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C'era una volta...

Oder ein Schal auf Schatzsuche
von

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Ein Künstler braucht nicht unbedingt eine Leinwand, manchmal reicht ein Taschentuch

Hatte ich bisher gedacht Scarf sei völlig wahnsinnig, so wurde ich durch Roberts Anwesenheit an Bord eines Besseren belehrt. Eine Erfahrung im Übrigen, auf die ich wirklich gerne verzichtet hätte.

Scarf blühte auf, hingebungsvoll. Mir war ja schon vorher der Gedanke gekommen, dass unserer an der Grenze des Schwachsinns entlang tänzelnde Captain eventuell jüngere Geschwister haben könnte, doch nun war dies offensichtlich. Er scharwenzelte um den Knaben herum wie eine Glucke und absolvierte mit ihm ein Beschäftigungsprogramm vom Feinsten. Er versuchte dem kleinen Kostschleicher ein wenig das Navigieren beizubringen, redete aber größtenteils nur unnützes Zeug. Anschließend benannte er ihn einfach um, da ihn Robert zu sehr an verschiedene Tiere erinnerte (immerhin ging es um die französische Aussprache „Robbäääähr“ – kein Wunder also, dass das dämlich klang) und verkündete, dass unser Neuzugang von nun an mit „Holluschick“ anzusprechen sei.

Einerseits war ich unendlich froh den Vollidioten endlich nicht mehr ständig in meiner Nähe haben zu müssen und mich vollquatschen zu lassen. Andererseits rannten nun zwei Vollidioten übers Deck und quatschten sich gegenseitig so lautstark voll, dass mir meine beinahe schon gewohnte Pein verdoppelt erschien. Ganz abgesehen von dem gesteigerten Risiko von Kopfschmerzen, egal ob durch erhöhten Alkoholkonsum verursacht, oder aber die größere Lautsstärke sowie die Tatsache, dass ich meinen Kopf öfter gegen massive Gegenstände knallen ließ.

Ich hatte Zeit für mich, irgendwie zum ersten Mal in meinem Leben. Bevor ich an Bord dieses verdammten Schiffes ging, hatte ich in der Flotte meines Familienclans immer alle Hände voll zu tun gehabt. Von klein auf. Hier verteilte Bronson seine Befehle und er sparte mich nach besten Kräften aus. Ich war mir nicht sicher, ob er nicht damit Scarfs Aufmerksamkeit auf mich zurücklenken wollte oder ob er meine Wutausbrüche als zu störend empfand. Und so begann ich mich in meiner Freizeit zu langweilen und so oft wie möglich den gesprächigen John aufzusuchen. Das war nicht gerade das, was ich unter Freizeitbewältigung verstand, denn es artete immer mehr zu Eigentherapiestunden aus. John schwieg, ich schüttete ihm mein Herz aus, er sagte „Arrr!“ und ich ging nahtlos zu meinem nächsten Problem über. Bald fühlte ich mich derart erleichtert und positiv, befreit von allen meinen Sorgen und Urängsten, dass ich mit einem breiten Grinsen am Bug stand und in den Fahrtwind jubelte. Ich war ausgeglichen, mit mir und meinem Umfeld im Reinen und stürmte zu Scarfs Kajüte, um ihn die freudige Nachricht zu unterbreiten. Mit einem leisen Trällern auf den Lippen riss ich die Tür auf und erstarrte.

Scarf lag nackt auf dem Bett, den Hintern leicht angehoben (und den Göttern sei dank war seinen Arsch mir abgewandt). Der kleine Blindgänger saß neben dem Bett und zeichnete. Scarfs Hintern. Mit Kohle auf Papier.

PENG!! Meine Aggressionen und meine unkontrollierte Wut waren mit einem Schlag wieder da. Ich schmiss die Tür schnell wieder zu, zu sehr verschrocken von den Dingen, die ich gesehen hatte. Das Bild würden mir auch noch so viele Sitzungen beim Gesprächigen John nicht mehr aus dem Geist treiben können! Es war eingeätzt.

