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Die erste Jagd

von

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Die erste Jagd

„Rasputin! Hey! Raspi! Hörst du mich?“, schrie Mimi ihrem Freund ins Ohr.

„Leider“, brummelte Rasputin mit seiner heiseren Stimme zurück.

„Steh auf! Es ist schon längst dunkel!“

Langsam erhob Rasputin sich aus seinem Sarg und betrachtete das blasse Gesicht seiner Freundin. Ihre blauen Augen funkelten aufgeregt und ihre weißen, spitzen Eckzähne blitzten im fahlen Mondlicht auf. Sie trug einen neuen Flugumhang und hatte ihre dunkelbraunen Haare geschickt hochgesteckt, so dass über ihrem Kopf die Fransen hochstanden.

„Ich verstehe überhaupt nicht, wie du diese wundervolle und geschichtsträchtige Nacht verschlafen kannst!“, rief Mimi, während Rasputin sich durch die schwarzen Haare fuhr und durchs Zimmer schlurfte. „‚Geschichtsträchtig’ würde ich es nicht grad nennen“, murmelte er heiser. Aber Mimi widersprach sofort. „Ich schon! Immerhin darf ich das erste Mal ohne meine Eltern jagen gehen! Ich habe solange darauf gewartet und nun endlich ist es soweit! Ich bin 400 Jahre alt!“

„Oh, was für ein Meilenstein“, gab Rasputin sarkastisch zurück, als er sich seinen Flugumhang umschlang. „Warst du damals den gar nicht aufgeregt, Raspi?“

Rasputin dachte an seinen 400sten Geburtstag zurück und seine erste Jagd ohne seine Eltern. Aufgeregt war er nicht gewesen. War er doch seit seinem 50sten Geburtstag jedes Jahr mit ihnen noch durch die Nacht geflogen. Er wusste wie er sich zu verhalten hatte, und was er besser vermeiden sollte. Und doch: Das Blut, dass er in jener Nacht gekostet hatte, schien süßer zu schmecken, als alles vorher.

Er drehte sich zu Mimi um, die ihn noch immer mit großen Augen musterte. „Nein“, antwortete er, doch als Mimi skeptisch schaute, schnappte er sich einfach nur ihre Hand. „Komm!“
 

Unten in der Eingangshalle von Burg von Klampferdt warteten nicht nur Rasputins Eltern, Lord Marveric von Klampferdt und Lady Johanna von Klampferdt, sondern auch Mimis Eltern. Lord Phillip von Normstein war wie Rasputins Vater ein großer, schlanker Vampir, der trotz seines blassen Antlitzes eine Würde ausstrahlte, vor der man sofort Respekt bekam. Lady Lavenia von Normfeld war kleiner als Rasputins Mutter, aber sicher genauso schön. Blasse Haut, rote Lippen und dieselben hellen, blauen Augen, wie ihre Tochter.

Als sie dich Kinder die Treppe runterkommen sahen, verstummten ihre Gespräche. ‚Sie sind stolz auf ihre Tochter’, dachte Rasputin. Auch seine Eltern waren damals stolz auf ihn gewesen. Die erste alleinige Jagd eines Vampirs war ein großer Schritt zum erwachsen werden und Rasputin war froh, dass er dieses Prozedere schon vor fünfzig Jahren hinter sich gebracht hatte.

Lady Lavenia von Normstein tänzelte leichtfüßig auf ihre Tochter zu und schloss sie sanft in ihre Arme. Währendessen kam Lord Phillip von Normstein zu Rasputin und legte ihm die Hand auf die Schulter. Als Mimis Mutter mit ihr sprach und ihr Vater sich sicher war, dass sie nicht hinhören würde, raunte er Rasputin zu: „Ich danke dir, dass du unsere Tochter begleitest. Mimi hat noch keinen Menschen selbstständig zu Fall gebracht, daher ist es mir wichtig, dass du ihr noch ein wenig unter die Arme greifst.“ Rasputin nickte. „Ich weiß.“

Und wie er wusste! Mimi ging genau wie er, seit ihrem 50sten Geburtstag mit ihren Eltern auf die Jagd, und doch war sie so verwöhnt, dass sie bisher keinen Menschen alleine erledigt hatte. Immer hatten ihre Eltern die Vorarbeit getan. Damit sich das auf ihrer ersten Jagd ohne Eltern nicht so rächen würde, hatten Lord Phillip und Lady Lavenia Rasputin gebeten Mimi zu begleiten.

