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Boten der Götterdämmerung

Der Drache
von

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Kapitel 3

Kapitel 3
 

Der Zirkel war unglaublich groß.

Die Elfenmagier hatten sich in einem Hof hinter dem Anwesen zusammengefunden und erst einige Zeit beratschlagt. Bald schien es als seien sie sich einig und prompt ging es los: Zwei von ihnen zeichneten einen Kreis von vier Metern Durchmesser und darin ein gewaltiges Pentagramm mit zahllosen unverständlichen Zeichen. An der Spitze jedes Zackens wurden Weihrauchschalen aufgestellt und hinter jeder postierte sich einer der Magier.

Was immer sie beschwören wollten, es war offensichtlich, dass es aus einer anderen Ebene kommen würde. Josidiah schien davon nicht sehr beunruhigt zu sein. Mitten im Kreis stehend wartete sie einfach nur ab. Keiner in ihrem Gefolge schien sich ernsthafte Sorgen zu machen. Mein Gefühl hatte mich anscheinend nicht getäuscht. Mittlerweile war Josidiah die Kriegerin deutlich anzusehen, ob an ihrer Haltung oder an der Art wie sie ihr Schwert hielt. Es war ein fast so lang, wie Josidiah groß, und zweischneidig. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieses Schwert kein gewöhnliches war.

Wie auf ein Signal hin entzündeten die Magier alle gleichzeitig den Inhalt der Schalen und begannen, mit den Händen die Schalen berührend, leise eine Anrufung anzustimmen. Zuerst waren ihre Stimmen nur leise zu hören, doch mit jeder Silbe schienen sie lauter zu werden. Die verschlungenen Symbole um das Pentagramm herum fingen an, in einem ungesund wirkenden grünlich grauen Ton zu leuchten. Langsam wurde der Rauch aus den Gefäßen in die Ecken des Pentagramms gezogen. Vor unseren Augen verdichtete er sich.

Gestalten wurden sichtbar. Sie waren zu fünft, einer in jedem Zacken des Pentagramms. Wesen wie diese hatte ich noch sie gesehen. Sie waren etwas kleiner als ein Elf und ihre bösartig funkelnden Augen waren vollkommen schwarz. Ihre Haut war so grau wie der Rauch, aus dem sie scheinbar entstanden waren. Ihre mit Klauen bewehrten Finger waren ständig in Bewegung. Mit keckernden Lauten verständigten sie sich untereinander. Josidiah bewegte sich noch immer nicht.

Plötzlich sprangen die kleinen Wesen alle auf einmal auf die Elfenprinzessin zu.

Meine Hand zuckte unwillkürlich in Richtung Skimitar, doch Josidiah war auf den Angriff gefasst gewesen. Mit einer einzigen flüssigen Bewegung zog sie das riesige Schwert aus der Scheide und schwang es ein einziges mal um sich herum. Fast so es so aus, als hätte sie sogar die Luft selbst mit diesem Hieb geschnitten. Die Wesen hatten diesem Schlag nichts entgegen setzen können. Sie alle gingen zu Boden. Aber das war nicht das bemerkenswerteste.

Josidiahs Schwert glühte.

Die ganze Klinge war von einem grünen Licht umgeben, oder eher sie leuchtete aus sich selbst heraus. Dieses Schwert war wirklich alles andere als gewöhnlich.

Josidiah sah sich einmal zufrieden im Pentagramm um. Hinter ihr bewegte sich etwas. Eines der Wesen hatte überlebt. Noch bevor einer von uns Josidiah eine Warnung zurufen konnte, sprang es von hinten auf sie zu, die Klauen erhoben. Aber sie hatte es schon bemerkt. Blitzschnell drehte sie sich um und trennte mit der grün aufstrahlenden Klinge den Kopf des Wesens von seinem Körper. Alle der Wesen lösten sich in Rauch auf.

Woher auch immer sie gekommen waren, sie waren dorthin zurückgekehrt. Dieses Mal war es endgültig vorbei.