Mein erster Impuls war mit gezückten Säbel und Pistole zurückzukehren und mir ein für alle Mal das Problem Scarf vom Halse zu schaffen. Doch irgendetwas war merkwürdig gewesen an der Situation und ließ mich nicht sofort Amok laufen. Also merkwürdig abseits des Offensichtlichen. Bei den Gottheiten, was zum bestochenen Henker hatte ich da gesehen?! Die Szenerie hatte keinen Sinn gemacht, oder aber ich wollte einfach keinen Sinn darin sehen. Am allerliebsten hätte ich einfach gar nichts davon gesehen, denn dann wäre mir nicht so verdammt schlecht gewesen. Scarf hatte mehr Probleme als ich je geahnt hätte.

Und so ging ich wieder an Deck um mich zu besaufen und die gnädige Gottheit Delirium um Vergessen zu bitten.
 

Als die Sonne unterging ankerten wir an einer gottverlassenen winzigen, ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an den Namen des Eilandes erinnern. Sofern es überhaupt einen Namen hatte. Jedenfalls war es unbewohnt, hatte eine Süßwasserquelle, Wild und Kokosnusspalmen. Ein kleines Paradies wenn man so will. Inseln wie diese hatte ich schon zahllose gesehen, daher war ich nicht wirklich bezaubert, ganz im Gegensatz zu dem kleinen Mistbraten von blindem Passagier.

Holluschick nämlich stand fasziniert an Deck als wir Nameless-Island anliefen und staunte mit offener Futterluke. Ich warf ihn meinen Becher an den Schädel. Leider war er aus Holz und hinterließ nicht mehr als eine kleine Beule. Aber immerhin hatte ich ihn trotz erhöhtem Alkoholspiegels noch getroffen, was mich in eine winzige Hochstimmung versetzte.

„Erster Maat, hilf dem Elefanten-Miguel und Ein-Ohr-Kurt die leeren Wasserfässer zur Quelle zu bringen und sie neu zu befüllen.“ Bronsons Ansage ließ meine gute Laune wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren, murrend schnappte ich mir eines der Fässer und beförderte es in Schlangenlinien zu seinem Ziel. Scheinbar war der Auftrag speziell etwas für die nicht mehr ganz Nüchternen gewesen, denn trotz meines unsicheren Ganges war ich mit Abstand als Erster an der Wasserquelle. Ich erinnere mich daran, dass ich Elefanten-Miguel auf dem Weg überholt hatte als er kopfüber in sein leeres Fass gekippt war.

Ich stellte das Holzfass ab, beugte mich über das klare Wasser und verspürte mit einem Mal einen unbändigen Durst. Ohne weiter zu zögern steckte ich den kompletten Kopf in das wundervolle Nass, genoss kurz die eiskalte Erfrischung und tauchte auf. Gierig trank ich.

Ich liebte schon immer den reinen unverfälschten Geschmack von Wasser, aber an Bord war daran leider nicht lange zu denken. Innerhalb weniger Tage kippte es in den Fässern, wurde brackig und ungenießbar. Schnell begannen sich Fliegen und Gestank daran zu sammeln und dann war es bestenfalls abgekocht nur noch als Waschwasser brauchbar und für so was konnte man auch Salzwasser benutzen, welches nun mal keine wichtigen Fässer und Platz einnahm sondern stets verfügbar war.

„Versuchst du gerade dich zu ertränken?“ Ein Schatten schob sich über mich und die Stimme würde mich unter Tausenden heimsuchen.

