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C'era una volta...

Oder ein Schal auf Schatzsuche
von

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Wäre das Leben doch nur frei von Überraschungen...

So, nun stand ich da also in einem völlig erbärmlichen Aufzug und einem hustenden wahnsinnigen Pulverfass neben mir. Innerlich verfluchte ich mich selbst, dass ich mich auf diese ganze Sache eingelassen hatte, schließlich lief sie ganz klar auf meinen Nachteil hinaus. Aber unerklärlicherweise begann ich mich für diesen vollidiotischen Captain verantwortlich zu fühlen, obwohl der Gedanke allein schon ausreichte mir die kalte Panik in die Glieder zu jagen. Ich wusste auch nicht so genau woran ich es fest machen sollte, aber seit seinem Abgang über Bord alarmierte mich etwas an Scarfs Verhalten. Wahrscheinlich war es einfach sein verfluchter Leichtsinn, welcher uns eines Tages allen das Genick brechen würde.

Bei mir war es heute Abend so weit, meine Ehre lag röchelnd in den letzten Zügen am Boden und ich zupfte an meinen Rüschen am Hemd herum. Es war unglaublich erniedrigend. Einfach nur unbeschreiblich und im Grunde war ich fassungslos, dass ich tatsächlich auf Scarfs Bedingung eingegangen war.

„Wärest du bitte so freundlich und bindest mir diese Schleife um den Zopf?“ Ungeachtet meiner leicht explosiven Lage wedelte mir mein persönlicher Tyrann mit einem Stoffband vor der Nase herum.

„Du hast richtig Spaß an der Sache, nicht wahr?!“, knurrte ich ihm warnend zu, aber er ignorierte die eindeutige Mitteilung mal wieder rigoros. Ich riss ihm die Schleife aus der Hand und machte Anstalten sie um seinen dunkelbraunen gewellten Zopf zu binden. Widerspenstig kringelten sich die Locken überall hervor und ich räusperte mich. „Dein Zopf schaut aus wie der eines Fünfjährigen.“

„Oh, es tut mir wirklich leid, dass meine popelige Frisur nicht Euren Ansprüchen standhält, der Herr!“ Gespielt pikiert näselte Scarf und wich meinem halbherzigen Hieb aus.

„Halt’s Maul! Als Seemann kannst du so verlaust rumtaumeln, aber so gehst du niemals auch nur ansatzweise als Adelsmann durch. Glaub mir, ich hab genug reichen Pennern die Kehle aufgeschlitzt um zu wissen, wie affig die ihre Haare tragen!“ Etwas grober als unbedingt notwendig zog ich den Quälgeist an seinem Zopf zu mir zurück und begann die wirren Zotteln mit einem grobzinkigen Kamm zu bändigen. So konzentriert wie ich war, bemerkte ich erst nach einiger Zeit, dass Scarf vor Behagen summte. Ich gab mir größte Mühe diese leicht verstörende Tatsache einfach zu ignorieren und beendete mein Werk mit der perfekten Schleife.

Neugierig tastete Scarfs Hand über seine Frisur und völlig begeistert strahlte er mich an.

„Das kannst du wirklich gut!“

Angesichts seiner aufrichtigen Begeisterung unterließ ich es ihm das Grinsen aus der Fresse zu schlagen und zuckte nur möglichst beherrscht die Schultern.

„Ich hab ein paar Schwestern, da lernt man das notgedrungen. Können wir jetzt das ganze Theater hinter uns bringen oder wartest du auf einen besonders günstigen Zeitpunkt um uns am effektvollsten bloßzustellen?“

„Nein, du hast recht. Wir sollten los. Bei beginnender Dunkelheit wird der Gouverneur wohl keine Fremden mehr in sein Haus lassen.“ Er bedachte mich mit einem leicht amüsierten Blick. „Andererseits müssen wir so bei Tageslicht zu seinem Hauptsitz gehen...“