„Zufrieden?“ fragte Josidiah. „Wie Ihr seht bin ich durchaus in der Lage, selbst auf mich aufzupassen.“

„Ich muss das Kompliment von vorhin zurückgeben. Es war beeindruckend.“ gab ich zu.

„Das könnte durchaus von Nutzen sein.“ sinnierte Levathi. „Ich glaube nicht, dass jetzt noch jemand etwas dagegen hat, wenn ihr mitkommt. Das heißt, wenn der Wesir von Grothoa zustimmen sollte.“

Mox nickte nur bedächtig.

„Dann sehen wir uns also morgen in der Arena!“ schloss Josidiah freudig.
 

Nach diesem kleinen Intermezzo beendeten wir das Essen und verabschiedeten uns alle bis zu morgigen Tag. Mox hatte dort noch einen Kampf zu bestreiten, den Levathi unbedingt sehen wollte und unsere Gruppe verabredete ein Treffen vor der Arena. Zum Abschied schenkten die Elfen Mox das ganze Fass Zwergenale (sie waren wohl froh, das Zeug los zu werden; wo sie es wohl her hatten? Elfen und Zwerge sind nicht gerade für ihr freundschaftliches Verhältnis bekannt...).

Ich für meinen Teil war froh, fort zu kommen. Unter Hochelfen fühlte ich mich einfach nicht wohl.

Seltsamerweise kommen Halbelfen mit fast allen Völkern sehr gut zurecht. Die einzigen mit

denen wir öfter Schwierigkeiten haben, sind die Menschen und die Elfen...

Gemeinsam mit Mox und Levathi gingen Gwen und ich in Richtung des Hafenviertels, in dem sich die Herbergen befanden. Es war mittlerweile schon fast Abend. Überall schlossen die meisten Läden , wogegen in den zahlreichen Tavernen der Betrieb jetzt erst richtig losging: die Seemänner und die Inselbewohner, Söldner und Handwerker und Kaufleute trafen sich dort, um gemeinsam zu trinken und Nachrichten auszutauschen. Die fröhliche Feierabendstimmung zeigte sich in den Liedern, die gesungen wurden, in den Witzen, über die man lachte. In solchen Momenten überkam mich manchmal das Heimweh nach meinen geliebten Wäldern.

Mox´ Stimme riss mich aus meinen Tagträumen.

„Hast du schon eine Herberge?“

Ich stutzte. Das hatte ich ja vollkommen vergessen!

* Da bist du nicht die einzige.* meinte Gwen zerknirscht.

* Es wäre ja nicht das erste Mal, das wir draußen übernachten. Wir suchen uns einen etwas höheren Baum, dann geht das schon.*

Mox sah mich immer noch erwartungsvoll an. Ich hatte vergessen, ihm zu antworten.

„Nein.“ meinte ich etwas betreten. „Wir kamen heute morgen erst an und hatten noch keine Gelegenheit, eine Unterkunft zu suchen.“

„Jetzt werdet Ihr wohl kaum noch etwas finden.“ stellte Levathi fest. Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Das macht nichts. Ich bin es gewohnt, draußen zu schlafen. Wir suchen uns einfach einen hohen Baum, auf dem uns keiner stört.“

„Da wo ich übernachte, war heute morgen noch viel frei. Komm einfach mal mit.“ verkündete Mox, der glücklich sein Alefass tätschelte.

*Vielleicht haben wir ja wirklich Glück. Und selbst wenn nicht, die Konkurrenz was Bäume angeht, ist, glaube ich, nicht so groß.*

*Einen Versuch ist es wert. * Gwen klang allerdings nicht so hoffnungsvoll wie ich.

*Mein kleiner Pessimist. * neckte ich. Zur Antwort stupste sie mich einfach an.

Nach relativ kurzer Zeit kamen wir bei der Herberge an, in der sowohl Mox, als auch Levathi übernachteten. Es war ein zweistöckiger Holzbau mit runden Fenstern, aus denen warmes Licht strahlte. Im Erdgeschoss schien es eine Art Taverne zu geben, denn es herrschte viel Betrieb dort. Trotzdem strahlte die Herberge Gemütlichkeit aus.

