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Drachenherz

Ein kleiner Zujin Roman
von

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Der Schmerz des Drachen

Die Signalfeuer waren eines der simpelsten, aber genialsten Kommunikationsmittel, die der Feuernation zur Verfügung standen. Sie verbreiteten sich in Windeseile, da in Sichtweite eines jeden Signalturms der nächste schon darauf wartete, ebenfalls entzündet zu werden. Diese Türme waren flächendeckend überall verteilt, selbst auf den Meeren.

Durch Pulver, die in das Feuer geschüttet wurden, ließ sich die Farbe der Flammen verändern, so dass sie Eingeweihten eine Botschaft übermittelten konnten.

Bei `Weiß´ würden seine Freunde sofort wissen, dass der Feuerlord ihre Hilfe benötigte. Sie würden hoffentlich nur ein paar Stunden brauchen um hier zu sein.

Stunden, die Zuko vorkamen wie eine Ewigkeit!

Wie immer, wenn seine Unruhe zu groß wurde, hetzte er mit langen, ungeduldigen Schritten auf und ab.

Jin sass auf einer Kante des riesigen Ehebetts, die verkrampften Hände zwischen die Knie geklemmt. Nie hatte sie blasser ausgesehen. Oder besorgter.

Ihr angstvoller Blick folgte jeder seiner fahrigen Bewegungen.

Sie wusste ja nicht mal, um wen sie sich mehr sorgen sollte; Ihr Kind, oder ihren Mann.

Inzwischen war es kurz vor Morgengrauen, aber Zuko hatte momentan andere Dinge im Kopf, als den Tento. Die Sonne musste heute ohne die Assistenz ihres obersten Dieners auskommen. Um ehrlich zu sein, konnte sie ihm heute den Buckel runterrutschen, die Sonne.

Er warf sich in einen Sessel und begrub den Kopf in den Händen.

„Wo, zum Teufel, bleiben sie?“, stieß er zum vielleicht zwanzigsten Mal aus.

Jin ergriff nun, da er endlich still hielt, die Gelegenheit und ging zu ihm.

Sie setzte sich auf die Armlehne und zog versuchsweise seinen Kopf an ihre Schulter. Er ließ es schweigend zu.

„Sie kommen doch! Aber selbst mit dem Bison dauert es eine Weile“, flüsterte sie an seine versengte Schläfe.

„Ich habe aber keine Weile! Du magst das ja anders sehen. Bei Dir brüllt er ja auch nicht, als wären tausend Dämonen hinter ihm her. Er erträgt meine Nähe nicht. Mein eigener Sohn!“

Jin sah es ganz und gar nicht anders, aber im Augenblick war Zuko viel zu verletzt, um das zu sehen. Also hielt sie ihn einfach nur fest.
 

Es klopfte leise und Iroh Tatzu trat ein, in der Hand eine alte, staubige Schriftrolle.

„Onkel, wo wart Ihr denn?“, wurde er sofort angeblafft.

Iroh überging diese patzige Frage. Er wusste schließlich, Zukos Tonfall entsprang nur der Angst.

„Wo ist Ursa?“, wollte er statt dessen wissen.

„Da es Lee besser geht, wenn er nicht in meiner Nähe ist, kümmert sie sich um ihn. Außerdem schreibt sie einen Brief an irgendeine Nonne, die angeblich horrende Erfahrung mit fieberhaften Infekten haben soll. So hat sie wenigstens etwas zu tun ...“

„Hm. Einen Versuch ist es wert“, meinte Iroh und eilte zu einem kleinen Schreibtisch, um das antike Schriftstück zu entrollen.

„Ich hielt es für angebracht, etwas in den alten Schriften zu stöbern! Ich habe tatsächlich die Urschrift von Unas Prophezeiung gefunden.“

„Ich wüsste nicht, wie diese alten Reime uns weiterhelfen sollten!“, knurrte Zuko.
 

Iroh wechselte einen raschen Blick mit Jin.

„Nun ... Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, dass ... äh, dass sie sich auf Dich und Jin beziehen könnten?“, fragte er seinen Neffen vorsichtig.

„Natürlich habe ich das!“, fauchte Mylord, stand auf und stakste erneut im Zimmer umher. „Mit `Träger der Feuerblume´ werden wohl kaum irgendwelche Floristen gemeint sein!“ Gut gewürzter Sarkasmus ätzte Löcher in Zukos Stimme. „Außerdem liegt es sonst auch nicht in meiner Art, mich nach paar schmachtenden Blicken eines dahergelaufenen Görs einfach auf unbefristete Zeit zu vergaffen.“

Die Blicke, die ihm das dahergelaufene Gör jetzt zuwarf, waren alles andere als schmachtend. Lediglich die Aussage, er hätte sich auf unbefristete Zeit vergafft, ließ Jin die Ruhe bewahren.

Er hatte es gewusst? Die ganze Zeit, in der sie hin und her überlegt hatte, ob sie ihm von den Vermutungen seines Onkels und ihren Träumen erzählen sollte, hatte er es schon gewusst?

„Es tut mir leid, Jin!“, stieß Zukos zerknirscht aus. „Ich wollte damit nicht sagen ...“

Sie griff nach seiner Hand und drückte sie in stummem Einverständnis.

Momentan waren ihre Sorgen zu groß, um sich wegen ein paar unbedachter Worte zu zieren.
 

„Du hast Bescheid gewusst?“ Auch Iroh schien perplex.

„Über die Prophezeiung?“, schnaubte Zuko. „Sie ist ja wohl kein Geheimnis.“

„Aber die wenigsten kennen sie wirklich.“

„Die Weissagung ist irrelevant, Onkel! Falls sie sich auf uns beziehen sollte, stimmt sie leider nicht, denn momentan ist von einem gebrochenen Fluch noch nichts zu sehen. Falls es Euch entgangen ist: Mein Sohn reagiert auf mich, als sei ich ein Scheusal! Ich halte das durchaus für ein Zeichen von Zwietracht.“

„Nun ... diese Dinge erledigen sich nicht immer von selbst“, beruhigte ihn sein Onkel. „Vielleicht sollten wir den Text etwas gründlicher untersuchen?“

„Ich habe weder Zeit für schwachsinnige Gedichts-Interpretationen, noch fürs Teeschlürfen oder Pai Cho oder irgendeine Eurer sonstigen Lieblingsbeschäftigungen!“, rief Zuko am Ende seiner Geduld.

