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Es

Sie lauern in der Dunkelheit
von

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Ereignisse

Der Tag, an dem Juliet verschwand, war ein frostiger, sonnenarmer Frühlingsbeginn. Ein Montag.

Camille und Jan hatten am Abend zuvor noch bis in die Nacht hinein miteinander telefoniert; sie standen an diesem Morgen entsprechend müde am Schultor. Camille gähnte gerade ausgiebig, als ein Kiesel sie im Genick traf. Sie zuckte zusammen und drehte sich um.

Jan stieß einen äußerst unsittlichen Fluch aus. Er und Camille blickten in das breit grinsende Gesicht von Alex Lager, einem Jungen aus ihrer Klasse. Als Camille umgezogen war, hatte er sich aus Gründen, die den beiden völlig unklar waren, entschlossen, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Jan, der sich schnell mit ihr angefreundet hatte, hatte dies natürlich verhindern wollen, was bloß zur Folge hatte, dass Alex ebenso auf ihn losgegangen war.

»Du sollst nicht mit Sachen werfen, die größer sind als dein Gehirn, Wichserchen«, brummte Jan.

»Dann hat er aber eine sehr kleine Auswahl«, murmelte Camille, während sie die getroffene Stelle an ihrem Nacken rieb.

»Klopft doch keine dummen Sprüche, ihr Freaks. Verzieht euch lieber, seid doch woanders unnormal.«

»Erstens heißt das anormal«, sagte Jan, »und zweitens – wenn du der Schulleitung das erklären kannst, nur zu, wir würden nur zu gern legitim nicht zur Schule gehen.«

Alex lachte höhnisch. »Anormal, legitim«, wiederholte er. »Lernst du solche Wörter von deiner Streberfreundin da?«

Camille hob seufzend die Augenbrauen. »Anormal und legitim sind Wörter, die in jedem deutschen Sprachgebrauch vorhanden sein können… Vorausgesetzt, man ist kein dreckschleudernder Flachwichser.«

»Ich seh’ keinen«, sagte Alex trocken und blickte sich gespielt suchend um.

»Tja«, machte Jan und wandte sich zum Gehen. »Wir schon.«

Camille drehte sich ebenfalls um, da traf sie erneut ein Stein – diesmal direkt am Hinterkopf. Sie schrie auf und drehte sich zurück. »Au, Scheiße, du Arschloch! Lass deine Komplexe doch an etwas aus, das seinen Kopf nicht mehr braucht!«

Wieder grinste Alex dümmlich. »Du brauchst deinen Kopf?«

»Ja«, fauchte Camille und betastete ihren Hinterkopf. »Manche Menschen brauchen den, schließ nicht immer von dir auf andere. Mann, das gibt ’ne Beule…«

Jan klopfte ihr auf die Schulter. »Gehen wir rein«, sagte er leise. »Der hat’s nicht verdient, dass wir uns wegen so was jetzt noch mehr mit ihm befassen. Wenn du willst, gehen wir petzen.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Mal sehen. Je nach dem, wie groß die Kopfschmerzen werden…«

Alex setzte an, noch etwas zu sagen, als er seinen Namen hörte. Er drehte sich um. »Häh?«

»Oh…« Jan gluckste. »Sieh mal. Wichserchens Mutter. Wenn wir Glück haben, kriegt er Anschiss.«

Camille schüttelte leicht den Kopf. »Glaub nicht. So verwöhnt wie der ist…«

Dennoch ließen sie es sich nicht nehmen, die beiden zu beobachten. Vom Gespräch konnten sie kein Wort verstehen, doch als sie bemerkten, wie Alex’ Gesichtszüge immer besorgter und niedergeschlagener wurden, konnten sie sich die Schadenfreude nicht verkneifen.

Beim Klingeln der Schulglocke trugen beide ein breites Grinsen auf den Gesichtern.

Alex erschien während des gesamten Vormittags nicht im Unterricht. Er irrte mit seiner Mutter durch die Stadt, auf der Suche nach seiner drittjüngsten Schwester Juliet. Er war der einzige der Familie, der dabei helfen konnte: Sein Vater konnte sich wieder einmal nicht von der Arbeit losreißen, seine beiden älteren Geschwister studierten jeweils in verschiedenen Städten und die Zwillinge waren noch zu jung um »Juliet« überhaupt auszusprechen.

