Zum Inhalt der Seite

Suffer...until you're dead

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eine anstrengende Geschäftsreise

So, hier ist nun endlich das nächste Kapitel. Hat leider doch etwas länger gedauert, als ich gedacht hatte^^.
 

Viel Spaß beim Lesen!

__________
 

6. KAPITEL: EINE ANSTRENGENDE GESCHÄFTSREISE
 

Am nächsten Morgen erwachte ich zeitig durch das Nerv tötende Klingeln meines Weckers. Missmutig tastete ich nach den Aus-Knopf und hätte mich am liebsten einfach umgedreht und weitergeschlafen. Die unfreiwillige Shoppingtour am Abend zuvor hatte doch länger gedauert als erwartet. Aber dafür besaß ich jetzt ein vernünftiges Kleid, die dazu passenden Accessoires… und würde wahrscheinlich am Ende des Monats kein Gehalt mehr kriegen. Blöder Seto Kaiba! Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, warum ich den Job nicht einfach hinschmiss und kam wie immer zu dem Schluss, dass ich wahrscheinlich nie wieder eine so gut bezahlte Arbeit bekommen würde. Da half nur Zähne zusammen beißen und durch.

Stöhnend wälzte ich mich aus dem Bett und tappte unter die Dusche. Danach fühlte ich mich schon wesentlich wacher.
 

Um Punkt sieben Uhr stand ich mit meinen schon etwas ramponiert aussehenden Koffern vor dem Haus und wartete auf das Taxi, das mich zum Flughafen bringen sollte, wo Kaibas Privatjet untergestellt war. Ich hatte vielleicht gestaunt, als ich davon erfahren hatte, aber so im Nachhinein dachte ich, ich hätte damit rechnen können. Bei dem vielen Geld, das mein Chef erwirtschaftet hatte, könnte er sich bestimmt mühelos zehn von den Dingern leisten. Die Frage war nur: Was sollte man mit zehn Privatjets?

In Erwartung eines kleinen gelben Autos mit Schild auf dem Dach spähte ich die Straße hinunter und bekam große Augen, als ich die Limousine bemerkte, die auf mich zusteuerte und neben mir am Bürgersteig hielt. Die Fahrertür öffnete sich und der Chauffeur, den ich vor einigen Wochen bereits kennen gelernt hatte, stieg aus, um mir die hintere Tür zu öffnen. Mit dem leichten Gefühl gerade ein Déjà-vu zu erleben, kletterte ich neben Kaiba auf die Rückbank. „Ich dachte, Sie wollten mich erst am Flughafen treffen“, brachte ich anstatt einer Begrüßung hervor, viel zu erstaunt um mich mit Höflichkeiten aufzuhalten.

Kaiba, der diesmal ausnahmsweise keinen Laptop vor der Nase hatte, warf mir einen kalten Blick zu. „Und ich dachte, ich erfahre besser früher oder später, ob Sie auch in der Verfassung für diese Reise sind.“

„Ob ich in der Verfassung bin?“, wiederholte ich, nicht sicher worauf er hinaus wollte, bis mir aufging, dass er wahrscheinlich auf meinen Zusammenbruch vom Vorabend anspielte. Sofort setzte ich eine verschlossene Miene auf. „Es geht mir gut“, beschied ich ihn hitzig. „Und ich hätte Sie genauso gut am Flughafen treffen können.“ Na toll! Ich war kaum drei Minuten mit dem Kerl zusammen und schon war er auf dem besten Weg, mich einmal mehr in Rage zu versetzen. Da ich mich aber heute Morgen nicht in der Lage fühlte, einen neuen Streit zu beginnen, ruderte ich schnell wieder einen Schritt zurück und fügte etwas versöhnlicher hinzu: „Aber trotzdem danke fürs Abholen.“

Kaiba zuckte mit den Schultern. „So erspare ich mir wenigsten die Mühe, Sie am Flughafen erst suchen zu müssen.“

Okay, hatte ich gerade etwas von „nicht streiten“ gesagt? „Was soll das denn bitte schön heißen?“, brauste ich auf. „Zufällig weiß ich, von welcher Startbahn ihr Privatflieger abfliegen soll. Ihre Suche wäre daher total unnötig gewesen. Ich hätte den Treffpunkt „im Flugzeug“ schon gefunden.“

