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Suffer...until you're dead

von

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Frohe Weihnachten

Hier die überarbeitete Fassung des ersten Kapitels.

Viel Spaß beim Lesen!!!!

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1. KAPITEL: FROHE WEIHNACHTEN
 

Es war der 21. Dezember – drei Tage vor Weihnachten. Draußen herrschten Minusgrade und der Wind peitschte den immer dichter fallenden Schnee durch die Straßen von DominoCity. Obwohl es erst früher Nachmittag war, wurde es bereits dunkel, nachdem es heute Morgen kaum hell geworden war. Der Wetterbericht hatte angekündigt, dass sich daran auch in den nächsten Tagen nichts ändern würde.

Trotz allem war so ziemlich die halbe Stadt auf den Beinen und eilte von Geschäft zu Geschäft, um die letzten Geschenke zu kaufen und sich Vorräte anzulegen, bevor die Läden über die Feiertage schlossen. Nicht wenige verschlug es dabei in das Café Refuge, dem Etablissement, in dem ich vier Tage die Woche arbeitete. Noch arbeitete, sollte ich wohl besser sagen. Wegen des schlechten Umsatzes, den das Cafe im Verlauf des Jahres gemacht hatte, würde das Refuge nach den Festtagen nicht wieder öffnen. Ich stand also praktisch schon auf der Straße und hatte keine Ahnung, wie es weiter gehen sollte.

Im Gegensatz zu den meisten sah ich den Feiertagen mit gemischten Gefühlen entgegen. Das Weihnachtsfest rief bei mir jedes Jahr unangenehme Erinnerungen wach, die ich den Rest des Jahres über erfolgreich zu verdrängen suchte. Auch wurden meine Albträume zu dieser Zeit immer schlimmer, sodass ich kaum noch eine Nacht ruhig schlafen konnte. Mit der Zeit traute ich mich kaum noch abends ins Bett zu gehen.

Wie immer um diese Zeit wanderten meine Gedanken häufiger als sonst zu Kerry und Sascha zurück. Vor allem zu Sascha. Seine strubbligen schwarzen Haare, die dunkel gebräunte Haut, seine ausdrucksstarken blauen Augen… Bei dem Gedanken an ihn spürte ich jedes Mal ein schmerzhaftes Stechen in der Brust. Wie es ihm wohl ging? Und Kerry? Die Ungewissheit nagte an mir und ich fragte mich nicht zum ersten Mal, ob ich die beiden je wieder sehen würde.
 

Die Eingangstür schwang mit einem Klingeln auf und riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Eine Gruppe Jugendlicher betrat das Café und brachte einen Schwall eisiger Luft mit herein. Laut lachend und schwatzend ließen sie sich an einem Tisch in der hinteren Ecke nieder.

Ich sah mich nach Eva um, die gerade an der Espressomaschine herumhantierte und mir mit einem Nicken zu verstehen gab, dass ich mich um die Neuankömmlinge kümmern sollte. Mit einem Seufzer schlängelte ich mich an den besetzen Tischen vorbei und blieb vor dem in der Ecke stehen. Mit einem gezwungen geschäftsmäßigem Lächeln zückte ich meinen Block und einen Stift. „Guten Tag. Was darf ich ihnen bringen?“

Die Fünf sahen auf. „Ähm…zwei Kaffees, schwarz, zwei Cappuccino, einen Kakao und…“, der Blondschopf hielt in seiner Aufzählung inne und warf dem Mädchen zu seiner rechten einen fragenden Blick zu, ehe er fortfuhr: „und eine Waffel mit heißen Himbeeren… Ah, und ihre Telefonnummer.“ Er grinste frech. Ich verdrehte innerlich die Augen und notierte seine Bestellung. „Ich besitze kein Telefon“, klärte ich ihn lakonisch auf. ‚Telefone können abgehört werden‘, ergänzte ich in Gedanken. Das Risiko war einfach zu groß. Ich besaß nicht einmal ein Handy. Handy-Ortung und so weiter…

Als ich zur Theke zurückkehrte und die Bestellung an Eva weitergab, spürte ich die ungläubigen Blicke der Fünf im Rücken. Es war ihnen anzusehen, dass sie mir nicht glaubten.