Auch innen sprach alles von Behaglichkeit: es war angenehm warm und die Lampen verbreiteten sanftes Licht überall im Raum. Nirgend war auch nur ein Schmutzfleck zu sehen. Mox und Levathi hatten ohne Zweifel die beste Herberge auf der ganzen Insel gefunden.

Kaum hatten wir den Innenraum betreten, watschelte auch schon der etwas rundliche Wirt auf uns zu. „Ah, die Herren sind also wieder da. Eure Zimmer sind fertig. Und was kann ich für Euch tun, junge Dame?“

„Ihr hättet nicht zufällig noch ein Zimmer frei?“ fragte ich hoffnungsvoll.

„Ah, da habt Ihr aber wirklich Glück. Heute nachmittag ist noch einer abgereist. Das Zimmer ist zwar nicht besonders groß, aber ich glaube es wird Euch gefallen. Es liegt direkt neben dem Zimmer des ... Minotauren hinter Euch.“

„Das trifft sich wirklich gut. Ich nehme es- vorausgesetzt, Ihr habt nichts dagegen, dass ich meine Gefährtin hier mitbringe.“ warnte ich ihn. Er hatte Gwen noch nicht bemerkt. Sie hatte sich im Hintergrund gehalten und hätte wahrscheinlich neben mir herschleichen können, ohne dass der Wirt sie bemerkt hätte. Aber ich hasse es, lügen zu müssen. Also bedeutete ich Gwen, vorzutreten und sich zu zeigen.

„Aber- das ist ja...“ keuchte der Wirt erschreckt.

„Sie tut niemandem etwas.“ beschwichtigte ich ihn.

*Niemandem? Hast du den Kerl vergessen, dem ich eine Lektion erteilt habe, weil er sich an dir vergreifen wollte? * hörte ich Gwen über unser Band fragen. Ich achtete darauf, mir nichts

anmerken zu lassen. Das Ergebnis der erwähnten Lektion war nicht sehr schön gewesen. Zum Glück war damals ein Kleriker in der Nähe gewesen...

„Jedenfalls nicht ohne triftigen Grund.“ fügte ich deshalb hinzu. Der Wirt überlegte eine Weile. Nach einer Weile überwand er sich.

„Das geht in Ordnung. Ich zeige Euch Euer Zimmer.“
 

Der Raum lag im ersten Stock am Ende eines Korridors. Es war ein kleines, aber gemütliches Zimmer mit einem Bett direkt an einem relativ großen runden Fenster, vor dem hübsche Vorhänge hingen. Auf der linken Seite brannte ein kleines Feuer im Kamin. Der Boden davor war bedeckt von einem weichen Teppich, auf dem man es sich abends gemütlich machen und reden konnte. Direkt gegenüber stand auf einer kleinen Anrichte eine Waschschüssel und ein Krug frischen Wassers. Sogar einen Spiegel gab es.

„Unten im Gastraum könnt Ihr jederzeit etwas zu essen bestellen. Wenn Ihr frisches Wasser braucht stellt einfach den Krug vor Eure Tür. Sollte es etwas anderes geben, gebt nur Bescheid.“ erklärte der Wirt.

Ich bedankte mich bei ihm, wünschte Mox und Levathi eine gute Nacht und zog mich zurück. Müde schleuderte ich meinen Rucksack in eine Ecke des Raumes und warf die Stiefel gleich daneben.

„Das war vielleicht ein Tag.“ stöhnte ich.

„Das kannst du laut sagen.“ Gwen lag auf dem Teppich und sah mir amüsiert zu, während ich meine Reisekleidung auszog und mich wusch. „Erkläre mir noch einmal, warum du das Angebot des Wesirs von Grothoa angenommen hast.“ fragte sie, als ich fertig war und mich in frischer Tunika und Hose neben ihr auf den Boden legte. Fast sofort kam sie zu mir herüber gekrochen und schmiegte sich an mich, sodass wir Kopf an Kopf lagen, mit den Füßen in Richtung des Kamins. So lagen wir oft abends da, wenn sich die Gelegenheit bot. Manchmal redeten wir stundenlang über das, was wir erlebt hatten, oder wir erzählten uns gegenseitig Geschichten aus unserer Kindheit. Manchmal lagen wir auch nur still nebeneinander, ohne ein Wort zu sagen. Eine ganze Weile lang dachte ich über Gwens Frage nach.