Darauf erwiderte Kaiba nichts. Stattdessen zog er nur abschätzig eine Augenbraue hoch, was mich noch wütender machte. „Was soll dieser „Wer’s glaubt“-Ausdruck auf ihrem Gesicht? Das Vertrauen, das Sie in meine Fähigkeiten setzen, scheint ja keine Grenzen zu kennen!“ Eingeschnappt wandte ich mich ab und blickte ärgerlich auf die vorbeiziehenden Häuserreihen vor dem Fenster. Der Chauffeur, der nicht im Geringesten auf unsere Auseinandersetzung geachtet zu haben schien, schlängelte die Limousine geschickt durch den all morgendlichen Berufsverkehr in Richtung Flughafen.

„Und, waren Sie gestern erfolgreich?“, brach Kaiba schließlich das eisige Schweigen, das sich zwischen uns aufgebaut hatte.

„Das werden Sie ja sehen, wenn die Rechnung kommt“, erwiderte ich unfreundlich, noch nicht wieder in der Stimmung, mich versöhnlich zu zeigen. Was fiel diesem aufgeblasenen Kerl eigentlich ein? Wenn er so wenig von mir hielt, konnte er mich genauso gut gleich feuern und in meinem derzeitigen Zustand hätte ich wahrscheinlich nicht einmal protestiert. Allmählich drängte sich jedoch noch ein anderer Gedanke durch meine Wut hindurch an die Oberfläche, der meinen Zorn ein wenig schmälerte: Warum hatte Kaiba mich abgeholt? Doch nicht etwa nur, um einen Streit mit mir anzufangen. Vielleicht war seine Frage vom Anfang sogar weniger abfällig gemeint gewesen, als sie geklungen hatte. Konnte es sein, dass er sich wegen gestern ernsthafte Sorgen um mich machte? Unauffällig musterte ich meinen Chef von der Seite, der mit unbewegtem Gesichtsausdruck aus dem Fenster sah und seine übliche Kälte verströmte. Aber warum sollte er sich Gedanken um mich machen? Bis jetzt hatte er eigentlich nicht den Eindruck gemacht als würde er mich sonderlich mögen. Seine bissigen Kommentare hatten für mich nie einen Zweifel daran gelassen, dass Kaiba mich nicht mochte, was mich vor ein noch viel größeres Rätsel stellte: Warum zum Teufel hatte er mich überhaupt erst eingestellt, wenn ich ihm so zuwider war? Was hatte ihn geritten, eine Frau als Sekretärin einzustellen, die er nicht leiden konnte? Oder stimmte das am Ende etwa gar nicht? Und wenn, was hieße das für mich?

„Ist irgendetwas?“, durchschnitt Kaibas scharfe Stimme meine Gedanken. Offenbar war ich heute Morgen nicht die einzige mit schlechter Laune. Da mir erst jetzt auffiel, dass ich ihn, ganz in Gedanken versunken, die ganze Zeit angestarrt hatte, wandte ich hastig den Blick ab und schüttelte den Kopf. „Nein, ich war nur in Gedanken.“

Kaiba grinste spöttisch. „Ich hoffe, es war nichts Unanständiges“, meinte er in anzüglichem Tonfall.

„Keine Sorge“, zischte ich zurück und sah demonstrativ wieder aus dem Fenster. Mein Chef konnte manchmal – oder besser gesagt, immer – ziemlich anstrengend sein. Man wusste bei ihm nie, was als nächstes kam. Aber damals hatte ich auch noch keine Ahnung für was für Überraschungen Kaiba gut sein konnte.
 

Den Flug verbrachten wir größtenteils schweigend, auch wenn mir auffiel, dass Kaiba mir hin und wieder seltsame Blicke zuwarf. Ich tat jedoch mein Bestes, mir nichts anmerken zu lassen.

Erst als wir in der gemieteten Limousine saßen, die uns zu unserem Hotel bringen sollte, wandte sich Kaiba wieder an mich: „Was hat ihnen dieser Typ getan, dass Sie solche Angst vor ihm haben?“

Irritiert sah ich ihn an. „Welcher Typ?“ Wovon sprach der Kerl jetzt schon wieder?

