Wilst du mit mir gehen?

Wilst du mit mir gehen?

Dienstagmorgen.

Mathe.

Ein Fach, das er so gar nicht mochte. Nicht, weil er es nicht verstand, nicht, weil er schlecht darin war, sondern weil es ihn einfach langweilte. Es unterforderte ihn. Immerhin war er Kaiba Seto und so eine lächerliche Kurvendiskussion würde er selbst mit nur einer Gehirnhälfte im Schlaf beherrschen.
 

Er hätte nicht übel Lust, einfach seinen Kopf auf den Tisch zu legen und zu schlafen.

Schlaf...

Davon hatte er in letzter Zeit viel zu wenig bekommen.
 

Aber so etwas kann sich ein Kaiba natürlich nicht erlauben, denn damit würde er Schwäche zeigen und Schwäche war etwas für... Schwächlinge. Und er war nun mal kein Schwächling.
 

Stattdessen packte er sein Laptop aus und arbeitete an dem Projekt weiter, das ihm seinen Schlaf raubte. Eine neue, verbesserte DuelDisk. Damit würde die KC wieder an der Spitze stehen. Nicht, dass sie jemals auf Platz Zwei stand.
 

Doch bevor er sein Laptop auch nur starten konnte, landete ein zerknülltes Stück Papier auf der Tastatur. Leider reagiert Papier nicht auf mörderische Blicke und so gut ein Kaiba auch war, er schaffte es einfach nicht, es mit bloßen Blicken in Brand zu stecken.
 

So musste er Wohl oder Übel herausfinden, wer da seinen Müll auf seinem Tisch entsorgte. Als er aufsah, sah er direkt in zwei honigbraune Augen, die sich allerdings hektisch wieder abwandten.

Seto runzelte die Stirn. Der Köter also.
 

Er sah wieder auf das Stück Papier, das ihn von der Arbeit abhielt. Wenn er sich recht erinnerte, hatte es sich der Kindergarten seit einiger Zeit zur Angewohnheit gemacht, sich Zettel zu schreiben. Könnte es also sein, dass...?

Aber wieso sollte der Köter ausgerechnet ihm einen Zettel schreiben? Sie waren nicht gerade Freunde.
 

Es gab also zwei Optionen: Den Zettel einfach mit einer coolen Handbewegung vom Tisch fegen oder ihn lesen. Schwere Entscheidung.

Einerseits wollte er sich keine Blöße geben, andererseits war er furchtbar neugierig. Das war er tatsächlich. Natürlich würde er das niemals zugeben.
 

Okay, einmal kurz in der Klasse umgesehen, sicher gestellt, dass niemand guckt und schnell den Zettel entfaltet.

Was darauf stand, verwirrte ihn. Schockierte ihn. Brachte ihn fast zum Lachen. Er wusste es selbst nicht.
 

Denn dort stand in krakeliger Handschrift:
 

Wilst du mit mir gehn?

O Ja

O Nein
 

Darunter war ein Pfotenabdruck gekritzelt.
 

Er konnte das einfach nicht fassen. War das ein schlechter Scherz?

Natürlich war es das.
 

Seto sah wieder zu dem Blonden hinüber. Der war tief über seinen Tisch gebeugt und schien über einer Matheaufgabe zu grübeln. Kurz stockte er, hob den Kopf und sah aus den Augenwinkeln zu Kaiba herüber.

Als er jedoch bemerkte, dass dieser ihn beobachtete, widmete er sich ganz schnell wieder seiner Aufgabe.
 

Ohne selbst recht zu wissen, warum, musste Seto grinsen. Entweder war der Streich besser ausgeklügelt, als er es dem Köter zutraute oder es war tatsächlich sein Ernst.

Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
 

So war er eben, misstrauisch anderen gegenüber. Auch wenn er sie mochte.

Und er mochte den Köter. Irgendwie.

Es war seltsam, aber immer, wenn sie sich stritten, konnte er wenigstens mal abschalten. Dann war da keine Firma mehr, keine geisteskranken Spinner, einfach nur er und 'sein Hündchen'.
 

Hatte er etwa was bemerkt? Hatte er ihm deswegen diesen Zettel geschrieben? Bestimmt sogar.

Während Seto überlegte, wodurch er aufgefallen sein könnte, klappte er sein Laptop zu und packte es weg. Dann stand er auf und verließ den Klassenraum.

Auf die Frage seines Lehrers, wo er denn hinginge, antwortete er kühl und ohne sich umzudrehen, er habe einen Termin.
 

Den hatte er tatsächlich, allerdings erst am Nachmittag. Er brauchte jetzt etwas Zeit für sich, zum Nachdenken. Innerlich verfluchte er sich, dass ihn ein dummer Zettel so sehr aus der Spur warf.
 

So bemerkte er auch nicht, wie ein kleines Hündchen ihm verlassen hinterher sah...
 

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Erst am Freitag der darauffolgenden Woche gab sich Seto die Ehre, wieder am Unterricht teilzunehmen. Ausgeschlafen. Die neue DuelDisk war auf dem Markt und verkaufte sich gut.

Nun saß er an seinem Platz und ignorierte gekonnt seinen Erdkundelehrer.
 

Er dachte immer noch an letzten Dienstag, an den Zettel. Inzwischen war er zu dem Schluss gekommen, dass der Blonde ihn einfach nur ärgern wollte, ganz nach dem Motto "Ich schicke Kaiba einen Liebesbrief, mal sehen, wie er darauf reagiert".
 

Der Gedanke daran versetzte Seto einen kleinen Stich, denn er musste sich eingestehen, dass er Jounouchi doch mehr mochte als er dachte und zugeben wollte.