Wieder einmal verfluchte ich meinen zukünftigen Ex-Chef, der bei der Arbeit auf die traditionelle Kleidung bestand: ein schwarzes, für meinen Geschmack viel zu kurzes Kleid, darüber eine weiße Rüschenschürze und ein weißes Spitzenhäubchen auf dem Kopf. Wenigsten würde das nach Weihnachten auch ein Ende haben. Eva, meine Kollegin und für mich das, was einer Freundin am nächsten kommt, hatte schon mehrmals angemerkt, dass ich in dem Outfit extrem anziehend aussah, und genau das war es, was mich störte. Ich wollte nicht „anziehend“ aussehen. Ich wollte nicht einmal hübsch sein. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war, dass sich jemand an mein Gesicht erinnerte oder, noch schlimmer, mich vielleicht sogar fotografierte. So etwas konnte ich mir nicht leisten. Nicht jetzt, wo alles so gut lief. Wer wusste denn schon, wer die Fotos vielleicht zu Gesicht bekommen würde und wenn mich einer von den falschen Leuten erkannte…

Vielleicht reagiere ich über, überlegte ich. Vielleicht bin ich zu paranoid. Aber ich konnte mir meine aus der Furcht geborene Vorsicht nicht so leicht abgewöhnen. Würde ich jemals wieder ungestört leben können?
 

Während Eva Kaffee in zwei Becher goss, musterte sie mich aufmerksam. „Was ist los mit dir, Mia? Du wirkst schon die ganzen letzten Tage so niedergeschlagen.“

Ich schüttelte den Kopf. „Es ist nichts.“ Meine Probleme waren nicht von der Art, die man gerne mit jemand anderem besprach. Wie hätte ich ihr auch davon erzählen können, wo ich das Geschehene doch eisern verdrängte? Diese grauenvollen Bilder, die Schmerzen…

Ich riss mich gewaltsam zusammen und versuchte mich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Die Vergangenheit konnte man nicht rückgängig machen. Es war vorbei! Zeit wieder von vorne anzufangen. Ein neues Leben…

Eva stellte die beiden Kaffeetassen auf ein Tablett und wandte sich der Espressomaschine zu. Um mich zu beschäftigen holte ich eine saubere Tasse aus dem Schrank und goss heißen Kakao hinein. Dabei versuchte ich angestrengt Evas fragenden Blicken auszuweichen. Sie merkte es immer sofort, wenn ich log oder nicht die ganze Wahrheit sagte, doch wie sonst auch bohrte sie nicht weiter nach, wofür ich ihr sehr dankbar war. Ich hätte sie nur erneut anlügen können. Stattdessen wechselte sie das Thema: „Hast du nachher noch Zeit? Wir sollten uns endlich mal überlegen, was wir Weihnachten machen wollen. Wenn wir noch was besorgen müssen, wäre jetzt die letzte Gelegenheit.“

Ich versuchte mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Eigentlich hätte ich die Weihnachtstage gerne wie jedes Jahr allein in meiner Wohnung verbracht und darauf gewartet, dass sie vorbeigingen, doch seit Eva erfahren hatte, dass ich keine Familie oder sonstige Bekannte hatte, mit denen ich feiern konnte, war sie fest entschlossen diesen für sie bedauernswerten Umstand zu beheben. Ihre eigene Familie flog über die Festtage nach Australien, um ihren älteren Bruder zu besuchen, sodass aus dieser Richtung keine Schwierigkeiten zu erwarten waren.

Zum Teil war ich wahrscheinlich selber Schuld an ihrer Beharrlichkeit. Ich hatte zugelassen, dass sie mich mit der Zeit – innerhalb der sechs Monate, die wir uns nun schon kannten – immer mehr als eine Freundin angesehen hatte. Das Problem war, dass ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich ihre Freundlichkeit erwidern sollte oder ob es nicht besser wäre sie auf Distanz zu halten. Nicht, dass ich grundsätzlich gegen Freundschaften war – eigentlich stellte ich es mir sogar sehr schön vor, endlich wieder jemanden zu haben, mit dem man über alles reden konnte – aber in den letzten Jahren war ich vorsichtig geworden, was soziale Bindungen anging. Ich wollte niemanden in Gefahr bringen.

