsanker vorgesorgt zu haben, falls etwas schief gehen sollte.

Matsuda weitete nach Nears Antwort seine Augen und ließ sich ein wenig fassungslos nach vorne fallen. „Du sprichst Japanisch?! Seit wann denn das?!“ „Ich.. übe mich darin.“

»Diese unnötigen Fragen.. Was will man damit bezwecken?«

Natürlich wusste er, weswegen man diese Art von Small Talk führte, er konnte es bloß nicht ganz nachvollziehen, was er einem brachte. Gut, er löste die Stille, aber war dieses gezwungene Getue denn nicht noch viel unangenehmer?

Letztendlich war es ihm nicht möglich, sich in diese Denkweise hineinzuversetzen, deshalb ließ er von dem Gedanken ab und setzte sich neben L, welcher soeben auch Platz genommen hatte.

Daraufhin begann der Schwarzhaarige etwas in einem enormen Tempo in den Laptop der sich vor ihm befand einzutippen. Dementsprechend interessiert wandte Near sich ihm immer mehr und mehr zu, da er wissen wollte worum es gerade ging.

In dem Moment, in dem er L so nahe gekommen war, dass ihm seine Haare schon im Gesicht kitzelten, machte der Ältere eine ruckartige Bewegung und drehte sich zu dem Jungen um.

„Lies das und sag mir dann, was du denkst.“

Erste Schlussfolgerungen

Zu Beginn war der Junge zwar etwas benommen von Ls plötzlicher Handlung, fasste sich jedoch schnell wieder um sich vollkommen auf das geöffnete Dokument konzentrieren können.

Darin war der momentane Fall sehr detailliert und in chronologischer Reihenfolge beschrieben, sodass es Near leicht fiel, sich eine Meinung dazu zu bilden und somit endlich eine Hilfe für L sein zu können.

„Hast du fertig gelesen?“, fragte L schließlich, als der Junge sich etwas von der Akte abwandte.

Daraufhin nickte dieser bloß und drehte seinen Kopf dabei in die Richtung des Schwarzhaarigen.

„Sie wollen nun wissen, von welchem Frisiersalon ich das Personal beschatten lassen würde, richtig?“ „So ist es“, bestätigte L seinen Gegenüber, während die übrigen Anwesenden ziemlich gespannt auf Nears Fazit warteten.

„Nun, bezüglich der Hinsicht, dass es 76 mögliche Verdächtige gibt, fällt es mir schwer, eine allzu enge Auswahl zu diesem Zeitpunkt festzulegen. Dennoch möchte ich gerne versuchen, Ihnen ein Statement abzugeben.“

Nach dieser Aussage machte der Jüngere eine kurze Pause und ließ seinen Blick über den Bildschirm schweifen. „Von den hier aufgelisteten würde ich 1-13, 15-19, 21, 24-40, 42, 44, 49-54, 57-69 sowie 72-76 ausschließen. Mit anderen Worten gibt es 19 Salons, die meines Erachtens überwacht werden sollten“, sagte Near mit einer ziemlichen Selbstsicherheit, die sich sowohl in seiner Stimme als auch in seinem Blick widerspiegelte.

„Nummer 23 ist nicht dabei, sieh hin. Sie ist übersiedelt, wodurch sich die Öffnungszeiten ein wenig geändert und auch mit den Tatzeiten überlappt haben. Wir haben das noch etwas erörtert und kamen zu dem Ergebnis, dass auch keiner der Arbeiter an einem Brandtag gefehlt hätte.

- Aber!“, meinte L etwas lauter, da sich diese Ausbesserung scheinbar ein wenig wie eine Niederlage für den Jungen anfühlte, „Ansonsten sind Yagami-kuns, deine und meine Ergebnisse deckungsgleich. Das heißt, dass wir mit den genauen Ermittlungen beginnen können.“

Nach dieser Erweiterung nickte Near bloß und wartete darauf, was L als nächstes tun würde.

Was sollte er auch anderes machen als zu warten? Im Prinzip blieb ihm nichts anderes übrig, wo er doch im Gegensatz zu den anderen viel zu uninformiert war und er, wie bereits öfters erwähnt, keinen Fehler machen wollte.

Die Tatsache, dass er Salon Nummer 23 verdächtigte, war kein Irrtum seinerseits, sondern bloß Vorsicht; zumindest dachte er so.

Kurz nachdem L das Team über die derzeitige Lage aufklärte, zückte er sein Handy und tippte eine Nummer ein. „Watari? Würdest du bitte Aizawa-san und den anderen Bescheid geben?“ „Verstanden.“ „Danke.“ – piep.

Als L sein Handy schließlich wieder einsteckte, wandte Near sich ihm zu, um diesen ruhigen Moment zu nutzen. „Die anderen drei Männer, sind sie für die Untersuchungen zuständig?“ „In den meisten Fällen, so wie in diesem“, antwortete L kühl und starrte dabei recht gebannt gegen die vielen Monitore, die sich an der Mauer befanden. Es wirkte beinahe so, als würde er auf etwas warten.

Worauf, das wurde früh klar, da sich plötzlich neunundzwanzig davon wie von Geisterhand einschalteten. Natürlich war es nicht schwer herauszufinden, dass dieser vermeintliche Geist kein anderer als Watari sein konnte.

»Ah.. Spionagekameras«, dachte sich der Junge und begann auch gleich damit zu studieren, wie viele Gebiete man insgesamt erkennen konnte. Angenehm war, dass die Monitore anscheinend gereiht waren, weswegen es nicht schwierig war, die verschiedenen Blickwinkel einem Ort zuzuordnen.

Nach wenigen Sekunden war Near sich sicher, dass hier drei unterschiedliche Plätze zu sehen waren.

Für den einen gab es sieben Kameras, für den nächsten zwölf und für den letzten zehn.

Es ergab natürlich eine gewisse Logik, dass drei Männer auch bloß drei Orte überwachen konnten, da der Mensch bekanntlich nicht in der Lage war, eine Zellteilung durchzuführen.

„Ah! Der Friseur! Bei dem war ich mal!“, verkündete Matsuda überrascht, nachdem er sich ungläubig seine Augen rieb um sicher zu gehen, dass er sich auch nicht täuschte.

„Tatsächlich? Dann können wir nur hoffen, dass dort nicht unser Täter arbeitet. Stellen Sie sich einmal vor, er hätte ihren Kopf berührt und--“ „Ryuzaki, hören Sie auf!.... Alleine die Vorstellung macht mich ganz....“, rief Matsuda entblößt und fuchtelte mit seinen Armen herum.

Dabei fühlte Near sich schon beinahe gezwungen, seinen Blick von den Monitoren abzuwenden, da der Mann gerade eine ziemliche Lautstärke an den Tag legte.

»Was für ein Idiot«, dachten L und Near sich zeitgleich, was man auch deutlich an ihren Gesichtern ablesen konnte. Bloß, dass man bei L eine gewisse Genugtuung erkannte, bei Near hingegen eindeutige Missbilligung.

Nach diesem kleinen Ausbruch wandte sich der Junge allerdings recht schnell wieder den Bildschirmen zu und versuchte dabei auffällige Geschehnisse zu erfassen.

Es war für ihn ein Kinderspiel alles im Auge zu behalten, was vermutlich einen Großteil seines detektivischen Talents ausmachte. Hätte er gewusst, dass L ihn und Mello bloß Aufgrund ihrer Beobachtungsgabe auswählte und dabei nicht einmal in ihre Akten blickte, hätte er wohl ein wenig an seinen Methoden gezweifelt. Doch da er darüber nicht Bescheid wusste, gab es für ihn auch keinen Grund skeptisch zu sein, weswegen er sich voll und ganz der Arbeit widmete. Auch wenn das hieß, stundenlang nur vor diesen Monitoren zu sitzen und abzuwarten, dass etwas passierte.

Deswegen frage ich.

Die Ermittler verbrachten zirka vier Stunden damit, in Monitore zu starren und auf verdächtige Personen zu achten. Dabei diskutierten L, Near und Raito heftig darüber, welcher der Angestellten von welchem Salon für heute überwacht werden sollte. Es war ein Kampf bis ins unermessliche, nach drei einhalb Stunden konnten sie sich aber dann doch einigen. Es war wirklich schwierig bloß Aufgrund von Handlungen die ein Mensch bei seiner Arbeit tätigte darauf zu schließen, ob dieser nun verdächtig war oder nicht. Deswegen dauerte die Diskussion der drei auch so unglaublich lange.