A propos...
 

Sein Blick fiel auf den Platz von besagtem Blonden. Er fehlte. Wurde er etwa wieder von einem Irren ins Koma geschickt?

Nein, das konnte nicht sein, denn dann hätte Mutou längst schon bei ihm auf der Matte gestanden.

Vielleicht war er ja auch krank.
 

Seto zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken. Das führte doch zu nichts. Es war ja nicht so, als könnte er irgendetwas tun.

Also versuchte er, sich stattdessen auf den Unterricht zu konzentrieren. Leider interessierte es ihn nicht im Geringsten, wie das Klima in Uganda war...
 

Ohne vorher anzuklopfen, wurde plötzlich die Tür aufgerissen und Jounouchi hastete herein. Er stützte die Hände auf die Knie und keuchte irgendwas von wegen Bahn verpasst, bevor er die Standpauke des Lehrers über sich ergehen ließ.
 

Der Brünette musste grinsen. Das war ja so typisch.
 

Nach einer halben Ewigkeit durfte sich das Hündchen endlich auf seinen Platz setzen. Als er sich auf den Weg zu selbigen machte, sah er zu Seto hinüber und lächelte ihn breit an.

Nur kurz, doch es reichte, um ihn zu verwirren.
 

Es war fast so, als würde der Blonde sich freuen, dass er wieder da war.

Er schüttelte den Kopf. Auf eine gewisse Art war es wohl auch so, immerhin hatte der Köter sonst niemanden, dem er auf die Nerven gehen konnte.
 

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Wieder war ein nutzloser Schultag um.

Seto war gerade auf dem Weg zu seiner Limousine, die wie jeden Tag vor dem Schultor auf ihn wartete, als ihn etwas aufhielt.

Besser gesagt, jemand.
 

"Kaiba!" So laut konnte auch nur der Köter sein.

Seto tat so, als würde er ihn nicht hören und ging weiter.
 

"Hey, Kaiba, warte doch mal", rief der Blonde nun noch lauter. Wenn er ihn jetzt immer noch nicht hörte, müsste er taub sein.

Also blieb er stehen und wartete, dass Jounouchi zu ihm aufschloss.
 

Dieser stellte sich neben ihn. "Alter, du hast ein Tempo drauf", stellte er, überflüssiger Weise, fest.

"Ich habe es eilig. Was willst du?", fragte er und schenkte dem Blonden einen kühlen Seitenblick.
 

Verlegen kratzte dieser sich am Hinterkopf und grinste nervös.

"Naja, also... letzten Dienstag... du hast nicht geantwortet", sagte er und sah dem Größeren direkt in die Augen.
 

Dieser war erstmal sprachlos. Tatsächlich. Kaiba Seto, sprachlos. Sachen gibt's...

Dann hob er eine Augenbraue.

"Das... war dein Ernst?", fragte er ungläubig und beobachtete, wie Jounouchis Wangen einen leichten Rotschimmer annahmen.
 

"Nun ja, ja, ich mag dich und... hör auf, so zu grinsen! Wenn du nicht willst, sag einfach nein!"

Tatsächlich hatte sich auf Setos Gesicht ein Grinsen geschlichen. Der Blonde meinte es also wirklich ernst. Und wie er im Moment vor ihm stand, sah er einfach zu niedlich aus.

Dennoch war Seto ein sehr misstrauischer Mensch. Er musste wissen, wie ernst es ihm war.
 

So sagte er, im gewohnt unterkühlten Ton: "Nenn mir einen guten Grund, wieso ich 'mit dir gehen' sollte, wie du es ausdrückst."

Jounouchi hob den Zeigefinger und setzte zum Sprechen an. Doch es kam nichts.

Er ließ seine Hand wieder sinken.
 

"Ich schwöre, vorhin hatte ich eine Menge Gründe..."
 

Wieder hob Seto eine Augenbraue, dann wandte er sich ab und ging wieder in Richtung seiner Limousine. Anscheinend war es dem Hündchen doch nicht so wichtig, wie er gehofft hatte.
 

"Ich habe keine Zeit für so einen Kinderkram." Er wollte gerade die Autotür öffnen, als sich Jounouchi vor ihn stellte.

"Ein Date."
 

Der Brünette runzelte die Stirn.

"Gib mir ein Date. Dann lass ich dich in Ruhe, es sei denn, du willst es doch mit mir versuchen."

Mut hatte er ja.
 

Seto überlegte kurz. Was sollte schon passieren? Insgeheim hatte er sich das ja auch gewünscht. Irgendwie.

Aber er wäre nicht Kaiba Seto, wenn er einfach 'Ja' sagen würde. Das war eben nicht sein Stil.
 

"Ein Date. Mit dir?" Ein leicht amüsierter Blick spiegelte sich in seinen Augen wider und hatte den gewünschten Effekt; den Kleineren zu provozieren.

"Nein, mit Yuugi. Natürlich mit mir. Also?", fragte er und blickte hoffnungsvoll in zwei saphirblaue Augen.
 

"Also gut. Das wird sicherlich recht amüsant." Gekonnt überhörte der Blonde die letzte Bemerkung, er war viel zu happy und wollte keinen Streit vom Zaun brechen.
 

"Klasse! Dann schlage ich vor, du holst mich morgen ab. So gegen halb fünf?"

Seto öffnete die Autotür. "Wenn es sein muss." Mit diesen Worten stieg er ein und bedeutete seinem Fahrer, loszufahren.
 

Mit einem überglücklichen Grinsen winkte Jounouchi ihm nach.
 

Seto musste lächeln.

Er hatte jetzt also tatsächlich ein Date mit dem Hündchen.