„Fein!“ Iroh klang leicht beleidigt. „Dann investiert Eure kostbare Zeit eben in sinnloses Herumgerenne, ich bin sicher, es aktiviert Euer Denkvermögen ungemein!“

„Was meint sie mit `des Bruders Schmerz´?“ Jins Frage unterbrach das Wortgefecht zwischen Neffe und Onkel.

Während die beiden sich stritten hatte sie zum ersten Mal den gesamten Text gelesen.

„Lass sehen ...“, brummte Iroh.

„Hier, die letzten beiden Zeilen!“
 

`Wohl Dir Drachenherz, Wohl Deinen Erben!

Des Bruders Schmerz wird endlich ersterben.´
 

„Hmm ... Damit ist Tatzus jüngerer Bruder Arkun gemeint. Soweit wir wissen, hatte Arkuns Rachsucht einen Grund. Einen sehr traurigen. Er hatte in der jahrelangen Fehde zwischen den Erd- und den Feuerdrachen Frau und Kind verloren und wurde vor Trauer halb wahnsinnig. Er versuchte Hsui auszulöschen, weil er allen Erddrachen den Tod geschworen hatte. Es heißt, er wollte eben den vernichtenden Schlag gegen sie führen, als Tatzu in letzter Sekunde dazu kam. Ihm blieb nichts übrig, als seinen Bruder zu töten.“

„Arkun verlor seine ganze Familie? Das ist ja furchtbar!“, hauchte Jin.

Zuko fuhr blitzschnell herum „Furchtbar?“, knirschte er, „Und was ist damit, dass er den Rest seiner Familie im Sterben verflucht hat? Was ist damit, dass uns seit Jahrtausenden Hass, Neid und Missgunst zerfressen? Was ist damit, dass mein eigener Vater mich verabscheute? Dass er meine Schwester umbrachte ... Was ist DAMIT, Jin?“ Aufgebracht deutete er auf seine flammende, nie verblassende Narbe.

„Das ist ebenso furchtbar!“, flüsterte sie. „Aber ...“

„Es gibt kein ABER!“

„Was würdest Du denn tun, wenn mir oder den Kindern etwas zustieße?“

„SCHWEIG!“ Zuko sank auf einen Stuhl und presste seine Hände gegen die Schläfen. Schon die bloße Vorstellung machte ihn krank, einsam und elend. „Bitte schweig!“

Ohne seine Kinder gäbe es keine Hoffnung mehr.

Und ohne Jin ...

Ohne Jin gäbe es weder Lachen noch Liebe.

„Zuko!“ Sie ging vor seinem Stuhl in die Hocke und griff nach seinen Händen. „Er hat sie geliebt, Drache.“

„Aber ich kann nichts dagegen tun!“, raunte er. „Sie sind tot. Ich kann sie ihm nicht wieder geben. Wie soll ich seinen Schmerz denn enden? Wie?“

„Vielleicht wird Aang uns diese Frage beantworten können“ warf Iroh ein.

Aang. Ja! Vielleicht würde Aang es können.
 

Den einzigen Lichtblick an diesem Morgen voll banger Fragen bescherte Prinz Lu Ten.

Jegliche Zweifel, wie ER auf seinen Vater reagieren würde, zerstreuten sich in alle Winde, als er mit Ursa zusammen das Zimmer betrat und sofort auf stämmigen Beinchen zu seinen Eltern rannte, um wie immer den Tag damit zu beginnen, dicke, feuchte Schmatzer großzügig aber gerecht auf deren Gesichter zu verteilen.

Die gute Laune des Kronprinzen ließ erst etwas nach, als ihm schonend beigebracht wurde, Papa hätte heute nun doch keine Zeit, wie versprochen mit ihm und seinem Bruder Drachen steigen zu lassen. Dabei hatte der Pimpf doch Geburtstag!

Doch Lu Ten hatte das Gefühl, sein Vater sei sehr, sehr traurig darüber und so beließ er es bei einem kurzen Vorschieben der Unterlippe.

Da seine Mama auch nicht besonders glücklich aussah, folgte Lu Ten seiner Großmutter bereitwillig ins Spielzimmer.

Große konnten ja so seltsam sein!
 

Zwei Stunden später wurde endlich Appa, das Flugbison, gesichtet.

Die Freunde des Feuerlords hatten alles stehen und liegen lassen und sich sofort auf den Weg gemacht.

Aang war - außer den Herren Tatzu - der einzige, der Lees Fieber fühlen konnte.

Zuko wollte ihn  daraufhin natürlich sofort in die Geisterwelt komplimentieren, doch sein Onkel bestand darauf, die kleine Truppe erst einmal aufzuklären.

Eine Zeitverschwendung, die Seine Lordschaft mit unmutsvollem Zähneknirschen quittierte.
 

„Wollt ihr damit sagen, einer eurer Vorfahren war ein, äh ... Halbdrache, dessen Geist, oder was auch immer, seit Generationen eure Familie drangsaliert?“, wollte Sokka eine viertel Stunde später ungläubig wissen.

Iroh nickte, Zuko schnaubte nur.

„Oh Mann! Und ich hielt schon Tophs Verwandtschaft für eine Plage!“

Das blinde Mädchen, das seit fast zwei Jahren seine Frau war, verpasste Sokka eine harte Kopfnuss.

„Ich hatte Dich vorgewarnt, aber Du wolltest ja partout heiraten!“

„Na, wenn ich´s nicht gemacht hätte, wären sie Dich ja nie losgeworden.“

Toph öffnete den Mund zu einer entsprechenden Erwiderung.

„Könntet ihr vielleicht später weiter turteln?“, fauchte Zuko seine beste Freundin und deren Angetrauten an. „Wenn wir dieses klitzekleine Problem in den Griff bekommen haben und euer Patenkind nicht mehr von irgendwas oder irgendwem besessen ist?“

„Natürlich. Entschuldige! Aber er hat angefangen.“ In seltenen Fällen konnte selbst Toph kleinlaut sein.

Aang, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, ergriff nun das Wort.

„Gut. Ihr habt also einen ruhelosen Urahnen, aber den genauen Grund für seinen Unfrieden kennt niemand. Ist es das?“, fragte er.