Rasputin und Lord Phillip von Normstein wandten sich nun zu Mutter und Tochter und Rasputin bekam gerade noch mit, wie Lady Lavenia sagte: „Hör auf Rasputin und mach es ihm nicht so schwer.“ Mimi nickte und versprach es ihrer Mutter.

Nach weiteren Verabschiedungen und einigen „Viel Glück!“ – Segnungen machten sich Rasputin und Mimi schließlich auf. Vor der großen Tür des Herrenhauses von Klampferdt stoben Rasputin und Mimi in die Luft und winkten noch ein letztes Mal ihren Eltern zu.
 

„Schau, Rasputin!“, rief Mimi, als die beiden sich außerhalb der Sichtweite des Hauses befanden. Sie stoppte genau wie Rasputin in der Luft und drehte sich einmal. „All meine Geburtstagsgeschenke! Dein Armband trag ich natürlich auch!“

Alle Geschenke, die Mimi vor zwei Nächten zu ihrem 400sten Geburtstag bekommen hatte. Der neue Flugumhang ihrer Eltern, die Haarspange von Onkel, Tante und ihrem Cousin, den Gürtel von Rasputins Eltern und von Rasputin ein Holzarmband mit einem daumennagelgroßen, knöchrigen Totenkopf.

„Du siehst gut aus“, gab Rasputin einen Kommentar und Mimi strahlte. Rasputin wollte schon weiterfliegen als Mimi meinte: „Es freut mich sehr, dass du mitkommst, Rasputin. Vielen Dank!“ Rasputin lächelte Mimi zu. „Wenn wir aber die ganze Nacht hier oben in der Luft hängen, kommen wir auch nicht zu einem Ergebnis. Also komm!“
 

Unter ihnen glitzerten die Lichter der Stadt. Rasputin und Mimi suchten mit ihren Augen die Straßen unter ihnen nach einem gefundenen Fressen ab. Da stockte Mimi. „Riechst du das?“, fragte sie Rasputin. Ja, er roch es. Und dieser Geruch kam ihm nur zu bekannt vor. Doch wo sollte er ihn einordnen? Dieses süße, unbeschmutzte Blut? Frei von jeglichem Unrat? Fast heilig? Mit Schrecken fiel es ihm wieder ein. Er wollte Mimi noch warnen, doch sie stürzte sich bereit auf die Nonne unter ihnen.

Dann ging alles sehr schnell. Die Nonne, ungeahnt von ihrer Verfolgerin, schritt in die Kirche und schloss die Tür hinter sich. In Mimis Augen spiegelte sich für eine Sekunde das große Kreuz auf der Tür, ehe sie mit einem spitzen Schrei zu Boden fiel.

„Verdammt.“ Rasputin schloss die Augen und flog zu Mimi hinunter. Er drehte sich mit dem Rücken zur Kirche, hob seine Freundin hoch und verschwand in die Nacht hinaus, bevor die Nonne, von dem Schrei angelockt, sie entdecken konnte.
 

Als Mimi wieder zu sich kam, war der erste Sinn, der Meldung zum Gehirn machte ihr Gehör. Sie hörte ganz deutlich Rasputins Atem, der ruhig und gleichmäßig neben ihr ging. Dann konnte sie in auch auf ihrer Haut spüren. Sie spürte auch, Rasputins Arm, den er um ihre Schulter gelegt hatte, seinen Flugumhang, der um ihren Körper gewickelt war und ihren Kopf, der auf Rasputins Schulter ruhte.

Mimi schlug die Augen auf. Sie saß neben Rasputin auf einer Parkbank und blickte auf den schwarzen Umhang, der über ihrem Körper lag, herunter. Sie blinzelte noch ein paar Mal, bis ihr wieder einfiel, was passiert war. Sofort packte sie ein schlechtes Gewissen. Ob Rasputin sauer war? Langsam hob sie den Kopf und schaute zu ihrem Freund hoch.