Eigentlich war es sowieso egal, welche Person nun als erste beschattet werden würde, schließlich waren - oberflächlich betrachtet - alle in den jeweiligen Salons arbeitenden Leute verdächtig genug um der Täter zu sein.

Man hätte dieses Ausschlussverfahren also eher als Demonstration des eigenen Durchsetzungsvermögens sehen können als als Versuch der Gerechtigkeit ihren freien Lauf zu lassen.

Um nicht zu hart mit ihnen ins Gericht zu gehen, ihr zweiter Gedanke lag gleich bei den Opfern.

Besonders L dachte mehr ans gewinnen als an den eigentlichen Sinn der Sache, was aber keineswegs mit Herzlosigkeit in Verbindung zu bringen war, sondern eher mit der Tatsache, dass er in dieser Hinsicht einfach noch ein Kind war und diese Eigenschaft vermutlich auch niemals verlieren würde.

Dennoch musste er sich einmal bei der Frage wer denn nun Recht hätte Near und Raito anschließen, da diese triftigere Gründe für die Beschattung der jeweiligen Person aufzuweisen hatten.

Übrigens, um die Bilanz der anderen beiden auch aufzulisten - sie konnten sich ebenso wie L zweimal durchsetzen.

Interessanterweise wechselten sich hier die Paare ab, somit waren also einmal Near und L, einmal Raito und Near und einmal L und Raito einer Meinung, was folglich für den jeweils dritten im Bunde immer wieder schwierig zu überbrücken war.
 

Es dauerte nur noch dreißig Minuten bis bei allen drei Salons die Mittagspause anbrechen würde.

Diese halbe Stunde kam Near jedoch wie eine halbe Ewigkeit vor, so aufgeregt war er. Schließlich, auch wenn der Autor sich hiermit immer wieder aufs Neue wiederholen wird, war das sein allererster Fall den er noch dazu mit L und dessen Team absolvieren sollte.

Der Ausdruck ‚dessen Team’ war allerdings etwas zu weit hergeholt, wo doch Matsuda im Grunde genommen bloß als Last zu werten war und Soichiro Yagami sich eigentlich so gut wie alles einreden ließ, es sei denn es verletzte seine Moralvorstellungen.
 

„Ryuzaki, das Subjekt hat soeben den Ort verlassen. - Ich bin ihm dicht auf den Fersen.“, hörte man plötzlich Aizawa über Funk verkünden. Ähnliches verlauteten wenige Sekunden später auch Mogi und Ide, woraufhin sich dann auch gleich drei neue Monitore einschalteten, die das ganze Geschehen auch weiterhin mit Bildmaterial dokumentierten, da die Überwachungskameras montiert und somit bei der Verfolgung nicht mehr zu gebrauchen waren.
 

Nachdem die Männer ihre Ankündigungen machten, lehnte Near sich etwas mehr nach vor und begann schlagartig um ein doppeltes nervöser zu werden als er zuvor schon war.

„Ich nehme an, dass das aufgezeichnet wird... Habe ich damit Recht?“, fragte der Junge dann um auf Nummer sicher zu gehen. „Natürlich. Ich wäre ein Idiot, würde ich es nicht tun“, antwortete L ihm monoton während er auf die Monitore starrte.

Near nickte daraufhin bloß und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

»Deswegen frage ich.«

Dieser Gedanke war natürlich nicht ernst zu nehmen, er wäre bloß die satirische Antwort darauf gewesen, würden sie sich bereits länger kennen und sich gut verstehen... wenn nicht sogar in einer Partnerschaft leben... was selbstverständlich bloß Nebensache, aber dennoch erwähnenswert wäre.
 

Wie auch immer. Zumindest wusste er jetzt mit ziemlicher Genauigkeit, dass er später immer noch die Möglichkeit hätte, auffällige Bewegungen oder dergleichen aufzudecken.

Somit sank sein innerlicher Druck um ein vielfaches, womit sich natürlich auch seine Konzentration wieder komplett aufbaute.

Was ihn aber dazu brachte nebenbei über die unvorteilhafte Veranlagungen des menschlichen Gehirns zu sinnieren. Sobald es unter Druck gesetzt wird und es sozusagen ‚Darauf ankommt’ schaltet es sich ab und reagiert nicht mehr. In dem Moment aber, in dem ihm versichert wird, dass alles wieder ‚okay’ ist, kann es wieder normal arbeiten.

Natürlich ergab das einen Sinn, es war bloß mehr als unpraktisch.
 

„Wenn wir für 18 Salons und deren Mitarbeiter bloß 3 Leute haben, die diese überwachen, meinen Sie nicht, dass das eine unglaublich lange Prozedur wäre?“, fragte Near, nachdem er sich kurz einen Moment der Ruhe gönnte und so ein wenig Zeit hatte, um sich auch über Dinge außerhalb des ihm gesetzten Rahmens Gedanken zu machen.

„... Endlich. Ich habe mich schon gefragt, wann du es zur Sprache bringst. - Ohne dich weiterhin an der Nase herumführen zu wollen, Yagami-kun und ich haben vorab schon entschieden, welche drei Salons am besten ins Bild passen würden und haben diese deswegen mit Kameras versehen lassen, die wir auch zeitgleich über die Bildschirme präsentiert bekommen. In dem Moment, in dem ich hier mit dir spreche, sind noch weitere 15 Ermittler unterwegs. Sofern bei ihnen etwas Merkwürdiges vorfallen sollte, bekommen wir es mitgeteilt und ein weiterer Bildschirm würde sich einschalten.“

Nach diesem ausführlichem Statement gönnte sich der Schwarzhaarige eine drei sekündige Pause, damit der nächste Satz nicht an Wichtigkeit verlieren würde.

„Es war bloß ein Test, inwiefern du das Geschehen hier wahrnimmst und mitdenkst.“
 

Daraufhin füllte eine fast schon grausame Stille den Raum, die Raito aber zu brechen wusste -

„Es tut mir außerordentlich leid, dass wir dir das verschwiegen haben.“ - Wenn auch nicht auf dem besten Wege.

Ein interessantes Paar

Nach Ls Geständnis und Raitos Entschuldigung wandte der Junge seinen Blick kurz zu Boden und atmete ungewöhnlich langsam als auch leise.

„Ich verstehe. Entschuldigen Sie meine Unachtsamkeit.“

Dabei hob er seine Hand und begann eine Haarsträhne einzudrehen.

Diesmal allerdings hatte das kaum etwas mit seiner normalen Angewohnheit zu tun, nein, den einzigen Zweck, den diese Bewegung erfüllte war, dass sie sein Gesicht einigermaßen vor den anderen beiden versteckte.

»Obwohl ich ständig daran denke, dass dieser Fall von großer Wichtigkeit ist, verliere ich meine eigentliche Aufgabe aus den Augen...

Wenn ich L enttäusche, dann enttäusche ich auch mich. ...- Wenn ich hier versage, werde ich nicht mehr in den Spiegel blicken können.«

Near nahm die ganz Sache äußerst ernst, was ihm wohl auch nicht zu verdenken war.

Schließlich war es das einzig wahre Ziel, das man den Kindern in Wammy’s Haus eintrichterte.

Es wäre eine Katastrophe wenn er, der er schon beinahe ein Hoffnungsträger war, Ls Ansprüchen nicht gerecht werden könnte.

Zum aller ersten Mal seit er hier in Japan war wurde ihm bewusst, dass die simulierten Verbrechen, die die Kinder im Waisenhaus zu lösen versuchten, eine komplett andere Liga waren und er sich hier deutlich mehr anstrengen müsste.

Immer wenn er während seines Aufenthalts in diesem Land einen Fehler seinerseits erkannte, so brachte er ihn mit L in Verbindung, dass er ihn also sozusagen mit seiner Anwesenheit ablenkte.

Nun aber war der Junge sich mehr als bewusst darüber gewesen, dass es nicht an dem Älteren liegen konnte, da er diesmal weder gedanklich noch körperlich von ihm behindert wurde.
 