Ich bemerkte, dass Eva mich immer noch erwartungsvoll ansah und beeilte mich mit einer Antwort: „Klar…kein Problem.“ Ich rang mir ein Lächeln ab, nahm das Tablett und eilte damit zu der fünfköpfigen Gruppe hinüber.
 

***

„Also…“, Eva stellte eine Tasse mit dampfendem Kaffee vor mich auf den Tisch und setzte sich mir gegenüber auf den Küchenstuhl. „Ich erwarte konstruktive Vorschläge.“ Sie grinste.

Nachdem unsere Schicht im Refuge zu Ende gewesen war, hatte Eva mich in ihr Auto verfrachtet und wir waren zu ihr gefahren. Sie wohnte in einem kleinen Haus am Stadtrand, das sie von ihren Eltern finanziert bekam; andernfalls hätte sie es sich kaum leisten können.

Ich war erst ein paar Mal hier gewesen, fühlte mich aber trotzdem richtig wohl in der kleinen hell eingerichteten Küche. Durch das große Fenster, vor dem der Küchentisch stand, an dem wir nun saßen, blickte man auf einen kleinen Vorgarten hinaus, der im Sommer wirklich schön ausgesehen hatte, jetzt aber unter einer dicken Schicht Schnee verborgen lag.

Meine eigene Wohnung konnte man dagegen vergessen: Viel zu klein und eng. Aber ich hatte schließlich keine Eltern, die mir ein Haus finanzieren konnten. Ich hatte nicht einmal jemanden, bei dem ich mir einfach mal so Geld leihen konnte, wenn ich mal knapp bei Kasse war.

Ich seufzte und trank einen Schluck Kaffee. Das heiße Gebräu brannte in meiner Kehle. Ohne große Hoffnung auf Erfolg startete ich einen letzten Versuch, Eva von ihrem Vorhaben abzuhalten: „Weißt du, eigentlich wollte ich Weihnachten nach Jobangeboten suchen. Du weißt ja, ich hab noch nichts Neues und ich kann es mir nicht leisten, lange ohne Arbeit zu sein, sonst…“ Weiter kam ich nicht, denn Eva protestierte heftig: „Du kannst doch an Weihnachten nicht nach Arbeit suchen! Weihnachten verbringt man mit seinen Freunden, um zu feiern und Spaß zu haben!“

„Wir…“, begann ich, doch dann unterbrach ich mich und biss mir auf die Lippe. Wir sind keine richtigen Freunde, hatte ich sagen wollen, doch irgendetwas in mir sträubte sich dagegen, die Worte auszusprechen. Es hätte sie tief verletzt und wahrscheinlich hätte ich damit den einzigen Menschen verloren, der bereit war etwas Zeit mit mir zu verbringen. Ich schluckte und begann erneut: „Wie soll ich mich denn aufs Feiern konzentrieren, wenn ich gleichzeitig immer daran denken muss, dass ich im nächsten Jahr meine Miete nicht mehr bezahlen kann, weil ich pleite bin ohne Arbeit?“

„Da mach dir mal keine Sorgen. Du kannst bei mir einziehen, wenn du willst. Ich habe genug Platz.“

Ich zog eine Grimasse, weil ich wusste, dass sie das Angebot ernst meinte und ich es nicht annehmen würde – nicht annehmen konnte. „Danke, aber mir wäre wohler, wenn das nicht nötig wäre…und das ist nichts gegen dich persönlich“, fügte ich hastig hinzu, als ich ihren gekränkten Gesichtsausdruck sah. „Es ist nur so, dass ich gerne unabhängig bin.“

„Schon gut“, Eva winkte ab. „Jedem das seine.“

Eine Weile schwiegen wir uns an, dann setzte ich ein gezwungen fröhliches Lächeln auf, von dem ich hoffte, dass es überzeugend wirkte und verkündete: „Weihnachten, also. Vielleicht könnte ich mich dazu bereit erklären, Heiligabend gemütlich mir dir zusammen zu verbringen. Du weißt schon: Tee, Kekse, gemütliche Musik… Und erst am ersten Weihnachtstag damit anzufangen, die Jobangebote durchzusehen.“

Eva strahlte. „Klingt super. Vielleicht könnten wir auch einen Film gucken? Nach der Bescherung versteht sich.“ Ihr Lächeln wurde breiter. Sie floss geradezu über vor Vorfreude. Wie konnte man sich nur dermaßen auf Weihnachten freuen?