Bevor ich es mir noch überlegen konnte doch lieber auf dem Schiff zu bleiben, hatte er mich schon am Handgelenk gepackt und halb aufs Deck geschliffen. War dort zuerst noch ein leises Raunen über die Planken geweht, herrschte bei unserem Betreten mit einem Mal ein peinlich berührtes Schweigen. Ich knurrte ungehalten und mir lagen Tausende von Flüchen auf der Zunge, da begann der beknackte alte Sven zu kichern und Scarf stimmte fröhlich mit ein. Nun war ich an der Reihe den Anderen am Handgelenk hinter mir her zu ziehen. Er jammerte ein wenig ob meines festen Griffes, aber ich gab mir alle Mühe meine Wut nicht laut hinauszubrüllen, sondern einfach nur Scarf gezielt weh zu tun.
 


 

Wir erreichten den Gutshof des Gouverneurs ohne weitere Zwischenfälle oder Tote. Ab und an glaubte ich ein unterdrücktes Gelächter zu vernehmen, aber aus irgendwelchen Gründen verstummten sie meist schon vor dem von mir befürchteten Ausbrechen. Ich wurde immer wütender darüber, dass mir so das Ventil für einen Wutausbruch genommen wurde und stakste auf diesen verdammten hohen Hacken ungelenk den Weg entlang. Neben mir türmten sich Statuen und protziges Buschwerk, welches jemand trotz der karibischen Vegetation in einem europäisch angehauchten Schick gezähmt hatte. Mir wurde schlecht vor so viel Kitsch.

Scarf stiefelte gut gelaunt neben mir her, ein gelegentliches bewunderndes „Ah“ oder „Oh“ seufzend. Selten habe ich ihn so sehr gehasst wie in diesen zehn Minuten, die wir für die Durchquerung des abartig aufgetakelten Stück Parks benötigten. Als wir endlich die große marmorne Treppe des Anwesens erreichten, war ich so dankbar wie selten zuvor.

Instinktiv sah ich mich nach versteckten Wachen um, ich hatte schon mehr als eines solcher Herrenhäuser auf einem Raubzug geplündert und manche reichen Bastarde waren erstaunlich kreativ im Platzieren von Waffen und Wachen. Aber niemand trat mit einer Pistole in der Hand hervor, keine Hellebarde zeigte auf uns, von nirgendwo her erklang das Geräusch eines ziehenden Schwertes. Es blieb ruhig. Und ich wurde nervös. Stille bedeutete meistens nichts Gutes, zumindest nicht meinen Instinkten nach. Ein wenig unsicher sah ich zu meinem noch immer fröhlich summenden Captain hinüber und schlagartig übernahm wieder die Wut Herrschaft über meine Gefühlswelt. Er strahlte wie ein alter Seebär vor einem Gratisfass Rum. Als er dann auch noch die Dreistigkeit bewies mir vergnügt zuzuzwinkern, brannte mir beinahe die Beherrschung durch. Dem großen Gott sei Dank, zumindest der von Scarf, erschien am oberen Ende des geschwungenen Aufstieges ein livrierter Diener und hüstelte uns willkommensheischend zu.

„Dü werten ’erren wünschen?“, näselte er mit einem abartigen französischen Akzent.

- Hierbei muss ich wohl anmerken, dass ich keine Franzosen mag. Es kann sein dass diese Einstellung auf der Grundfehde um die Herrschaft der Ozeane beruht, aber das muss es nicht. Ich bin auf meinen Fahrten vielen französischen Schiffen begegnet, natürlich haben wir sie angegriffen, denn nur die Menschen verachtet man, nicht ihre Ware, und ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass die Schinder der Franzosen die Schlimmsten sind. Da kommt kein Engländer, kein Spanier und auch kein Holländer auch nur annähernd ran. Daher sollte man von nun an ein wenig von meiner negativen und unfreundlichen Grundeinstellung absehen, aber was soll man machen? Schon mal deinen besten Freund kielhohl lassen gesehen? Nein? Dann frag mal einen französischen Bootsmann, der erledigt das mit Freuden! -

Zurück zum eigentlichen Grund des Übels. Scarf deutete eine elegante Verbeugung an, die mich ein wenig in Erstaunen versetzte. Ich hatte zwar mittlerweile verstanden, dass der Wahnsinnige an meiner Seite wohl auch ein anderes Leben geführt hatte, aber als ich mich ebenfalls an der kleinen Ehrerbietung versuchte, fiel ich beinahe um. Das richtige Verbeugen war gar nicht so einfach.