„Mach’ dir keine Gedanken deswegen. Konzentriere dich einfach weiter auf den Fall. - Fehler geschehen“, meinte L schließlich und riss Near somit aus seinen Gedanken.

„Ich verstehe ihren Satz rein logisch gesehen... Es fällt mir allerdings schwer ihn zu akzeptieren.“ - Ja, das wollte er sagen. So hätte er ihm am liebsten geantwortet.

Doch es war Ls Aura, seine schon beinahe missachtende Ausstrahlung, die sich in seiner Mimik bildete, die ihn davon abhielt. Natürlich nicht nur das, diese Aussage wäre dem Jungen schon allein Aufgrund ihrer emotionalen Basis niemals über die Lippen gekommen.

Ls Mimik aber machte diese Sätze noch um ein vielfaches todgeweihter.

Vielleicht bildete Near sich ja auch nur ein, dass der Schwarzhaarige ihm abfällige Blicke zukommen ließ, dennoch brächte diese Einsicht seinen Körper nicht dazu mit dem Zittern aufzuhören. - Ja, er zitterte.

Aber weder vor Angst noch kamen ihm Tränen. Er wusste selbst nicht genau, weswegen sein Leib plötzlich zu rütteln begann.

„In Ordnung...“, versuchte er herauszuquetschen ohne sich dabei übergeben zu müssen.

»Wüsste ich es nicht besser, so würde ich jetzt denken, dass ich immer noch krank bin.«

Nachdem der Junge ihm antwortete, starrte er ihn unentwegt an.

Es verwirrte ihn ein wenig, dass L offenbar gerade nicht das geringste Interesse an ihm hatte.

Dadurch fühlte er sich zwar ein wenig verletzt, rechnete es ihm aber hoch an, dass er sich nicht von der Arbeit ablenken ließ.

»Normalerweise ist es eine meiner Stärken, zwischen Arbeit und Gefühlen zu differenzieren...«, dachte er sich etwas forciert und versuchte sich mit dieser Einsicht dazu zu animieren, diese Eigenschaft von nun an auch wieder anzuwenden.

Denn besonders die Tatsache, dass ihm scheinbar einzig und allein von Ls momentan zurück weisenden Aura so übel wurde, bescherte ihm Kopfzerbrechen.
 

„Du scheinst mir ein wenig zerstreut. Bist du dir auch ganz sicher, dass du dich nicht hinlegen möchtest?“, fragte ihn der Schwarzhaarige schließlich, nachdem Near sich für einige Zeit von den Bildschirmen abwandte.

„Machen Sie sich nicht lächerlich!“, fuhr dieser ihn allerdings äußerst scharfzüngig an, schaffte es dabei aber dennoch seine Höflichkeit zu bewahren, was mehr als bewundernswert war.

Daraufhin begann Raito zu schmunzeln und hielt sich dezent eine Hand vor den Mund.

Es geschah momentan nichts Auffälliges bei den drei Außenermittlern, zumindest meldeten sie sich nicht und es wäre schwer gewesen, genauere Dinge bloß über die Kameras zu entdecken.

Wichtig waren die Aufzeichnungen und würde einer der Männer sich nicht sicher sein, was er tun solle, so würde er sich sowieso bei der Zentrale melden um Anweisungen von L zu erhalten.

Somit fiel es dem Braunhaarigen nicht sonderlich schwer mitzubekommen, was sich gerade um ihn herum abspielte.

„Ihr würdet wirklich ein interessantes Paar abgeben“, sagte er schließlich und sah beiden dann lächelnd ins Gesicht, um ihnen sein Amüsement auch optisch zu verkünden.

Mit ‚Paar’ meinte er allerdings nicht romantischer Hinsicht, sondern einfach als Duo. - Was die beiden natürlich genau falsch verstanden.

Nun ja, eigentlich verstanden sie es schon richtig, ihr nächster Gedanke führte jedoch gleich in die entgegen gesetzte Richtung.

Und obwohl beide dasselbe im Kopf hatten, so zeigten ihre Mimiken deutliche Unterschiede.

Während Near unwillkürlich ein zufriedenes Lächeln aufsetzte, zogen sich Ls Mundwinkel verblüffend weit nach unten, sodass es schon beinahe gekünstelt wirkte.

Aus Raitos Sicht wirkt das klarerweise etwas merkwürdig, da die Ausdrücke der beiden sich wahrhaft wie Tag und Nacht unterschieden.

„Meinen Sie?“, fragte der Junge betört und drehte sich dabei spielerisch eine seiner Haarsträhnen ein. Doch bevor Raito ihm antworten konnte übernahm L das Wort. „Ich denke nicht, dass das hierher gehört.“

Wie herablassend

Nach Ls Aussage fühlte Near sich etwas getadelt, wusste aber, dass er Recht hatte.

Dennoch... Raitos Worte gaben ihm so viel Hoffnung, dass er das Gespräch einfach weiterführen musste, auch wenn es lächerlich war.
 

„Da hast du wohl Recht. Entschuldige bitte“, meinte der Braunhaarige schließlich und wandte sich mit leicht gesenkten Lidern wieder den Monitoren zu.

„Dem muss ich mich wohl anschließen.“ Daraufhin tat Near es seinem Vorgänger gleich und konzentrierte sich wieder vollkommen auf den Fall.

Somit saßen wieder alle drei ruhig und mit ernster Miene vor ihrer derzeitigen Aufgabe.

Dabei versuchten sie Verhalten und Gewohnheiten der zu beschattenden Personen zu studieren.

Es wäre natürlich töricht und zu dem noch unmöglich gewesen, Anhand weniger Stunden ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen, was also hieß, dass das wohl noch einige Tage so weiter gehen würde.

Dennoch war es bei Kriminalfällen immer so, dass man schnell und sicher handeln musste, um weitere Verbrechen zu vermeiden. Deswegen mussten die drei auf jegliche Kleinigkeiten achten.
 

Momentan war das noch sehr schwierig, da die jeweiligen Außenermittler noch nicht nahe genug an den Zielobjekten dran waren. Trotzdem riss sich das Trio zusammen, um sich nicht erneut ablenken zu lassen. Wobei das „Duo“ der bessere Ausdruck wäre, da L sich sehr solide an seine Pflichten hielt, wenn auch teils aus den falschen, für seinen Geschmack viel zu menschlichen Gründen. [...]
 

Nach zweieinhalb Stunden der ständigen Überwachungen kamen alle drei zu einem Fazit bezüglich der jeweiligen Verdächtigen. - Auch wenn die Ergebnisse noch sehr dürftig waren.

Die Frau, auf die Near sich konzentrierte, war immer recht schnell unterwegs und blickte ständig so um sich, als ob sie sich verfolgt vorkäme. Sie wurde einige Male nach dem Weg gefragt und wirkte dabei immer sehr schüchtern, versuchte aber trotzdem freundlich zu wirken.

Nachdem sich die Leute dann von ihr entfernten ging sie einige Minuten immer ziemlich abseits, viel deutlicher als zuvor.

Weitere Auffälligkeiten konnte der Junge noch nicht feststellen.

In Raitos Fall konnte man ziemliche Gegensätze zu Nears feststellen.

Die Frau um die es sich hier handelte bewegte sich sehr gemächlich und sah die meiste Zeit sehr ernst, schon beinahe unfreundlich aus. Was aber daran liegen konnte, dass sie möglicherweise versetzt oder dergleichen wurde, da sie kontinuierlich auf ihr Handy starrte.

Während ihrer Pause besuchte sie einige Läden und machte auch einen kurzen Halt bei einer Imbissbude.

Da diese Dame offenbar gerade von Emotionen beeinflusst wurde, konnte man ihrem Verhalten also kaum eine besondere Aussage abgewinnen.

Besonders bei Ls Zielobjekt war es schwierig etwas herauszufinden, da es sich hauptsächlich in einem Privathaus aufhielt. Somit war es dem Außenermittler kaum möglich gewesen etwas zu erkennen, ohne dabei selbst suspekt zu wirken.

Natürlich war das mehr als ernüchternd für den Schwarzhaarigen, doch die Tatsache, dass er am selben Tag noch viele weitere Tapes zu Gesicht bekommen sollte, brachte ihm einen Lichtblick.
 