„Das wird sicher lustig“, fuhr Eva glücklich fort. „Die letzten Jahre habe ich immer nur mit meinen Eltern gefeiert, dass war ziemlich langweilig.“

Ich seufzte. „Tja, immerhin hast du Eltern, mit denen du feiern kannst.“ Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein bitterer Klang in meine Stimme mischte. Das Lächeln auf Evas Gesicht verschwand und machte einer bestürzten Miene Platz. „Oh, Mia, tut mir Leid. Ich…ich habe nicht dran gedacht, dass du ja…es tut mir wirklich Leid, was mit deinen Eltern passiert ist und…und ich wollte bestimmt keine traurigen Erinnerungen wecken…“

„Schon gut.“ Ich machte eine wegwerfende Handbewegung, um über meine Verbitterung hinwegzutäuschen, die mich jedes Mal überkam, wenn ich an meine Eltern dachte. „Ich erinnere mich ja nicht einmal mehr an sie.“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Ich war acht gewesen, als meine Eltern starben. Ein Autounfall. In den schrecklichen Jahren nach dem Unglück waren ihre Gesichter in meinem Kopf allmählich verblasst. Geblieben waren nur die wage Erinnerung an ihre sanften Stimmen, wenn sie mit mir sprachen, und das Gefühl von Geborgenheit und Wärme, dass mir jedes Mal die Tränen in die Augen trieb. Wann hatte ich mich das letzte Mal wirklich sicher gefühlt? Aber das alles war nichts Greifbares, nicht Reales. Wie sehr wünschte ich mir, ich hätte das Foto noch, dass ich damals nach dem Unfall aufbewahrt hatte. Das Foto von ihrer Hochzeit. Sie hatten so glücklich darauf ausgesehen. Aber dieser letzte Beweis dafür, dass sie wirklich gelebt hatten, dass sie nicht nur meiner Einbildung entsprungen waren, war mir vor langer Zeit schon genommen worden. Zu Asche verbrannt, weil ich unvorsichtig gewesen war. Unwiederbringlich verloren, weil ich mir einen Moment der Schwäche erlaubt hatte. ER hatte sie mir genommen. Luzifer! Schon bei dem Gedanken an ihn liefen mir kalte Schauer über den Rücken und meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Ich schnappte nach Luft. ‚Tief durchatmen‘, redete ich mir gut zu. ‚Einfach weiter atmen.‘ Mit geschlossenen Augen zählte ich langsam bis zehn und versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken.

Evas erschrockene Stimme riss mich in die Gegenwart zurück: „Mia! Mia! Mein Gott, was ist los? Du bist auf einmal so blass. Geht’s dir nicht gut?“ Sie war aufgesprungen und um den Tisch herum geeilt und legte mir eine Hand auf den Arm. Ihr Blick drückte Besorgnis aus. „Du zitterst ja!“

Ich rang mir ein beruhigendes Lächeln ab und verschränkte die Hände im Schoß, um das Zittern zu verbergen, während die Gänsehaut auf meinen Armen langsam wieder verschwand. „Keine Sorge, ich bin in Ordnung. Mir geht’s gut. Wirklich.“ Sie wirkte nicht überzeugt und machte einen schuldbewussten Eindruck. „Es ist wegen dem, was ich gesagt habe, nicht wahr? Wegen deiner…Eltern?“

„Nein“, ich wich ihrem Blick aus. „Ich habe mich nur plötzlich an etwas…an jemanden erinnert, den ich lieber vergessen würde.“ Im nächsten Moment, als ich die Neugier in ihren Augen aufleuchten sah, hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt. Warum erzählte ich ihr das? Ich hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen und ich wollte eigentlich auch nicht damit anfangen. „Ich möchte nicht darüber reden“, würgte ich ihre Frage ab, als sie den Mund öffnete.

Eine Weile herrschte unbehagliches Schweigen, dann versuchte sich Eva wieder an einer fröhlichen Miene. „Also, zurück zum Thema. Was für Filme wollen wir denn gucken?“
 

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Forsetzung folgt...
 

Das war's für's erste wieder. Ich hoffe es hat euch gefallen!!



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