„Nun ja,“, begann Iroh, der Analytiker, „Seine unvollendeten Rachegelüste könnten natürlich die Ursache sein. Oder die Tatsache, dass sein Bruder ihn getötet hat. Die dringendste Frage ist: Wie können wir ihm seine Ruhe verschaffen? Etwas plagt ihn und wir ...“

„Soll ich vielleicht noch eine Wasserpfeife holen lassen, damit dieses kleine Schwätzchen hier noch gemütlicher wird?“ Zukos Stimme knisterte gefährlich. „Wir könnten dann versuchen, Aang mittels einer längeren Grundsatzdebatte auf die höhere Bewusstseinsebene zu versetzten. Diese ganzen Spekulationen haben keinen Sinn! Die einzig gültigen Antworten kann uns Arkun selbst geben, also schlage ich vor, dass Aang seinen Hintern endlich in die Geisterwelt schafft!“

Die anderen sahen ihn an und blinzelten.

„Ok!“ machte Aang schnell, bevor der Tonfall des Sonnengekrönten NOCH unangenehmer werden konnte.

Wenn Zuko die Geduld verlor war er wirklich wie die Pest am A ... vatargesäss.

Es wurde Zeit, die Dimension zu wechseln.
 

Auf der anderen Seite empfing Aang eine unerwartete Leere.

Meist hielten sich auf dieser Ebene mehrere Geister auf, doch hier fühlte er lediglich die vage Präsenz einer einzigen, zutiefst zermürbten Seele.

Er hatte in der immateriellen Welt schon die unterschiedlichsten Umgebungen gesehen, aber noch nie eine solche Ödnis.

Die realen Konturen des Palastes waren noch als fahle Umrisse zu erahnen.

Aang schärfte sein drittes Auge, den Sinn für das Übernatürliche.

Einige hundert Meter vor ihm, etwas rechts, begann es schwach zu leuchten, als er schließlich eine erkennbare Aura wahrnahm, kalt, abgestumpft und lebensfeindlich.

Es war das Zimmer, in dem das Baby spielte.

Er hatte also eine Spur. Diese Energie musste von irgendwoher kommen.

Der junge Avatar ging näher und konzentrierte seine Gedanken auf das Leuchten, bis er eine Fährte erkennen konnte, die sich wie ein feiner, silbriger Faden vor ihm herzuziehen begann.

Jetzt hatte er ihn!
 

Die Spur führte Aang immer tiefer in alte, fast vergessene Katakomben; das steinerne Herz des Palastes.

Zehn Minuten später bekam er endlich das Geschöpf zu Gesicht, das für die Ödnis und Einsamkeit verantwortlich war.

Blau und silbern schimmernd kauerte es in einer Grabkammer, dem einzigen Raum, der in dieser Welt Substanz zu haben schien.

Sein langer Leib war um eine verfallene Gedenktafel geschlungen.

Langsam, als müsse er erst entscheiden, ob diese Störung seiner Aufmerksamkeit überhaupt würdig sei, hob der Drache das Haupt.

Gelbe, kalte Augen glommen Aang aus dem Zweilicht entgegen.

„Ah! Ich habe Dich erwartet, Weltenwandler.“ Die tiefe, seltsam substanzlose Stimme klang, als käme sie aus hunderten enger Kehlen, rau geworden durch irrsinnige Schreie der Wut.

„Bist Du Arkun?“

„Stellst Du immer Fragen, deren Antworten Du schon kennst, Mönch? Ich hatte mehr erwartet.“

Gut, wenn der Blaue unbedingt die direkte Konfrontation wollte, sollte er sie haben.

„Warum vergiftest Du mit Deiner Hoffnungslosigkeit dieses Kind?“

„Weil ich es kann!“

„Das soll der Grund sein? Einfach nur Hass, um des Hasses Willen? Das glaube ich Dir nicht. Dieser Junge ist erst ein Jahr alt!“

Das alte Wesen blieb hochmütig und ungerührt, gab keinen Ton von sich, doch in Aangs Schädel formte sich langsam ein Name.

Kiram ...

„Ist es wegen Kiram?“, fragte er schnell.

Der mächtige Kopf des Drachen schoss vor. Ein schmerzhaftes, irres Fauchen war zu hören.

„Woher kennst Du diesen Namen, Mönch?“

„Nun, das ist eben eine der Antworten, deren Frage ich nicht kenne.“

Ein irisierender Blick durchbohrte Aang.

„Sie nahmen ihn mir, als er ebenso alt war. An seinem Jahrestag! Und Zirah ...“ Die Luft um den Drachen wurde kälter und beißender. „Zirah versuchte ihn zu retten. Sie haben sie mir ebenfalls genommen. An einem Tag, Mönch. An einem Tag haben sie mir alles genommen! Von da an gab es nichts mehr für mich, außer dem Hass. Beantwortet das Deine zweite Frage?“

„Aber ... wenn Dich sonst nichts hält, warum folgst Du ihren Seelen nicht? Warum bist Du noch hier?“

Das Lachen des Drachen war tonlos, dumpf und zischend. Wie trockene Luft, die über hohle Knochen streicht.

„Ihren Seelen? IHREN SEELEN?“

Gelbe Augen starrten in die von Aang; tiefe Brunnen, angefüllt mit Bitterkeit und Schmerz.

Die Trauer darin war unbeschreiblich tief und unbeschreiblich alt.

„Sie haben ihre Körper verscharrt. Sie warfen sie in ein Loch und ließen sie verrotten! Weißt Du, was das für ein Feuerwesen bedeutet? Ahnst Du es?“

„Ich weiß es!“, flüsterte Aang entsetzt.

Um die Seele eines Feuerwesens zu befreien mussten seine sterblichen Überreste den Flammen übergeben werden. Es nur zu vergraben war das Schlimmste, was man ihm antun konnte. Er konnte kaum fassen, wie jemand zu so einer frevelhaften, unheiligen Handlung fähig sein sollte.

Selbst den schlimmsten Feinden musste die Gnade einer angemessenen Bestattung zuteil werden!
 