„Ich nehme doch an, dass wir uns die 15 weiteren Bandaufnahmen auch ansehen werden, oder?“, fragte Near dann etwas skeptisch, nachdem er und die anderen beiden mit ihren ‚Analysen’ fertig waren.

Er hielte es für äußerst seltsam, würden sie es dabei belassen und dachte auch nicht, dass L so vorgehen würde. Seine vorherige Aussage, in der es hieß, dass andere Monitore sich bloß dann einschalten würden, wenn einer der Außenermittler etwas Merkwürdiges bemerken sollte, machte ihn allerdings stutzig.

„Natürlich. Hast du etwa gedacht, dass wir alles den Außenermittlern überlassen? ... Das wäre viel zu unzuverlässig“, antwortete L recht monoton, wirkte dabei aber dennoch auf eine gewisse Art und Weise überheblich, wenn auch unbeabsichtigt.

„Ryuzaki, meinst du nicht, dass das eben ein wenig herablassend war?“, sagte Raito daraufhin tadelnd. Ls Aussage wirkte für ihn etwas unfair, als ob er die Arbeit der Männer nicht anerkennen würde, auch wenn er es nicht offen sagte.

Near hingegen empfand Ls Worte als sehr erotisch, weswegen er auch prompt schwieg.

Die Art, mit welcher er soeben auf andere herabblickte, bewirkte in ihm ein Kribbeln, das er kaum zu kontrollieren vermochte. L war weder grausam noch selbstgefällig, er machte einzig und allein klar, dass er sich für diese Aufgabe geeigneter als die anderen hielt.

Und genau das war es, was Near gerade anziehend fand.

„Es tut mir leid, wenn du das so siehst, Yagami-kun. Das war nicht meine Absicht“, meinte der Schwarzhaarige verhalten, um die Sache nicht zu sehr auszudehnen. Schließlich hatten sie hier einen Job zu erledigen.

„Wie auch immer. Um den weiteren Vorgang klar zu machen; Wir sollten zunächst die Hauptverdächtigen untereinander tauschen, damit sich jeder von uns ein Bild von den jeweiligen Personen machen kann“, fuhr L sodann fort.

„Dem stimme ich zu“, sagte Raito nickend und schloss für einen kurzen Moment seine Augen um seinen Kopf etwas frei zu bekommen. Eine Frau, die kleine Kinder willentlich qualvoll verbrennen möchte - das war mehr als unverständlich für den moralischen Polizistensohn gewesen.

„Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick. ... Ich bin gleich wieder zurück“, verkündete Near plötzlich und stand gemächlich von seinem Stuhl auf.

„Oh?.. Ist etwas?“, fragte L ihn mit leicht verwirrter, schon fast kindlicher Miene.

„Nein,“ antwortete Near lächelnd, „ich benötige bloß einige Dinge, damit ich besser denken kann.“

Danach führte er seinen Weg zu der großen Türe am Ende des Raumes fort.

Das Buch der...

Nachdem Near die Ermittlungshalle verlassen hatte, ging er trotz der Tatsache, dass alle bloß auf ihn warteten recht gemütlich auf den Fahrstuhl zu. Er war nicht wirklich das, was man unter einer Sportskanone verstand. Das lag nicht nur daran, dass er sich einfach viel lieber mit seinen Gedanken, Rätseln und Spielzeugen beschäftigte, sondern auch an der Tatsache, dass Schweiß ihm ein ziemliches Gräuel war. Kleidung, durchnässt von Körperflüssigkeiten... Wie widerlich.

Dabei käme er sich einfach furchtbar schmutzig und ungewaschen vor.

Er konnte es auch nicht nachvollziehen, wenn bei 08/15 Romanzen und Liebeskomödien die Hauptdarstellerin den fast schon glitschigen Oberkörper eines Sportlers als erotisch empfand, geschweige denn die durch übermäßiges Schwitzen entstandenen strähnigen Haare.

Das einzige, was noch schlimmer für ihn war als das, war der dadurch entstehende Körpergeruch.

- Ja, man konnte durchaus sagen, dass Hygiene bei ihm großgeschrieben war.

Zum Glück war L ‚sauber’, gepflegt konnte man das ja schließlich nicht nennen.

Aber nichtsdestotrotz, obwohl seine Haare recht wild sein Haupt zierten, sie waren immer gewaschen. Zumindest hätte er ihn bisher noch nicht anders erlebt.

Und er duftete gut. Das war ihm besonders zu dem Zeitpunkt aufgefallen, als er fälschlicherweise dachte, dass L ihn ernsthaft umarmen wollte.

Ein sehr männlicher Geruch - wenn auch etwas süßlich - der nicht von ungefähr kommen konnte.

Das war also ein Zeichen für Near, dass sein ‚Schwarm’ sich nicht auf ekelhafte Art und Weise gehen ließ, was erneut ein Pluspunkt für ihn war.

-- Wie auch immer.

Um nicht ganz abzuschweifen; Near hatte bereits das Appartement betreten und marschierte geradewegs in sein Zimmer.

Darin kniete er sich knapp neben sein Bett und holte unter diesem seinen Koffer hervor.

Lange war es her, dass er die Dinge darin zum letzten Mal intensiv anfasste. Es war zwar bloß ca. eine Woche, doch wenn man bedachte, dass er sie eigentlich täglich benutze, konnte man getrost von ‚lange’ sprechen.

Nur um eines klar zu machen, seine Kleidung und andere Gegenstände die der Aufmachung dienten waren nicht mehr darin enthalten.

Es waren bloß noch einige Spielzeuge, eine Box mit Bastelutensilien und ein Laptop in dem Koffer vorzufinden.

»Mello...«, dachte sich der Junge, als er letzteres erblickte.

Daraufhin hob er den Laptop auf sein Bett und strich bewusst über dessen Fassung.

Near nahm sich vor, sich am Ende des Tages Zeit für den Blonden zu nehmen, sofern es sich ausginge. Erstens hatten sie es einander versprochen und zweitens, was ihm allerdings bloß unterbewusst in den Sinn kam, wollte er mit jemandem über seine Emotionen sprechen. Und da es bloß unterbewusst war und er genau das Gegenteil eines Gefühlsmenschen war erhoffte er sich innerlich, dass Mellos Feingefühl für solche Angelegenheiten schon alles allein regeln könnte.

Auch wenn so etwas über einen Chat schwer herauszufinden war, wenn man selbst nicht genug Andeutungen von sich geben würde. Darüber dachte er jedoch nicht nach, da Punkt zwei schließlich erst seinem Herzen selbst bekannt war.
 

Nach diesem kurzen Augenblick der Leere wandte der Junge sich von dem Gerät ab und nahm endlich das aus dem Koffer, weswegen er überhaupt hergekommen war - die Box mit den Bastelsachen.

Gerade hatte er keine Lust auf Würfel oder Roboter; kleben, schneiden und kritzeln war ihm momentan ein größeres Bedürfnis gewesen.

Deswegen beließ er es auch bloß dabei und stand ohne weiteres mit der Kiste in den Händen auf.

Aufstehen. Immer wieder aufs Neue anstrengend.

So träge fühlte Near sich schon lange nicht mehr - zumindest nicht außerhalb des Krankenhauses.

Was wohl zu bedeuten hatte, dass er tatsächlich noch etwas kränklich war. Jedenfalls wäre das die logischste Erklärung dafür gewesen, weswegen er sie - wenn auch widerwillig - glaubte.

»Er würde es nicht wagen«, dachte sich der Junge äußerst bitter während er sein Zimmer langsam verließ.

Danach schlenderte er müde durch das Wohnzimmer und sah sich darin ein wenig um. Schließlich würde es in nächster Zeit wohl nicht allzu oft vorkommen, dass er sich hier vollkommen alleine ohne Angst haben zu müssen, dass ihn jemand beobachtet, aufhalten könnte.

- Wüsste er von den vielen Kameras, so würde er sich natürlich nicht gar so frei in dem Raum bewegen, doch da diese momentan nicht in Gebrauch waren musste er sich sowieso keine Sorgen machen.

Also ging er geradewegs auf das große Bücherregal an der Wand zu und begann sich von links nach rechts die Titel der Buchrücken durchzulesen. Wie er es sich bereits dachte waren viele große Werke von bekannten Autoren und Poeten vorzufinden, aber auch dicke Lehrbücher der Naturwissenschaften und einige Kochbücher für Süßspeisen.