„Wir würden gerne Gouverneur Spendwell mit einem kleinen Gespräch beehren...“

Während Scarf die scheinbar normalen Floskeln herunterbetete, betrachtete ich ihn ausnahmsweise etwas genauer. Er wirkte seriös, sein dümmliches Strahlen war verschwunden und es ließ ihn weitaus erwachsener wirken. Seine Gestik und Mimik schien präzise, auf ein freundliches, aber absolut angemessenes Minimum reduziert und sprang einen aus jeder Pore mit Gewohnheit an. Er wirkte überraschen erhaben, wie ein geborener Anführer. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass er auf diese Art einen beinahe vertrauenswürdigen Captain abgeben würde und schalt mich stumm einen Idioten. Schließlich war das jetzt nur Theater.

Oder? Was wäre, wenn der übliche, dumm-dämliche Scarf eine einzige Maskerade wäre? Der alles, seines und unsere Leben, auf Spiel setzt für.... Ja, für was denn dann eigentlich? Er hatte kein Ziel, zumindest keines welches einen Sinn ergab.

Ein leises Hüsteln riss mich aus meinen verschwörerischen Gedanken und mit seinem üblichen Grinsen in der Visage sah Scarf mich erwartungsvoll an.

„Wir werden angekündigt.“ Mit bemessenen Schritten begann er die große Treppe zu erklimmen und ich folgte ihm so schnell wie möglich. Normalerweise war es meinem unfreiwilligen Partner ein Leichtes mich auf Grund seiner sehr viel längeren Beine einfach abzuhängen, aber sein Husten machte ihm noch immer sichtlich zu schaffen. Er wurde immer blasser, seine Tritte immer unsicherer und gegen Ende des Aufstieges stütze er sich schwer gegen das vergoldetet Schnörkelgeländer.

Nicht mal dem Tode nahe würde ich so einen ekligen Prunk zur Hilfe nehmen!

Ich folgte ihm schweigend, mir waren die richtigen Worte einfach abhanden gekommen. Auch wenn ich innerlich den Drang hatte ihn wild zu beschimpfen, ich konnte es einfach nicht verhindern dass ein wenig Sorge in mir hochstieg. Bronson würde mich die Neunschwänzige ordentlich schmecken lassen, sollte Scarf abkratzen...

Aber er schaffte es, irgendwann stand er an der breiten Holztür, welche reich verziert den Eingang in das Heim des Gouverneurs kündete und verbiss es sich keuchend die Hände auf die Oberschenkel zu stützen.

„Scarf?“ Ich räusperte mich ein wenig betreten. „Geht’s?“

Er holte die Luft, dann überkam ihn ein heftiger Hustanfall, welcherr ihn schüttelte und beinahe auf die Knie fallen ließ. Ich machte einen Satz auf ihn zu, fing ihn an den Schultern auf und hielt ihn fest. „Hey!“

Als er anfing blau anzulaufen, sah er mir in die Augen und diesen hilflosen, ängstlichen Blick werde ich niemals vergessen. Noch heute begegnet er mir in Träumen und das sind dann auch eher die Albträume.

Ohne weiter zu überlegen holte ich aus und schlug Scarf mit mehr als nur notwendiger Gewalt auf den Rücken. Er kippte vor, steckte den Kopf durch das Brüstungsgeländer und kotzte aus, was auch immer seinen Atemweg verstopft hatte. Ich blieb ein wenig auf Abstand, schließlich wollte ich nichts von dem Gerotze abbekommen. Scarf hörte auf zu zittern, er rang immer weniger pfeifend nach Atem und ich begann mich ein wenig zu entspannen.