„Eigentlich...“ begann ich zögerlich, „habe ich mehr aus einer Laune heraus angenommen, als wirklich darüber nachzudenken. Es war nicht wirklich die Belohnung, die mich gelockt hat. Es war mehr die Reise selbst. Wir haben so die Gelegenheit, die größte Wüste dieser Welt kennenzulernen. Stell dir nur vor, was wir auf dieser Reise alles lernen können: welche Tiere und Pflanzen es dort gibt, wie sie es schaffen, in einer Umgebung wie dieser zu überleben. Auch wie die Menschen dort leben. Für die meisten ist sie ein trostloser öder Ort ohne Leben, aber ... sie ist mindestens so lebendig wie der Wald. Ganz zu schweigen davon, wie unglaublich schön die Wüste sein muss. Das allein wäre schon Grund genug anzunehmen.“

„Man hört dir deine Begeisterung an. An den Drachen denkst du gar nicht?“ wollte sie wissen.

„Wie sollte ich den denn vergessen?“ seufzte ich. „Das wird ein gefährlicher Kampf, ich weiß, aber irgendwie mache ich mir nicht so viele Sorgen darum. Das machst du ausreichend für uns beide.“ neckte ich sie.

„Aber da ist noch ein anderer Grund.“ stellte Gwen fest. Sie kannte mich einfach zu gut. Ich drückte sie an mich.

„Mutter...“ sagte ich einfach nur. Gwen kuschelte sich an mich. Für kurze Zeit schwieg sie.

„Du weißt, dass du sie vielleicht nie wieder finden wirst. Sie ist schon seit fast zwanzig Jahren verschwunden und nie hast du von ihr gehört.“ Sie bekam keine Antwort von mir, aber sie hatte auch keine erwartet. Alte Erinnerungen kamen hoch. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie meine Mutter die Nachricht vom Tod meines Vaters bekam. Tagelang hatte sie kein Wort gesprochen. Einen Monat später wachte ich morgens in unserem leeren Haus auf. Meine Mutter war ohne ein Wort oder eine Nachricht einfach verschwunden. Erst glaubte ich, dass sie wieder kommen würde, aber ihre Reisesachen und ihre Rüstung war weg. Das einzige, was von ihren persönlichen Sachen zurückgeblieben war, war der Kamm, den mein Vater ihr gemacht hatte. Woche um Woche verging und sie kam nicht wieder.

Ich hoffte, dass ich sie eines Tages finden würde, aber die Chance war verschwindend gering.

„Thalanee?“ flüsterte Gwen. „Hey, nicht weinen.“

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich geweint hatte. Mit meinem Ärmel wollte ich mir das Gesicht trocknen aber Gwen kam mir zuvor und leckte mir das Gesicht ab.

„Wir bleiben immer zusammen.“ versprach sie. „Jetzt Abmarsch ins Bett!“ Lächelnd folgte ich der Anweisung meiner vierbeinigen Freundin und legte mich mit ihr gemeinsam hin. Fest aneinander geschmiegt schliefen wir bald ein.
 

Die Sonnenstrahlen wärmten mir das Gesicht, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Es war wunderbar, einfach so für ein paar Minuten im warmen Bett liegenbleiben zu können. Verschlafen setzte ich mich auf und sah durch das Fenster nach draußen. Schon eine Stunde nach Sonnenaufgang! In einer Stunde wollten wir uns vor der Arena treffen. Warum hatte Gwen mich nicht geweckt, sie war doch immer zu Sonnenaufgang wach. Suchend sah ich mich im Zimmer um. Gwen war nicht da. Seufzend stand ich auf und streckte mich. Das Frühstück würde wohl nur kurz werden. Nachdem ich mich gekämmt und meine Reisekleidung angezogen hatte, flocht ich meine Haare noch leicht schlaftrunken zu einem Zopf zusammen.

Heute sollte die Reise losgehen. Gedankenverloren packte ich alle meine Sachen zusammen und schulterte den Rucksack. Wo war bloß Gwen?

Die Antwort auf diese Frage erhielt ich, als ich beim Wirt für die Übernachtung und das Frühstück bezahlt hatte.

„Euer Gepard wartet im Schankraum auf Euch.“ informierte mich der Wirt. „Sie hat Euer Frühstück schon bestellt und einen Tisch für Euch freigehalten.“ Irgendwie schien er nervöser als gestern zu sein. Was für ein Schock musste es gewesen sein, als Gwen zu ihm kam und ihn einfach so ansprach? Er tat mir zwar Leid, aber trotzdem fand ich die Vorstellung irgendwie witzig. Schade, dass ich das nicht hatte sehen können...

Ich bedankte mich bei dem Wirt und betrat den Schankraum. Es fiel mir nicht schwer, Gwen zu finden. Obwohl der Raum schon am Morgen ziemlich voll war, gab es einen Tisch am anderen Ende des Raumes, an den keiner herantrat. Ich konnte meine Freundin zwar nicht sehen, aber was sonst sollte die Leute von einem freien Tisch fernhalten? Vergnügt näherte ich mich besagtem Tisch. Gwen saß auf einer Bank direkt an der Wand. Auf dem Tisch vor ihr stand ein leerer Teller, auf dem sich vorher zweifelsohne eine Portion Fleisch befunden hatte. An dem Platz gegenüber stand ein Krug Milch, Brot, eine Schale mit Früchten und eine mit Honig.

„Du bist einfach die Beste!“ begrüßte ich sie freudig. Gwen hob den Kopf.

„Ich hatte schon befürchtet, du würdest überhaupt nicht mehr aus dem Bett kommen.“ meinte sie trocken.

„Du hättest mich wecken können.“ Ich nahm Platz und begann mich über mein Lieblingsfrühstück herzumachen.

„Guten Appetit. Und was das wecken angeht, das habe ich versucht, aber mehr als ein gemurmeltes „Noch fünf Minuten, Meisterin.“ habe ich aus dir nicht rausbekommen. Also habe ich dich noch schlafen lassen.“ Zwischen zwei Bissen Honigbrot nahm ich mir Zeit zu antworten.

„Das hat dich doch sonst noch die davon abgehalten, mich eiskalt aufzuwecken.“ Gwen schnaubte nur.

„Iss lieber weiter.“ Für einen Moment sah sie an mir vorbei. „Wir bekommen Gesellschaft.“ Neugierig drehte ich mich um. Mox hatte gerade den Raum betreten und sah sich kurz um. Als er uns entdeckte, kam er zu uns herübergetrottet.

„Guten Morgen!“ brummte er.

„Guten Morgen! Ich dachte, Ihr wäret schon in der Arena.“

„Ich gehe gleich rüber. Aber erst esse ich etwas.“ Während Mox sich bei einer vorbei eilenden Kellnerin etwas bestellte, kümmerte ich mich um den restlichen Honig. Gwen sah mich tadelnd an, als ich die Reste des Honigs mit dem Finger aus der kleinen Schale holte, wie es ein Kind machen würde, aber sie sagte nichts. Selbst wenn, hätte ich mir daraus nichts gemacht. Ich liebe Honig!

Bald war auch Mox mit dem bestellten Frühstück fertig und wir machten uns gemeinsam auf den weg zur Arena.

Dort angekommen machte Mox sich auf den Weg zum Roten Salon. Ich entschied mich, draußen auf die anderen zu warten. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie kommen würden. Erst da dachte ich an Levathi. Er hatte in derselben Herberge übernachtet wie wir, aber es war nichts von ihm zu sehen gewesen. Aber er würde bestimmt bald auftauchen. Schließlich war er derjenige, der am dringendsten darauf bestanden hatte, zu sehen, wie Mox sich gegen einen lebendigen Gegner behaupten würde.
 