„Der Typ, bei dem scheinbar schon die Erinnerung an ihn ausreicht, Sie in Panik zu versetzten.“

Ach so. Er sprach von gestern Abend. „Das beschäftigt Sie?“ Ich war sprachlos. Hatte er mich deshalb die ganze Zeit beobachtet? Weil er den gestrigen Tag nicht aus dem Kopf bekam? Aber das konnte doch nicht sein. Immerhin sprachen wir hier von Seto Kaiba. Kaiba, den nichts zu interessieren schien, das nicht mit der Firma oder seiner Arbeit zusammenhing – abgesehen von seinem Bruder natürlich.

Kaiba befand meine ungläubige Frage nicht einmal einer Antwort wert. Sein Blick, mit dem er mich bedachte sprach Bände. „Würde ich sonst fragen?“, sagten seine Augen. Na ja, was hatte ich erwartet?

Ohne, dass ich einen besonderen Grund gehabt hätte, wurde ich rot. „Ähm…also…ich glaube, ich habe Ihnen gestern schon gesagt, dass Sie das nichts angeht.“ Auf keinen Fall würde ich ihm davon erzählen. Nie und nimmer, denn das wäre für ihn wohl endgültig ein Grund mich rauszuschmeißen. Schlimmer noch, er würde wahrscheinlich nicht mal mehr mit mir reden. … Moment mal… Hatte ich gerade „schlimmer“ gedacht? Was war bloß los mit mir? Was wäre so schlimm daran, wenn Kaiba nicht mehr mit mir reden würde? Eigentlich stritten wir doch schon sobald einer von uns den Mund aufmachte.

„Ich bin ihr Chef“, merkte Kaiba mit eingefrorenem Gesichtsausdruck an.

Meine Verlegenheit war wie weggeblasen. Verblüffend, dass Kaiba nur vier Worte gebraucht hatte, um mich erneut zu verärgern. Vier lächerliche Worte! „Müssen Sie deshalb gleich alles über mein Privatleben erfahren?“

„Wenn ihr Privatleben ihre Arbeit für mich beeinflusst.“

„Mein Privatleben beeinflusst meine Arbeit nicht“, stellte ich richtig. „Aber Sie scheinen ja zurzeit geradezu erpicht darauf zu sein, mein Privatleben zu beeinflussen.“ Auf diese Worte folgte eine etwas drückende, für mich sogar sehr peinliche Stille, während der mich Kaiba nur mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. Hatte ich das gerade tatsächlich gesagt? Ich meine…hatte ich wirklich gesagt, Kaiba würde mein Privatleben beeinflussen? Was war da über mich gekommen? Galt ich überhaupt noch als zurechnungsfähig?

Mein Kopf fühlte sich plötzlich sehr heiß an und hatte wahrscheinlich die Farbe einer reifen Tomate angenommen. Hoffnungsvoll schielte ich nach einem Loch, das sich im Boden der Limousine auftat und dem ich verschwinden konnte, um dieser überaus unangenehmen Situation zu entkommen, doch natürlich war nie eins da, wenn man eins brauchte. Ich musste mich wohl oder übel darauf beschränken, meine Hände, die auf meinen Knien lagen mit mehr Interesse als nötig zu betrachten.

Kaiba hatte immer noch nichts gesagt und wahrscheinlich war das das Beste, was passieren konnte. Wieder einmal breitete sich Schweigen zwischen uns aus, das auch noch anhielt, als wir im Hotel auf unsere Zimmer gingen. Als die Tür meiner Suite hinter mir ins Schloss fiel, lehnte ich mich aufatmend dagegen, froh, den Peinlichkeiten fürs erste entkommen zu sein. Ich sollte während meines Aufenthalts hier wohl besser höllisch aufpassen, was ich sagte, sonst landete ich womöglich früher oder später noch in Teufels Küche. Ich konnte ja nicht wissen, wie Recht ich damit hatte.
 