„Danke.“ Seine Stimme klang nach raschelndem Laub, brüchig, aber immerhin verständlich.

„Kannst du aufstehen?“ Sentimentalitäten lagen mir fern, hatte ich trotz, oder vielleicht gerade auch deswegen, mehrerer Schwestern niemals wirklich erlernt. So ein Quatsch ist in unserem Gewerbe nur hinderlich, entweder überleben deine Mitmannen oder nicht.

Er stand ohne ein Wort zu verlieren auf, klopfte sich die Knie sauber und lächelte mich bemüht gelassen an. Scarf nickte möglichst vorsichtig und nahm Haltung an.

„Sicher...? Es wird keinen besonders guten Eindruck machen, wenn du vor dem Gouverneur zusammenbrichst.“

Bevor er mir antworten konnte, kam der livrierte Diener zurück und verneigte sich.

„Dör öhrenwörte Gouverneur wird Eusch nun empfangen.“

Unwillkürlich atmeten sowohl Scarf als auch ich einmal tief durch und traten neben den Speichellecker der Obrigkeit, der uns nun mit nasalem Tonfall und leichtem Kieksen ankündigte.

„Und ’ier wünscht seinö Gouverneurschaft su sehen Sir Rainär zu Fall. An seinör Saitö ischt Fürst Türgäht auf und su Mitälärm!“

Scarf lag wieder zitternd am Boden, dieses Mal vor unterdrücktem Lachen und ich glaubte innerlich zu sterben. Es kostete mich all meine Beherrschung dem absoluten Vollidioten neben mir nicht dermaßen in die Rippen zu treten und so kniff ich fest die Augen zusammen in der Hoffnung, dass es sich nur um einen ungnädigen Traum handeln möge. Weit gefehlt.

„Hast du... hast du das gehört?“ Scarf rannen vor Lachen Tränen das Gesicht herab während er sich aufrichtet und sich an meinem Ärmel festhielt. Seine Beine wackelten wie bei einem Säufer und er stütze die Hände in die schmerzenden Seiten.

Der Franzose starrte ihn vollkommen verwirrt an, ein solch ungebührliches Verhalten war ihm sicherlich noch nie untergekommen und ich machte mich schon einmal zur Flucht bereit. Jeden Moment rechnete ich mit alarmierten Wachen, doch stattdessen vernahm ich heiseres Lachen jenseits der Tür.

„Nun, da scheinen wir ja endlich mal interessanten Besuch zu haben. Francoise, lassen Sie die jungen Männer doch bitte in den Salon kommen!“

Ich vernahm weit ausgreifende Schritte und wurde den auffordernden Blicke des Dieners gewahr. Scarf lachte sich schon wieder stumm zum Teufel und schwankte neben mir her.

„Eines Tages werde ich dich töten, du Bastard!“, knurrte ich ihm ins Ohr während ich ihn augenscheinlich besorgt beim Gehen stützte. „Du bist einfach nur wahnsinnig!“

„Gnihihi... sein Name! Francois! Stereotypischer geht’s ja kaum...!“ Unbeeindruckt kicherte er weiter und ich sah mich gezwungen ihn durch sanften Druck auf seine noch von unserer kleinen Keilerei an Deck lädierten Rippen ein wenig zur Raison zu bringen. Nun keuchte Scarf vor Schmerzen auf und ich konnte mir ein kleines gemeines Grinsen nicht verkneifen.

„Wirklich lustig, da hast du recht.“

Unter Scarfs leisem Gejammer wurden wir dann zum Salon geführt und mir blieb erneut die Spucke fest.

Ich war festgetretenen Dreck als Boden gewöhnt, vielleicht noch ein paar Holzlatten. Aber in diesem Raum strahlten Wände und Fußboden weiß vor edlem Marmor, die hohe Decke war stuckverziert und die riesigen Fenster verspielt mit Gold verziert. Die Gier stieg mir schlagartig in den Rachen und meine Finger begannen zu jucken. Als wir an einem kleinen Schränkchen vorbeigingen, ließ ich ein vergoldetes Schälchen in den Aufschlägen meines Ärmels verschwinden. Dies bereitete mir wenigstens ein kleines bisschen Genugtuung. Immerhin musste ich dieses dämliche Theater hier ertragen. Scarf bedachte mein Tun mit einem amüsierten Blick und ich nahm mir vor ihm das Schälchen später an den hohlen Schädel zu werfen.

Der Gouverneur entpuppte sich als gut genährter, etwas ältere Mann, der es sich in einem samtbeschlagenen Sessel bequem gemacht hatte. Er deutete lächelnd auf eine ähnlich gefertigte Sitzmöglichkeit ihm gegenüber und unter vielem „Ah, zu freundlich“, „Herzlichesten Dank!“ und „Es ist mir eine große Freude, dass...“ schafften wir es nach einigen Minuten Platz zu nehmen. Ich schwieg und überließ Scarf das Reden.

„Ihr habt recht interessante Namen, meine Herren. Sehr schwer auszusprechen für meinen guten Francois.“ Die Stimme des Gouverneurs war tief, wohlklingend und er sprach in einem so breiten Englisch, dass es mir schwer fiel seinen Worten zu folgen. Ich runzelte konzentriert die Stirn und schaute zu meinem Wortführer hinüber, der bei der Erwähnung des Namens abermals in stummes Gelächter ausgebrochen war. Ich sah uns bereits auf dem Weg zum Galgen.

„Sagen Sie, Fürst....“, fragend wandte er sich an mich und ich zuckte etwas zusammen.

„Äh...“ Wie hatte Scarf mich noch vorgestellt, zum besoffenen Seemannstod?!

„Tirgit, Sir. Tirgit auf und zu Mittel Ärm.“ Der Grund meines zukünftigen Ablebens lächelte mir entspannt zu und mir blieb nichts weiter übrig als dem mit einem Nicken beizupflichten.

„Genau das.“

„Sind Sie zufällig verwandt mit den Mittel Ärms von Jamaica?“ Der Gouverneur schien Gefallen an dem Spiel zu finden und mir wurde immer heißer. Ich glaubte schon den Strick am Halse zu spüren.

„Nein. Erhm... Meine Verwandtschaft stammt von Little Colombia, Sir.“ Mir brach der Schweiß aus.

„Ach, dann kommen Sie aus der Familie des alten Samuel auf und zu Mittel Ärm.“ Scheinbar neugierig erfreut beugte sich der beleibte Mann zu mir vor und ich sah ein gefährliches Funkeln in seinen Augen.

Ich wurde beinahe ohnmächtig.

„Ja. Ja, genau,“ stammelte ich und versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich wagte es nicht zu Scarf hinüber zu schauen aus Angst, die Situation noch mehr zuzuspitzen. Warum konnte ich nicht ein Messer ziehen und es dem alten Mann mir gegenüber in sein wabbeliges Tripelkinn rammen? DAS wäre meine Art von ... Politik oder was auch immer. Nicht dieses dünne Eis, das gerade unter meinen Füßen zerschmolz wie Butter in der karibischen Sonne! „Er... ist der Großonkel meiner Mutter.“

„Freut mich zu hören. Wie geht es denn dem guten Sir Matthews?“

Die rauen Strickfasern zogen sich immer enger um meinen Hals und ich bekam kaum noch Luft.

„Gut. Er hat sich recht schnell von seinem Jagdunfall erholt,“ flüsterte ich und glaubte vor Hitze und Panik einfach nur zu sterben.

„Ausgezeichnet! Ich wusste doch, dass den alten Haudegen nichts umbringen kann!“

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen und sah nun doch zu Scarf hinüber, der sich entspannt auf seinem Sessel zurücklehnte. Er nickte zufrieden und rieb sich die Hände.

„Es ist immer wieder schön alte Bekannte zu treffen, nicht wahr, Sir?“ Mein selbsternannter Captain hatte sichtlich Spaß an der Sache und ich starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Also endgültig.

War ihm nicht klar, dass wir uns aufgrund seines lächerlichen Wortspieles in größter Gefahr befanden, dass uns der Gouverneur ganz nach seiner Laune einfach an das Gesetz ausliefern konnte? Wir würden schneller am Galgen baumeln als dass ich mir diese Schuhe noch einmal binden könnte.

„Sehr richtig. Und woher stammt Ihr Name, Sir zu Fall?“

„Nun, meine Familienverhältnisse sind ein wenig kompliziert. Leider habe ich keine bekannten Vorfahren, mit denen ich protzen könnte, werter Gouverneur.“ Scarf besaß doch tatsächlich die Dreistigkeit dem Herrn dieser Insel verschwörerisch zu zu zwinkern. „Meine Eltern sind beide einflussreiche Händler und die Familie meines Vater hat einen Schlag aus Deutschland, daher darf ich diesen doch recht interessanten Namen mein Eigen nennen.“

Ich sah mein Leben vor meinem inneren Auge vorbeiziehen und verstarb auf der Stelle.

„Doch, doch. Ich meine von Ihren Eltern gehört zu haben, Sir zu Fall. Und ich bin mir sogar sehr sicher noch vor wenigen Monaten recht einträgliche Geschäfte mit ihnen gemacht zu haben. Ihre Mutter ist eine Koryphäe im Handeln, dass muss man ihr lassen!“

Scarf klopfte sich vor Lachen auf die Schenkel und ich glaubte wahnsinnig zu werden.

„Ja, das ist sie wie sie leibt und lebt.“ Er strahlte über seine ganze Visage, ein merkwürdiger Stolz lag darauf und in seinen Augen war abzulesen, dass diese Hochstaplerei ihm sichtlich Vergnügen bereitete.

„Nun denn! Francois, würdest du bitte gehen und meinen Gästen einen guten Tee zubereiten? Mit Zucker, Gentlemen?“

„Aber mit dem größten Vergnügen!“ Scarf gestikulierte seine Begeisterung frei heraus, ich nickte lediglich.

Der Diener gab seinen Posten an der Tür auf, verneigte sich kurz und säuselte im schönst-schaurigen Akzent los:

„Wohin darf moi den Teei denn bringöhn?“

Moment mal? Wir... sollten den Raum verlassen? Wahrscheinlich standen die Wachen eh schon mit gezückten Schwertern hinter der Tür! Ich witterte sofort eine Falle.

„Wir ziehen uns in mein Arbeitszimmer zurück.“

Scarf sprang direkt auf, ich erhob mich wesentlich schwerfälliger da mir die Angst die Glieder lahm machte. Reflexartig suchte ich nach einem Fluchtweg, aber abgesehen von einem Sprung durch die großen Fenster sah es schlecht aus. Und ich war und bin dummerweise keine Katze.

Eine Hand legte sich beruhigend auf meine Schulter und ich konnte mich gerade eben noch davon abhalten sie wegzuschlagen oder mich der Berührung zu entziehen.

„Ganz ruhig, Marco. Es ist alles in bester Ordnung.“

Auch der Gouverneur stand etwas schwerfällig auf und das freundliche Lächeln, welches er mir schenkte, war echt. Und das war der Punkt des Tages, an dem ich nicht mehr hätte verwirrt sein können. Ich wartete, bis der Gouverneur uns passiert hatte und vorging, dann packte ich Scarf an seinem Schal – es sei angemerkt, dass er sich einen Neuen umgelegt hatte – und zischte ihm möglichst leise und giftig zu.

„In bester Ordnung? Du erzählst einen Scheiß, der uns noch enttarnt bevor wir auch nur angefangen haben uns neue Existenzen zu erlügen und dieser Geldsack auf zwei Beinen macht sich noch lustig über alles!“

„Wäre mir nicht aufgefallen.“ Scarf grinste mir breit ins Gesicht. Bevor ich es zu realisieren vermochte, hing mein Knie schon in seinem Magen. Er ging röchelnd zu Boden und der alte dicke Mann drehte sich um.

„Alles in Ordnung?“

Hätte ich nur einen Säbel dabei gehabt, dann hätte das reiche fette Schwein schon längst in seinem eigenen Blut gelegen, Scarf daneben und ich wäre mit den handlichsten Schmuckstücken auf und davon gewesen. Aber ich durfte ja keine Waffe mitnehmen, nicht mal einen Dolch. Höchstwahrscheinlich hatte Scarf meine kurze Frustrationsspanne in diesem Affentheater genauestens bedacht.

„Mir... war nur etwas... schwindelig.“ Scarfs Hand krallte sich in den Schoß meines Oberteils und hielt mich so zurück, bevor ich noch handgreiflich werden konnte. Er zog sich hoch, ein bisschen blass um die Nase. „Entschuldigung. Wir sind direkt hinter Ihnen, Sir.“ Sein warnender Griff wurde fester.

Ich blieb still, kochte aber innerlich wie wahnsinnig. Erst als wir das sogenannte Arbeitszimmer betraten und ich mir tatsächlich sicher war, dass es sich auch um das handelte was es darstellen sollte, beschloss ich meine Wut ein wenig zu begraben und mich an das Verstehen der Situation zu wagen. Nicht, dass mich diese Psychospielchen der Reichen, Adeligen und sonstigen Geisteskranken interessierten. Nein, meiner Meinung nach waren Probleme mit Leichen einfacher zu lösen.

Aber ich riskierte in dieser Sache mein Leben, oder zumindest meinen Stolz. Ich wollte eine verdammte Begründung dafür, dass ich mich zu Rüschenhemden und Absätzen und deren öffentliche Zurschaustellung hatte überreden lassen. Und ich wollte eine verflucht GUTE Begründung.

„Also, was soll dieses Wahnsinnstheater nun? Willst du uns umbringen?“

„Nein.“ Scarf massierte sich noch immer die Rippen, aber er setzte sich relativ ungezwungen an einen geschwungenen Konferenztisch. „Das ganze Theater war nur für den Diener. Auch wenn gewisse Gouverneure gegen gewisse Beträge gewisse Gegenstände erlassen, heißt das noch lange nicht, dass ein Bediensteter aus einer verfeindeten Monarchie nicht vielleicht auch ein eingeschleuster Spitzel sein könnte.“

Ein Punkt für Scarf und den Gouverneur. Aber die Sache hatte definitiv einen Haken.

„Wenn der livrierte Sack ein Verräter sein könnte, warum hat ihn der Gouverneur denn dann überhaupt eingestellt?“

Scarf sah mich eindeutig entrüstet an.

„Machst du Witze? Wie könnte man sich einen Lakaien mit einem derartig witzigen Akzent entgehen lassen?“

Ich wurde schon gar nicht mehr wütend. Ein wenig erschrocken bemerkte ich, dass ich gegen Scarfs Irrsinn zu resignieren begann. Und das war ein verdammt schlechtes Zeichen. Aber so langsam wurde mir der Tag auch zu lang, diese ganzen Absurditäten zuviel. Ich würde einfach nur noch alles anschauen und aus Rache sämtliche gereichten Kekse wegfressen.

„Nun denn, jetzt sind wir weitaus ungestörter, mein lieber Sir zu Fall. Ich denke mal, es handelt sich bei Eurem Besuch um eine geschäftliche Angelegenheit?“

„Erst einmal möchte ich mich bedanken, dass Ihr mich und meinen ersten Maat empfangen habt, Gouverneur Spendwell. Und natürlich liegt Ihr richtig, ich...“

Hatte ich bis dahin noch alles Englisch einigermaßen verstehen können, so wurde es nun langsam schwierig für mich. Ihr Slang wurde immer breiter und breiter und irgendwann hatten sich so viele Fachausdrücke aus den Bereichen Finanzierung und Bestechung dazwischengeschummelt, dass ich nichts mehr verstand obwohl ich die Worte verstand.

Scheinbar war mein Geist nicht auf derartige Geschäfte konzipiert – sieh an, auch ich beherrsche Fremdwörter – und daher schaltete er auf Sparflamme. Den Schluss der ganzen Aktion, Scarf und der Gouverneur wurden immer ernster und waren sich scheinbar einig, mein beknackter Captain versuchte nicht einmal zu handeln, bildete der Tausch eines dicken Sacks voller Münzen gegen ein in Leder gebundenen Umschlag. Meine Langeweile verpuffte kurz bei dem Geräusch des klimpernden Goldes, aber mein Magen war gut gefüllt von den ganzen gereichten Keksen und so ignorierte ich die Fortgabe des Schatzes.

Scarf verstaute den Lederumschlag sorgfältig in einer Innentasche seiner Jacke und endlich stand er auf. Das war der Startschuss, ich wollte endlich wieder hier weg aus dem ganzen Prunk und Protz und mich umziehen. Diese engen scheußlichen Klamotten wurden immer unangenehmer zu tragen, daher war ich wirklich glücklich, als Scarf das Angebot eines reichlichen Abendmahls inklusive Weinprobe ablehnte. Ich hätte zwar nichts gegen ein hervorragendes Essen gehabt, aber ich fühlte mich so unmännlich wie noch nie in meinem Leben und das war kein Zustand, den ich länger ertragen wollte als nötig!! Nicht mehr lange und ich fürchtete, dass meine Gewaltausbrüche in Kratzen, Kneifen und Beißen ausarten würden. Unvorstellbar!

„Habt vielen Dank für Eure Gastfreundschaft, werter Gouverneur.“ Mit diesen Worten verneigte sich Scarf und ich befürchtete, dass das inhaltslose Wortgeplänkel von Neuem starten würde.

„Nein, nein, es war mir eine Ehre, dass Ihr mich aufgesucht habt, die Herren.“ Scheinbar würde das Ganze in eine Art Wettbewerb der leeren Phrasen ausarten und ich rieb mir gestresst die Schläfen.

„Nun denn, werter Fürst auf und zu Mittel Ärm. Ich hoffe doch sehr, dass Sie mir Sir Matthews grüßen, den alten Haudegen. Ich vermisse die guten alten Seeschlachten an seiner Seite.“ Der alte Mann zwinkerte mir verschwörerisch zu, ich konnte mir nur ein hölzernes Grinsen abringen.

„Werde ich machen, Sir.“

Und dann endlich waren wir draußen.
 

Mast- und Schotenbruch! Was für Untiefen galt es wieder zu überwinden, aber arrr. Nichts kann uns aufhalten!

Mein lieber Capitain, wann steuern wir endlich mal wieder den Hafen Freizeit an?

Nichts in Aussicht, so eine Skorbutsauerei.

Aber Seemann wäre kein Seemann, wenn es nicht auch ein laues Lüftlein gebe, nicht wahr?

Leute, ich gehör ins Bett! XD Bis demnächst!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  James
2009-12-04T19:08:50+00:00 04.12.2009 20:08
ja, das war jetzt auch furchtbar konstruktiv T_T'
Von:  James
2009-12-04T19:08:34+00:00 04.12.2009 20:08
jaaa.... marco in strumpfhosen.. sieht man seinen p*nis???? :o
also zeichnet er sich ab oder so?? issa gut bestückt?????

Von:  Captn
2009-11-20T21:37:30+00:00 20.11.2009 22:37
AHAHAHAAAAHAAAAAHAAAA! *zitternd auf dem Boden lieg*
DIeser Wortwitz, der ist so schlecht das er genial ist! xD
"Fürst Türgäht auf und su Mitälärm" Ey, ich lach immernoch wenn ich das aussprech!
Hach, schön....
Super Kapi, ich hab mich prima amüsiert.
Und Marco und Scarf wachsten immer mehr zusammen, die sind schon voll die krassen Freunde, altaaaaa! x3
Aber dein Franzose hats mir hier echt angetan, der ist daas Highlight des Kapis! *______*

Gute Arbeit, Maat!
Arrrr, setz die Segel und reise bei tagesanbruch zu mir, auf das wir das neuste Seemannsgarn austauschen können.


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