Es dauerte nicht lange, bis der Botschafter Grothoas in Begleitung der Elfenprinzessin (beide natürlich mit Gefolge) erschienen und wir alle gemeinsam in der Loge des Wesirs Platz nahmen. Den ersten beiden Kämpfen sah ich nur mit halbem Auge zu. Mich beschäftigte viel mehr, dass von Levathi noch immer nichts zu sehen war. Wo blieb er nur?

„Ihr wisst nicht zufällig, wo Levathi sich befindet?“ forschte der Wesir nach. Ich konnte diese Frage nur mit einem Schulterzucken beantworten.

„Er hat in derselben Herberge übernachtet, wie Mox von Ammarindar und ich, aber ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Nein, ich weiß nicht, wo er sich aufhält.“

„Wir sollten jemanden nach ihm schicken.“ schlug Josidiah gelangweilt vor.

„Dazu müssten wir allerdings erst wissen, wo er zu finden ist. Andernfalls wäre es uns unmöglich, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen. Vor allem, falls er nicht gefunden werden möchte.“ sinnierte der Wesir. Offensichtlich hatte er diese Erfahrung schon hinter sich.

*Ich glaube, ich weiß, wo er ist...* ließ Gwen mich wissen- und jagte daraufhin allen einen riesigen Schrecken ein (zu meinem Vergnügen, das gebe ich gern zu).

„Ich werde ihn holen.“ verkündete sie laut und rannte los, ehe irgendjemand sie hätte aufhalten können. Als ob einer von ihnen sich das getraut hätte...Viel interessanter fand ich die Ausdrücke auf den Gesichtern der Anwesenden! Josidiah starrte Gwen absolut fassungslos hinterher, ebenso wie der Wesir, der sogar vor Schreck aufgesprungen war. Ein paar der menschlichen Wachen standen immer noch die Münder offen. Nur die Elfen schafften es, sich kaum etwas anmerken zu lassen. Doch auch sie schauten ihr perplex hinterher. Ich selbst schaffte es gerade so, mir das Lachen zu verkneifen, aber das Grinsen, das sich langsam auf meinem Gesicht ausbreitete, konnte ich nicht verstecken. Das sind Dinge, an die ich mich sehr gerne erinnere. Zu schade, dass ich davon kein Bild haben konnte...

Langsam schien der Wesir sich wieder gefangen zu haben. Während er sich wieder setzte, räusperte er sich. „Ihr hattet nicht erwähnt, dass Euer Tiergefährte sprechen kann.“ sagte er schließlich gedehnt.

„Das muss ich wohl vergessen haben.“ kicherte ich. Oh, das war einfach zu köstlich!

„Wie kann man so etwas vergessen? Und wieso hast du dann gestern für sie übersetzt?“wollte Josidiah wissen.

„Für mich ist es selbstverständlich, mit Tieren zu sprechen, deshalb vergesse ich das oft genug. Und gestern habe ich nicht übersetzt, ich habe nur einen Gruß von Gwen an Euch übermittelt, während sie mit etwas anderem beschäftigt war.“ erklärte ich genüsslich.

„Das machst du gerne, nicht wahr?“

„Ja!“ gab ich unumwunden zu. Josidiah sah mich eine Weile mit in Falten gelegter Stirn an. Ich sah einfach nur lächelnd zurück. Dann breitete sich auch auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus.

„Ich glaube, du gefällst mir.“ verkündete sie endlich. Alle Anwesenden sahen immer noch genauso drein, wie zu dem Zeitpunkt als Gwen verschwunden war.

Wenn sie alle noch länger so dreinsehen, dann rolle ich bald vor Lachen auf dem Boden, dachte ich. Zum Glück kam es jedoch nicht soweit, denn der Kommentator wählte diesen Moment, um Mox` Kampf mit den üblichen blumigen Ausdrucksweisen anzukündigen, die ich so wenig leiden konnte. Vorsorglich schaltete ich meine Ohren auf Durchzug und versuchte, Gwen zu erreichen.