„Wenn ich es jemals vorgehabt hätte, dann hätte ich nicht auf Süßwasser gewartet und mich schon ins Meer gestürzt,“ knurrte ich ohne aufzublicken und schöpfte mit der hohlen Hand weiter Wasser an meinen Mund. „Abgesehen davon würde ich eher alle anderen umbringen, die mich nerven. Und du bist der Erste auf meiner Liste!“

Scarf lachte bloß und ging neben mir in die Knie. Er hüstelte nach wie vor leicht, die Erkältung schien sich hartnäckig zu halten und ich war sehr froh darüber. Bis auf das Husten war eigentlich kaum etwas von seinen vergangenen Strapazen übrig geblieben und das ärgerte mich. Ich sah ganz gerne die Ergebnisse meine Ausraster an ihm, das war pure Genugtuung. Aber er tat ja eh immer sein Bestes um mich zu ärgern, also gönnte er mir nicht einmal diesen Triumph.

Scarf löste den Schal von seinen Schultern, einer der wenigen Augenblicke, an denen ich ihn ohne eines dieser schrecklichen Dinger sah. Wie immer zuvor fielen mir dabei seine merkwürdigen Tätowierungen auf, von denen er üblicherweise mit seinen auffälligen Schals ablenkte. Andererseits hatte ich mit einem Mal die Eingebung, dass ich unterbewusst mit den Malen etwas aus näherer Vergangenheit verband, aber mir kam ums Verrecken nicht die Erinnerung wobei es sich dabei handelte. Mir war nur klar, dass es um nicht an Scarfs Schultern gehandelt hatte.

„Scheint dir zu gefallen, hm?“

Ich zuckte aus meiner grübelnden Betrachtung und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Wer von euch zweien war beim Stechen besoffener, du oder der Tätowierer?“ Ich legte möglichst viel Aggression in meine Frage, aber die prallte an dem Idioten ab wie Wasser an einer Scheibe.

„Wahrscheinlich ich, sonst bekommst du einen 5-jährigen nur schwerlich tätowiert.“ Er schöpfte ebenfalls mit der hohlen Hand Wasser aus der Quelle und schlug es sich ins Gesicht. Wohlig aufseufzend wusch er sich Gesicht und Nacken, während ich ihn misstrauisch anstarrte und abzuwägen versuchte, ob das sein Ernst war.

„War das ein Scherz?“

„Nein.“ Er zuckte einfach die Schultern und sah mich aus seinen grässlich ehrlichen braunen Augen an.

„Also ist es tatsächlich dein Ernst, dass man dich als halber Knirps tätowiert hat? Und dann auch noch mit so ner Scheiße?? Hätte man da nicht irgendwas einigermaßen Ansehnliches nehmen können statt das komische Gekröse da?“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf und schnaubte abwertend. „Und ich dachte echt du kämest aus besserem Hause, aber scheinbar waren deine Eltern gottverdammte Säufer und Wahnsinnige.“

Was wiederum einiges erklärt hätte.

Scarf schwieg, schien nachzudenken. Dann zog er wie immer sein dämliches Grinsen aus seinem Mimik-Repertoire.

„Nein. Nein, eigentlich nicht. Säufer nicht, wahnsinnig dagegen schon manchmal. Aber welcher Mensch hat nicht mal einen Moment der Schwäche?“

Ich räusperte mich und deutete auf seine Schultern.

„So etwas zählt nicht zu einem beschissenen Moment der Schwäche.“

„Ja, mag sein.“ Mein persönlicher Plagegeist zuckte die Schultern und wusch sich die Arme und besagte Schultern. „Aber es hat einen Sinn.“

„Das Gehäksle? Das sind einfach nur besoffene Würmer mit Magenkrämpfen!“

„Da sieht man mal wieder, dass der Pöbel keine Ahnung von Kunst hat.“

Es klatschte laut als meine Hand auf seiner nackten Schulter auftraf und dann platschte Scarf kopfüber ins Wasser.

„Der Pöbel versteht sich eher auf die Kunst im Nahkampf, du Pisser!“

Mit einem schmerzverzerrtem Gesicht richtete sich der Plagegeist wieder auf.

„Au....“ In seinen großen braunen Augen sammelten sich Tränen.