Somit waren er und seine Mutter bei ihrer Suche auf sich allein gestellt.

Am späten Nachmittag kehrten sie erschöpft und frustriert von der Polizei nach Hause zurück. Der zuständige Beamte hatte ihnen versprochen, eine Vermisstenanzeige aufzugeben – sobald Juliet länger als zwei Tage verschwunden war.

Nachdem Alex seiner Mutter auch beim dritten Heulkrampf beigestanden hatte, verspürte er das dringende Bedürfnis jemanden zu verprügeln. Er musste schleunigst den Kopf freibekommen.

Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, da hatte er schon ein potenzielles Opfer gesichtet. »Remys kleiner Bruder…«, murmelte er und begann leicht zu grinsen. Wie war noch gleich sein Name? Er meinte, den Freak ihn einmal Matt rufen gehört zu haben.

Der kleine Matthew radelte pfeifend durch den Häuserblock. Ein seliges Lächeln umspielte sein blasses Gesicht, er hing seinen Gedanken nach.

»Hey!«, rief Alex. Er würde warten, bis Matt direkt an ihm vorbeifuhr. »Hey, Kleiner!«

Matt, aus seinen Phantasien gerissen, sah sich etwas verwirrt um.

»Hey, Matt, hier bin ich!«

Er kreuzte Alex’ Weg und er packte die Gelegenheit beinahe buchstäblich beim Schopf. Er griff Matt an den Oberarmen und zerrte ihn vom Sattel. Nach einem Augenblick der Überraschung begann Matt zu zappeln und zu schreien, doch Alex war geübt. Er zog ihn mit sich in die kleine Gasse zwischen dem leerstehenden Nachbarhaus und dem seinen, trat ihm die Beine vom Boden und stemmte sein Knie in seinen Brustkorb.

Matt keuchte kurz auf, ließ sich jedoch nicht davon abbringen weiterhin um Hilfe zu schreien. Alex’ Faust traf wuchtig auf sein Gesicht. Matt verstummte einen Moment lang. »Lass mich in Ruhe«, sagte er heiser.

Alex schüttelte bloß den Kopf und schlug erneut zu. Wieder schrie Matt auf, doch diesmal schlug er zurück. Zwar bereitete ihm die kleine Faust auf Alex’ Nase kaum Schmerzen, doch sie kochte die Wut und Frustration noch höher. Er entfernte das Knie aus Matts Brustkorb und schlug ihm in den Magen; als der Junge versuchte sich aufzurichten, brachte ihm dies bloß einen weiteren Faustschlag ins Gesicht ein.

Aus seiner Nase schoss Blut, Matt begann zu weinen. Alex holte zum nächsten Treffer aus, doch im gleichen Augenblick packte ihn jemand von hinten am Kragen und zog ihn weg.

Alex hielt sofort still, beinahe instinktiv begann er sich den Kopf nach einer plausiblen Ausrede zu zermatern.

»Mach, dass du hier wegkommst und vergreif dich nie wieder an Jüngeren«, sagte eine müde Stimme hinter ihm. »Am besten an niemandem mehr. Sei froh, wenn du keine Klage an den Hals bekommst.«

Alex riss sich los und lief ohne ein Wort davon.

»Und das nächste Mal entschuldigst du dich!« Der Mann schüttelte den Kopf und zog Matt behutsam an den Oberarmen auf die Beine. »Tut dir irgendwas weh?«, fragte er leise.

»Mein Gesicht«, schluchzte Matt. »Meine Nase tut so weh.«

Der Mann seufzte schwer, tiefes Bedauern breitete sich auf seinem zerfurchten Gesicht aus. »Eventuell ist sie gebrochen. Soll ich dich nach Hause bringen?«

Matt wischte sich mit dem Handrücken Blut von der Lippe und schüttelte den Kopf. »Da ist niemand, meine Mutter arbeitet… Und mein Bruder ist bei seiner Freundin, glaube ich.«

»Okay… Pass auf, ich nehm dich schnell mit zu mir, wir sehen nach deiner Nase und dann rufen wir bei der Freundin deines Bruders an. Klingt das gut?«

Matt nickte vorsichtig. »Danke«, nuschelte er.