* Gwen?* Es dauerte ein wenig, bis sie antwortete.

* Ich habe Levathi gefunden. Er schläft auf dem Dach der Herberge. Ich wecke ihn.*

* Beeilt euch lieber. Mox ist gerade angekündigt worden.*

* Wenn er so fix ist wie du und Levathi, bekommen wir so oder so nur den Schluss mit...* Kurzes Schweigen. *Und, wie war ich?*

Ich ließ meine Belustigung frei über unser Band fließen, als ich mir die Gesichter der anderen deutlich in Erinnerung rief.

* Es war einfach wunderbar! Du hättest ihre Gesichter sehen sollen! Den Wachen stand der Mund offen. Der Wesir ist sogar vom Stuhl gesprungen!*

* Ich kann´s mir vorstellen. Wir sind bald bei euch.*

* Bis gleich!*

Inzwischen war der Redefluss des Kommentators zu Ende und Mox hatte unter tosendem Beifall die Arena betreten. Den gewaltigen Bogen locker in der linken Hand haltend, gab er ein Bild der Ruhe und Zuversicht, wie man es von einem erfahrenen Krieger erwarten würde. Ich hatte ihn noch nicht kämpfen sehen, aber mein Gefühl, meine Instinkte sagten mir, dass er der Richtige für den Kampf gegen einen Drachen wäre. Der Wesir hatte gut gewählt, was Mox und Levathi anging.

Ein schrilles Kreischen riss mich aus meinen Gedanken.

Mox´ Gegner hatte die Arena betreten.

Nein, er war in die Arena geflogen. Ich hatte so ein Wesen noch nie gesehen. Als ich genauer hinsah, konnte ich auch erkennen warum: es war ein Konstrukt, ein künstliches Wesen aus Metall, belebt nur durch Magie. Leicht rümpfte ich die Nase. Ich mochte Konstrukte nicht. Sie widersprachen allen Gesetzen der Natur. Trotzdem konnte ich sie einigermaßen tolerieren. Dieses sah aus wie ein übergroßer Wurm mit den Flügeln einer Libelle. Nur, dass dieser Wurm ein Maul voller scharfer Zähne besaß. Und es war flink. Allerdings tat es nichts, als hoch in der Luft seine Runden zu drehen. Warum das denn? Vielleicht hätte ich doch besser zuhören sollen...

Mox hingegen schien das nicht weiter zu kümmern. Er sah dem Konstrukt für eine Minute zu, legte den Pfeil an, zielte und schoss. Blitzschnell versuchte das Konstrukt auszuweichen. Es gelang ihm nur zum Teil: der Pfeil zerstörte es nicht, aber es musste sich vom hinteren Drittel seines Körpers verabschieden. Seltsamerweise schien ihm das gar nichts auszumachen, denn es flog weiter, als sei nichts passiert. Mir war klar, dass dieser Schuss trotz allem eine Meisterleistung war. Auf diese große Entfernung ein schnelles bewegliches Ziel zu treffen, erforderte sehr viel Geschick.

Das bewies Mox mit seinem zweiten Schuss. Alles Ausweichen half dem Metallhaufen wenig. Der nächste Pfeil traf es genau am Hals und trennte den Kopf vom Körper. Beide landeten mit einem lauten Krachen mitten in der Arena. Die Zuschauer waren begeistert, ebenso der Kommentator:

„Eine unglaubliche Meisterleistung! Noch nie hat es jemand geschafft, den Schnellen gleich beim ersten Versuch zu treffen! Noch nie ist es jemandem gelungen, ihn mit so wenigen Schüssen zu besiegen!“ So ging es noch eine ganze Weile weiter, aber ich war mit meinen Gedanken woanders. Jeder in unserer Gruppe hatte gezeigt, was er konnte, aber würde das reichen, um einen Drachen, einen großen Wyrm, zu bezwingen? Ich konnte es kaum abwarten, das herauszufinden!



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