Als er bei diesen ankam fragte er sich, welches Buch Watari und welches L aussuchte.

Aber bei einem war er sich sicher, der ältere Herr war derjenige, der sie so wunderbar und korrekt nach dem Alphabet und der Kategorie sortierte.

Als der Junge seinen Blick weiter schweifen ließ, blieb ihm für einen Augenblick fast die Luft weg.

Auf einem der Bücher war folgendes gedruckt: ‚Kamasutra - Die Kunst der lustvollen Liebe’

Nears Augen weiteten sich erheblich als er diesen Titel las.

Bei diesem Exemplar war er sich ziemlich sicher, dass es dem Schwarzhaarigen gehörte, weswegen er hastig seine Bastelkiste auf einen Beistelltisch neben sich legte und sich nach dem Buch ausstreckte.

Er konnte es einfach nicht fassen, niemals hätte er damit gerechnet so eine Art der Lektüre hier zu entdecken. Nicht, dass es etwas Abartiges wäre, er dachte bloß nicht, dass L viele Liebschaften hätte und--... es war einfach ein Schock für den Jungen gewesen.

Nachdem er das Buch endlich erreichte, blätterte er nervös darin herum.

»Ich glaube es nicht. Ich glaube es nicht«, dachte er sich bei jeder weiteren Seite, die explizite Stellungen vorzeigte.

Dabei war er nicht einmal über die Bilder entsetzt, er nahm sie auch gar nicht wahr. Es war einfach bloß die Tatsache, dass sich dieses Schriftstück in Ls Besitzt befand.

Erst als die Wohnungstüre plötzlich von jemandem geöffnet wurde befand er sich wieder in der realen Welt, was ihn so sehr erschrak, dass er das offene Buch vor sich fallen ließ und seinen Herzschlag bis zum Halse spürte.

„Das ist nicht wonach es aussieht“

»Ich... sterbe«, dachte Near sich hektisch, als er Schritte hörte.

Sein Körper war für kurze Zeit wie gelähmt, der Schreck war einfach zu groß gewesen, als dass er sich in den ersten Sekunden bewegen hätte können.

Doch kaum hatte er wieder Macht über seine Handlungen gehabt, bückte er sich hastig nach dem Buch. Im selben Augenblick allerdings stand Watari schon in der Türe und betrachtete das Szenario mit undurchschaubarer Miene.

„Oh, Entschuldigung“, sagte dieser in englischer Manier und blieb abrupt stehen.

Diese Worte, sowie jede Bewegung des älteren Herren spielten sich für Near in Zeitlupe ab.

Er starrte den Mann entsetzt an, wandte sich dann aber schnell dem Buch zu um zu kontrollieren, inwieweit man erkennen konnte, worum es sich bei diesem Exemplar handelte.

Ironischerweise war genau eine, vermutlich DIE Doppelseite des Buches aufgeschlagen, auf der man sozusagen ein Beispiel betrachten konnte, wie die zuvor beschriebene Stellung im Endeffekt auszusehen hatte.

„Ich... Das...“, stammelte der Junge vor sich hin, in der Hoffnung, ihm würde noch etwas Plausibles hierfür einfallen. Doch falsch gedacht, gähnende Leere.

Deswegen nahm er einfach schnell das Schriftstück in die Hand und klappte es energisch zu.

Währenddessen überlegte er non-verbal wie er aus dieser Situation noch souverän herauskommen sollte und da er keinen einzigen klaren Gedanken fassen konnte, schien alles zwecklos.

Erst nachdem er sich langsam erhob und folglich in Wataris Gesicht blickte, war er wieder etwas bei Sinnen.

Dabei fragte er sich dann, weswegen es gerade Quillsh Wammy sein musste, der ihn beim Stöbern durch eine Erotiklektüre erwischen musste. Natürlich wäre es bei L auch peinlich gewesen, allerdings bloß halb so sehr wie jetzt.

Watari war ein stilvoller alter Herr, wer würde so einem Menschen schon mit Derartigem konfrontieren wollen? - Besser; wer wollte schon von so einem Menschen mit Derartigem konfrontiert werden? Besonders wenn man selbst noch ein Teenager war.

Nein, das war zweifelsfrei keine angenehme Angelegenheit.

„Das ist nicht... wonach es aussieht“, stammelte Near vor sich hin, wirkte dabei aber gelassener als er in seinem Inneren aussah. Bloß seine geröteten Wangen verrieten ihn.

Noch bevor Watari darauf antworten konnte sprach der Junge weiter.

„Ich war nur etwas überrascht, so ein Buch hier vorzufinden...“

Danach drehte er sich beschämt zur Seite und drückte den besagten Gegenstand fest gegen seine Brust. „Was Sie nun von mir denken müssen...“, gab er schließlich geräuscharm von sich.

Eine ziemlich offene Aussage, jedenfalls in Bezugnahme auf seinen eigentlichen Charakter.

Daraufhin schwiegen beide für einige Sekunden, bis Watari sich mit einem sanften, väterlichen Lächeln auf den Jungen zu bewegte.

„Da ist doch nichts dabei“, beschwichtige er nachdem er knapp vor Near stehen blieb.

„Ich bitte Sie inständig...“, sagte der Junge ernst aber doch noch etwas peinlich berührt als er seinem Gegenüber die Lektüre reichte, „Denken Sie jetzt nichts Falsches von mir.“

Anschließend wandte Near ihm wieder sein Gesicht zu, da er fühlte, dass seine Schamesröte langsam aber sicher wieder verschwand.

„Tue ich nicht,“ beteuerte ihm der Grauhaarige und nahm das Buch mit Bedacht entgegen.

„Vielen Dank.“

Im Anschluss fischte der Junge nach seiner Bastelkiste und drückte sie leicht gegen sich.

„Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss wieder hinunter“, sagte er ein wenig steif und ging äußerst aufrecht und elegant an Watari vorbei, auch wenn er sich nicht danach fühlte.

Doch zumindest das musste sein, wo er sich bereits diese unglaubliche Peinlichkeit erlaubte.

Der alte Herr hingegen bewegte sich nicht, sah ihm nicht einmal hinterher. Hätte man aber in sein Gesicht gesehen, so wäre man auf ein dezentes Schmunzeln gestoßen.

Nachdem Near den Raum verließ, wandte der Mann sich wieder dem zu, was er eigentlich vorgehabt hatte; Sauber machen.
 

Near hingegen nahm die Sache nicht einfach so hin. Als er sich wieder am Gang außerhalb des Appartements befand, musste er fürs Erste einmal tief durchatmen.

»All’ die Unannehmlichkeiten... Die mir in der letzten Woche passiert sind...

Egal wie ich es auch drehe und wende... Schlussendlich habe ich an allem Schuld..«

Er fragte sich, wie man sich dermaßen dumm anstellen konnte. In seinem ganzen bisherigen Leben war er noch nie so unvorsichtig wie hier in Japan gewesen.

Enttäuscht von sich selbst und der Tatsache, dass dieses Disaster vermutlich noch für längere Zeit so weiter gehen würde, trottete er den Flur entlang. Sein Blick war eiskalt und so mancher der ihn zu Gesicht bekommen würde, würde ihn wohl sein Leben lang nicht vergessen. Dieses Gesicht zog Near übrigens normalerweise immer dann, wenn er das Gefühl hatte versagt zu haben.
 

Zurück im Hauptquartier entschuldigte er sich kühl dafür, falls er die Männer warten ließ und setzte sich wieder feingliedrig auf dem Stuhl neben L. Dabei stellte er seine Bastelkiste vor sich ab und öffnete sie spielerisch. Alle im Raum fragten sich, was es damit wohl auf sich hatte, wollten aber nicht neugierig wirken und fragten somit auch nicht nach. Alle außer L, da diesem Nears Leidenschaften und Denkhilfen durchaus bekannt waren. Somit fiel diesbezüglich kein einziges Wort und die Ermittlungen konnten weitergehen. Zumindest für Near, denn Raito und L machten während seiner Abwesenheit keine Pause.

»Es ist gut möglich, dass er dieses Buch bloß besitzt um zumindest informiert zu sein. Ich selbst habe des Öfteren Lektüren nur deswegen gelesen, um mich schlichtweg weiterzubilden..