Die Geschäftsbesprechungen, die an die an diesem Tag folgten, gingen reibungslos über die Bühne und ich bekam immerhin so viel mit, dass Kaiba schon wieder seinen Willen bekam. Was hatte ich auch erwartet? Zum Glück brachten diese Gespräche es mit sich, dass Kaiba nur sehr wenig Zeit fand, um mit mir zu reden, wofür ich in Anbetracht der Situation sehr dankbar war.

Beim Abendessen war mein Chef dann immer noch so tief in seiner Arbeit versunken, dass es nicht schwer war, unser Schweigen aufrecht zu erhalten. Sobald es die Höflichkeit zuließ, verschwand ich mit einer lahmen Entschuldigung auf mein Zimmer, froh den Tag hinter mich gebracht zu haben.
 

Am nächsten Morgen beim Frühstück begann ich mich dann allmählich etwas lächerlich zu fühlen, da sich die Situation irgendwie festgefahren zu haben schien. Kaiba verschwand, kaum dass er sich gesetzt und mich knapp begrüßt hatte, hinter einer Zeitung und tauchte erst wieder auf, als es Zeit war, mit unserer Arbeit fortzufahren.

Der Gedanke, dass Kaiba sich absichtlich so verhielt, um mich für meine Worte vom Vortag zu bestrafen, schlich sich in meinen Kopf. Aber warum hätte er das tun sollen? Und außerdem: eigentlich verhielt er sich auch nicht anders als sonst. Im Grunde konnte ich froh sein, dass er einfach so darüber hinwegsah, oder? Aber warum beschäftigte mich das Ganze dann so? Wünschte ich mir am Ende sogar irgendeine Reaktion von ihm?
 

Der offizielle Teil der Reise endete am frühen Nachmittag, als die Anwesenden, die den Diskussionen beigewohnt hatten, einen Vertrag unterzeichneten, der, sofern ich das richtig verstanden hatte, die gemeinsame Finanzierung eines Forschungsprojekts beinhaltete, bei dem es um die Entwicklung einer neuen Technik ging, die es ermöglichen sollte, die virtuelle Computerspielewelt noch realistischer wirken zu lassen.

Als wir den Besprechungsraum verließen, machte Kaiba einen äußerst zufriedenen Eindruck, auch wenn er sich alle Mühe gab, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren.

„Sie können sich den Rest des Tages frei nehmen“, erklärte er großzügig, als wir wieder im Hotel angekommen waren. „Wir treffen uns dann um sieben wieder hier im Foyer.“

Ach ja, heute war ja der Ball. Unwillkürlich verzog ich das Gesicht, was mein Chef jedoch zum Glück nicht zu bemerken schien. Er war schon auf halbem Weg die Treppe rauf, wahrscheinlich um sich mit seinem Laptop in seiner Suite zu verschanzen. Etwas verloren blieb ich in der Hotelhalle zurück. Toll! Und was sollte ich jetzt den restlichen Tag über machen? Bis sieben waren es noch gut fünf Stunden. Vielleicht sollte ich mich ein wenig in der Stadt umsehen, wenn ich schon mal die Gelegenheit dazu hatte. Während der Gedanke in meinem Kopf Gestalt annahm, war ich bereits auf halbem Weg zur Rezeption, wo ich den jungen Mann, der dahinter seinen Dienst versah, nach den besten Einkaufsmöglichkeiten fragte. Ich spürte ein angenehmes Kribbeln im Bauch, bei dem Gedanken, dass ich diesmal einkaufen gehen konnte, ohne ständig im Hinterkopf zu haben, dass ich danach eventuell kein Geld für Lebensmittel hatte. Es war doch schon schön, einen gut bezahlten Job zu haben, auch wenn der Chef einen hin und wieder – alle paar Minuten – zur Weißglut trieb.

Der Rezeptionist nannte mir einen Straßennamen, der mir überhaupt nichts sagte, und zeigte mir den Weg dahin auf einer Karte. Erleichtert stellte ich fest, dass das genannte Ziel nur ein paar Straßen vom Hotel entfernt lag. Das hieß, ich konnte zu Fuß dorthin.