„Vergiss es, das zieht nicht! Ich hau dir höchstens noch eine rein!“

Daraufhin zuckte Scarf nur die Schultern und war von einer Sekunde auf die Andere völlig ungerührt.

„Zurück zum Thema. Das sind keine Würmer, Maden oder sonstiges Kriechgetier. Es... ist ein Hinweis.“

Das war der Moment in dem ich auflauschte und meine Wut einfach Wut sein ließ.

„Ein Hinweis? Worauf?“

„Das... nun, auf einen Schatz. Ich hatte ja mal Andeutungen gemacht, dass ich eine Karte habe, nicht wahr?“ Scarf sah mich ein, der Blick eines Geschäftsmannes traf mich. Wieder einmal verspürte ich dieses gewisse Bisschen Erfurcht vor ihm, was naturgemäß ein wenig Übelkeit in mir auslöste. Ich wollte ihn nicht respektieren oder bewundern, Scarf war einfach nur ein Idiot. Aber ab und an legte er tatsächlich etwas wie Weitsicht oder einen Plan an den Tag und erschreckenderweise waren gerade diese abstrusen Pläne meist ebenso wahnwitzig wie erfolgreich.

„Ja, ich erinnere mich. Und daran, dass ich dich umlegen darf, sobald wir den Schatz haben!“ Ein vorfreudiges Knurren entsprang meiner Kehle, denn genau das war der Grund warum ich überhaupt an Bord blieb. Doch dann wurde ich misstrauisch. „Und du willst mir jetzt nicht sagen, dass deine Wurmzeichnungen da die Karte zum Schatz darstellen.“

„Nein.“

„Das erleichtert mich ein wenig.“

„Sie sind ein Hinweis. Nicht die Karte... glaube ich.“ Scarf räusperte sich ein wenig peinlich berührt. Ich hingegen spürte eine eisige Ruhe in mir aufsteigen.

„Du... hast die Karte also gar nicht?“

„Nun, doch. Die dafür nötigen Dinge habe ich schon, ich muss es nur irgendwie zusammenpuzzeln.“

„Und?“

„Ich arbeite daran.“

„Du stehst einfach drauf mich zum Ausrasten zu bringen, nicht wahr?“

„Normalerweise schon, aber dieses Mal ist es wirklich nicht beabsichtigt!“ Eine Falte entstand auf Scarfs Stirn und ein leichtes Maß an Frustration lag in seiner Stimme. Ich hörte das zum ersten Mal bei ihm und es belustigte mich ohne Ende.

„Heißt das, wir schippern hier durch die Gegend bis du in dem Gekröse auf deinen Schultern einen Sinn siehst? Oh warte, das geht ja anatomisch gesehen gar nicht.“ Ich legte möglichst viel Spott in meine Worte und genoss es unheimlich zu sehen, wie sehr es den Idioten an meiner Seite traf.

Ohne einen Ton von sich zu geben, erhob sich Scarf und ehe ich mich versah, hatte er seinen Gürtel gelöst. Seine Hose rutschte zu Boden und ich will nicht kommentieren, welches Körperteil meines Captains sich vor meinem Gesicht befand! Unwillkürlich zog ich meinen Säbel um diesem Bastard ein für alle Mal den Gar auszumachen, da drehte er sich linkisch einmal um die Achse und ich hatte stattdessen seinen Arsch vor Augen. Keine wirkliche Besserung will man meinen, aber dann machte es irgendwie einen Sinn.

Über sein Gesäß zogen sich ebenfalls diese merkwürdigen Tätowierungen, schwärzliche Würmer von verschiedener Dicke und ohne erkennbares Muster. Dann fiel mir ein, was ich anstarrte und sprang mit einem würgenden Schrei auf.

