Ken-o vergewisserte sich erneut, dass sich keine feindlichen Aktivitäten
zeigten.
Würde er auch nur ein winziges Anzeichen dafür finden, dass ihr Versteck
aufgeflogen war, würde die Aktion sofort abgebrochen werden.
Sie durften nichts riskieren.
Dazu war der Anlass dieses Treffens ihrer drei besten Einsatztruppen zu
wichtig.
Nichts.
Ken-o wandte sich Fuún zu, der die jetzige Wache antreten würde.
So gern Ken-o auch auf dem Posten geblieben wäre, er musste jetzt
hineingehen.
Das Treffen begann.
Er hatte ein äußerst schlechtes Gefühl bei dieser Sache.
Sie waren ein zu perfektes Ziel.
Sollte Shihaisha von dieser Sache Wind kriegen...
Andrerseits... wie sollte er???
Kein Rebell, der auch im entferntesten von diesem Treffen gewüsst haben
könnte war gefangen worden.
Und trotzdem war da dieses bohrende Gefühl in Ken-o's Magen... er hatte das
Gefühl, dass heute etwas schlimmes passieren würde...
Aber dieses Treffen... bzw. der Anlass dieses Treffens war zu wichtig, als
das man es wegen eines Gefühls im Magen abblasen sollte.
Und doch...
Ken-o verdrängte die düsteren Gedanken und glitt mit einem letzten
misstrauischen Blick über die zerstörten Häuser ringsherum in die kleine Lagerhalle.
* * *
Shihaisha saß bequem in dem Sessel , trank Wein und starrte auf die mit
Bildschirmen übersäte Wand.
Das leise Brummen der Motoren begleitete ihn, als er die Vorbereitungen zum
Angriff auf die kleine Lagerhalle, in der die Rebellen ihre Pläne ausheckten,
überwachte.
Einige seiner Dorei waren bei ihm und drückten sich schmeichelnd gegen ihn.
Geistesabwesend strich er ab und an über nackte Schultern und beobachtete
die Halle auf den Überwachungsbildschirmen.
Genauer gesagt den jungen Mann, der die Gegend aufmerksam mit Blicken
durchforstete.
Irgendetwas war vertraut an diesem Mann.
Ein seltsames Gefühl begann sich in Shihaisha's Magen breit zu machen.
Er betrachtete den Jungen genauer.
Dichtes, tiefbraunes Haar beschattete die Stirn.
Große, tiefbraune, unglaublich lebendige Augen glühten in einem Gesicht,
dass man ohne Bedenken gut aussehend, wenn nicht sogar schön nennen konnte.
Ein Stich fuhr durch Shihaisha's Brust.
Diese Augen.
Von einem unglaublichen tiefen und vielschichtigem braun blitzten mit der
Intensität eines Raubtiers.
Sie schienen ihn anzusehen, genau ihn.
Sie durchdrangen ihn, höhlten ihn aus, schienen ihn zu verbrennen.
Er stand wieder am Zaun, am Spielfeld.
Sah diese Augen.
Diese unglaublich wilden Augen, ungezähmt.
Augen, die ihn mitten ins Herz trafen.
Shihaisha schüttelte den Kopf, befreite sich fast gewalttätig von diesen
Gedanken.
Gedanken, die Erinnerungen zu sein schienen und es doch nicht sein konnten.
Als er das nächste mal zum Monitor sah war der junge Mann verschwunden.
Statt dessen stand dieses Kind Fuún dort.
Ohne das Gesicht abzuwenden oder die Stimme zu heben sprach er seinen
Einsatzleiter an:
" Butá! Beginnen sie ihren Einsatz!"
Der Einsatzleiter verbeugte sich und begann Befehle durchs Mikro zu geben.
*************
Ken-o betrachtete kopfschüttelnd die kleine Menschenmenge, die sich an der
einzigen freien Stelle zwischen den riesigen Kistenbergen versammelt hatte.
Sie saßen da wie auf dem Präsentierteller.
Und sie waren wirklich ein ZU gutes Ziel.
Obwohl die meisten Leute der drei Truppen draußen patrouillierten, befand
sich doch alles in allem der größte Teil der Elite der Rebellion hier.
Eine gut gezielte Rakete...
Er seufzte.
Vielleicht war er auch einfach nur zu paranoid geworden.
Als die erste Explosion die Lagerhalle erschütterte hatte die Versammlung
noch nicht einmal angefangen.
Ken-o hatte es sich gerade auf einer der Kisten bequem gemacht, als er auch
schon wieder von ihr runter flog.
Er verzog das Gesicht.
Das zu dem schlechten Gefühl im Magen.
Eine so perfekte Chance hätte Shihaisha sich nie durch die Finger gehen
lassen.
Explosion folgte auf Explosion, durchdrungen von Gewehrgeknatter.
Ken-o rappelte sich auf und versuchte seine Leute um sich zu sammeln.
Es misslang hoffnungslos.
Shihaishas Männer hatten schon begonnen in das Lagerhaus einzudringen und es
wurde sofort überall heftig gekämpft.
Ken-o war von seinen Leuten getrennt.
Über das Mikro gab er seinen Leuten den Befehl schleunigst ihre Ärsche in
Sicherheit zu bringen.
Dann verschwand er in der nächst besten Gasse zwischen den Kisten um seinem
eigenen Befehl zu folgen.
* * *
Fuún hatte sich beim ersten Gewehrhagel sofort in Deckung geworfen und
ordentlich
zurückgefeuert.
Dann hatte er übers Mikro Ken-o's Befehl gehört... und auch befolgen
wollen...
aber...
er kam hier einfach nicht mehr raus!!!
Sie hatten ihn eingekreist.
Fuún hatte Angst.
Zum ersten mal in seinem Leben hatte er richtig und wirklich Schiß
abzukratzen.
Seine Monition war bald, sehr sehr bald schon leer.
Und dann... dann würde er die Pille schlucken.
Er würde den Tod wählen.
Lieber Tod als Gefangenschaft, Verhör und erst recht lieber als ein Verräter
zu sein.
" Was tust du noch hier??" herrschte ihn plötzlich eine Stimme von links an.
Fuún wirbelte herum. Ken-o!!
Ken-o war da!!
Ken-o würde ihn hier raus bringen.
Er schluchzte fast vor Freude.
" Ken-o.. sie haben mich eingekreist...ich bin nicht-"
Fuún sah, wie sich Ken-o's Augen aufrissen, wie er versuchte vorzustürzen,
wie er ansetzte etwas zu rufen.
Doch alles schien plötzlich so langsam, so verzerrt zu sein.
Dann spürte er wie er getroffen wurde, wieder und wieder und wieder.
Er sah, wie Ken-o vorsprang, spürte, wie Ken-o ihn auffing, ihn in den Armen
hielt.
Dann spürte Fuún nichts mehr.
Als er in Ken-o's Augen sah, verwirrten ihn die Bestürzung, das Leid, der
Schmerz den er dort sah sehr.
Er sah wie Ken-o den Mund bewegte, Dinge sagte.
Doch er hörte auch nichts mehr.
Er lächelte Ken-o an, versuchte ihm zu sagen, dass doch alles gut war, dass
er die Rebellion nicht verraten würde, niemals.
Doch es war zu spät.
Er spürte weder Ken-o's Rütteln an ihm, noch seine Rufe.
Fuún's Kopf sackte zur Seite, als die Schwärze ihn umhüllte, durchdrang und
mit sich zog.
In den Frieden, die Ruhe, die Ewigkeit.
* * *
Ishítsusha grinste.
Grad hatte er noch einen von diesen dreckigen Rebellen umgenietet.
Der 7. heute.
Diesmal würde er seinen Rekord brechen.
Er sprang über den Trümmerberg , als er auch schon sein 8. Opfer entdeckte.
Der Junge, der neben Nummer 7 aufgetaucht war hielt diesen immer noch im
Arm.
Ishítsusha grinste breit.
Dieser war ihm vollkommen ausgeliefert. Er hob das Maschinengewehr.
Dann sah sein Opfer auf.
Ein Blick voller Hass und Wut traf ihn.
Und Ken-o drückte ab.
Ishítsusha spürte nicht einmal, wie Ken-o's Maschinengewehrsalve ihn fast
in zwei Teile zerriss.
* * *
Shihaisha saß zurückgelehnt in seinem Sessel und beobachtete gelangweilt das
Schauspiel vor ihm.
Emotionslose Augen betrachteten, wie die Elite der Rebellion systematisch
ausgelöscht wurde.
Dieser Schlag würde die Rebellion empfindlich treffen und sehr schwächen.
Shihaisha hatte befohlen mindestens einen der Truppenleiter zum Verhör zu
fangen. Mehr interessierte ihn an diesen Einsatz nicht.
Nichts außer diesem Jungen Ken-o.
Shihaisha wusste nicht, was genau ihn an diesem Jungen so fesselte.
Er kannte solche Gefühle nicht.
Alles was ihn interessierte, war er selbst.
Alles andere war nebensächlich.
Noch nie in seinem Leben hatte er so ... seltsam auf jemand anderes
reagiert.
Und er lebte schon lange.
Er beobachtete, wie dieser Junge Fuún getötet wurde, sah wie der Hass in
Ken-o's Augen wuchs.
Diese Augen... sie elektrisierten ihn...
Er beugte sich vor...wollte sehen, wie Ken-o reagieren würde.
Der Junge erschoss den Mörder seines Freundes und hechtete über den
Trümmerhaufen hinweg.
Diese Bewegungen.
Voller Energie, Kraft, Leben.
Sie schienen ihn an etwas zu erinnern... etwas, was vor langer, sehr langer
Zeit war.
Und Ken-o sah auf.
Starrte genau in die Kamera.
Starrte genau Shihaisha an.
Shihaisha's Körper versteifte sich.
Diese Wut, dieser Hass.
Diese Wildheit..und doch, tief unter dieser Mauer aus Hass diese
Verletzlichkeit...
Shihaisha schien es, als ob dieser Blick sein innerstes Selbst zerreißen
würde.
Unbemerkt entglitt das Weinglas seiner Hand und zerschellte am Boden.
Er wollte... er brauchte etwas...
was nur???
Ken-o.
Er brauchte Ken-o.
Langsam verzog sich Shihaisha's Gesicht zu einem Lächeln.
Er durfte Ken-o nicht entwischen lassen.
Egal was das für Gefühle waren... er würde sich immer mit ihnen auseinander
setzen können...
Aber sollte er jetzt nicht handeln würde ihn sein Herz zerreißen.
Ken-o war weitergelaufen.
Shihaisha erhob sich.
Es war Zeit ...
Er musste jetzt handeln, bevor Ken-o wieder verschwinden und vielleicht nie
wieder auftauchen und in seine Reichweite kommen würde.
Er musste jetzt handeln... bevor es zu spät war!!!
* * * * *