Froh, etwas gefunden zu haben, womit ich den Tag überbrücken konnte, eilte ich hinauf in mein Zimmer, um meine Tasche zu holen und mich umzuziehen. Dann trat ich wieder in den Flur hinaus, bereit loszugehen – und hielt unschlüssig inne, als mein Blick auf die gegenüberliegende Tür fiel. Sollte ich Kaiba Bescheid sagen, was ich vorhatte? Nein, besser nicht. Er war schließlich nicht mein Vater; es ging ihn überhaupt nichts an, was ich in meiner Freizeit tat. Außerdem, wer wusste schon, wie er reagieren würde, wenn ich ihn jetzt bei seiner Arbeit störte. Entschlossen wandte ich mich ab und machte mich auf den Weg Richtung Treppe. Andererseits… was, wenn er später doch noch Arbeit für mich hatte? Er würde sicher auch wütend werden, wenn er mich dann nicht erreichen konnte. Dann fiel mir ein, dass ich ja dank ihm inzwischen ein Handy besaß. Wenn er was von mir wollte, konnte er auch anrufen. Ich setzte meinen Weg fort – und stand wenige Augenblicke später doch vor Kaibas Tür und klopfte fast zaghaft dagegen.

„Herein“, erklang die vertraute kalte Stimme von der anderen Seite.

Ich öffnete die Tür und trat über die Schwelle. Kaibas Suite war fast ein genaues Abbild meiner eigenen. Er selbst saß am Tisch vor dem großen Fenster, den Laptop vor der Nase. Bei meinem Eintreten schaute er auf und für einen kurzen Augenblick glaubte ich, Überraschung in seinen Augen aufblitzen zu sehen, ehe sein Gesicht wieder den üblichen ausdruckslosen Zug annahm, den ich so sehr von ihm gewohnt war. „Was gibt es?“

„Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass ich mich ein wenig in der Stadt umsehe“, teilte ich ihm mit und kam mir gleich darauf dämlich vor, als Kaibas Augenbraue fragend in die Höhe wanderte. „Und warum glauben Sie, dass mich das interessiert?“

„Ähm… nun ja“, stotterte ich ein wenig verlegen. „Ich hatte gedacht, vielleicht…hätten Sie Lust mitzukommen?“
 

Fünf Minuten später ging ich die Straße vor dem Hotel hinunter, darum bemüht, mir meine Fassungslosigkeit nicht anmerken zu lassen. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Wieso war ich nicht einfach schnurstracks an Kaibas Zimmertür vorbeigegangen? Ich meine, mein erster Gedanke war doch schon ganz richtig gewesen: Es ging Kaiba überhaupt nichts an, wie ich meine Freizeit verbrachte. Warum also hatte ich zurückgehen müssen? Und was hatte mich geritten, ihn zu fragen, ob er mich begleiten wollte? Die Frage war nicht nur total peinlich gewesen – mal wieder – sondern eigentlich auch total überflüssig. Wir sprachen hier immerhin von Seto Kaiba, dem Workaholickönig, der wahrscheinlich nicht einmal wusste, was das Wort „Freizeit“ bedeutete. Nie und nimmer hatte dieser Mann Lust auf einen gemütlichen Stadtbummel – schon gar nicht mit seiner Sekretärin. Was also hatte ich mir dabei gedacht?

Und warum zum Teufel hatte er „ja“ gesagt? Also eigentlich war es eher ein „warum nicht“ gewesen, aber das war ja auch gar nicht der Punkt. Der Punkt war, dass…

„Hatten Sie eigentlich ein besonderes Ziel im Sinn?“

Ich schreckte einmal mehr aus meinen Gedanken und schielte zu Kaiba hinüber, der, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben, neben mir her ging.

„Nun ja“, ich zögerte, „ich hatte an die Einkaufspassage drei Straßen weitergedacht.“

„Das ist nicht Ihr ernst, oder?“

„Wieso?“ Etwas unsicher sah ich ihn an.

„Sie schleppen mich aus dem Hotel um einkaufen zu gehen?“ Täuschte ich mich oder klang Kaiba tatsächlich etwas ungläubig.

Eingeschnappt funkelte ich ihn an. „Sie hätten ja nicht mitkommen zu brauchen.“

„Ich meine mich zu erinnern, dass Sie von „in der Stadt umsehen“ sprachen, nicht von „ich gehe einkaufen“, meinte Kaiba kühl. Eins zu null für ihn.