„Du widerlicher Scheißkerl! Wie kannst du es wagen?!“ Mit erhobenen Säbel stürzte ich mich auf ihn und da ihm seine Hose um die Knöchel hing, war seine Bewegungsfreiheit merklich eingeschränkt. Er versuchte sich mit einem Satz aus der Gefahrenzone zu bringen, stolperte aber und flog der Länge nach in die Quelle. Scarf wälzte sich im Wasser herum, ich hatte mich derweil mit einem Sprung über ihn gebracht, hob meinen Säbel über den Rücken um dem Ganzen endlich ein Ende zu setzen und brach stattdessen haltlos in schallendes Gelächter aus.

„Du siehst einfach nur bescheuert aus! Ich kann keinen Mann mit runtergelassener Hose töten...“ Ich schob meinen Säbel zurück in meine Bauchbinde und starrte Scarf an. Dieser erwiderte meinen Blick misstrauisch, streckte mir dann aber die Hand entgegen und ich zog ihn hoch. Im Gegensatz zu allem was mich vorher so an diesem Wahnsinnigen aufgeregt hatte, dies war die Spitze von allem und mir war dennoch nur nach Lachen zumute.

Scarf humpelte etwas auf Abstand, machte sich dann erst wieder daran sich anzukleiden und ich konnte einfach nicht anders als zu kichern. Irgendwann knickten mir die Knie ein und da stimmte Scarf in mein Lachen ein. Es dauerte eine Weile bis ich mich beruhigte, ich war mir nicht ganz sicher ob auch mein Zorn verraucht war, aber ich fühlte mich ruhiger. Nun, sagen wir, ruhig genug um die Angelegenheit zu klären ohne Scarf töten zu wollen.

„So, welchem Umstand verdanke ich die Tatsache mit diesen beschissenen... nein, warte! Falsches Wort. Öhm, mit diesen albtraumhaften Anblick bestraft worden zu sein?“

Mein Gegenüber sah mich nicht an, seine Augen fixierten einen Punkt neben meinem Gesicht und weilten dabei in großer Ferne.

„Genau da liegt der Hund begraben. Ich weiß, wo in etwa der Schatz liegt und ich habe die Teile der Karte. Das Problem ist, ich kann sie nicht zusammensetzen!“ Scarf schnaubte frustriert auf, hob einen kleinen Stein und pfefferte ihn in das seichte Wasser der Quelle. „Wie du schon sagtest, ich sehe meinen Rücken nicht. Meine Schulter sowie meinen Hintern, das hab ich einfach nicht alles gleichzeitig in Sicht. Sehr gewitzt eingefädelt, muss ich schon sagen.“ Und dann begegneten sich unsere Blicke. Seine Augen waren ernst, musternd, so als würde er auf eine bestimmte Reaktion von mir warten. „Wenn ich also den ganzen Batzen Gold haben will, dann brauche ich Hilfe.“

„Und dafür brauchst du mich? Um dir zu helfen?“ Ich war ein wenig fassungslos.

„Nun, nein. Ich brauche jemand, der zeichnen kann. So jemanden wie Holluschick.“

Nun war es an mir wirklich verblüfft dreinzuschauen.

„Was? Aber warum zwingst du mich dann zu dem ganzen Scheiß? Macht es dir einfach Spaß?“

„Unter anderem. Aber...“, geübt wich er einem Stein aus, den ich nach ihm warf und hob die Hand. „Lass mich doch mal zu Ende sprechen, du Ungeduldsbolzen!“ Das Planungsgenie verdrehte mit einem mild genervtem Grinsen die Augen, hustete mit schmerzlich verzogenem Gesicht und setze dann seine grandiose soziale Vernetzung fort. „Aber eigentlich bestehe ich unter anderem darauf dass wir uns ein Bett teilen, weil ich einerseits nicht alleine schlafen kann und andererseits weil....“ Scarf räusperte sich und wirkte mit einem Mal seltsam unsicher. „...nun weil ich einen Freund in dir sehe.“

Ich muss zugeben, dass mir in diesem Augenblick die Kinnlade runterklappte.

„Ich....dein Freund?“

„Ja.“ Die tätowierten Schultern zuckten etwas zögerlich empor. „Was meinst du, warum du derjenige bist, den ich in alles einweihe?“

„Also, wenn du das ‚in alles einweihen’ nennst, dann will ich nicht wissen, wie wenig Informationen Bronson dann bekommt!“ Ich schnaubte ungläubig.

„Nun, sie genügen ihm. Er fragt nie nach.“ Scarf grinste mit einem Mal. „Ich hab vielleicht nicht viel auf dem Kasten was die Schifffahrt angeht, aber ich habe ein Händchen dafür mir die richtigen Leute zu suchen um meine sonstigen Unfähigkeiten auszubügeln.“

Dieses Geständnis löste bei mir nur ein unwilliges Stöhnen aus.

„Ich will eigentlich meinen Part in deinem Spiel doch lieber nicht wissen.“

„Keine Chance, du hast gefragt. Wie ich schon sagte, ich brauche dich um den Schatz zu finden.“

„Was soll ich bitte machen? Ein Stöckchen werfen um den Weg zu bestimmen?“ Ich schnaubte, das grenzte mich mal wieder zu nah an Schwachsinn!

„Nein.“ Scarf lächelte mich an. „Nun, einerseits brauche ich schon ein bisschen piratische Ahnung und Kreativität um das Rätsel um den Schatz zu knacken. Aber den genauen Anteil daran werde ich dir morgen erklären.“

Ich hasste dieses jähe Umschwenken, erst ja, dann nein! Erst ein ich weihe dich ein, dann ein, mach ich, aber morgen!

„Was?“

„Mir ist gerade noch was Wichtiges eingefallen. Ich hatte die Männer, also die, die noch fit und ihrer Glieder mächtig sind, angewiesen auf die Wildschweinjagd zu gehen. Es wird Zeit den Bukanieren alle Ehre zu machen.“ Mein persönlicher Albtraum begann mein Wasserfass zu befüllen und sah mich an. „Na komm schon, ein ausgelassenes Saufgelage am Strand. Schön mit einem großen Feuer, rauen Seemannsliedern und jeder Menge Rum!“ Er rieb sich die Hände und grinste mich auf die Art und Weise an, die niemals etwas Gutes verhieß.

Dementsprechend misstrauisch beäugte ich auch sein begeistertes Lächeln.

„Gibt es einen besonderen Anlass zu Feiern?“

„Es gibt im Prinzip immer einen Anlass, oder? Gerade für uns Piraten! Schau dich um, wir sind auf einer Insel, weit und breit keine Marine oder Feinde. Wir haben fette Beute gemacht, einen Kaperbrief zur Not in der Tasche und Rum. Ganz zu schweigen von weißem weichen Sand und warmen Temperaturen selbst bei Nacht. Was hält dich da vom Feiern ab?“

„Nun, du.“ Ich verdrehte die Augen.

„Du bist zu misstrauisch.“

Scarf zuckte die Schultern und deutete mir an ihm bei dem Wasserfass zu helfen, was ich eher widerwillig tat.

„Nein, bin ich nicht. Das sind stets berechtigte Zweifel.“

Als wir in die Nähe des Strandes kamen, kroch mir der Duft von brutzelndem Fleisch über einem offenem Feuer in die Nase und das ausgelassene Gegröle von betrunkenen Seemännern. Schlagartig war ich in Feierlaune und beeilte mich das Fass abzuliefern. Nach den ersten zwei, drei Humpen Rum verdrängte ich die Geschehnisse des Tages.
 


 

Am nächsten Morgen wachte ich davon auf, das Scarf mir Sand in den offenen Mund streute. Meine erste Reaktion war, dass ich aufspringen und ihn ertränken wollte, letztendlich übergab ich mich einfach auf seine Füße. Musste als Rache reichen, zu mehr war ich gerade nicht in der Lage.

Während der Penner jammernd ins Meer stapfte und sich die Stiefel wusch, erwachten auch die Anderen um uns herum und das morgendliche, schwer versoffene Stöhne begann. Wir machten uns bereit zur Abfahrt und mit der körperlichen Betätigung kamen auch die Lebensgeister zurück. Selbst Scarf fasste mit an und so waren recht schnell die angebrochenen Rumfässer an Bord geladen, ebenso das übriggebliebene gebratene Fleisch und ein paar Früchte, welche eine willkommene und schmackhafte Alternative zu Dörrfleisch und Schiffszwieback darstellten. Nur mein bester Kumpel Holluschick war weit und breit nicht zu entdecken, ich ging davon aus, dass er seinen ersten heftigen Rausch unter Decke zubrachte.

Es hatte gestern eine kleine Auseinandersetzung zwischen Bronson und dem Rest der Mannschaft gegeben, ob das Büblein überhaupt was trinken dürfte. Schließlich war ihm anzusehen, dass er alles andere als trinkfest war und unser Quartiermeister wollte am nächsten Tag wohl nicht mit einem Dauerkotzer gesegnet sein. Der Captain beendete die Meinungsverschiedenheit einfach damit, dass er dem dämlichen Schnorrer einen Krug in die Hand drückte und ihm vergnügt zuprostete. Dafür war es dann auch seine Aufgabe den kleine Nichtsnutz, dem nach nem halben Krug der Kopf auf die Brust sank, aufs Schiff zu schleppen um ihn dort in Ruhe pennen zu lassen.

Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr an den Störenfried und half lieber nach wiederkehrenden Kräften das Schiff aus der seichten Bucht zu befördern, was wirklich eine beschissen anstrengende Arbeit darstellte. Schließlich steckten Teile des Rumpfes im Sand, also so, wie wir das Schiff gestern an und auf Land gelegt hatten. Demnach war Ziehen und Schieben in der knallenden Morgensonne angesagt.

Nach einigen Strapazen konnten wir endlich die Segel aufziehen und die meiste Arbeit dem Wind überlassen. Ich hing über der Reling und starrte zurück auf die Insel, da trat Scarf neben mich und schaute mit zurück. Noch war jede einzelne Palme gut zu erkennen.

„Na, geht’s dir besser?“

„Halt’s Maul, Mann. Wo hast du deine Freizeitbeschäftigung gelassen?“

Just in diesem Moment tauchte eine Gestalt zwischen den Palmen auf und rannte etwas schlingernd und mit den Armen rudernd an den Strand. Ich war mir ziemlich sicher dass es sich dabei um eben besagten Holluschick handelte und fuhr mit offenem Mund zu Scarf herum. Der lächelte lediglich milde amüsiert und nickte mir zu.

„Ach, der bleibt auf der Insel.“

Abgesehen von uns beiden waren alle Mann beschäftigt und niemand bemerkte die immer kleiner werdende Gestalt auf dem Eiland.

„Willst du ihn dalassen?“ Ich hatte nichts dagegen, eine Nervensäge weniger.

„Ja, ich brauch ihn nicht mehr. Und er hat ja Frischwasser und genügend Wild und Früchte, da wird er also durchhalten.“

Das war selbst in meinen Ohren ziemlich hart und gerade bei seinem vorhergegangen geschwisterlichen Verhalten erschreckte mich seine Aussage umso mehr. Dann fiel mir wieder ein um wen es sich da auf der Insel handelte und ich grinste.

„Du hast ihm gestern irgend ein Schlafmittel in den Rum gemischt.“

Scarf warf mir einen amüsierten Blick zu.

„Ich schäme mich auch beinahe.“

„Du bist ein Arsch. Warst so nett zu ihm bis du deinen Willen bekommen hast.“

„Und dann war er wertlos für mich und hätte sich später als Hindernis entpuppen können. Ich denke, wir können noch viel von ihm erwarten, und nicht viel Angenehmes von Robert Surcouf.“ Kaltes Kalkül schwang in seinen Worten mit und dies verwunderte mich mehr als die nicht gerade ehrenwerte Tat an sich.

