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Novembernacht

von

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Novembernacht

In dieser Nacht regnete es.

Die Nacht vom 11. auf den 12. November.

Es hatte schon die Nächte davor geregnet und sie waren ungewöhnlich still gewesen.

Kein Hund hatte gebellt, kein Kind geschrien und keine Jugendlichen waren johlend und betrunken durch die nächtlichen Straßen getorkelt.

Doch diese Nacht war anders.

Diese Anomalie, war ein Junge von ca. 19 Jahren.

Er hatte braune Haare, sie hingen ihm in Strähnen ins Gesicht. Seine Augen waren hell-grün, von einem Moos-grün durchzogen. Er trug einen schwarzen Pullover und eine dunkel-blaue Jeans. Der Name des Jungen war David.
 

David ging völlig durchnässt durch die Nacht. Alles war ruhig, nur seine Schritte hallten in seinem Kopf wieder.

Der Regen prasselte gegen die Häuserdächer. Der Wind spielte mit den nassen Blättern.

David war nicht unglücklich, auch nicht glücklich.

Er hatte kein Ziel.

Alles um ihn herum war ihm nichts wert. Nichts war ihm noch etwas wert.

Er lief dort entlang um seinen Alltag weg zu waschen.

Sein Blick war leer. Die Kälte spürte er nicht mehr. Er war schon erfroren. Innerlich bereits tot.

Lange war er nicht mehr vor die Tür gegangen, außer für die Schule. Ja, die Schule...

Die Schule, die ihn verachtete.

Alles dort war zu schnell und doch zu langsam, um zu erkennen was mit ihm los war.

Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal wirklich glücklich gewesen war. Während seiner letzten Beziehung?

Nein, seine Freundin hatte ihn kalt gelassen. Doch damals glaubte er noch daran, dass er sein Glück beeinflussen könnte. Er hatte an die Liebe geglaubt. An alles, woran Teenager nun mal glauben. Es war nur so, dass alles in seinem Leben schon damals sinnlos gewesen war. Tief in seinem Innern hatte er es schon damals gewusst.
 

Er blieb neben dem Tor eines Friedhofes stehen.

Es regnete wie aus Kübeln und nun zog sich erstmals ein dünner, weißer Streifen durch den Abendhimmel über den Gräbern.

Er sah durch die Pforte und legte seinen Kopf schief.

Irgendetwas an diesem Ort der Stille zog ihn an. Wie hypnotisiert ging er auf das Tor zu und verschwand in der Dunkelheit. Die Blätter raschelten unter seinen Schuhen.

David sah sich um. War er je auf einem Friedhof gewesen? Ja, auf der Beerdigung seines Vaters.

Damals war er sechs Jahre alt gewesen. Hatte es damals angefangen? Mit der ewigen Traurigkeit... Den Depressionen...

Er starrte auf ein Grab auf dem ein trauernder Engel hauste.

Die Tropfen auf dessen Steinernen Augen sahen wie Tränen aus.
 

Tränen hatte er auch lange nicht mehr auf seinen Wangen gespürt. Er hatte vergessen, wie dieses warme Nass allen Schmerz aus seiner Seele schwemmte.

Alles an diesem Ort war grau und dunkel. So wie sein leben. Monoton und still. Manchmal kam ein neuer Toter dazu. Wie bei ihm manchmal neuer Schmerz in sein Leben trat.

David ging weiter den kleinen Pfad neben den Gräbern entlang. Der Boden war völlig aufgeweicht.

Er konnte sich mit dieser Umgebung so gut identifizieren... Zu gut...
 

Seine Miene war versteinert, nichts in seinem Gesicht regte sich noch.

Ein Regentropfen fiel ihm ins Auge und er musste blinzeln.

Er wollte nicht nur über diesen Platz schreiten! Er wollte ihn fühlen sehen was es hier gab.

Er ließ sich auf die Knie fallen und vergrub seine Hände in dem Matsch, der mit Laub durchzogen war. Er spürte kleine Steine, die ihm die Finger zerschnitten, doch es war ihm gleich.

David drückte sich den Dreck gegen die Brust und verteilte ihn auf seinem Pullover. Und plötzlich spürte er wieder den Druck in seinem Innern, der ihm die Luft stahl. Er hätte sich am liebsten die Brust und den Bauch aufgeschlitzt, damit all dieser Druck aus ihm entweichen konnte.

Er wäre erlöst, doch er konnte nichts tun.

Die Stille brachte ihn halb um. Seit zwei Jahren gab es in seinem Leben nichts, als Stille.

Er verzog das Gesicht und schrie.

Er schrie aus tiefster Seele.

Sein Schrei war der einzige Anhaltspunkt dafür, dass auf dieser Welt noch leben existierte.

Die Ironie war, dass dieses Lebenszeichen von einem Lebensmüden 19 Jährigen stammte.

Nichts vermochte ihn glücklich zu machen.

Seine Mutter hatte mal gesagt, er sei ein Fall für die Klapse.

Das war ein Irrtum.

Er war doch schon eingesperrt. In seiner Welt, die nichts mehr zu geben hatte. Nichts außer Leid.

David fuhr sich durch die nassen Haare.

Langsam legte er sich auf den matschigen Boden.

Sein Gesicht war bleich und kalt.

Es war ein schönes Gefühl einfach nur da zu liegen und die Gewohnheit zu brechen. In einer kalten Novembernacht.

Langsam schloss David die grünen Augen.

Hier wollte er bleiben... Hier protestierte niemand gegen ihn. Alle nahmen seine Gegenwart an und gaben ihm gleichzeitig das Gefühl nicht alleine zu sein.

Er lächelte leicht.

Er atmete tief aus.

Dann wurde sein Atem schwächer und seine Glieder kalt.

Er schlief ein...Für ein letztes Mal.

Er war nicht glücklich, doch befreit von einer zu schweren Last.

Und es regnete und regnete und regnete...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-07-13T22:08:54+00:00 14.07.2010 00:08
Die Geschichte war traurig, aber wirklich schön.
Viele Gedanken die ich selber oft habe sind hier eingeflossen und wirken sehr inspirierend.
Das Ende ist sehr fließend und lässt sich, trotz Kürze, gut und emotional lesen.
Ich mag auch den Schreibstil.
Er hat etwas sehr poetisches, ist aber dennoch unkompliziert und gerade.

Hoffe auf mehr
Hab dich lieb ^^


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