Wie dumm von mir«, dachte sich der Junge und machte sich wieder sachlich an die Arbeit, auch wenn er mit diesem Gedanken bloß sein übermäßiges Herzklopfen wieder besänftigen wollte.

Privat

Near fühlte sich etwas im Rückstand, da L und Raito mit dem zweiten Video bereits begonnen hatten, wusste aber, dass er sich das selbst zuzuschreiben hatte und auch, dass sie das Richtige taten. Deswegen versuchte er einfach wieder in ihren Rhythmus zu gelangen und sich etwas zu beeilen.

Das schaffte er auch ziemlich schnell und somit verbrachten die drei den restlichen Tag damit Frauen durch eine Kamera zu beobachten die nichts davon wussten. Zugegeben, die Arbeit eines Detektiven ist durchaus grenzwertig zu betrachten, doch taten sie es ja bloß der Gerechtigkeit willen.

Gegen Ende des Tages sah es so aus, als ob es noch genug Verdächtige zu beschatten gab, allerdings waren auch einige dabei, die die drei getrost auf die ‚Warteliste’ setzen würden. Natürlich war es noch zu früh um mit ihnen abzuschließen, sie schienen nur momentan nicht so verdächtig wie einige andere.
 

„In Ordnung... Es ist schon ziemlich spät, lasst uns morgen weitermachen“, verkündete L nachdem er auf die Uhr sah und bemerkte, dass es bereits kurz nach acht Uhr abends war.

Während Matsuda darüber ziemlich erleichtert war war Raito eher weniger begeistert davon, konnte sie aber gut nachvollziehen. Die lange Arbeit machte müde und wenn man nicht komplett aufmerksam war, so hatte es kaum Sinn sich alles erneut anzusehen, was einem zuvor noch fehlerlos vorkam. Schließlich würde man mit trägen Augen wohl kaum etwas Neues entdecken.

„Du hast wohl Recht. Morgen wird noch einiges mehr auf uns zukommen, also sollten wir uns wohl wirklich ausruhen...“

Dabei erhob sich der Braunhaarige und fuhr währenddessen den Laptop vor sich herunter.

Matsuda und Herr Yagami machten sich ebenso fertig zu gehen sowie auch Near.

Dieser räumte behutsam seine Bastelsachen wieder in die Kiste und schlichtete die Papiere vor sich, die er mit den Utensilien wenige Minuten zuvor nach bearbeitete.

Allerdings hatte er nicht vor die Schachtel wieder mit hoch zu nehmen, wo er sie doch vermutlich am nächsten Tag wieder verwenden würde.
 

„Bis morgen“, gab L von sich, allerdings bloß um höflich zu sein. Er hätte kein Problem damit, sich wortlos von den Männern zu verabschieden, doch Watari wollte ihm während seiner Erziehung zumindest ein bisschen Feingefühl einbläuen und erzog ihn dazu seinen Mitmenschen ein gutes Gefühl zu geben, sofern es in seiner Macht steht.

Aus denselben Gründen entwich auch Near ein leises und monotones „Aufwiedersehen“, welches die anderen drei Männer freundlich erwiderten.

Nachdem diese sodann den Raum verließen waren L und Near erneut alleine.

Während die beiden noch alle Maschinen abdrehten wechselten sie kein Wort miteinander, bis L ihn schließlich nach getaner Arbeit aufforderte, mit ihm zu kommen.

Daraufhin wusste der weißhaarige Junge nichts zu sagen, nickte somit bloß und folgte ihm anschließend.
 

Auf dem Weg zum Apartement sprachen sie weiterhin nichts, bis L sich schließlich dazu entschied das zu ändern.

„Ich bin beeindruckt von dir. Das hast du heute wirklich gut gemacht, beachtlich“, gab der Schwarzhaarige mit einem stolzen Lächeln zu.

„Wenn Sie das sagen wird es wohl stimmen“, erwiderte Near freudig, unterdrückte dabei aber natürlich einen Großteil dieser Emotion. Schließlich hatte er nicht vor L auf die Idee zu bringen, dass er auf sein Lob angewiesen wäre.

Danach strich L dem Jungen ziemlich überraschend durch sein Haar was ihn etwas erschaudern ließ. Jede Berührung des Älteren wirkte für ihn magisch zu sein und er sehnte sich nach mehr

Er wusste, dass das entweder lächerlich oder ‚willig’ klang, da er ihn doch erst seit einer Woche kannte. Natürlich war mit ‚mehr wollen’ nichts Sexuelles gemeint, zumindest nicht bewusst.

Bloß mehr. In welcher Hinsicht auch immer.

In diesem Fall hätte er sich wohl ein intensiveres Streicheln gewünscht, was selbstverständlich ausblieb. Alles andere wäre auch seltsam und unrealistisch gewesen.

„Weißt du...“, sagte L während er die Türe zu seiner Wohnung öffnete und riss Near somit aus seinen Tagträumen, „Normalerweise höre ich nicht gemeinsam mit den anderen zu arbeiten auf.“

Daraufhin machte er eine Pause und wartete sozusagen darauf, dass der Junge nachhaken würde, was auch der Fall war nachdem sie die Räumlichkeit betraten.

„Waren Sie denn müde?“, fragte Near nüchtern und sah L dabei mit einem erschreckend neutralen Gesichtsausdruck an.

„Nicht unbedingt, im Normalfall bin ich in der Hinsicht eher resistent. Aber wie auch immer.

Ich wollte etwas Zeit mit dir alleine verbringen.“

„Mit mir... alleine...? Privat...?“, stotterte der Junge erschrocken, wirkte dabei aber weder stotternd noch erschrocken sondern vielmehr apathisch und roboterhaft.

Wer Near nicht nur gut, sondern sehr gut kannte wusste, dass eine derartige Lähmung seiner in Wahrheit eine ziemliche Welle an Emotionen und Irritation hinter sich verbarg.

Denn einerseits freute er sich darüber, dass L mit ihm alleine sein wollte, doch was hieß das genau? Es könnten natürlich jetzt bloß sachliche Analysen von L folgen da Near schließlich als Nachfolger ein deutlicher Favorit war oder aber er wollte ihn persönlich kennen lernen.

Wenn dem so wäre, warum? Doch wohl nicht, weil er sich auch für ihn interessierte? Mochte er ihn etwa? Wobei... mit ‚alleine sein’ muss nicht zwingend ‚kennen lernen’ gemeint sein.

Diese Einsicht kam ihn als er wieder an das Kamasutra dachte das L in seinem Regal aufbewahrte.

Kurz nach diesem Gedanken schüttelte er jedoch innerlich den Kopf und entschied sich dazu diese Option auszuschließen, das wäre viel zu irreal gewesen.
 

„So ist es“, antwortete L kühn und platzierte sich auf dem Sofa das sich inmitten des Wohnzimmers befand.

Gebrochenes Eis

Während L bereits einen Sitzplatz aufgesucht hatte stand Near immer noch etwas perplex im Raum. „Sie haben die heutige Arbeit also nicht abgebrochen weil sie auf weitere Ergebnisse oder dergleichen warten wollten? Meinen Sie nicht, dass das etwas verantwortungslos ist?“, fragte der Junge etwas ungläubig und sah L dabei direkt ins Gesicht.

„Verstehe das jetzt nicht falsch“, begann L in ruhigem Ton, „aber der Hauptgrund warum ich tue was ich tue ist, weil ich es gerne mache. Ich bin natürlich immer noch an dem Fall interessiert und wie du bereits erwähnt hast, wäre es unverantwortlich unachtsam zu werden, aber zur Zeit interessiere ich mich in erster Linie für dich. Ich habe nicht vor das jeden Tag zu machen, aber für heute war es wohl die richtige Entscheidung, denke ich.“

Es vergingen einige Sekunden bis der Junge langsam auf L zuging und sich anschließend neben ihn setzte.

„Wissen Sie....“, meine Near mit angetaner und überraschend sanfter Stimme, „Ich denke nicht, dass ich diese Aussage auch nur in geringster Weise falsch verstehen könnte“

Für einen Moment schwieg der weißhaarige Junge, fuhr dann aber gleich wieder fort nachdem er kurz Luft holte. „Diese Eigenschaft ist der Grund, warum ich begonnen habe zu Ihnen aufzusehen.“

Und das war der Augenblick in dem zum ersten Mal Near derjenige war, der L sprachlos machte und nicht umgekehrt.