„Hätten sie sie in die tiefste Hölle verbannt, ich wäre ihnen gefolgt, Weltenwandler. Aber da ist nichts, dem ich folgen kann. Ihre Essenz ist gefangen. In einem fauligen, stinkenden Loch! Sie werden erst frei sein, wenn die Welt im Feuer endet. Ebenso wie ich. Also kümmert sie mich nicht, die Welt! Je eher sie endet, desto besser.“

„Das tut mir sehr leid, Arkun!“

„Wirklich, Mönch?“ Forschend legte der Drache den Kopf schief. „Ich glaube fast, Du sagst die Wahrheit. Doch es ist egal. Mich schert Dein Mitgefühl nicht, denn es ist nur eine Hülle. Ich hatte auch das Mitgefühl meines Bruders. Doch was hat es mir gebracht? Obwohl es die Schlammwühler waren, die meine Gefährtin und meinen Sohn mordeten, hat Tatzu es gewagt, eine der Ihren zu erwählen! Obwohl unser König und unser Vater durch die Hand der Erddrachen gefallen waren, trug eines ihrer Weiber sein Kind unter dem Herzen! Mein Schmerz war ihm in diesem Moment gleichgültig und er war es auch im Augenblick meines Todes. Warum sonst hätte er mich dem Feuer übergeben? Warum ließ er meine Seele frei, wenn er wusste, dass sie zur ewigen Einsamkeit verdammt würde? Ist das Mitgefühl, Mönch? Selbst sein letztes Versprechen hat er gebrochen ...“

„Ein Versprechen? Was hat er versprochen?“

„Geh! Ich will nicht mehr mit Dir sprechen!“

„Was, Arkun? Ich gehe erst, wenn Du mir sagst, was Tatzu Dir versprochen hat!“

„Er versprach sie zu finden. Als Antwort auf meinen Fluch gab mein ach so edelmütiger und stolzer Bruder mir ein Versprechen. Ein Versprechen, das er brach. Mein Bruder, der alles erreichte, was er sich vornahm. Außer dieser Kleinigkeit! Erwartest Du wirklich, dass ich die Brut seines Wiedergängers verschone, Mönch?“ Den letzten Satz spie er verächtlich aus.

„Es ist nicht nur der Hass, der Dich zu diesen Dingen verleitet, nicht wahr?“ Forschend blickte Aang in die kalten, gelben Augen. „Hass alleine könnte nicht so lange bestehen. Du willst etwas. Du ... hast immer noch Hoffnung!“

„Hoffnung?“, höhnte der Drache. „Nein! Seit fast zweitausend Jahren warte ich. Ich habe keine Hoffnung mehr übrig, dummer Mensch!“

„Doch! Du hast mich erwartet. Und Du beobachtest die Nachkommen Deines Bruders. Hast Du auf den Wiedergänger gewartet?“

Trockenes, boshaftes Kichern geisterte wieder durch den Raum.

„Schon lange nicht mehr! Denkst Du, dieser ... Zuko wäre der erste? Vier Wiedergänger sah ich kommen und gehen. Und jeder nahm meine Hoffnung mit ins Grab. Und weißt Du auch warum, Mönch?“

Das löwenartige Maul befand sich nun direkt vor Aang.

„Keiner von ihnen WOLLTE mir helfen. Ebenso wie mein Bruder, dachten sie nur an sich selbst. Oh ... zwei davon haben sich durchaus bemüht. Es war fast erbärmlich, wie sehr. Aber sie alle wollten nur den Fluch brechen, um ihre Familie zu schützen. Keiner half UNS! Auch dieser wird es nicht.“

„Doch! Er wird.“

„Ah! Er ist Dein Freund, wie ich sehe. Wie drollig! Und wie wenig Du uns verstehst, Weltenwandler. Dein `Freund´ trägt die Seele eines Feuerdrachen. Er verfolgt seine eigenen Ziele; so lange, bis er sie erreicht. SEINE, nicht die eines anderen!“

„Zuko wird das Versprechen einlösen!“, sagte Aang voller Überzeugung.

„Zuko“, flüsterte der Drache fast entzückt. „Wird einen Sohn haben, der ihn fürchtet und verabscheut. Und mit der Zeit wird das Herz Deines Freundes sich erneut verhärten. Ich hatte ihn schließlich schon einmal soweit. Ich hatte ihn dazu gebracht, den eigenen Vater zu hassen!“

„Nein! Mag sein, dass Du Ozai dazu gebracht hast, seinen Sohn zu hassen. Aber umgekehrt war es nicht so. Zuko hat seinen Vater nicht gehasst. Und jetzt komm endlich auf den Punkt, und sag mir, wo die Suche beginnt! Oder willst Du Zirah und Kiram am Ende gar nicht helfen?“

„Es Dir zu sagen, würde bedeuten, mich törichter Hoffnung hinzugeben.“

„Das tust Du doch ohnehin, Arkun, denn Du weißt, dass DIESER Wiedergänger endlich seine Gefährtin fand. Das ist der Schlüssel nicht wahr? Wie es in der Prophezeiung steht.“

Das Biest sah Aang lange an und senkte dann müde den Kopf.

„Lass mich hoffen, dass es so ist, Mönch. Ein letztes Mal will ich noch hoffen ...“

„Dann sag mir, wie wir sie finden können!“

Geister hatten letztendlich immer einen Plan. Soviel wusste Aang aus Erfahrung. Und sie hatten immer Hoffnung, denn sonst hörten sie auf zu existieren.

„Untersucht das Zeichen seiner Macht. In seinem Inneren ließ Tatzu den Ring einarbeiten, der mich mit Zirah verband. Diesen Ring muss er tragen. Statt des Eigenen.“

Aang stutzte.

Er sollte von Zuko verlangen, seinen Ehering abzulegen?

„Ah ... allmählich siehst Du das Problem, Mönch. Er wird sich weigern. Sein Stolz und sein Misstrauen werden ihn hindern, meine Sache über seine zu stellen. So ist es immer.“

„Er wird es tun!“ Der Avatar hoffte, dass seiner Stimme die Zweifel nicht anzuhören waren.

„Wir werden sehen. Und vergiss nicht: Wenn er es nicht um unseretwillen tut, wird er sie niemals finden. Nur wenn er in Wahrheit mit mir fühlt wird er sie spüren. Im Osten, Weltenwandler! Sie schreien aus dem Osten zu mir.“
 

Aang brauchte einige Sekunden, bevor die leichte Desorientierung, die er nach jedem Wechsel der Ebenen spürte, nachließ.

Etliche erwartungsvolle Gesichter starrten ihn an.