„Wach?“, fragte Rasputin und Mimi merkte, dass er sich ein Grinsen verkneifen musste.

„Was grinst du so? Oh Mann! Und ich hatte schon gedacht du wärst sauer! Aber du machst dich nur über mich lustig!“, schimpfte Mimi. Sie hob ihren Kopf von Rasputins Schulter und schüttelte seinen Arm ab. „Zuerst war ich auch sauer“, meinte Rasputin, der nun ein ernsteres Gesicht machte, „Aber dann dachte ich mir, dass so ein Anfängerfehler einfach zu dir passt. Du kannst also froh sein. Sonst hätte ich dich nach Hause gebracht und das wäre es dann erstmal mit alleine jagen gewesen, bis … sagen wir … Deinem 500sten Geburtstag!“ Rasputin fletschte die Zähne und Mimi gab im Stillen zu, dass er Recht hatte.

Rasputin erhob sich und nahm den Umhang von Mimi zurück. „Wollen wir jetzt weiter?“, fragte er und Mimi glaubte eine Spur Besorgnis in seiner heiseren Stimme zu hören. Sie nickte. „Ja, lass uns weiter!“ Zusammen erhoben sie sich wieder in die Lüfte. Von oben betrachteten sie wieder die Straßen nach etwas zu „Essen“, als Mimi plötzlich an Rasputins Umhang zog. „Da!“, rief sie, „Lass uns da mal rein! Mir war so, als wäre da eben ein Vampir rein gegangen!“ Während Rasputin noch verwirrt auf den Club schaute, auf den Mimi eben gedeutet hatte, setzte Mimi eine Querstraße davon entfernt zur Landung an. Rasputin blieb nichts anderes übrig, als es ihr nachzutun.

Zusammen schlenderten sie zu dem Club der mit großen Neonlichtern seinen Namen in die Nacht kundtat. Mimi kicherte, als sie auf die Schrift zeigte: „Vampires Blood“ „Wie passend“, gab Rasputin ironisch dazu, als sie eintraten.

Eine Vielzahl an Gerüchen schlug den beiden Vampiren entgegen. Mimi konnte sich auf keinen einzigen konzentrieren. Es roch nach allem Möglichen, nach Blumen, nach Alkohol, nach Zigaretten, nach Schweiß und nach Rasierwasser. Selbst Rasputins Geruch konnte sie nicht mehr ausmachen. Und er stand direkt hinter ihr, berührte mit seinem Arm ganz leicht ihren Rücken.

„Welcher Vampir würde so dumm sein und hier freiwillig reingehen?“, fragte Rasputin und rümpfte die Nase. Auch ihm passten so viele Gerüche nicht. „Ach, komm schon!“, versuchte Mimi vielmehr sich selbst als Rasputin zu überzeugen, „Ich wette diese Menschen merken es nicht mal wenn du sie beißt!“

Sie gingen etwas tiefer in den Club. Dumpfer Bass erfüllte die Hallen. Alles war dunkel eingerichtet und Rasputins war nur froh, dass man keine Kreuze als Dekoration aufgehängt hatte. Die Menschen um sie herum, sahen alles samt aus, als hätten sie nie in ihrem Leben die Sonne oder auch nur eine andere Lidschattenfarbe als Schwarz gesehen. Mit dicken Kajal waren die Augen umrandet, mit schwarzem Lippenstift die stets mürrischen Münder. Sie trugen schwarze T-Shirts, Hosen, Röcke und Netzstrumpfhosen mit allerlei Ketten, Ohrringen und Armbändern.

Mimi hatte sich inzwischen etwas weiter vor gewagt als Rasputin und stand nahe bei einem Mädchen, von dem ein anscheinend bekannter Geruch ausging. Mimi tippte dem Mädchen auf die Schulter. Sie drehte sich um. Das Gesicht weiß geschminkt, mit schwarz umrandeten Lippen und Augen und einem leblosen, traurigen Blick. Doch Mimi ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. „Bist du ein Vampir?“, fragte sie das Mädchen gegen den Bass an. „Sind wir nicht alle auf dieser Welt Vampire, die das Blut derer kosten möchten, die uns verschmähen?“ Mimi hatte zwar nicht ein Wort von dem verstanden, was das Mädchen gesagt hatte (und das hatte nicht am Bass gelegen), aber sie nickte trotzdem. „Klar! Hast Recht!“ Dann drehte sie sich um und ging zurück zum Tresen, wo sie Rasputin das letzte Mal gesehen hatte. Sie wollte aus diesem Laden raus.

Rasputin hatte währenddessen ganz andere Probleme.

„Und du bist zum ersten Mal hier?“, schrie ihm das Mädchen in Ohr.

Rasputin nickte.

„Soll ich dir dann mal ein bisschen hier alles zeigen?“, lallte das Mädchen weiter.

„Ich warte nur auf meine Freundin!“, rief Rasputin gegen den Bass an.

Das Mädchen legte ihre Arme um Rasputins Hals. Sie grinste ihn an und ihre glasigen Augen versuchten den Blick von ihm aufzufangen.

„Vergiss die!“, meinte das Mädchen, „Wir beiden werden viel mehr Spaß haben!“

Doch da schob Rasputin das Mädchen von sich. Er hatte Mimi entdeckt, die Rasputin und das Mädchen nur mit offenem Mund anstarrte. Rasputin kam zu ihr hinüber und schloss Mimi in die Arme. Damit hatte sie gar nicht gerechnet und versteifte sich für einen kurzen Moment. „Lass uns hier aus!“, raunte Rasputin Mimi ins Ohr und zog sie aus dem Club.
 

„Das war die dümmste Idee, die du diesen Abend hattest! Obwohl die Nonne auch schon ein Highlight war!“ „Es tut mir leid, Rasputin! Aber du musst doch zugeben, dass die wirklich wie Vampire aussahen!“ „Wenn das Vampire waren, sollten die mal zum Arzt! Die sahen alle ziemlich krank aus!“

Mimi schwieg. Sie flogen inzwischen schon wieder über die Dächer der Stadt und suchten auf den Straßen nach Menschen die sie (endlich mal) beißen könnten. Rasputin war nach dem Besuch im Club sauer. Über die Sache mit der Nonne hatte er noch lachen können, aber dass ihn ein Menschenmädchen fast geküsst hätte, fand er alles andere als lustig. Und Mimi verstand das.

„Lass uns hier mal runter“, murmelte Rasputin plötzlich. Die beiden setzten in der Nähe eines Parks zur Landung an. Sie schlugen sich durch die Büsche zu einem kleinen Platz in der Mitte des Parks. Alle Wege trafen hier zusammen und ein runder Springbrunnen war auf der Mitte aufgebaut. Davor stand eine junge Frau. Sie schaute auf die leise plätschernden Fontänen. Ihre blonden sanften Locken glänzten leicht im Licht der Laterne. Der Duft, der von ihr ausging, war atemberaubend köstlich.

„DAS ist ein Opfer!“, flüsterte Rasputin, „Ich zeig dir jetzt wie das geht.“ Mit diesen Worten trat Rasputin aus dem Busch heraus. Die Frau fuhr herum und starrte ihn erschrocken an. Sie konnte gerade mal 19 oder 20 sein. Rasputin redete auf die Frau ein. Ihr Blick wurde immer seichter, sie ließ Rasputin über ihre Haare streichen.

Doch als Rasputin die blonden Wellen von ihrem Hals strich, erstarrte er. Er blickte wie versteinert auf den Hals der Frau und wankte bis er letztendlich auf den Boden sank.

„RASPUTIN!“ Mimi schrie auf. Sie sprang aus dem Busch um zu ihrem Freund zu rennen. „Gehörst du zu ihm?“, fragte die Frau ruhig und mit einer wundervollen Stimme, aber Mimi traute ihr nicht. „Willst du mit ihm kommen?“ Die Stimme der Frau wurde härter und dann schob sie den blonden Vorhang von ihrem Hals. Mimi wurde schwarz vor Augen. Das letzte an das sie sich erinnern konnte, bevor sie das Bewusstsein verlor, waren die zwei Kreuze, die der Frau auf den Hals tätowiert waren.
 

„Verdammt.“ Immer wieder. „Verdammt.“ Immer wieder hörte Mimi dieses Wort. „Verdammt.“ Leise und gedrungen drang es immer wieder an ihr Ohr. „Verdammt.“ Und schließlich erkannte sie die Stimme. Es war Rasputins.

Mimi öffnete die Augen. Sie sah eine graue Betonwand vor sich. Von der Decke fiel ein fahles Licht. Sie saß, gefesselt, Rücken an Rücken mit Rasputin, der immer noch leise fluchte. „Jetzt weiß ich was ich falsch gemacht habe“, meinte Mimi und Rasputin verstummte augenblicklich, „SO geht das also. Kein Wunder, dass das bei mir nie klappt!“ „Ha, ha, ha! Sehr witzig, Mimi“, gab Rasputin zurück.

In dem Moment ging die Tür auf. Ein Mann drehte sich in der geöffneten Tür herum und sagte etwas von einem Halstuch, dann trat er ein. Groß und schlank mit rotblonden Haaren und einem spitzen Kinn lächelte er den Vampiren entgegen. Hinter ihm trat die Frau herein, die sich gerade noch ein Halstuch umschlang. „Wir wollen ja nicht“, begann der Mann höhnisch, „dass unser Besuch noch einmal ohnmächtig wird.“

Die Frau trat vor und betrachtete Mimi und Rasputin eingehend. Dann wandte sie sich mit einem strahlenden Gesicht zum Mann um. „Professor“, hauchte sie atemlos, „Sie haben es tatsächlich geschafft! Vampire!“ Der Professor nickte zufrieden. „Natürlich, Kiana, Kind. Niemand hatte mir geglaubt, doch nun …“ Der Professor ließ den Satz unbeendet und als sie sich sicher war, dass er nichts mehr sagen wollte, fiel Kiana ein: „Ich habe Ihnen immer geglaubt! Ich wusste, dass Sie es schaffen würden, Herr Professor.“ Der Professor legte ihr eine Hand auf den blonden Schopf. „Gewiss, mein Kind! Nun lass uns ein paar Experimente vorbereiten. Unser Besuch soll nicht mehr solange warten müssen.“ Und mit einem gehässigen Grinsen den beiden Vampiren gegenüber, drehte er sich um und verschwand mit Kiana im Nebenraum.

Als die Tür ins Schloss fiel wisperte Mimi: „Experimente?! Raspi, was machen wir jetzt? Wenn der mir meine Zähne ziehen will, oder meinen Flugumhang klaut, oder mir Blut abnimmt, oder mir irgendwas spritz, oder-“ „ Sei bitte für einen Moment still!“, schnitt Rasputin Mimi das Wort ab.

„Okay“, seufzte er, „Mimi, kannst du irgendwie versuchen meine Fesseln zu öffnen?“

„Rasputin, was ist, wenn sie versuchen uns zu exorzieren?“

„Ich gehe davon aus, dass das ihr Vorhaben ist, darum möchte ich dich bitten, meine Fesseln zu lösen!“

Mit zittrigen Fingern fummelte Mimi an Rasputins Fesseln herum. Da sie sich nicht weit genug herum drehen konnte, konnte sie nicht viel sehen, doch sie gab sich große Mühe. Rasputin überlegte sich im Kopf einen Plan, um an dem Professor und seiner Assistentin Kiana vorbeizukommen, als er plötzlich merkte, dass Mimi ihre Finger um seine schloss.

„Mimi?“

„Rasputin … Ich … Ich liebe dich!“

Erschrocken fuhr Rasputin herum. „Und dir fällt kein besserer Moment ein, mir das zu sagen als JETZT?!“ Mimi schwieg. Sie blickte starr auf den Boden vor ihr. Wieder seufzte Rasputin. „Mimi, ich hol uns hier schon raus klar? Du musst keine Angst haben!“ Leicht erwiderte Rasputin den Druck von Mimis Händen. „Aber dafür wäre es hilfreich, wenn du mir die Fesseln öffnest, okay?“ „Ist gut“, nuschelte Mimi und löste ihre Finger aus Rasputins.

Eine Weile später hatte sie die Fesseln gelöst. Rasputin rieb sich kurz die Handgelenke und machte sich dann daran Mimis Fesseln zu öffnen. Er hatte es dabei einfacher, da er sich zu ihr umdrehen konnte und so dauerte es nicht lange, bis auch Mimis Fesseln zu Boden fielen.

Gerade im richtigen Moment, denn einen Augenblick später hörten sie Schritte vor der Tür. Schnell setzten sie sich wieder Rücken an Rücken. Die Tür ging auf und Kiana trat ein.

„So“, säuselte sie, „Wer von euch beiden möchte sich den zuerst bereit erklären?“ Rasputin und Mimi schwiegen. „Nun habt euch nicht so! Der Professor ist ein wunderbarer Mann! Er hat soviel über euch herausgefunden!“

„Der Professor bedeutet dir viel, nicht wahr?“, fragte Rasputin mit seiner heiseren Stimme. Er schaute Kiana tief in die Augen, als wolle er sie hypnotisieren. Und es wirkte.

„Ja“, hauchte Kiana.

„Und er? Weiß er dich zu schätzen?“

„Ich … Ich weiß es nicht …“

„Warum haust du nicht ab? Du kannst mit mir kommen.“

„Mit dir?“

„Ja. Ich werde dich zu schätzen wissen.“

Rasputin war Kiana inzwischen näher gekommen und das Mädchen merkte gar nicht, dass er nicht mehr gefesselt war. Sie verlor sich immer mehr in den blauen Augen des Vampirs und war gegen seine Worte und Stimme machtlos.

Langsam und ohne hinzuschauen, schob Rasputin Kianas Halstuch hinunter. Und dann biss er zu. Die Augen des Mädchens weiteten sich vor Schreck, doch dann fielen ihre Lider runter und sie wurde bewusstlos.

Mimi wollte gerade einen kleinen Freudenjubel loslassen, als Rasputin hustete. Keuchend ließ er Kiana auf den Betonboden fallen und krabbelte ein paar Schritte zurück. Er hustete, keuchte und das Atmen schien ihm schwer zu fallen.

„Rasputin was ha-“ Mimi wurde von dem Professor unterbrochen, der zur Tür hereinkam. Er starrte auf seine bewusstlose und blutige Assistentin und auf die zwei Vampire, die von ihren Fesseln befreit waren. Sein Blick blieb an dem keuchenden Rasputin hängen.

„Du!“, brachte er gepresst hervor und wollte auf Rasputin zu stürmen. Doch da sprang Mimi auf. Sie warf sich dem Professor an den Hals und stieß ihre Eckzähne in seinen Hals. Das Blut strömte aus den kleinen Löchern und mit jedem Herzschlag kam ein erneuter Schwall. Der Geschmack war für Mimi unvergleichlich. Solches Blut hatte sie noch nie gekostet.

Schließlich ließ Mimi den Professor neben Kiana auf den Boden fallen. Sie wandte sich an Rasputin, dem das Luftholen langsam wieder besser gelang. Auf den besorgten Blick seiner Freundin hin, antwortete er: „Ihr Blut. Es riecht vielleicht … gut, aber es schmeckt scheußlich! … Er muss ihr irgendwas zugemischt haben …“

Mimi drehte sich zu der Frau herum und strich über einen feinen Rinnsaal. Sie legte das Blut vom Finger und schauderte. „Bah! Das ist ja …! Igitt!“ Rasputin lachte heiser und wischte seiner Freundin eine feine Blutspur vom Mundwinkel. Er probierte das Blut und lächelte milde. „Du hattest auf jeden Fall mehr Glück. Jetzt lass uns hier aber verschwinden. Die werden auch irgendwann wieder aufwachen.“
 

Als die beiden einen Moment später in der Luft schwebten erkannten sie auch, wo sie sich befanden. „Ein Industriegebiet“, murmelte Rasputin, „Unsere Häuser befinden sich nördlich von hier.“ Er zeigte in eine Richtung quer über die Stadt hinweg. Mimi wollte sich schon auf den Weg machen, als sie merkte, dass Rasputin sie am Umhang festhielt.