„Sie wirken erstaunt“, stellte Near leicht amüsiert fest als er in Ls Gesicht blickte.

„Nun... ja“, antwortete dieser zwar leicht verdutzt aber durchaus ehrlich.

„Ich weiß es klingt merkwürdig, weil es Ihre Leistungen sind die die meisten Kinder in Wammys Haus bewundern. Natürlich sind sie nicht außer Acht zu lassen, aber für mich waren Sie zu perfekt und unreal als dass sie mich nicht langweilen hätten können. Bevor Sie mit uns vor vier Jahren gesprochen haben waren sie für mich zwar der Grund unsere Ausbildung, aber eben auch nicht mehr.“ In der Zwischenzeit hatte Near sich von L weggedreht und starrte leicht abwesend aber mit einem dezenten Lächeln auf den Lippen zu Boden.

„Als Sie aber an diesem besagten Tag nach der Reihe die einzelnen Fragen der Kinder beantworteten... Und sich herausstellte, dass sich hinter dieser glänzenden Fassade ein Mensch mit Fehlern und vor allem Charakter entpuppte... Begann ich mich immer mehr und mehr für Sie zu interessieren... - Ach. Wie das nun wohl für Sie klingen mag..?“

L schwieg. Mit jedem weiteren Wort das Near von sich gab erzeugte sich in ihm immer mehr und mehr ein Gefühl das er nicht zu deuten vermochte. Würde er viele Jahre später an diesen Augenblick zurückdenken so hätte er es als ‚Rührung’ bezeichnet. Es war neu für ihn, dass sich jemand für ihn und nicht für seine Arbeit interessierte.

„Ich weiß nicht... was ich dazu sagen soll“, gab er aufrichtig zu.

Daraufhin vergingen wenige Sekunden bis Near schließlich erneut seine Stimme erhob.

„...Ich wüsste darauf wohl auch nichts zu sagen“, meinte der Junge wieder gewohnt kühl und senkte seinen Kopf dabei intuitiv noch etwas tiefer.

Es war die unterbewusste Enttäuschung darüber, dass L Nears Zuneigung nicht sofort verbal erwiderte. Er wusste, dass das surreale Luftschlösser waren, die er sich hier erträumte aber dennoch - für diesen kurzen Augenblick konnte er seine Gefühle nicht richtig verbergen.

„Das heißt nicht, dass ich deine Aussage mit Negativem assoziiere. ...Eher im Gegenteil “ , gestand L ziemlich unerwartet. Er wusste, dass er die Situation jetzt retten musste, selbst wenn er damit etwas von sich preisgab. Was dem Schwarzhaarigen allerdings Angst machte war die Tatsache, dass es ihn nicht einmal wirklich störte Near gegenüber so offen zu sein.

Diese ‚Angst’ galt es nun allerdings zu ignorieren, denn dafür war gerade kein Platz.

„Nate..“, sagte er schließlich etwas bekümmert aber durchaus bestimmt und kam dem Jungen dabei gefährlich nahe, was ihm selbst allerdings nicht so richtig auffallen wollte.

Near jedoch schien das Blut in den Adern zu gefrieren, einerseits weil er scheinbar doch nicht abgewiesen wurde und andererseits weil er fühlte wie Ls warmer Atem seinen Nacken geradezu streichelte. Er bekam Gänsehaut.

Gerne hätte er sich umgedreht und dem Mann ins Gesicht gesehen, doch da ihn Peinlichkeit sowie Fassungslosigkeit gleichermaßen stark überkamen und er genau wusste, dass man ihm das gerade deutlich ansehen konnte, verharrte er einfach in seiner momentanen Position und überließ L weiterhin das Ruder.

„Sieh’ mich an“, meinte der Ältere schon beinahe dominant und wartete darauf bis Near tat was er von ihm verlangte. Der Junge schluckte, doch paradoxer Weise gab es nichts zu schlucken da sein Mund komplett ausgetrocknet war. Near drehte sein Gesicht trotz seiner Unsicherheit und seinem Unbehagen zaghaft zu L und sah ihm dabei tief in seine grauen Augen.

Er konnte sich nicht erklären, wieso es ihm gerade dermaßen egal war sich eine solche Blöße zu geben, schließlich war er sonst immer so auf seine Fassung bedacht. In diesem Moment freute er sich nahezu darüber durch Ls Aufforderung etwas ‚geschubst’ worden zu sein.

„Ich weiß nichts darauf zu sagen weil... deine Ehrlichkeit mich zu sehr überwältigt hat“, flüsterte L ihm entgegen, was Near dazu brachte eine enorme sexuelle Spannung zu verspüren.

Pubertäre Auswirkungen

Nears Wangen röteten sich schlagartig, beziehungsweise stieg die Farbe in seinem Gesicht schleichend an, es war die Wärme die sich aus dem Nichts plötzlich bemerkbar machte.

„Ü....berwältigt...“, quetschte der Junge mühselig aus sich heraus, aber bloß weil es noch viel schlimmer wäre jetzt zu schweigen. Er spürte förmlich wie die Nervosität seinen gesamten Körper durchströmte, wie sich sein zuvor nahezu gefrorenes Blut zu einer brennenden Flüssigkeit erhitzte, die wie wild durch seine Adern schoss.

»Meine Atmung sowie meine Pulsfrequenz steigen deutlich an.. Vermutlich sind auch mein Blutdruck erhöht und meine Pupillen geweitet... Das läuft in einer solchen Situation im Normalfall auf sexuelle Erregung hinaus..«, dachte er sich zwar analysierend, aber keinesfalls gleichgültig. Als junger Mann in der Adoleszenzphase ist ihm eine derartige körperliche Reaktion natürlich schon des Öfteren untergekommen, allerdings hatte er bisher immer das Glück gehabt, dabei alleine gewesen zu sein. Um seinen Verdacht zu kontrollieren, führte er dabei seinen rechten Arm dezent zu seinen Genitalien, um deren Zustand unauffällig zu ertasten. Er wollte es so wirken lassen, als ob er sich geistlos über seinen Oberschenkel strich und tatsächlich; Er fühlte eine Erektion.

Zugegeben, es war etwas seltsam, dass er für diese Erkenntnis zuerst hinfassen musste. Doch da sich die Erektion erst im Anfangsstadium befand und er Aufgrund der Endorphine, die die momentane Gesamtsituation freisetzte, eine übermäßige Hormonzufuhr erlebte, fiel es ihm schwer das Gefühl zwischen seinen Beinen ohne weitere Kontrolle sachgemäß zuzuordnen.

Ihm durchfuhr eine gewisse Panik, gepaart mit unendlicher Begierde, weswegen es ihm deutlich schwer fiel jetzt ‚richtig’ zu handeln.

Near blickte in Ls Gesicht und wich dabei etwas zurück als er bemerkte, dass dieser ihn gebannt fixierte. Doch kaum hatte er sich ein Herz gefasst und versuchte dem Geschehen zu entkommen, beugte sich der Schwarzhaarige schon beinahe über ihn und kam ihm somit sogar noch näher als zuvor.

„Ja, durchaus“, meinte dieser starr aber auf seltsame Art und Weise fasziniert. „Damit hätte ich nicht gerechnet.“

Der Junge rutschte immer mehr in die Horizontale und schien fast unter L zu verschwinden, war allerdings stets darauf bedacht, seine Erektion zu verdecken. Er schluckte beklommen und zitterte dabei recht intensiv, was aber besonders an der strapaziösen Haltung lag.

„Würden Sie... vielleicht etwas Abstand halten? Das könnte auf Dauer anstrengend werden..“, forderte Near den Älteren höflich auf, wonach dieser sich verständnisvoll entschuldigte und seiner Bitte nachging.

»Distanz ist wichtig... um mich auf andere Gedanken bringen zu können..«, dachte sich der Junge und brachte seinen Körper allmählich wieder in eine aufrecht sitzende Position, zog seine Beine etwas nach rechts und legte seinen Arm quer über seinen Schoß, sodass er ‚alles’ gut verbergen konnte.