„Sie können gerne wieder umdrehen“, schnappte ich.

„Sie haben nicht wirklich erwartet, dass ich zustimme Sie zu begleiten, richtig?“, in Kaibas Stimme klang so etwas wie Belustigung mit. Ich schluckte. „Ähm…nein, eigentlich habe ich nur aus Höflichkeit gefragt“, murmelte ich. „Und weil Sie so unfreundlich gefragt haben, warum es Sie interessieren sollte, was ich mache, da hab ich nicht gewusst, was ich sagen soll.“

„Aha.“

Vorsichtig schielte ich zu ihm hinüber, doch Kaiba wirkte nicht wirklich verärgert über meine Worte. Vielleicht hatte ihm ja der heutige Erfolg bei den Verhandlungen vorerst seine sonst so gereizte Stimmung genommen.

„Also dann“, ein meiner Meinung nach teuflisches Lächeln stahl sich auf Kaibas Gesicht. „Gehen wir einkaufen.“

In mir keimte der Verdacht, dass ich meine unüberlegte Einladung noch bitter bereuen würde.
 

Zwei Stunden später, als ich zusammen mit Kaiba ins Hotel zurückkehrte, ohne auch nur irgendetwas gekauft zu haben, war aus dem Verdacht absolute Gewissheit geworden.

Nachdem ich mich die erste Viertelstunde lang nur unschlüssig vor den Geschäften herumgedrückt hatte, weil mich Kaibas Anwesenheit befangen machte, der mit ausdruckslosem Gesicht neben mir ging, traute ich mich schließlich doch noch in einen der Läden, da mein Chef mich darauf hinwies, dass seine Vorstellungen von einem Einkaufsbummel anscheinend deutlich von den meinen abwichen. „Ich dachte immer, einkaufen hieße, dass man auch mal in irgendein Geschäft hineingeht, um sich umzuschauen, anstatt ohne nach links und rechts zu gucken dran vorbei zu gehen“, kommentierte er, nachdem ich bereits an dem sechsten oder siebten Modegeschäft vorbeistolzierte.

Im Laden wurde es allerdings nicht besser, da Kaiba die ganze Zeit mit verschränkten Armen neben mir stand und mich beobachtete, während ich die Ständer nach etwas passendem durchsah, und mir so irgendwie das Gefühl gab, ihn aufzuhalten. Ich ging ohne auch nur etwas anprobiert zu haben.

Auch in den nächsten Geschäften wurde es nicht besser. Das ganze Unternehmen war alles andere als entspannend und half auch nicht gerade meine Gedanken auf ein anderes Thema zu lenken, als die Arbeit, da mich Kaibas Anblick immer wieder daran erinnerte. Frustriert gab ich schließlich auf und trat den Rückweg an.

„Na, das war doch mal ein erfolgreicher Nachmittag“, spottete Kaiba, als wir wieder in der Hotelhalle standen. „Bei den vielen Sachen, die Sie gekauft haben, hätte ich nicht gedacht, dass Sie in der Lage wären, all die Tüten nach Hause zu schleppen.“ Er warf einen Blick auf meine leeren Hände. „Die müssen ja enorm schwer sein. Diese Fülle von neuen Sachen, die Sie erstanden haben.“

„Sie hätten mir ja was abnehmen können“, konterte ich gereizt. „Im Übrigen gehe ich nie wieder mit Ihnen einkaufen.“

„Oh, bitte, tun Sie mir das nicht an“, Kaiba heuchelte den Gekränkten. „Es hat doch so einen Spaß gemacht.“

„Sie hätten ja nicht mitkommen müssen.“ Inzwischen waren wir bereits auf dem Weg die Treppe rauf zu unseren Zimmern.

„Sie hätten mich nicht leichtfertig einladen dürfen“, gab Kaiba zurück.

„Wird auch bestimmt nicht wieder vorkommen“, grummelte ich. „Irgendwann werd ich ja wohl noch lernen, meinen Mund zu halten.“ Den letzten Satz hatte ich eigentlich nur zu mir selbst gesagt, doch als Kaiba in spöttischem Unglauben eine Augenbraue hochzog, war mir klar, dass er meine Worte mitbekommen hatte. Ich ging jedoch nicht darauf ein. Plötzlich fühlte ich mich nur noch müde und erschöpft und verspürte auch überhaupt keine Lust mehr, heute Abend noch auf einen Ball zu gehen – nicht das ich vor unserer Shoppingtour freudige Luftsprünge deswegen gemacht hätte.