„Und?“ Wie erwartet kam die ungeduldige Frage von Zuko.

„Wir können ihm helfen!“

„Wirklich?“

„Ja! Wo ist Deine Krone?“

„Die Hono?"

„Ja."

„In den Privaträumen."

Geschlossen eilte die Gruppe in die Gemächer des Feuerlords. Normalerweise waren sie für Außenstehende nicht zugänglich.

Zielgerichtet stürmte Zuko zu einer Schatulle aus Ebenholz und öffnete sie. Die Fünfflammige schimmerte geheimnisvoll auf ihrem Bett aus dunkelroten Samt.

„Hier!" Ohne zu zögern gab Zuko das kostbare Symbol seiner Herrschaft weiter.

Aang drehte das uralte, goldene Artefakt in den Händen.

„Hmm ... Wo soll hier denn ein Ring sein?“

„Ein Ring?“, fragte Iroh.

„Ja. Im Zeichen der Macht soll ein Ring eingearbeitet sein.“

„Aber dann müsste eine Nahtstelle, oder ähnliches zu sehen sein“, murmelte der General.

Inzwischen fingerte er ebenfalls an der Krone herum.

„Ich seh nichts!“

„Vielleicht kann Toph etwas fühlen? Immerhin ist das Ding aus Metall“, schlug Katara nun vor.

Doch auch das schlug fehl.

Nachdenklich betrachtete Jin ihren Gatten. Dabei verfing sich ihr Blick an dem seltenen Anblick einiger loser Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen. Normalerweise trug er sie nicht so offen, sondern ...

Sie griff in die Schatulle.

„Zuko ...“

Mylord blickte auf.

Als er die Rundklammer, an der die Hono festgesteckt wurde, in der Hand seiner Ehefrau entdeckte, sog er scharf die Luft ein und griff danach. Natürlich!

Dieser große, ovale Ring war ebenso alt, wie die Krone selbst. Rechts und links befanden sich Löcher, durch die tagtäglich eine dicke, Haarnadel aus Ebenholz gesteckt wurde.

Verzierte Löcher!

Probehalber fuhr Zuko mit dem Fingernagel unter die Ornamente. Eines davon schien sich lösen zu lassen ... Augenblicke später kam darunter ein kreisrunder Hohlraum zum Vorschein.

Zuko ließ den Inhalt in seine Hand gleiten.

Es war ein schlichter, wunderschöner Goldring.

„Du hast ihn gefunden, Kobold!“
 

Nachdem der erste Schritt getan war, erzählte Aang seinen Freunden in aller Kürze, was sein Besuch in der Geisterwelt ans Licht gebracht hatte.

„... es gibt also nur einen Weg, seine Trauer zu beenden. Seine Frau und sein Kind müssen dem Feuer übergeben werden.“ Er deutete nun auf das alte Schmuckstück, auf der Handfläche seines Freundes. „Arkun sagte, hiermit wärst Du in der Lage, ihre Überreste zu finden. Es war sein Ehering.“

„Gut! Dann los!“ Zuko strebte Richtung Tür.

„Äh...“ Aang kam nicht einmal dazu, seinen Satz zu beginnen, denn der Feuerlord hatte ein neues Problem: Sein Weib klebte auf diese ganz bestimmte Art und Weise an seinen Fersen.

„Wo willst Du hin?“, verlangte Zuko zu wissen.

„Mit!“, entgegnete Jin.

Ihr Tonfall verriet, für wie dämlich sie seine Frage hielt.

„Nein. Du bleibst hier!“

„Das werde ich nicht! Ich komme mit Dir.“

„Jemand muss hier bei den Kindern bleiben!“

„Deine Mutter und Dein Onkel sind hier.“

„Jin! Lu Ten und Lee brauchen Dich jetzt!“

„Und Du? Was ist, wenn Du mich brauchst?“

„Das tue ich! Aber hier. Wenn ich mir auch noch Sorgen um Dich machen muss ...“

„Ich will Dich aber nicht alleine lassen!“, flüsterte Jin.

„Das wirst Du auch nicht. Seit neun Jahren trag ich Dich bei mir. Warum sollte sich das jetzt ändern?“

„Mach jetzt keine Witze darüber!“ In ihren Augen standen Tränen.

„Witze?“ Zuko schüttelte den Kopf. „Ich mach keine Witze.“

„Was, wenn es gefährlich wird?“

„Das wird es nicht! Und falls doch, möchte ich erst recht, dass Du hier bist.“

Er konnte ihre Unentschlossenheit sehen, als sie ihre Unterlippe bearbeitete.

„Bitte, Kobold, zwing mich nicht, es Dir zu befehlen!“

Für eine Sekunde blitzte Trotz aus Jins Augen.

„Schön!“, wisperte sie schließlich. „Aber wenn Du Dir auch nur ein Haar krümmen lässt, werde ich Dir das nie verzeihen!“

„Mir wird nichts geschehen, mein Herz!“

Schnell, um sich nicht noch einer sentimentalen Anwandlung hinzugeben, presste Zuko ihr einen heftigen Kuss auf die Lippen und drehte sich dann rasch um.
 

„Lasst uns gehen!“

„Äh ... Zuko?“ Aang startete einen zweiten Anlauf.

„Was denn noch?“

„Du musst den Ring tragen!“

„Das tue ich doch!“ Zuko bemerkte den seltsamen Blick seines Freundes. „Was?“

„Du, äh ... Du musst ihn RICHTIG tragen!“

„Richtig? Du meinst ... anstelle meines eigenen?“

Der Avatar nickte.

„Nein! Vergiss es!“

„Hey, ich hab die Regeln nicht gemacht! Geister sind eben manchmal ein wenig ... exzentrisch.“

„Ich werde meinen Ring nicht abnehmen!“

„Arkun hat gesagt, Du würdest zu stur sein.“

„Was?“

„Er hat gewusst, dass Du nicht helfen willst.“ Aang klang enttäuscht.

„Ich will nicht?“ Zuko stieß ein hartes Lachen aus. „Es geht um meinen Sohn! Natürlich will ich!“

„Nein, Zuko! Das ist es ja: Es geht nicht um Lee! Es geht um Deine Vorfahren. Um Arkun, um Zirah und um ihren Sohn.“
 

Zuko wandte sich ab und starrte, die Fäuste schmerzhaft geballt, mehrere Minuten ins Leere.

