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Hochseilballerina

von

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Tap. Tap. Tap.

Meine Schritte knirschen auf dem Stroh. Es liegt hier überall auf dem Boden. Langsam schreite ich durch die Dunkelheit, auf das Ende dieses Tunnels zu. Ich sehe ein Licht ganz dort hinten. Nähre mich ihm langsam, doch dorthin will ich nicht. Immer noch knirschen meine Ballerinas auf dem Stroh. Mein Körper ist in ein hautenges Kostüm gezwängt. Jedes Gramm zu fiel sieht man hier. Langsam nimmt die Geräuschkulisse zu. Gemurmel, Gelächter… Ohs und Ahs. Aus allen Reihen.

Wie sie freudig alles kommentieren. Lachen, jubeln, ihre Arme erheben.

Will ich das?

Mir ist schlecht. Vielleicht hätte ich mich nicht vor ein paar Minuten noch auf dem Klo übergeben sollen. Aber so bin ich leichter. Biegsamer. Wundersamer.

Tap. Tap. Tap.

Jubel, Trubel, Heiterkeit. Komm‘ in den Zirkus. Hier erlebst du Wunderwelt. Artisten mit komischen Talenten, Spaßmacher mit heiteren Witzen. Komm‘ herein. Setz‘ dich. Friss Popcorn bis dir schlecht wird.

Ich nähre mich dem Licht. Eine Hand klopft mir noch einmal auf die Schulter.

Ein „Streng dich an“ wird mir leise ins Ohr geraunt. Schon geht es los.

Ich beginne meine Schritte zu beschleunigen. Der Direktor kündigt mich an. Krampfhaft verziehe ich meine Muskeln zu einem Lächeln. Schmerzhaft beißen meine Zähne aufeinander.

Jetzt bin ich drin. Lachend winke ich den Kindern in ersten und letzten Reihen zu. Laufe in der Manege umher, vollführe dabei einen Salto. Ein leichtes für ein Fliegengewicht wie mich. Dann geht es schon los. Mit tosender Stimme verkündet der Direktor, dass ich mich nun in gewaltige Höhe begebe. Langsam befolge ich seine Anweisungen. Stufe für Stufe erklimme ich die Leiter. Höher, immer höher. So lange bis mir schlecht wird. So schlecht. Doch mein Magen ist leer. Es wird wieder kein Missgeschick passieren.

Nun stehe ich hier. Blicke strahlend zu dem wartenden Publikum. Pose hier. Pose da.

Sie sind nun still. Wartend. Lauernd sitzen sie alle da. Sie haben bezahlt. Wollen jetzt für ihr Geld was sehen. Vielleicht falle ich ja runter. Breche mir alle Knochen. Bin gelähmt mein restliches Leben lang. Leicht gesichert nur mit einem feinen, fast unsichtbaren Seil. Kein auffangendes Netz am Boden, denn dass würde nur die Spannung rauben. Erster Schritt auf das wacklige Seil. Zweiter Schritt. Balancierschirm in der Hand.

Wieso weiß denn keiner, dass ich das nicht will?

Hocke.

Wieso weiß keiner, dass ich für diesen federleichten Körper täglich kotze?

Drehung.

Wieso weiß keiner, dass ich Höhenangst habe? Alpträume jede Nacht?

Leichtes Wippen zur Spannungssteigerung.

Und warum nur, tue ich mir das trotzdem immer wieder an? Für wen? Für einen Vater, dem das Wort Familie fremd ist?

Halt wieder bekommen. Erleichterte Ahs und Ohs.

Tue ich es heute? Keiner weiß es. Von meiner Tat letzte Nacht. Immer wenn ich verheult nachts aufwache, schleiche ich zu den Sicherungsseilen und fange an die meine leicht anzuschneiden. Nur ein paar Schnitte. Bei Gebrauch würden sie sicherlich reißen. Wozu weiterleben? Ich suche fieberhaft den Grund, doch er will mir nicht einfallen.

Leichter Sprung. Erschrockene Aufschreie.

Tränenüberströmt blicke ich hinauf. Blicke dorthin, wo ein Himmel sein sollte. Es ist okay.

Ich falle.
 