„Sie hätten nicht damit gerechnet?“, meinte Near schließlich wieder diskussionsbereit. „Wirke ich denn Ihrer Meinung nach von Ihnen abgeneigt?“

„Das kommt immer auf die Situation an. Manchmal mehr, manchmal weniger, manchmal sogar eher angetan. Wie jetzt zum Beispiel.“ - Nears Augen weiteten sich - „Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass du mich als Menschen bewertest. - Oder besser gesagt, dass du den Menschen in mir siehst.“

„Hätte ich mich mit meinem Statement zurückhalten sollen?“, fragte der weißhaarige Junge souverän, obwohl er seinen Herzschlag bis zum Halse spürte. Er war unsicher, worauf sich Ls Worte bezogen. Auf sein ‚Geständnis’ oder auf seine Erektion?

Wäre es Letzteres, dann hätte sein Gegenüber diese Tatsache schockierend locker hingenommen. Allerdings würde es Near nicht wundern, hätte L es bemerkt. Schließlich war er ein ausgezeichneter Beobachter und es wäre bloß üblich für ihn gewesen, wäre ihm Nears teils verkrampfte Haltung aufgefallen.

„Ich sagte doch bereits, dass es mir ein positives Gefühl gibt. Es ist nur neu für mich, nichts weiter“, beschwichtigte der Ältere sacht.
 

Near war nach dieser Äußerung der Meinung, dass man das Thema getrost so stehen lassen konnte, selbst wenn er persönlich lieber näher darauf eingegangen wäre. Doch die Scham war in diesem Moment größer als die Chance, seinem Schwarm näher zu kommen oder ihn gar für sich zu gewinnen.

„Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick“, sagte Near ruhig und erhob sich geschickt vom Sofa, sodass L keine Aussicht auf seinen Unterleib hatte.

Mit dieser Aussage kündigte er seinen Gang zur Toilette an, obwohl er genau wusste, dass das alles bloß noch eindeutiger machte. Doch was hätte er tun sollen? Falls L bereits die Vermutung hatte, dass er erregt war, so würde er wohl sowieso daran festhalten.

Also versuchte Near sich so wenig wie möglich etwas daraus zu machen und verschwand hinter der Badezimmertüre
 

Währenddessen lehnte L sich zurück und schien ziemlich nachdenklich.

Tatsächlich, er bemerkte die Anspannung des Jüngeren und auch, dass dieser vermutlich etwas zu verbergen hatte. Der Grund, weswegen er sich vorhin über ihn beugte war, weil er den Zustand seiner Pupillen kontrollieren wollte.

Near lag richtig mit der Annahme, dass sie sich deutlich weiteten und auch L konnte für sich selbst feststellen, dass ihre Größe nicht mit der übereinstimmte, die sie bei den aktuellen Lichtverhältnissen im Raum annehmen hätten sollen.

Was Near allerdings nicht wusste war, dass L deswegen mindestens genau so angespannt war wie er selbst.



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Kommentare zu dieser Fanfic (67)
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Von: abgemeldet
2013-12-19T14:31:10+00:00 19.12.2013 15:31
Da kann ich Cheria nur zustimmen.
Super! <D
Von: abgemeldet
2011-10-06T15:51:38+00:00 06.10.2011 17:51
Ich hab zwar nur 1 Kapitel gelesen, weil es mir einfach zu viel war, aber ich muss sagen: Echt genial. Ich liebe Death Note und ich liebe L und ich liebe Shonen-Ai. Danke :)
Von: abgemeldet
2011-08-26T21:51:43+00:00 26.08.2011 23:51
OMG Du weißt, wie man eine Geschichte spannend macht >.< Ich will weiterlesen xD
Wieder ein super Kapitel, finde ich^^
Von: abgemeldet
2011-08-16T13:43:28+00:00 16.08.2011 15:43
Oha, ich bin jetzt wirklich gespannt, wie's weitergeht ;D
Ein vielversprechendes Kapitel^-^
Von:  rutila-luu
2011-06-29T20:15:42+00:00 29.06.2011 22:15
Ooohoho^^ Na was wird das nun? ;)
Also mir gefällt deine Story immer noch sehr gut und ich bin begeistert, wie genial du die Charaktere sogar in so einer Situation noch triffst.
Und dann ist es nämlich auch besonders süß, wenn Near mal aus der Fassung gebracht wird und er nur noch einen Teil seiner Fassade aufrecht halten kann..oder eben auch gar nicht mehr ^^
Mach schön weiter so, freu mich auf mehr :)
Von: abgemeldet
2011-02-02T15:41:52+00:00 02.02.2011 16:41
Oh mann, ich würde soo gerne weiterlesen^^
Dein Schreibstil und die Länge der einzelnen Kapitel gefällt mir richtig gut, lässt sich alles schön flüssig lesen, finde ich^^
Bin schon gespannt, wie's weitergeht ;D
Von: abgemeldet
2010-10-27T17:52:48+00:00 27.10.2010 19:52
Ich hatte schon wieder Angst es würde hier nicht weiter gehen, dabei liebe ich diese FF wirklich. Man hat so lange was davon. Es gibt so viel zu lesen und man spürt förmlich, dass die Charaktere nicht wie in anderen überzuckerten und meist etwas zusammenhangslosen Geschichten, zurecht gebogen werden, sondern bewusst lange in ihrer ursprünglichen- und jedenfalls aus der Sicht von Zuschauer und Leser- Liebesfernen Art dargestellt werden. Allein dadurch, dass sie sich nicht gleich in eine endlose bedingungslose Liebe hineinsteigern, wird jede kleinste Berührung oder auch Einführung in dieses neue und Aufregende Thema für unseren kleinen unerfahrenen Near um so spannender. :D
Vor allem da L als der Ältere nun auch anscheinend mehr und mehr preis gibt, dass er sich seiner Fähigkeit Gefühle anderen Gegenüber zu empfinden durch aus bewusst ist und sich schon ein wenig damit befasst hat, auch wenn er sie aufgrund seiner wichtigeren Leidenschaft (dem Ermitteln) gerne stark vernachlässigt.
Oh, es ist spannend. :D Schrieb bitte schnell weiter! xD
Von:  Miss_Lightwood
2010-06-02T12:29:46+00:00 02.06.2010 14:29
Ohhhh, ich liebe diese ff! *___*
Hab sie letzens gefunden und ein bisschen gebraucht um sie zu lesen, hat ja schon ne beachtliche Länge! XD

Also, ich liebe diese FF! *___* Die is so süß geschrieben und ich finde, du hast L und Near voll gut dargestellt... o.O Und L und Near gut darzustellen, find ich echt schwierig... o.O Die sozialen Kompetenzen der beiden sind ja nicht grade ausgeprängt und es dann so schreiben zu können, das die beiden sich langsam annähern, is schon echt n Talent. Also, Respekt! XD

Und Near is so süß... Ein bisschen verplant und zickig...aber sehr niedlich XD Und ihn mal so zickig zu sehen, finde ich interessant o.O Aber dennoch gut nachvollziehbar XD Und wie süß es ist, das er sich in L verliebt hat... *___*
Und L ist eben L... der ist dir echt gut gelungen finde ich XD Besonders lustig finde ich es, wenn er Near mal wieder ein bisschen ärgert XD

Naja, ich hoffe auf jeden Fall, das es bald weiter geht und ich wünsche sehr viel Spaß beim schreiben!

LG Nate~
Von:  Ryosae
2010-05-21T20:51:43+00:00 21.05.2010 22:51
Near hingegen empfand Ls Worte als sehr erotisch.
Ok. Jetzt wirklich so wie ich es meine also auf die wirklich erotische art wie anmachen? Oder doch auf eine andere art. Ich find das jetzt total verwirrend xDD

Sieht so aus, wie wenn es langsam rund gehen würde!! :D
Das wäre sher zum wohle uns aller! ^^
Von:  rutila-luu
2010-05-12T16:19:21+00:00 12.05.2010 18:19
Oh ich fands geil, dass Near Ls Aussage erotisch fand :D Und das kam irgendwie so überraschend, dass es iwie auch bissen lustig rüberkam-krkr^^
Ohja und das glaub ich aber auch, dass Near jetzt erst mal sein ganzen Spielkram rausholt :D
Und daaann wird Raito wahrscheinlich feststellen, dass die beiden noch besser zusammenpassen,als sowieso schon angenommen, mit ihren beiden Denkhilfen-macken XD


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