Wie konnte das alles nur so schnell auf ihn einstürzen?

Er blendete sein inneres Chaos aus. Diese Welt, die langsam begann, sich aufzulösen. Seine Welt, die doch gestern noch so vollkommen gewesen war.

Die Welt, deren gesamte Existenz von seiner Familie abhing. Von Jin.

„Zirah ... war das ihr Name?“, fragte er schließlich leise.

„Ja.“

„Es bedeutet `die Selbstlose´“, murmelte Zuko.

Eine andre Welt war mit ihrem Tod auf immer zerbrochen.

Seine Hand schloss sich fest um das kühle Metall des Rings.

„Also gut!“, raunte er. „Schlüpfen wir eben in die Haut des Drachen.“

Schnell, bevor er es sich anders überlegte, zog er den eigenen Ring vom Finger und drückte ihn Jin in die Hand.

„Wage es nicht, ihn zu verlegen, Kobold!“

„Ich pass darauf auf“, versprach sie leise schniefend, ohne ihm jedoch in die Augen zu sehen.

„Nicht weinen, mein Herz! Aang wird es schon schaffen“, flüsterte er leise.

Jin nickte, umfasste sein Gesicht und blickte in die geliebten, sorgenumflorten Drachenaugen.

„DU wirst es schaffen!“

Damit schlang sie die Arme um seinen Hals und presste ihren Mund fest auf seinen.

Ihr Mann ignorierte die Tatsache, dass dieses Verhalten vor den Augen so vieler Zuschauer eigentlich unangemessen war, und küsste lange und innig zurück.
 

Sie waren eben im Begriff, Appa zu besteigen, als Iroh Tatzu sich in einem Tempo näherte, das man - royale Abstammung hin oder her - guten Gewissens als Rennen bezeichnen konnte.

„Einen Augenblick!“, schnaufte er. „ich dachte dies hier könnte nützlich sein.“

Er hielt Zuko eine recht geräumige, kunstvoll geschnitzte Kiste aus Ebenholz entgegen.

„Sie ist geweiht. Für die Gebeine!“

Sein Neffe nickte.

„Das hätte ich vergessen. Danke, Onkel!“ Er blickte den General eindringlich an. „Achtet Ihr auf Jin und die Kinder?“

„Natürlich, mein Junge. Viel Glück!“

„Appa, Jipp Jipp!“, rief Aang.
 

Also flogen sie nach Osten. Wie der Drache sie angewiesen hatte.

Erst nach zwei Stunden brach Zuko sein brütendes Schweigen.

„Bist Du sicher, dass Arkun Dir keine weiteren Hinweise gegeben hat?“

„Ja. Er wusste auch nicht mehr. Sie müssen irgendwo im Osten sein.“

Der Feuerlord presste die Lippen zusammen.

„Was ist, wenn ich nach weiteren zwei Stunden noch immer nichts fühle?“

Aang betrachtete das versteinerte Profil neben sich.

Einen verschlossenen Zuko waren sie alle gewohnt.

Die meiste Zeit über würde er sich eher in Öl sieden lassen, als irgendetwas von sich preiszugeben. Doch jetzt wurde er ganz offensichtlich von Sorge um sein Kind zerfressen.

Würde der blaue Drache Recht behalten?

Würde auch dieser Nachfahre Tatzus scheitern, weil die eigene Angst größer war, als das Bemühen um Arkun und dessen Familie?

Nein! Der junge Avatar kannte seinen Freund besser.

Zuko mochte stur und dickköpfig sein, aber engstirnig war er nicht.

Er würde Gnade vor Recht ergehen lassen, und dieser leidenden Seele helfen, egal wie viel Elend sie über die Welt gebracht hatte. Er musste es ganz einfach. Er brauchte nur noch einen winzigen Anstoss!
 

„Der Name Kiram ... bedeutet er auch etwas?“, fragte Aang ruhig.

„Der Geschenkte. Warum?“

„So hiess sein Sohn. Er starb an seinem ersten Geburtstag.“

Zuko senkte den Kopf.

Darum hatte der Drache also den heutigen Tag gewählt. Lees ersten Geburtstag.

„Gab ihm das das Recht, all das Unglück zu verursachen? Und damit meine ich nicht nur die Zerrissenheit meiner Familie. Vielleicht hätte es ohne ihn nie diesen Krieg gegeben.“

„Vielleicht“, gab Aang zu.

„Für ihn zählte nur seine verdammte Rache!“

Zukos Freunde öffneten synchron den Mund.

„Nein! Sagt Nichts!“, unterbrach er sie. „Für mich zählte auch nur eines. Meine verdammte Ehre, nicht wahr?“

Der Moment ,in dem er sich selbst den Spiegel vorhielt, war alles andere als angenehm.

Er war ebenso gewesen.

Und jetzt? Würde er anders reagieren, wenn jemand es wagen sollte, seine Familie auszulöschen?

Nein.

Er wäre nicht mehr er selbst.

Er würde die Verantwortlichen gnadenlos jagen, zu Tode hetzen und eigenhändig in die Hölle peitschen! Und dann ... würde sein Schmerz ihn wahllos weiter wüten lassen.

„Ich schätze, wir haben eine Spur“, murmelte Aang leise, als er das schwache Glimmen an Zukos Ringfinger bemerkte.
 

Der Rest gestaltete sich im Grunde recht einfach.

Die Gefahren der unwirtlichen Gegend beschränkten sich auf die üblichen Monster aus dem Tier und Pflanzenreich. Nichts, womit das eingespielte Team nicht im Handumdrehen fertig wurde.

Zuko war trotzdem froh, dass Jin nicht zu Gesicht bekam, wie eine Riesenseeschlange ihn mit grünem Sekret voll triefte. Oder wie sie in Schwierigkeiten gerieten, weil Aang darauf bestand, ein Rudel angreifender Pythonpanther nicht zu töten sondern lediglich `auszuschalten´.

Die Kratzer, die sie dabei einsteckten, waren für Kataras Heilkräfte zum Glück keine wirkliche Herausforderung.

Das Gift schon eher.

Schließlich gelangten sie zu der Stelle, die der Ring ihnen wies.

Gemeinsam standen sie vor dem verschütteten Eingang einer Höhle.

„Also gut. Dann lasst uns mal sehen, was da drin ist“, meinte Toph.