Nach dem Unfall im Zirkus Kuntibuntios sind die Veranstalter sowie alle Artisten tief betroffen von dem Unfall. Ihre junge, bildhübsche Hochseiltänzerin war bei einem Auftritt gestürzt und dabei auf dem Boden aufgeprallt. Schädeldecke geplatzt. Sicherungsseile waren angeschnitten. Ein Attentat oder Selbstmord? Viele der anwesenden Kinder sowie Eltern müssen nun nach dem Vorfall eine psychiatrische Behandlung aufsuchen. Zuschauer der ersten Reihen mussten für das verspritzte Blut auf der Kleidung entschädigt werden. Insgesamt hat der Direktor diese Saison einen Verlust eingefahren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Monsterseifenblase
2009-07-03T15:52:59+00:00 03.07.2009 17:52
Heeeyyy...bin durch Zufall auf deine hübsche kleine Geschichte gestoßen und mir gedacht gibste auch mal deinen Senf dazu:)
Also, sprachlich finde ich, haste das echt cool gemacht. Man kann sich schön reindenken und es ist auch angenehm zu lesen, in der Hinsicht echt Daumen hoch.
Aber wenn ich ehrlich bin, fand ich es ein bisschen seltsam, dass sie angeblich höhen Angst hat. Ich kenn jemanden, der hat richtig Höhenangst und da brauchst du schon einiges an überredenskunst um ihn dazu zu bringen aus einem dritten Stock mal auf nen Balkon zu gehen;)
Und wenn man dann bedenkt, dass sie meisten in solchen Extremsituationen richtig panisch werden, glaube ich nicht, dass sie in mit Höhenangst in der Lage wäre eine Hochseiltänzerin zu sein...:)
Von daher:P
Und eins fand ich auch etwas übertrieben und zwar das:

Zuschauer der ersten Reihen mussten für das verspritzte Blut auf der Kleidung entschädigt werden.

Keine Ahnung wieso, aber ich finde, dass hat da nicht so hingepasst. Insgesamt eine schöne und angenehm zu lesende Geschichte die sich aber inhaltlich vielleicht noch etwas verbressern ließe:)
Lg
Biss
Von:  CassiopaiaRiddle
2009-06-01T02:51:04+00:00 01.06.2009 04:51
Ich muss sagen ich finde deine Geschichte einfach gelungen, auch wenn sie sehr nachdenklich stimmt oder vielleicht auch gerade deswegen. Ich finde vor allem die Idee sehr gelungen und auch sehr stimmig umgesetzt. Gerade diese Gedankengänge von ihr sind super nachzuvollziehen, als würde man wirklich ihre Gedanken hören. Ich finde auch gut, dass du nicht alles wirklich erklärst. Also zum Beispiel schneidest du nur an, dass irgendwas mit ihrem Vater war aber doch nicht genau was. Das macht für den Leser wirklich dieses Gefühl, ok sie macht es nicht unbegründet aber man hat trotzdem noch die Fantasy darüber nachzudenken ohne alles vorgekaut zu bekommen.
den Schluss finde ich hast du auch super gewählt mit so einem kurzen „Zeitungsartikel“. Ich finde das rundet das gesamte gut ab.
Ich gratuliere dir zum zweiten Platz mit dieser gelungen Geschichte ^^

Von:  Ryoko-chan
2009-02-17T16:21:27+00:00 17.02.2009 17:21
Ich finde, das Ganze hätte etwas ausführlicher sein können. Das kommt alles so Schnell auf einmal.
Und leider finde ich es auch etwas unrealistisch, dass sie Höhenangst hat und sich selbst die Sicherungsseile durchschneidet.
Was mir dagegen gut gefallen hat, das es auch mal ein anderes Thema ist im Zusammenhang zu Essstörungen. Ich habe ehrlich gesagt, noch nicht darüber nachgedacht, was alles beim Zirkus wirklich abgeht. Das die Artisten eine Essstörungen entwickeln könnten.. nie daran gedacht. Beim Balett ja, beim Zirkus nein. Also eine interessante Idee.
Der Schlussabsatz gefällt mir nicht. Das klingt wie ein Zeitungsartikel, soll es vllt auch sein? Dann hättest du es vllt kursiv machen sollen. Mit Datum usw. Dann wäre es das ganz gut rüber gekommen.
Sorry, dass ich soviel rummäkel.
Fazit: Leicht unrealistisch, nicht durchdacht genug, kurz.. aber ein interessantes Thema, mit dem man sich mal beschäftigen sollte.

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