„Wir sehen uns dann nachher beim Ball“, erklärte ich Kaiba immer noch verstimmt.

„Ich erwarte Sie um sieben unten im Foyer. Und seien Sie pünktlich.“

„Jaja.“ Ohne mich noch einmal umzudrehen, verschwand ich in meinem Zimmer.
 

Dort warf ich mich aufs Bett und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Meine gute Laune von heute Morgen war verflogen. Irgendwie hatte es Kaiba mal wieder geschafft meine Stimmung zu verderben. Oder vielleicht war ich auch nur sauer auf mich, weil ich so blöd gewesen war und ihn eingeladen hatte, mit mir shoppen zu gehen. Es war doch eigentlich klar gewesen, dass das Ganze nur ein Fiasko werden konnte.

Und jetzt lag noch ein langer Abend vor mir, bei dem es schwierig werden würde, meinem Chef aus dem Weg zu gehen.

Mit einem durchdringenden Klingeln verlangte mein Handy nach Aufmerksamkeit. Es lag immer noch auf dem Nachttisch, wo ich es bei meiner Ankunft im Hotel liegen gelassen hatte. Seufzend drehte ich mich auf die Seite und angelte nach dem verhassten Gerät. Evas Nummer blinkte auf dem kleinen Display. Ich drücke auf den grünen Hörer. „Hi, Eva.“

„Mia, endlich. Ich versuche schon seit zwei Stunden, dich zu erreichen“, empörte sich meine Freundin, ohne auf meine Begrüßung einzugehen.

„Tut mir Leid. Ich war einkaufen und hab vergessen das Handy einzupacken.“

Eva seufzte. „Wann gewöhnst du dich eigentlich endlich an das Ding?“

Ich zuckte unwillkürlich mit den Schultern. „Wahrscheinlich nie.“

„Was hast du denn gekauft?“

Diesmal war ich diejenige, die einen Seufzer ausstieß. „Nichts.“

„Nichts? Aber du hast doch gerade gesagt, …“

„Ich weiß, was ich gesagt habe“, schnitt ich ihr ziemlich unhöflich das Wort ab, nur um mich gleich darauf eines Besseren zu besinnen und hastig hinzuzufügen: „Tut mir Leid, aber der Tag hat mich so ziemlich alles an Nerven gekostet, was ich besitze.“

„Oh“, ein mitfühlender Ton schlich sich in Evas Stimme, den ich absolut nicht leiden konnte. „So schlimm?“

Ich schnaubte. „Versuch mal mit deinem Chef einkaufen zu gehen, dann verstehst du, was ich meine.“ Das hätte ich vielleicht nicht sagen sollen, aber das wurde mir erst zu spät klar, nämlich in dem Augenblick, als Eva: „DU WARST MIT SETO KAIBA EINKAUFEN?!“, schrie und ich den Hörer hastig ein gutes Stück von meinem Ohr wegriss.

„Geht’s noch ein bisschen lauter, damit ich auch wirklich taub werde?“, grummelte ich.

„Tschuldigung, tut mir Leid, es ist nur… wow.“

„Ich glaube, mit meinen Ohren stimmt wirklich was nicht“, merkte ich an. „Du klingst so völlig unangebracht begeistert.“

„Ich BIN begeistert“, versicherte mir meine Freundin.

„Oh, na dann.“

„Erzähl mir alles.“

Das tat ich dann auch und zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass es gut tat, mit jemandem darüber reden zu können, auch wenn derjenige scheinbar völlig anders über die Sache dachte als ich. „Ich glaube, Kaiba hat irgendwas gegen mich. Warum sonst sollte er mir das Leben zur Hölle machen?“, beendete ich schließlich meinen Bericht.