Zusammen mit Aang machte sie sich daran, Erde, Geröll und Schutt beiseite zu schaffen.

Der muffige Geruch, der ihnen entgegenschlug, machte deutlich, dass seit Jahrhunderten niemand mehr in dieser Gruft gewesen war.
 


 

Während im Erdkönigreich verstaubte, schaurige Geheimnisse ans Licht geholt wurden, gab es im Feuerpalast eine Person, die während der Abwesenheit Seiner Lordschaft eine nahezu perfekte Imitation seiner morgendlichen Unruhe ablieferte.

Lady Jin ließ sich durch nichts davon abbringen, unentwegt die gesamte Länge des privaten Wohnzimmers abzuschreiten.

Sela versuchte es trotzdem.

„Jin, wenn ich Dir weiter zusehe, bekomm ich noch eine Nackenzerrung!“

Als Antwort schlang ihre Freundin die Arme noch fester um sich.

„Knubbelchen, Du machst die Kinder ganz unruhig ...“

„Das weiß ich, Tante Ria! Ich kann es aber beim besten Willen nicht ändern. Vielleicht solltet ihr lieber draußen mit ihnen spielen.“

„Und Dich hier allein lassen? Schlechte Idee!“, schnaubte ihre Freundin. „Lenkt es Dich vielleicht ab, wenn ich Dir erzähle, was heute Vormittag in der Weberei vorging?“

„Ich denke nicht.“

„Egal! Ich sag´s Dir trotzdem. Seit Dein tadelloser Ehemann darauf bestanden hat, uns diesen Griffelspitzer zur `Hilfe´ beiseite zu stellen, ruiniert Tian meine gesamte Organisation! Ich meine ... es lief alles wunderbar! Haben wir schwarze Zahlen geschrieben, oder was? Ich brauche keinen hirnlosen Advokaten, der mir sagt, wie ich die verdammte Gewinnspanne erhöhen kann. Sie war hoch genug! Ständig scharwenzelt er mir vor der Nase herum und tritt mir auf die Zehen, als würde die Werkstatt ihm gehören.“

„Sela! Wenn Du ein Problem mit Tian Fu hast, dann solltest Du das mit ihm besprechen. Er macht seine Sache sehr gut! Wir haben einen Riesenerfolg, seit er sich um manche Dinge kümmert.“

Jin hatte jetzt wirklich nicht die Geduld, diplomatisch zu sein.

„Ach ... und den hatten wir nicht, bevor dieser Briefe-Schmierer sich eingemischt hat? Sag mir doch gleich, dass Du und Zuko mich für unfähig haltet, die Geschäfte zu leiten!“

„Sela, bitte! Das sagt doch keiner!“

Als ihre Geschäftspartnerin erneut zu einer Tirade ansetzten wollte, verlor Jin die Beherrschung.

„Ich hab momentan wirklich andere Sorgen, als Dein Geplänkel mit dem Assistenten meines Mannes!“, fuhr sie Sela an.

„Verstehe!“, sagte diese eingeschnappt.

„Sela ... ich bin es nicht gewohnt, mich zu fragen, wo Zuko ist und ob es ihm gut geht.“

„Ja. Ich weiß. Tut mir leid. Tian bringt mich eben auf die Palme! Ich bin jetzt still.“
 

Jetzt hielt Ria es für angebracht, ihr Vertrauen in ihren Schwiegerneffen zu untermauern.

„Jin, Liebes! Dein Mann kann bestens auf sich aufpassen, das weißt Du doch.“

„Ja“, flüsterte Mylady und sank auf einen Sessel.

„Außerdem sind die andern doch bei ihm“, half Sela.

„Ja.“

Die andern.

Aber nicht sie!

Nervös drehte Jin Zukos Ring zwischen den Fingern.

Er war ein wenig größer als der ihre, glich ihm ansonsten allerdings völlig.

Ein Siegel prangte auf dem kostbaren, verzierten Quadrat aus Gold, das den Ring krönte.

Gedankenverloren strich Jin mit einer Fingerspitze immer wieder über das eingravierte Drachenkopfzeichen, welches seit Gründung der Feuernation als Wappen des Hauses Tatzu diente.

Was sollte sie nur tun, wenn ihm etwas zustieß?

Der Gedanke ließ ihre Hände verkrampfen und die Ecken des Siegels bohrten sich in ihre Haut.

Sie spürte einen kurzen Widerstand, dann gab etwas nach.
 

„Was?“, fragte Ria, als ihre Nichte erschrocken Luft holte.

„Ich hab seinen Ring kaputt gemacht!“

Auch das noch.

„Was? ... Jinny!“

Den Tränen nahe linste die Mylady auf die Bescherung.

Aber ... der Ring war ja gar nicht beschädigt!

An einer Seite hatte sich das Wappen ein wenig gehoben.

Zukos Ring hatte Scharniere?

Vorsichtig klappte Jin die  Abdeckung vollends auf.

Was darunter zum Vorschein kam, ließ die Tränen, die in ihren Augen gestanden hatten, endgültig überfließen.

Unter dem Wappen, in kostbarstes Gold gebettet, war ein winziger, wunderschöner Drache aus grüner Jade eingelassen.

„Bestimmt lässt er sich reparieren!“, meinte Sela schnell, als sie die Nässe auf Jins Wangen sah.

Mylady schüttelte den Kopf. „Er ist ...“ Sie räusperte sich. „Er ist nicht kaputt!“

„Sondern?“

„Nichts! Ich bin einfach nur ein sentimentales Weib!“

Ria, neugierig wie immer, schaute ihrer Nichte über die Schulter.

„Oh, was ist das für ein Mechanismus? Ein Geheimfach? Ist das ... hat das was mit dieser Drachengeschichte zu tun?“

Jin nickte.

Hatte ihre eigener Ring etwa den gleichen verborgenen Mechanismus?

Als sie mit dem Fingernagel versuchsweise an den Kanten entlang fuhr, erklang ein leise Klicken.

Obwohl sie wusste, was sie zu sehen bekommen würde, hielt sie den Atem an, als der Rubindrache zum Vorschein kam.

Sie wusste selbst nicht, weshalb Anspannung und Sorge plötzlich um so vieles geringer wurden, aber es war so.

Egal was passieren würde, sie und Zuko gehörten zusammen.

Und er wusste es ebenso gut, wie sie.
 