»Ist doch selbstverständlich. Da hinten steht mein Auto, ich komm gerade vom Einkaufen. Wie heißt du denn?«

»Matthew Remy«, antwortete Matt und griff vorsichtig nach der Hand des alten Mannes, als dieser losging. Er selbst war noch unsicher auf den Beinen.

»Matthew Remy«, wiederholte er. »Ein schöner Name. Ich bin Jeathrow Peters.«

»Auch schön«, sagte Matt leise.

Jeathrow Peters lachte kurz. »Danke sehr.«

Dann half er ihm auf den Beifahrersitz, schnallte ihn an und setzte sich ans Steuer. Als Matt bemerkte, dass sie sich immer weiter dem Stadtrand mit seinen verwachsenen und eher menschenleeren Hügeln näherten, wurde er etwas unruhig. Immerhin hatten seine Mutter und Jan ihn mehrmals daran erinnert, dass er nicht einfach zu fremden Leuten ins Auto steigen sollte. Doch seine Nase schmerzte noch immer so entsetzlich, und dieser Mann mit dem schwierigen Namen wollte ihm schließlich nur helfen, oder?

Dennoch wuchs seine Nervosität, von plötzlicher Hektik gepackt sah er sich im Auto um. »Wo wohnen Sie denn?«, fragte er zaghaft.

»Gleich dahinten, am Hügel«, antwortete Jeathrow und musterte ihn. Er schien ihm seine Sorge von den Augen abzulesen. »Keine Angst«, lächelte er. »Wir sind gleich da, dann rufen wir sofort bei dieser Freundin an, damit du so schnell wie nur möglich zu deinem Bruder kannst. Ich will dir schon nichts Böses.«

Seine alte, fast sachliche Stimme beruhigte Matt ein wenig.

»Tut deine Nase noch weh?«

»Ja«, sagte Matt und drückte Jeathrows Taschentuch fester gegen seine noch immer Blut ausströmenden Nasenlöcher. »Ziemlich.«

»Hm, ach Scheiße«, sagte Jeathrow. »Entschuldigung. Was wollte dieser Junge denn von dir?«

»Weiß ich nicht«, murmelte Matt. »Ich kenn den gar nicht. Hat mich einfach überfallen und… Mein Fahrrad liegt ja noch da hinten!«

»Oh«, machte Jeathrow. »Das kannst du nachher mit deinem Bruder noch holen. In der Gegend klaut das bestimmt niemand.«

Das Auto stoppte und sie stiegen aus. »Wie heißt denn die Freundin?«

»Camille…« Matt versuchte sich an den Nachmittag zu erinnern, an dem sie und Jan ihn von Doc abgeholt hatten. »Camille Spencer. Spencer. Glaub ich.«

»Gut.« Jeathrow schloss die Tür hinter ihm und fischte ein Telefonbuch aus dem Regal. »Dann haben wir sie gleich erreicht. Setz dich einfach irgendwo hin, auf dem Tisch liegen frische Taschentücher, wenn du welche brauchst.«

Erleichtert, keinem Kinderschänder in die Hände gefallen zu sein, ließ Matt sich auf ein Sofa fallen. Er zog sich ein neues Taschentuch aus der Packung auf dem Couchtisch und beobachtete Jeathrow dabei, wie er vor sich hinmurmelnd im Telefonbuch blätterte. »Ah, Spencer, da haben wir’s ja.«

Matt hörte das Tuten der Tasten und kurz darauf eine gedämpfte Stimme aus dem Hörer.

»Ja, guten Tag«, begann Jeathrow, »mein Name ist Jeathrow Peters, ich habe hier einen Matthew Remy sitzen, dessen Bruder bei Ihrer Tochter sein soll.« Er sah auf. »Wie heißt er denn, dein Bruder?«

»Jan.«

»Jan«, wiederholte Jeathrow in den Hörer. »Ein Jan Remy bei Ihrer Tochter Camille, könnte das sein? … Danke. Ich leite ihn dann an Matthew weiter. Ja.«

Er reichte ihm den Hörer. Matt schniefte erneut und versuchte, nicht allzu kaputt zu klingen. »Jan?«

»Hey Matt, was ist passiert?« Die Sorge in seiner Stimme war dennoch nicht zu überhören.

»Irgend so ein Typ wollte mich verprügeln«, antwortete Matt und spürte, wie ihm gegen seinen Willen die Tränen in die Augen stiegen. »Herr Peters konnte ihn vertreiben, aber vielleicht ist meine Nase gebrochen.«

»Jet«, sagte Jeathrow leise. »Jet ist schon in Ordnung.«

»Fuck«, kam es von Jan. »Geht’s dir sonst gut, hat er dir irgendwas genommen, gesagt wie er heißt?«

»Nein«, sagte Matt zögerlich. »Ich glaube, er hat mir nichts weggenommen. Mein Gesicht tut so weh, Jan…«

»Das kriegen wir wieder hin, mach dir keine Sorgen. Du weißt nicht wer das war?«

»Nein. Ich kannte den nicht.«

»Okay. Wo bist du jetzt?«

»Irgendwo ganz weit hinten, ich –«

»Will er die Adresse wissen?«, fragte Jeathrow. Matt nickte. »Dann gib her, ich sag sie ihm.« Er teilte Jan seine Adresse mit und legte kurz darauf auf. »Er und seine Freundin kommen mit dem Bus hierher und holen dich ab«, sagte er. »Dann könnt ihr mit deiner Nase zum Arzt.«

Matt kicherte bei der Vorstellung wie Camille, Jan und er mit seiner Nase an einer Leine in die Arztpraxis marschierten, und nickte. »Vielen Dank, Herr… Jet.«

»Ist doch kein Problem. Hör zu, Matthew, wenn dir dieser Junge noch einmal etwas antun will, dann lauf so schnell du kannst zum nächsten Haus und ruf von dort die Polizei an. Man darf nicht einfach rumlaufen und Kinder verprügeln, das ist nicht in Ordnung.« Erneut nickte Matt. »Willst du etwas trinken, während wir auf die beiden warten?«

Matt, der inzwischen sein Taschentuch in zwei Hälften gerissen, jeweils zusammengeknüllt und in seine Nasenlöcher gestopft hatte, zuckte mit den Schultern. »Wenn du O-Saft hast… Dann hätte ich gern welchen, jap.«

Grinsend nickte Jeathrow, stand auf und schlenderte in die Küche. Als er mit zwei Gläsern Orangensaft wiederkam, hatte er die Ärmel seines Pullovers hochgekrempelt. Matthew nahm sein Glas entgegen, da blieb sein Blick an Jeathrows Unterarm hängen. Zwischen all den schwarz-braunen Haaren konnte er blass eine Narbe erkennen, die ihm selbst durchaus geläufig war. Hastig stellte er das Glas auf dem kleinen Tisch vor sich ab und tastete mit beiden Händen seinen Nacken ab. Dort, auf der linken Seite, war sie, er konnte sie noch deutlich fühlen – seine eigene Narbe. Sie bestand aus einem O, in dem sich ein S schlängelte, der knochige Dinosaurierreiter hatte ihm erklärt, wofür das stand: O und S waren der erste und der letzte Buchstabe von Obscuritas, dem lateinischen Wort für Dunkelheit.

Jeathrow hob eine Augenbraue. »Ist alles in Ordnung?«

Durch Matts Kopf raste der Gedanke, dass er diesem Mann nicht zu viel – oder am besten gar nichts – verraten sollte, doch dann platzte es dennoch aus ihm heraus: »Dich haben sie also auch geholt!«

Einen Moment lang starrte Jeathrow ihn schweigend an. »Was meinst du?«, fragte er dann leise.

»Du hast die Narbe am Arm, die Narbe, die man bekommt wenn sie einen holen. Kennst du auch den Vampir?«

Wieder brauchte Jeathrow einige Zeit um zu antworten. »Woher weißt du vom Mal?«

»Ich hab’s auch«, sagte Matt eifrig, seine um Stille brüllende Vernunft ignorierend. Dieser Mann war erwachsen, er war sogar alt, und er schien ihn ernst zu nehmen, er wusste von den Erlebnissen, die die Dunkelheit Menschen antat. Er musste mit ihm darüber ins Gespräch kommen. Er drehte sich auf dem Sofa halb um und strich ein paar seiner Haare im Nacken nach oben. »Siehst du’s?«

»Matt«, sagte Jeathrow heiser. »Matt, Matt. Ich… Ja, ich seh’s. Wann war das, wann ist dir das passiert?«

Er drehte sich wieder zurück. »Weiß ich nicht mehr so genau. Vor ein paar Monaten.«

»Was, so lang her ist das schon?«

»Ja, es war … es war im Sommer, also vor vier oder fünf Monaten… oder so.«

»Oh nein… Ich wusste nicht, dass sie schon so lang wieder aktiv sind«, murmelte Jeathrow.

»Wie lang ist es denn bei dir her?«

Er rieb sich flüchtig über den Unterarm und sah beiseite. »Jahre. Lange Jahre. Da gab es dich noch gar nicht. Es ist wirklich ewig her… Und ich hatte nicht erwartet, dass sie noch einmal wiederkommen, bevor ich sterbe. Wie furchtbar naiv von mir.«

»Sie sind mal weggegangen?«

»Ja, sie sind nicht immer aktiv. Es hat 1950 wieder einmal angefangen, da war ich kaum ein paar Jahre älter als du jetzt. Meine Freunde und ich haben damals versucht uns zu wehren, konnten sie uns dann eine kurze Zeit lang fernhalten. Nun ja, dreißig Jahre später traf uns ihre Rache in vollem Maße.«

Matts Gesichtszüge verdunkelten sich ein wenig. »Sie sind nicht aufzuhalten?«

Nachdenklich zeichnete Jeathrow mit dem Zeigefinger Kreise auf die Armlehne seines Sessels. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er langsam. »Vielleicht sind wir es damals einfach falsch angegangen. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit.«

»Weißt du eine?«

Jeathrow schmunzelte. »Nein. Ich weiß keine. Und selbst wenn ich eine wüsste, Matt, das wäre nichts für dich. Wenn du möchtest, kann ich mich bei dir melden, falls mir etwas einfällt, aber du mischst da bitte nicht mit. Du bist so jung, du hast zu viel zu verlieren. Lass den alten Mann das mal machen, in Ordnung?«

Matt zuckte bloß mit den Schultern; es klingelte.

»Das wird dein Bruder sein… Geh mit ihm zum Arzt und dann erzähl ihm von diesem Jungen, beim nächsten Mal zeigt ihr ihn an.« Jeathrow erhob sich langsam und schlenderte zur Tür. »Tut deine Nase denn jetzt noch weh?«

»Nur ein bisschen, nicht mehr so viel wie davor«, antwortete er. Sein Gesicht hellte sich augenblicklich auf, als er Jan und Camille im Türrahmen sah.

Jan stürzte zu ihm und ging vor dem Sofa auf die Knie. »Wie geht’s dir, Kleiner?«, fragte er hastig. »Kannst du aufstehen, kannst du laufen?«

Matt nickte und wurde im nächsten Moment dennoch von seinem großen Bruder auf den Arm genommen. Camille war im Türrahmen stehen geblieben. Etwas teilnahmslos ließ sie den Blick schweifen.

»Bist du die Freundin?«, fragte Jeathrow.

Sie zuckte leicht zusammen, sah auf und nickte. »Danke, dass Sie sich um ihn gekümmert haben«, murmelte sie. »Echt nett.«

»Ist doch kein Problem. Ihr könnt mich ruhig alle duzen.«

»Er heißt Jet«, sagte Matt, der sich sichtlich wohl in Jans Armen fühlte. Er zupfte zufrieden am Stoff seines T-Shirts. »Und er hat den Typen sofort vertrieben.«

Camille legte den Kopf schief. »Du bist sicher, dass du ihn nicht kanntest, Matt?«

»Ich glaube, ich hab ihn schon mal gesehen. Aber ich wusste nicht, wer das war, mh-mh.«

»Also, eigentlich hab ich ja schon einen Verdacht«, nuschelte Jan düster.

Camille nickte. »Alex.«

»Jaah. Na ja, wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen. Aber so wie ich den kenn, erzählt er uns morgen selbst alles ganz stolz, wenn er es wirklich war.«

Jeathrow hob eine Augenbraue. »Also gut… Ihr scheint gut klar zu kommen, vielleicht solltet ihr jetzt erst einmal zum Arzt.«

»Mit meiner Nase«, kicherte Matt leise.

Wenige Momente später schloss Jeathrow die Tür hinter ihnen. Er seufzte tief, taumelte einige Schritte zurück und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. Sein Kopf fühlte sich an, als wolle er platzen.

Gerade hatte er die Augen geschlossen um ein wenig zu dösen, da klingelte das Telefon. Jeathrow fluchte gedrückt und fragte sich abermals, warum er sich so etwas überhaupt angeschafft hatte. Grummelnd hob er ab. »Peters?«

»Jet?«

Er stockte. »Wer ist da?«

»Ich bin’s. Billy.«

»Nein… Wehe hier verarscht mich jemand – Billy the Kid?«

Die alte Stimme am anderen Ende lachte heiser. »Ja, verdammt. Ich verarsch dich nicht, ich bin’s wirklich.«

»Wo bist du? Ich hab versucht dich zu finden, aber –«

»Ich bin in der Stadt, in irgend so einem schäbigen Hotel. Komm bitte vorbei. Der Blutsauger war bei mir.«

»Ja. Ja, bei mir auch. Wo warst du die ganze Zeit, Junge?«

»Erzähl ich dir später. Ich will das jetzt nicht am Telefon erklären. Das Teil hier heißt ›Zur alten Geige‹ oder so.«

»Ja, gut. Ich weiß, wo das ist, ich komm vorbei.«

»Hast du schon von Groar gehört?«

»Jaah… Hab ich…«

»Herzstillstand.« Billy schnaubte. »Von wegen. Der Blutsauger hat von ihm gesprochen, weißt du.«

Jeathrows Herz setzte einen Schlag aus. »Hat er? Tatsächlich?«

»Ja, ja. Er war gestern nacht hier bei mir im Zimmer und mal wieder völlig in seinem Element. Hat gequatscht wie ’n Wasserfall.«

Ein Anflug von Nostalgie überkam Jeathrow. Das war Billy the Kid pur. Es war schon damals so gewesen, immer hatte es so geschienen, als könne Billy nichts ernst nehmen. Immer schon hatte er sich liebend gern über alles und jeden lustig gemacht, je brenzliger die Situationen, desto sarkastischer waren seine Bemerkungen geworden. »Ich komm vorbei«, sagte er schmunzelnd.

»Schön, bis dann. Ich bin dir ein paartausend Erklärungen schuldig.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2009-12-14T14:29:44+00:00 14.12.2009 15:29
Aw, ich mag Matthew... Hoffentlich stirbt er. (Muss man nicht verstehen, glaub ich. XD)
Und Alex ist ja mal voll der Arsch. Über sowas kann man sich stundenlang aufregen. Ich meine, Juliet ist weg und seine Mutter heult rum, bla bla - NA UND? *Alex tret*
Oh, aber an der einen Stelle musste ich sehr lachen:
> »Du sollst nicht mit Sachen werfen, die größer sind als dein Gehirn,
> Wichserchen«, brummte Jan.
Da hab ich soooo übelst den Lachanfall gekriegt! XDDD
Jan ist echt cool!
Nya.
Übrigens ist mir was aufgefallen, was man theoretisch als Kritik auffassen könnte... kA, ich wollt's nur mal anmerken.
Nämlich, dass die Story (bis hierhin jedenfalls) doch recht simpel aufgebaut ist. Ich meine, sie ist ja auch nicht sooo lang und sollte wahrscheinlich auch gar nicht besonders umfangreich werden, von daher ist es okay.
Nur fand ich, dass das ziemlich auffiel, als Alex auf Matt und der dann auf Jet traf.
Auch die Charaktere sind zwar durchweg sympathisch, aber auch relativ schlicht.
Na ja, ich für meinen Teil erachte das nicht wirklich als negativen Aspekt, weil es so für einen Leser... wie nennt man das? 'Leichte Kost'? ist. ^^
Von:  sunshishi
2008-07-13T09:22:14+00:00 13.07.2008 11:22
Wow,

so viel passiert. Die Geschichte verdichtet sich langsam. Ist echt cool geschrieben. Ich hab den Eindruck, dass du dich wirklich damit beschäftigt hast, hast einen großen Plot entwickelt, hast Hintergrundgeschichten angelegt und alles genau geplant^^ Das liebe ich. Schön, dass die Kids endlich Jet kennengelernt haben^^ Und Billy ist auch noch da - dann könnten sie es doch glatt mit dem Schatten aufnehmen, oder?
Bin echt gespannt, wie's weitergeht.

SuShi
Von: abgemeldet
2007-04-01T11:22:39+00:00 01.04.2007 13:22
dummer kerl, einfach jüngere verprügeln... gutes kapitel!!


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