Auf einer Insel ausgesetzt zu werden war die verbreitetste Strafe für Meuterer und Diebe innerhalb der Mannschaft. Normalerweise wurden die Bastarde auf einem öden Eiland ausgesetzt, eine Ration Trinken und eine geladene Pistole, mehr gab es nicht zum Abschied. Der letzte Schuss war für den Verräter des Kodex vorbehalten und das Aussetzen stellte neben dem Kielholen die grausamste Bestrafung dar. Holluschick, den Namen den Scarf benutzt hatte war mir zu französisch um ihn über die Lippen zu bekommen, hingegen hatte es mit seiner bewachsenen Insel mit fließend Wasser noch sehr human getroffen.

„Ich hätte kaum gedacht, dass du derart berechnend bist.“

„Hast du Mitleid mit ihm?“

Ich schnaubte bloß abfällig und schüttelte mit angewiderter Miene den Kopf.

„Eine unerträgliche Nervensäge an Bord ist schon zuviel!“

„Der Meinung war ich auch!“, nickte mir mein Captain zu und wandte sich summend ab um an das Ruder zu schlendern.

Ich verspürte die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen, war mir aber nicht sicher, welchen Ursprung sie hatten. Rum oder Scarf. Beides hatte einen schalen Nachgeschmack.
 

Avast, das erste Kapitel im neuen Jahr! Große Abenteuer stehen an, ich hoffe doch, dass sie mit Erfolg gesegnet sind.

Und nun höret, es gibt wieder ein Kusterwerk zu bestaunen, ein weiteres Bild ziert meine Wand. Natürlich die Wand, auf die ich starre wenn ich gerade nicht weiter weiß. Lobpreisen wir zusammen Captnund schauen wir uns ihre Bilder an!

Arrr, auf in frische Gewässer, meine werten Seeräuber!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-03-10T18:06:18+00:00 10.03.2010 19:06
Haaa, gefunden. Ich sitze hier schon seit mind.10 min und versuche das Ding zu finden wo man die Kommentare schreibt.

Also, als erste, es geht doch weitr oder?! Bitte, bitte, bitte ja!
Die Geschichte is so geil.
Ich kanns garnicht beschreiben, aber sie übertrifft FdK in Humor, skurrilität, Fantasie, blutrünstigkeit, Charakteren usw bei weitem!!!

Ich bin seit deiner Geschichte totaler Piratenfan geworden.

Übrigens ist Scarf so heiß, ich musste mir erstmal einen neuen Schal kaufen ^^

LG
Von:  Captn
2010-02-16T00:12:17+00:00 16.02.2010 01:12
"Rum oder Scarf. Beides hatte einen schalen Nachgeschmack."
*prust* wie kannst du nur so einen Satz am ende eines Kapis bringen, da kräuseln sich ja all meine Homo-Sinneszellen.

Marco wird tatsächlich immer ausgeglichener. Hat er sich einfach mit Scarf abgefunden, oder haben seine Therapiestunden beim Gesprächigen John auf dauer Früchte getragen?
Ha! Du Klischee-Tante! Also echt, Tattoo als Schatzkarte, zezeze....
Aber schöne Idee mit dem Po.
Ich dachte ja im ersten Augenblick, das es vielleicht mal sinn gemacht hatte, als er Fünf war. Und das sich dann nach seinen Wachstumsphasen das Bild so merkwürdig verzerrt und ausgedehnt hat, dass es jetzt keinen sinn mehr zu ergeben scheint...
Also Muss Marco jetzt versuchen, Scarf Arsch- und Rückenbild an den richtigen Stellen wieder zusammenzufügen...na, davon ist er bestimmt wahnsinnig begeistert....
xD
Find ich schön, das du Robbääääär ausgesetzt hast xD. Der wär eh bei der nächsten Seeschlacht hopps gegangen oder hätte alle verraten oder so. Ich trau dem Blach nich...




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