„Quatsch“, widersprach Eva, „der will dir das Leben nicht zur Hölle machen, der mag dich.“

„Aber…“, setzte ich an, doch sie unterbrach mich: „Überleg doch mal: Erst tut er die ganze Zeit unfreundlich und unnahbar, willigt dann aber sofort ein, etwas mit dir zu unternehmen und er ist auch nicht umgedreht, als er erfahren hat, dass du nur shoppen wolltest. Vielleicht kann er seine Gefühle nur nicht so zeigen? Immerhin ist er ein einflussreicher Mann. Wahrscheinlich muss er sich so abweisend geben, um keine Schwäche zu zeigen.“

„Bist du jetzt unter die Hobbypsychologen gegangen“, frage ich sie, um über meine eigene Verlegenheit hinwegzukommen. Bei Evas Worten spürte ich deutlich, dass sich meine Wangen rosa färbten und ich war sehr dankbar, dass sie das durch den Hörer nicht sehen konnte.

„Nein, das sagt mir mein gesunder Menschenverstand und meine gute Menschenkenntnis.“

„Aber das ist völlig ausgeschlossen“, protestierte ich. „Du kennst ihn ja nicht einmal. Du warst nie dabei, wenn er so gemein zu mir war und…“, ich zögerte, „…und selbst wenn, niemand könnte mich dazu bringen, irgendwelche Gefühle für diesen Kühlschrank zu entwickeln, die über Abneigung hinausgehen.“

„Meinst du.“ An Evas Tonfall erkannte ich, dass sie breit grinste. Aus irgendeinem Grund machte mich das wütend.

„Ja, das meine ich“, erwiderte ich ziemlich unfreundlich.

„Dann verrat mir doch mal, warum du immer noch für ihn arbeitest.“

„Wie?“ Ich blinzelte irritiert.

„Na, wenn du doch den netten Mr. Kaiba tatsächlich so unausstehlich findest, warum arbeitest du dann immer noch für ihn?“, präzisierte Eva ihre Frage.

„Ähm…“, etwas aus dem Konzept gebracht zögerte ich. Eva schien ihre eigenen Schlüsse aus meinem Schweigen zu ziehen: „Siehst du“, meinte sie ziemlich selbstzufrieden. „Du weist es nicht, aber ich.“ Sie machte eine Kunstpause, dann platzte sie heraus: „Du magst ihn nämlich auch.“

„Was?“ Ihre Feststellung brachte mich völlig aus der Fassung und ich spürte deutlich, wie mein Gesicht feuerrot anlief. „Das…das ist überhaupt nicht war! Ich mag Kaiba kein bisschen. Er ist grob, unhöflich und kälter als der Nordpol. Wie könnte man so einen Menschen mögen?“

„Warum du ihn magst, musst du schon selbst wissen. Ich sag nur, wie es ist.“

„Ich mag ihn aber nicht!“, stellte ich noch einmal mit Nachdruck fest. „Im Übrigen muss ich jetzt Schluss machen, sonst kommen wir wegen mir zu spät zu diesem superwichtigen Geschäftsball und dann verliere ich vielleicht wirklich meinen Job.“

„Wetten nicht?“, fragte Eva. „Wetten er würde dich nur wieder anschreien und danach wäre alles wieder so wie vorher?“

Ich verdrehte die Augen. „Ich werd mich bestimmt nicht verspäten nur um das herauszufinden. Und hör gefälligst mit deinen wilden Theorien auf.“

„Wie du meinst. Ich komm morgen mal vorbei, wenn du wieder hier bist. Dann kannst du mir alles haargenau berichten. Viel Spaß.“

„Werd ich bestimmt nicht haben, aber danke“, erwiderte ich. „Bis morgen dann.“

„Tschau.“

Ich legte auf. Wahrscheinlich sollte ich jetzt wirklich anfangen, mich fertig zu machen. Das Problem war nur: Ich verspürte überhaupt keine Lust heute Abend noch irgendwo mit Kaiba hinzugehen. Die misslungene Shoppingtour hatte mich ganz schön mitgenommen und seit Evas Anruf kreisten meine Gedanken immer noch um das, was sie gesagt hatte: „Kaiba mag dich.“ Aber wenn sie damit wirklich Recht haben sollte, was bedeutete das dann für mich?

__________
 

Fortsetzung folgt...
 

Ich hoffe, es hat euch gefallen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück