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Tangram - Tanz der Schatten

Winter-Wichtelgeschichte für Kawari
von

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Pas de Deux

.....~ * ~.....
 

... Eines Tages zerschlug der Donnergott voller Wut den Himmel, welcher in sieben Stücken, schwarz wie Kohle, zur Erde fiel und alles unter sich begrub.
 

Von den schwarzen Trümmern bedeckt, verschwand das Licht von der Erde und mit ihm alles Leben ...
 

.....~ * ~.....
 


 

November, AC 197
 

Die Wochen bis Weihnachten schmolzen dahin, dank der Arbeit, die es alle kostete, mit dem Zirkus ins Winterquartier zu ziehen. Von der von Catherine prophezeiten Freizeit war noch nichts zu spüren.

Das große Zelt war abgeschlagen, doch die Tiere, die in einer angemieteten Stallung untergebracht waren, mussten genauso verpflegt werden wie während des normalen Zirkusbetriebs. Und auch das Training der Artisten ging in einer nahegelegenen Halle weiter wie zuvor.

Einzige Abwechslung bot die lebende Krippe, die auf dem Rathausplatz der Stadt aufgebaut war, in der sie für den Winter gastierten, und für die der Zirkus ein paar seiner Tiere zur Verfügung gestellt hatte.
 

Es war spät am Nachmittag. Dicke Wolkenberge schoben sich vor den sich verdunkelnden Winterhimmel und es hatte zu schneien begonnen. Die eisigen Flocken fielen dicht an dicht und beschleunigten die Geschäftigkeit der Leute, die aus einem Laden in den nächsten eilten, um Vorräte und Geschenke für die kommenden Feiertage anzuhäufen.

Catherine und Trowa hatten Mühe, sich ihren Weg durch die Menschenmengen zu bahnen, die die Einkaufsstraßen rund um den Marktplatz bevölkerten.
 

Vor einem vollbesetzten Café hielt Catherine an. Den Leuten, die aus dem Café kamen oder hinein wollten, trotzend, klammerte sie sich an Trowas Arm fest. Ihre violette Mütze saß schief auf ihrem Kopf und mit ihrer freien Hand begann Catherine in den tiefen Taschen ihres langen Mantels nach etwas zu suchen.

"Irgendetwas, das wärmer ist, als meine Finger", rief Catherine Trowa gegen den Lärm der Leute zu und drückte ihrem Gegenüber ein paar Münzen in die Hand. Sie hatte den Satz kaum ausgesprochen, da verschwand sie auch schon wieder in dem sich vorüber schiebenden Strom aus Tütenschleppenden Menschen, die die junge Frau mit sich rissen. Bald war Catherines violette Mütze zwischen den Jacken und Taschen der einkaufenden Meute untergetaucht.
 


 

Die beiden Getränkebecher in seinen Händen balancierend näherte sich Trowa schließlich dem Rathausplatz. Schon von Weitem erkannte er Catherine, die bemerkenswert still in der Hektik, die um sie herum herrschte, gegen das Geländer vor der Krippe gelehnt dastand und skeptisch die Szene vor sich betrachtete.

In der Krippe war alles vorhanden. Die heilige Familie aus lebensgroßen Puppen, die von Hirten und Engeln eingerahmt, im Stroh um die kleine Futterkrippe saß, in der das Christuskind lag. Und auch die lebenden Zirkustiere, die zwischen den Puppen geschäftig im Streu scharrten, fügten sich ordentlich in das Bild ein. Eigentlich.
 

Ohne Aufzublicken nahm Catherine den Plastikbecher von Trowa entgegen, der neben sie trat und sich ebenfalls gegen das Geländer lehnte. Sie pustete vorsichtig in das nach Zimt riechende, heiße Getränk, bevor sie einen Schluck davon nahm und den Becher auf der Brüstung vor sich absetzte.

"Denkst du, es fällt auf?" Catherine hatte ihre Blicke noch immer der hellerleuchteten Krippe zugewandt.

"Was?", erklang Trowas ruhige Stimme an ihrer Seite. "Das Lama neben dem Esel?"

Catherine nickte wie in Zeitlupe.

Trowa zuckte mit den Schultern. "Kennst du einen Zirkus, der einen Ochsen hat? Und der Löwe hätte den Esel gefressen..."

Der dunkelrote Punsch in Catherines Becher schwappte gefährlich nahe gen Becherrand, als sie zu lachen begann. Sie sah hinüber zu Trowa, der wohl nicht ganz das erfassen konnte, was er da selbst gerade gesagt hatte. Seine Mimik wirkte etwas zwiegespalten, so als überlege er, was die junge Frau so erheitert hatte und als wolle er gleichzeitig selbst lachen.

Trowa hatte einen wundervollen Humor, dachte Catherine, nur wusste er ihn offensichtlich nicht zu schätzen. Etwas, das ihr schon öfter Kopfzerbrechen bereitet hatte.
 

Catherine schloss ihre Hände fester um den Becher und genoss die Wärme, die von dem Trinkgefäß durch ihre Handschuhe in ihre ausgekühlten Finger überging. Still beobachtete sie die Schneeflocken, die in ihren Becher fielen und kaum, dass sie das heiße Getränk erreicht hatten, schmolzen.

"Du gibst nicht gerne etwas von dir preis. Etwas mehr als das, was du bisher für nötig gehalten hast, meine ich..."

Trowas erstaunte Blicke trafen kurz auf Catherines. Mit dem plötzlichen Umschwenken auf dieses Thema hatte er nicht gerechnet. Was sollte er jetzt antworten? Sollte er überhaupt etwas antworten? Catherines Satz hatte nicht wie eine Frage geklungen. Trowa schloss seinen Mund wieder und überließ es aus reiner Gewohnheit, Catherine reden zu lassen.

"Du bist so versessen darauf, auf andere achtzugeben, dass du dich selbst vergisst." Catherines Stimme wankte für einen Moment als sammele sie allen Mut, um dann das auszusprechen, was sie nicht erst seit heute zu beschäftigen schien.

"Was hält dich denn davon ab, mal ehrlich zu sein. Du bist nicht fair denen gegenüber, die wirklich den Trowa kennen lernen wollen, den es ja irgendwo geben muss. Ohne Maske und Schminke. Die Farbe wischst du dir zwar nach jedem Auftritt aus dem Gesicht, aber die Maske nimmst du trotzdem nicht ab."

Trowa hört nicht nur Catherines Worte, sondern spürte sie. Ihre Augen hatten ihn fest in ihrem Blick gehalten, ohne auch nur einmal von ihm abgelassen zu haben. Ganz so, als hätte sie Angst davor, einen der Momente zu verpassen, wenn er den Trowa zeigte, den er verbarg.
 

"Du kannst andere nicht davor bewahren, ihre eigenen Erfahrungen zu machen", begann Catherine nach einer Weile leise. "Und niemand kann dich davor schützen, verletzt zu werden. So ist das nunmal, wenn man mit anderen Menschen zu tun hat."

Der Eifer, mit dem Catherine eben noch gesprochen hatte, war gewichen, ihr Tonfall war milder geworden und Trowas nachdenklich in Falten gelegte Stirn glättete sich wieder etwas. Am liebsten hätte er die junge Frau unterbrochen und ihr gesagt, dass genau das sein Problem sei. Er müsse doch selbst erst einmal wissen, wer er war, nein, nicht unbedingt, wie sein richtiger Name sei, aber er wollte ja lernen und diese Erfahrungen machen - doch dafür brauchte er zuerst einmal einen Ansatz, selbst wenn es in winziger war. Alles war besser, als wieder mit solchen Dingen konfrontiert zu werden, die anderen selbstverständlich erschienen.
 

Trowa drehte seinen halbvollen Becher in seinen Händen hin und her und sah den Bewegungen in seinem Getränk zu. Er blickte erst auf, als er merkte, wie Catherine sich von dem Geländer abstieß und noch einen kleinen Augenblick einfach nur dastand und ihn ansah.

Der Schnee fiel auf ihren Mantel und ihre Mütze. Winzige Flocken verfingen sich in ihren gelockten Haaren und schmolzen zu kleinen glitzernden Perlen. Catherine hob den Arm und machte eine Handbewegung in Trowas Richtung, als wolle sie ihn verscheuchen.

"Mach dich auf den Weg. Es muss ja nichts schlimmes sein, was du findest, aber kümmer dich um dich selbst. Und wenn der eine Weg zu Ende ist, dann suchst du dir einen neuen."

Catherines Mundwinkel bogen sich leicht nach oben. Sie nickte kurz, als hätte sie damit eine für Trowa unhörbare Frage bestätigt und dann ging sie.

Alles, was von ihr zurück blieb, war eine schneefreie Stelle auf dem Geländer, wo ihre warme Tasse das kalte Weiß weggeschmolzen hatte.
 


 

Trowa sah auf die wässrige Stelle, die Catherines Becher im Schnee hinterlassen hatte.

Er hatte Catherine verärgert, ohne überhaupt zu wissen, womit. Doch wie sollte er ihr klarmachen, dass er, um etwas von sich preiszugeben, erst einmal etwas über sich selbst wissen musste?! Das, von dem er gelernt hatte, dass es richtig sein sollte, stimmte nicht. Stimmte nicht mehr.

Die nachdenklichen Blicke des jungen Mannes wandten sich zum Himmel. Die dicken Schneewolken waren an einigen Stellen aufgebrochen und man konnte darin winzige, weiße Lichter am nachtschwarzen Himmel funkeln sehen.

Eines der Lichter fiel nun in einem weiten Bogen hinab. Aber es erschienen keine Abfangraketen, um es zu zerstören, ehe es die Erde erreicht hatte. Friedlich zog das Licht seine Bahn am Himmel entlang und verglühte schließlich in der Atmosphäre; völlig ungestört und ohne dass eine ohrenbetäubende Explosion die erwartungsvolle Festtagsstimmung zerriss.

Es waren nicht mehr die schweren Gefechtsfeuer, die den Nachthimmel zum Leuchten brachten. Es waren Sterne, die eine dichte Wolkenwand nun wieder verdeckte. Und anstelle eines Aschenregens ging bald wieder Schnee auf die Stadt hinab. Etwas vollkommen normales, an das er sich dennoch nach den vergangenen Jahren, die vom Krieg diktiert worden waren, erst wieder gewöhnen musste.
 

Catherine hatte Recht, musste sich Trowa eingestehen. Jeder musste seine Erfahrungen machen, unabhängig davon, wer man war. In der Gegenwart spielte das keine Rolle mehr.

Die Zukunft wurde auf den Schatten errichtet, die die Vergangenheit hinterlassen hatte. Und jedes neue Strahlen warf auch wieder Schatten; vor sich und auch hinter sich. Die Kunst lag darin, zu verstehen, was einem nicht erspart bleiben würde und daraus zu lernen, wie man es sinnvoll umsetzte. Das durfte er niemandem vorenthalten - am wenigsten aber sich selbst.
 


 

TBC



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