„Mimi“, klang seine heisere Stimme an ihr Ohr und als sie sich umdrehte lächelte er sie leicht an. Mimis Herz schlug schneller. Sie dachte an ihre Liebeserklärung zurück und spürte ihren Puls, vor lauter Erwartung, schneller werden. „Ich hab noch immer einen schrecklichen Geschmack im Mund, lass uns vorher noch ein Opfer suchen, ja?“

Mimi brauchte eine Sekunde, bis seine Worte Sinn ergaben. Und noch eine Sekunde brauchte sie um die Enttäuschung runter zuschlucken. Und noch eine um den Ärger über die Enttäuschung loszuwerden. Dann nickte sie.

Als sie über die Stadt flogen, erblickten die Vampire in einer Seitenstraße ein Mädchen. „Na, hoppla! Kommt uns die nicht bekannt vor?“, meinte Rasputin und nun erkannte auch Mimi das Mädchen. Es war das Mädchen gewesen, das sich im Club an Rasputin herangemacht hatte. Bevor Mimi noch etwas dazu sagen konnte, war Rasputin schon gelandet und auf das Mädchen zu gegangen.

Er setzte den gleichen Blick auf, den er bei Kiana genutzt hatte und umgarnte das Mädchen mit leichten Worten. Das Mädchen war geschmeichelt und schon saß Rasputin an ihrem Hals. Er trank ein wenig von ihrem Blut und als er fertig war, setzte er sie an den Straßenrand unter eine Laterne. Dann flog er wieder zu Mimi hinauf.

„Satt?“

„Eifersüchtig?“

Sie streckte ihm die Zunge raus.

Mimis Herz schlug schon wieder schneller, doch diesmal nicht vor Erwartung, sondern vor Scham. Sie drehte sich um und flog Rasputin voraus. Es ärgerte sie ungemein, dass sie Rasputin ihre Liebe gestanden hatte. Doch sie hatte wirklich geglaubt ihn nie wieder zusehen und da war es ihr herausgerutscht.
 

Schließlich landeten die beiden vor Mimis Haus. Rasputin geleitete Mimi die große Steintreppe zur Haustür hinauf. Vor dieser blieben sie stehen.

„Tut mir leid, dass ich dir so viele Schwierigkeiten gemacht habe“, murmelte Mimi kleinlaut und Rasputin lachte. „Schwierigkeiten?“, fragte er, „Was denn für Schwierigkeiten? Ich erinnere mich nur, dass du auf eine Nonne reingefallen bist, mich in einen Club geschliffen hast, wo ich beinahe von einem Menschen geküsst worden wäre und dass wir beide fast von einen Möchtegern-Frankenstein exorziert wurden, der eine Assistentin mit dem abscheulichten Blut überhaupt hatte. Aber was denn für Schwierigkeiten.“

Mimi war während Rasputins Rede immer kleiner geworden. Sie schaute auf den Steinboden vor ihr und sagte nichts.

„Eins hab ich noch“, berichtete Rasputin. Mimi schaute auf. „Willst du es hören?“

„Nein, Danke! Ich bin mir schon im Klaren darüber, was ich getan habe!“

„Schade. Eigentlich wollte ich dich noch an dein Liebesgeständnis erinnern.“

„Das war mein Ernst!“, rechtfertigte Mimi sich automatisch, nur um sich danach die Hände auf den Mund zu schlagen. Beschämt blickte sie wieder zu Boden.

„Weißt du“, begann Rasputin, „ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass nicht mal du, im Angesicht eines Exorzismus, noch Witze reißen kannst.“

Mimi ließ langsam die Hände sinken. „Begleitest du mich morgen wieder auf der Jagd?“ Mimi traute sich noch immer nicht, Rasputin anzusehen.

„Nach dem was heute passiert ist?“

Mimi schluckte schwer.

„Klar!“

Mimis Kopf schnellte hoch und sie sah Rasputin forschend an. Doch er lächelte nur, schloss sie in die Arme und drückte seine Lippen ganz sanft auf ihre.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ChiaraAyumi
2008-08-24T11:32:24+00:00 24.08.2008 13:32
So endlich mal zuende gelesen!
Ist gut geworden
Auch wenn es vllt zuviel in so wenig text reingestopft wurde
kam mir so vor...
Aber trotzallem super!


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