Lu Ten, der schon den ganzen Tag ungewöhnlich still gewesen war, nahm die Tränen seiner Mutter zum Anlass, die einzige Frage zu stellen, die ihn heute wirklich beschäftigte.

„Wo is Papa?“

Jin wischte schnell mit den Händen über ihre Wangen, hob den Knirps auf ihren Schoß und strich die Haare aus seiner Stirn.

„Er muss ganz dringend nach etwas suchen, Fröschen!“

„Ich will aber zu meinem Papa!“ beharrte ihr Erstgeborener.

„Ich weiß. Er kommt so schnell er kann wieder her!“

„Ich will meinen Papa!“ Die Unterlippe des kleinen Thronanwärters zitterte.

Er wurde fest in eine liebevolle Umarmung gezogen.

„Scht ... Er ist ja bald wieder da, mein Schatz. Er ist bald wieder da!“

Es war so viel leichter ihn zu trösten, ihm zu beteuern, dass alles gut werden würde, jetzt wo sie selbst wieder fest daran glaubte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  Mystery-Vampire
2007-11-25T11:07:35+00:00 25.11.2007 12:07
Oh man, ich komme in letzter Zeit echt nicht mehr dazu, wenigstens ein Kommi zu setzen. Naja, jetzt habe ich ausnahmsweise mal Zeit, deshalb schreibe ich mal.
Das mit Zuko und seinem Sohn finde ich ja voll fies, ich dachte auch erst: Was hat der denn jetzt für Anfälle... Aber es ist ja mal wieder die Prophezeiung daran Schuld. Hoffentlich kann er den Fluch brechen und bald zu Jin zurück kehren.

Hmmm... Ich habe gerade gesehen, dass es schon ein 30. Kapi gibt. Ich weiß noch nicht, ob ich es heute noch schaffe, aber der Kommi wird kommen, vielleicht Spät, aber sicher!!! ;)

LG,
Mystery
Von:  suz
2007-11-14T00:14:56+00:00 14.11.2007 01:14
hallo
einfach wunderschön das kap, trotz diesem traurigen schicksal des alten drachen, ich hoffe, er und seine lieben werden recht balderlöst
gruz suz
Von: abgemeldet
2007-11-13T20:54:46+00:00 13.11.2007 21:54
Naja was soll ich sagen, ich bin ja eigentlich ein Sukka-fan und bin mittlerweile aber selbst Richtung Sokkla abedriftet (mein eigener Fanfic auf fanfiction.net ist Sokkla). Und weitere Pairings mit Sokka kann ich einfach nicht unterstützen, irgendwann muss auch mal Schluss sein^^
Von:  Xanderle
2007-11-13T14:47:42+00:00 13.11.2007 15:47
@ Chrissie,

hm... von oben herab sollte es eigentlich nicht rüberkommen, aber er ich wollte eben deutlich machen, dass er durchaus bereit ist, auch mal die "Feuerlordkarte" zu spielen, damit sie in Sicherheit bleibt (na ja, den leichten Hang zum Despoten gibt er ja auch selbst zu ^^)
In jeder anderen Situation würde Jin ihm auch die Ohren lang ziehen, aber sie weiss eben, dass er momentan zu grosse Sorgen hat.
Ich hoffe nicht, dass er jetzt ZU patzig rüber kommt...
Aber Zuko bleibt eben Zuko, da kannste nix machen.^^
Recht hast Du allerdings mit Sela und Tian *gg*

@ Zeiramsy

Oh, oh... Tokka... hm.... hab ich da in ein Wespennest gestochen?
Ich dachte nur, Toph hätte auch Jemanden verdient, und da sie Sokka in der Serie ja zu mögen scheint... Denk´s Dir einfach weg, okay? Ist für die Geschichte ja nicht wichtig. *g*
Von:  Tamatoshi
2007-11-12T19:30:42+00:00 12.11.2007 20:30
supi geiles kappi!
ich freu mich echt schon wahnsinnig aufs nächste pitel^-^
und hoffentlich wird es auch wieder so lang wie das hier ;)
den teil am schluss, wo zuko und die andren sich mit der seeschlange oder den pythonpanthern rumschöagen, find ich am besten^^
weeeeeeeeiter so ;D

SCHRANK
Von: abgemeldet
2007-11-12T17:52:12+00:00 12.11.2007 18:52
Sela and Tian Fu,
sitting in a tree,
k-i-s-s-i-n-g!

(^g^)

Hm, interessant, dass du Katara nur einmal erwhänt hast... grübel...
Da bin ich ja mal gespannt, was denn in der Höhle zu finden ist.
Und huh, ist Zuko wieder patzig! Naja, n guten Grund hat er ja schon. Aber manchmal kommt es mir komisch vor, dass Jin das alles mit sich machen lässt. Er behandelt sie schon ziemlich von oben herab...

P.S.: in deiner Fanfic wird übrigens was angedeutet, was tatsächlich in einer Folge der 3. Staffel vorkommt! Also nicht wortwörtlich... aber ich musste in Folge 3.11 an diese Fanfic-Stelle denken ;o)
Von: abgemeldet
2007-11-12T12:36:47+00:00 12.11.2007 13:36
Warum, warum? Tokka? Warum... achja ich kann mich damit nicht abfinden^^ aber ansonsten schönes Kapitel.
Von:  DarkEye
2007-11-12T08:21:03+00:00 12.11.2007 09:21
ich find das kaptiel...einfach nur mehr stark..... ich bin total....begeistert!
dark
Von:  Prises
2007-11-11T22:01:18+00:00 11.11.2007 23:01
„Warum vergiftest Du mit Deiner Hoffnungslosigkeit dieses Kind?“
„Weil ich es kann!“

Ich fand die Stelle so herrlich. XD Und egal wie viele Kosenamen oder so du reinbringst, es wirkt irgendwie nie kitschig.

Von:  Schreiberling
2007-11-11T21:20:55+00:00 11.11.2007 22:20
Schnief.
Ich weiß gar nicht, wer mir mehr leid tun soll.....
Ich fühle sogar mit dem alten blauen Drachen, der schon Ewigkeiten wartet, dass jemand seine Familie befreit.
Ich kann dein nächstes Kapi kaum mehr erwarten und ich schniefe jetzt noch ein bissel weiter.
Tolles Pittel
VLG


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