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Dakishimete da yo - onegai

抱きしめて だ よ - おねがい
von

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Nightmare

Der Befehl holte ihn zurück in die Wirklichkeit: „Los, Cognac! Schnapp sie dir und dann weg hier!“ Naru schnappen, Riina liegen lassen – alles in ihm weigerte sich, das zu tun. Deswegen zögerte er und ließ das Haarmonster von den Männern in blinde Wut geraten, so dass er seine Waffe bereits auf Cognac richtete. „Los, komm jetzt!“ warf ihm auch Jami zu, welcher Gin an der Schulter ergriff, um ihn abzuhalten, dieser jedoch zog die Schulter nach vorne und wollte sich nicht von Jami zähmen lassen. Es gab keinen Grund für ihn, Cognac am Leben zu lassen. Für ihn war er bereits durch Befehlsverweigerung zum Verräter geworden.
 

Im nächsten Moment hörte man Schüsse vom Dach, die Gins Aufmerksamkeit von Cognac auf ebendieses Dach lenkten. Ehe er wusste, um wen es sich handelte, trafen ihn welche in den Bauch und beide Schultern. Allen anderen Anwesenden jedoch war sofort klar, wer Gin da so ärgerte…

Dass der Schütze Cognac damit nicht nur das Leben rettete, sondern die Truppe auch zur Flucht zwang, war keinem von ihnen wirklich bewusst, vor allem Gin nicht, was auch gut so war. Denn er ließ Cognac mit den beiden Frauen zurück, wohl hoffend, dass Shūichi Akai ihn wie Calvados in den Selbstmord trieb, und sollte das nicht zutreffen, würde er sich noch einmal eingehend mit ihrem Problemfall beschäftigen. Er hätte allerdings die Hand ins Feuer gelegt, dass Akai ihn dazu brachte, sich das Lämpchen freiwillig auszuknipsen…

Aus der Entfernung sah Gin ohnehin nicht jedes Detail. In Sêiichî machte sich eine ungemeine Erleichterung breit, auch wenn er zumindest den Schein wahrte, abhauen zu wollen, indem er mit seiner Waffe auf den FBI-Agenten zielte.

„Na, Schießwütiger?“ sprach ihn Akai an und feuerte eine ganze Ladung in Cognacs Richtung. Mit einem Satz nach hinten, entging er dem, wenn auch mehr als knapp. Es war aber auch deutlich, dass Shūichi ihn gar nicht treffen wollte. Da Gin bereits mit seinem Porsche auf der Flucht war, wagte Cognac es, die Waffe sinken zu lassen. „So ernst brauchst du das auch nicht nehmen, Akai! Der ist längst weg!“

Auf diese Worte hin gingen weitere Schüsse in seine Richtung, so dass er fast einem Tanz gleich, rückwärts sprang und sogar auf dem Allerwertesten landete.

„Jemand muss ihr helfen!“ Er wandte sich nach hinten um und ignorierte den FBI-Kerl, ganz zum Missfallen für jenen.

Naru hatte die Schießerei nur im Unterbewusstsein mitbekommen, sie telefonierte längst mit einem Notarzt und versuchte ihre Freundin daran zu hindern, einzuschlafen.

„Alles dreht sich“, meinte die Rothaarige, während Naru sie auf ihren Schoß hob und das T-Shirt, welches sie trug, aufriss. Das Blut sickerte langsam zu Boden, sie konnte kaum hinsehen, denn ihr war schlecht vor Angst.

Cognac wurde währenddessen noch immer von Akai bedroht, was er am langen Rohr des Gewehres bemerkte, welches neben seinem Kopf sichtbar wurde. „Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber sie braucht dringend ärztliche Hilfe.“

„Die wird sie kriegen“, versicherte der FBI-Agent, legte augenblicklich das Gewehr um Sêiichîs Hals und zerrte ihn hoch, so dass dieser um Luft ringen musste. Er verstand nicht, was der Kerl für ein Problem hatte…

Dieser dumme Kerl, dachte er, sie seien unbeobachtet, nur weil Gin außer Reichweite war, Akai war nicht so dumm, er spielte das Spiel weiter. Cognac hatte wohl vor, demnächst unter die Toten zu gehen, das gefiel ihm wenig. Er spielte sich so furchtbar als Held auf, das sollte er gefälligst lassen, es würde ihn in ein falsches Licht rücken…

Cognacs geheuchelte Hilfsbereitschaft konnte Narus nun gebildete Meinung von ihm nicht ändern. Nur weil er so was sagte wie „man musste ihr helfen“ gehörte er nun nicht wieder automatisch zu den Guten. So leicht war das einfach nicht...

„Nimm ihn mit, bring ihn bloß fort von hier“, kam von der Hellbraunhaarigen – eine Träne tropfte auf die helle Haut der Rothaarigen, um genau zu sein auf die Hand, welche sie in ihrer hielt. „Am besten mit nach Amerika, damit ihn keiner mehr sehen muss, den Mistkerl!“

„Naru, lass mich das erkl-“, wollte Sêiichî versuchen Naru klarzumachen, dass er ihr wirklich helfen wollte, als Akai ihn an den Haaren wegzerrte und Sêiichî schmerzbedingt aufkeuchte. „Mit Freuden mach ich das!“ Nicht glaubend, was Akai da versprach, kniff der 24-jährige ein Auge zu, beobachtete wie sich die beiden Frauen immer mehr von ihm entfernten, da man ihn in eine Seitengasse verschleppte.

„Was soll das? Lass mich los!“ forderte der Schwarzhaarige von dem Älteren, doch dieser zog ihn weiter in die Gasse hinein, ohne ein weiteres Wort.

Erst eine schier endlose Strecke weiter, ließ man ihn los, pfefferte ihn gefühllos gegen die Wand. „Und du fandest deine Show auch noch oscarreif, oder?“

Überrascht blickte der Blauäugige dem FBI-Agenten entgegen, weil er kaum fassen konnte, was man ihm an den Kopf warf. Sein Blick wurde deprimiert, schließlich war er von sich selbst enttäuscht, wie sehr ihm die Fassung entglitten war, nachdem auf Riina geschossen worden war. „Nein“, kam kleinlaut von Sêiichî, er machte sich auf eine ordentliche Standpauke gefasst, immerhin hatte er ihn gerettet…

Sein Blick erweichte sogar Akais Herz – wie ein schutzloser Junge wirkte er für den Moment. Es fehlte nur noch, dass er anfangen würde, zu heulen, das sähe ihm aber wenig ähnlich.

„Guck mich nicht so an! Das nächste Mal helfe ich nach!“ Obwohl er sie ansah, als würde sein Herz in alle Einzelteile zerspringen, kam der Satz in einem eiskalten Ton von Akai. Was dem äußeren Schein nach Kälte aussah, war im Inneren desjenigen etwas völlig anderes. Es ließ ihn alles andere als kalt. Er musste einfach vorsichtiger sein. Gin knallte ziemlich schnell eine Sicherung durch und er machte auch keinen Hehl daraus, dass er Cognac nicht ausstehen konnte. So eine Chance nutzte er doch liebend gerne aus. Nicht einmal Jami hatte ihn abhalten können.

„Es tut mir Leid…“ Auch wenn seine Freundin gerade als ein grausamer FBI-Agent auftrat, musste er ihr danken, denn sie hatte ihm das Leben gerettet – schon wieder. Warum war er nur nicht in der Lage, das selbst zu tun? Er hatte doch so oft geübt, hatte so oft andere Männer erschossen, um sich zu retten… Nur bei Gin klappte es anscheinend nicht so gut. Er fühlte sich schlecht und schwach. Musste er sich von einer verkleideten Frau, die sich als ein FBI-Agent ausgab, retten lassen.

„Was tut dir Leid? Dass Gin dich fast erschossen hätte, oder andere Sachen?“

„Alles – einfach alles…“ Sein Blick ging zu Boden. Toll, Depressionen waren das Letzte, was er nun brauchte.

Ein Seufzen entfuhr dem FBI-Agenten, er drehte sich leicht von Sêiichî weg. „Du hast noch viel zu lernen. Du bist weder in der Lage, dich selbst einzuschätzen, noch andere. So schwach, wie du wieder denkst, bist du nicht. Es ist keine Schande, sich helfen zu lassen. Hör nur endlich auf zu träumen! Du bist nicht Superman, das wirst du niemals sein, also fang an vorsichtig zu sein! Und lerne Gefühle abzustellen! Selbst ich, die weit weg von dir war, hab sie gesehen… Die Gefühle für das Mädchen…“ Ihre monotone Stimme – sie bemühte sich nicht einmal mehr, Akais Stimme nachzuahmen – war ohne jegliches Gefühl, im Gegensatz zu ihm, war sie dazu in der Lage, sie zu verbergen. Meistens jedenfalls.

Trotzdem hörte er sie heraus. Die Eifersucht, als sie von dem Mädchen sprach.

„Dann möchtest du nicht sehen, wie ich reagiere, wenn dir so etwas geschieht“, meinte der Schwarzhaarige. Wenn sie von Gefühlen für Riina sprach, war es lachhaft. Die Vorstellung von seiner Freundin blutend in seinen Armen – er würde schreien und zu heulen anfangen.

„Mir kommen die Tränen…“ So gleichgültig sie klang, umso mehr wusste sie tief in sich, was er damit andeuten wollte. Nein, wenn man sie umbrachte, dann wenigstens richtig, so dass sie es nicht mehr mit ansehen musste.

„Ich weiß, erbärmlich. Dir würde so etwas ja nie passieren.“

Wie gesagt, seine Einschätzungs-Fähigkeiten waren mehr als begrenzt, er dachte auch, es würde sie kalt lassen – aber das nahm wohl so ziemlich jeder an. Dass sie mit ihm spielte und es für sie lediglich ein Zeitvertreib war. Es gab auch Zeiten, da war sie netter zu ihm gewesen. Da hatte er auch nicht ständig Roulette mit seinem Leben gespielt. Am liebsten folterte sie ihn wohl, wenn er sich wieder fast selbst ins Grab gebracht hatte. Ein Psychologe hätte es chronische Angst genannt. Man musste sich eben ständig um ihn sorgen und in Angst verfallen. Natürlich zeigte sie ihm diese nicht. Er würde wahrscheinlich daran zerbrechen. Ob er wohl dann vernünftiger geworden wäre, wenn er wüsste, dass sie bei der Vorstellung, dass man ihn ihr wegnehmen würde, bereits zur Furie wurde?
 

Noch immer fühlte sich der schwarzhaarige Mann wie ein Störenfried. Sie hatte immer so furchtbar viel zu tun, aber es ging ihm schlecht, da nahm sich die Kurzhaarige jederzeit für ihren Schützling Zeit. Sie war fast so etwas Ähnliches wie seine Therapeutin.

„Und dann ist Gin ausgeflippt – ich bin davon überzeugt, dass Cognac genauso wenig davon hält, wie ich, dass man diesen Kerl in unsere Organisation holen will. Ich meine, der bekriegt uns – wieso ist es dem Boss nur so wichtig, ihn zu bekommen? Er wird sowieso ein Verräter werden… Es würde ziemlich nach Trotzkopf aussehen, wenn ausgerechnet ich ihn wegen einem Verrat bestrafe. Ich weiß einfach nicht, wie ich ihm gegenübertreten soll, dem kann doch keiner trauen! Dass Gin da freiwillig mitmacht, enttäuscht mich wirklich. Ich habe ihn für klüger gehalten.“ Keiner wollte ihm glauben, dabei wusste Jami am besten über den Kerl Bescheid.

Asti schüttelte den Kopf, ihr Sohn machte sich da viel zu viele Gedanken. Es wäre besser für ihn, die Sachen hinzunehmen, wie sie nun einmal waren, aber etwas tief in ihm war noch genauso stur wie früher.

„Cognac hat nur Angst, dass man ihm den Rang abläuft. Du denkst zu viel nach. Der Boss hat großes Vertrauen in dich. Wenn der Neue zu einem Verräter wird, vertraut er auf deinen Verstand und deiner Liebe gegenüber ihm.“

Liebe – was war das schon? Er hatte keinerlei Ahnung von Gefühlen wie diesen. Seit dem Tod seiner Eltern hatte er nichts Dergleichen mehr erfahren.

„Ach, ich weiß nicht… Ich wünschte, der Boss würde diese Idee schnell verwerfen. Ich will Ärger vermeiden. Manchmal glaube ich, ihm ist langweilig und er holt sich deswegen diese ganzen tendenziellen Kriminalisten.“

‚Dabei warst du selber einer – das scheinst du vergessen zu haben. Ja, der Boss mag sie! Weil es ihm ein Gefühl von Genugtuung gibt, wenn er der Polizei ihre Sprösslinge wegnimmt. Das war auch bei dir der Grund. Er wollte deinen Vater besiegen, indem er sich seinen Sohn holt…’ Nun musste sie wieder Überzeugungsarbeit leisten, sie wusste wie man ihn manipulierte – schließlich kannte sie ihn schon, seit er ein Kind gewesen war.

Es klopfte an der Tür, doch dies ignorierten beide – sie waren nun eben nicht zu sprechen. Mehrmals klopfte es, doch sie interessierten sich nur für sich selbst. So war es immer. Sie hatten ein alleiniges Interesse an ihrer Wenigkeit.

„Kriminologie und Kriminalität liegen nah beieinander. Kaum ein Mörder ist so schlau gegen Kriminalisten anzukommen. Sie kennen sich am besten mit Mord aus. Detektive sind die besten Mörder, sie haben schon alles gesehen, was es so gibt. Ihnen ist es in die Wiege gelegt worden, wie es funktioniert – außerdem können sie andere besser täuschen, als man es bei ihnen könnte. Darüber hinaus – je weniger Kriminalisten existieren, umso besser geht es den Verbrechern.“

„Es ist kein Verbrechen, die Welt zu ändern. Da es sonst niemanden gibt, der wirklich etwas dafür tut. Wir haben die besten Mittel, ich verstehe nicht, wieso man uns Verbrecher nennt. Was ist schließlich dabei, etwas zu verändern? Jeder, der uns in die Quere kommt, ist der wirkliche Verbrecher…“ Die Überzeugung in Jamis Stimme besagte, dass man ihm all das schon sehr früh eingetrichtert hatte und er es wirklich glaubte. „Leute wie Hiroya Tokorozawa behandeln uns wie den letzten Dreck und nennen uns schlecht, dabei wehren wir uns nur.“ Er hasste diesen Besserwisser, so einer war mal sein bester Freund gewesen – wie konnte man sich in einem Menschen nur so täuschen? Jami hatte großes Vertrauen in Menschen und wurde dafür oft bestraft.

„Ich werde ihm nie vergeben! Niemals werde ich ihn unter uns dulden! Beim ersten Anzeichen ist der Kerl Geschichte!“

Asti grinste, es war so interessant, wie konsequent Jami vorging. Hatte er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt, setzte er es gnadenlos durch – und wenn es hieß, eine Frau zu töten, weil sie die falsche Entscheidung getroffen hatte.

Das Klopfen wurde jetzt so laut, dass beide sich davon belästigt fühlten. Jami ging zur Tür. Er öffnete sie mit einem Ruck. Dort standen zwei Männer, die wohl ziemlich nass geworden waren.

Der eine hatte längere schwarze Haare und der andere dasselbe in braun, dieser war jedoch ein ganzes Stück größer und doch war er kleiner als sein Gegenüber. Jami überragte kaum jemand, er war ja auch fast 1.90 groß.

„Ach, was treibt euch denn hierher?“

Asti schielte nach hinten und erblickte Mezcal und den anderen, eher stillen Zeitgenossen. Sie war nicht ganz so erfreut, ihn hier zu sehen…

„Was machst du hier?“ Der Braunhaarige ging einfach an Jami vorbei, was dieser äußerst ungehobelt fand, um sich mit der Frau zu unterhalten, statt Jami eine Antwort zu geben.

Mezcal zuckte mit den Schultern. „Anscheinend kennt er sie schon, was für eine Überraschung.“

„So überraschend finde ich das nicht, sie hatte die Idee…“, flüsterte Jami ihm zu und dieser staunte nicht schlecht.

Ja, alles passt ins Bild. Ist ja unglaublich, dass die sich bereits kennen. Kleine Welt.

„Gut, dass ihr beide da seid. Mezcal, warte bitte draußen“, forderte die Schwarzhaarige und ließ ihn nicht gerade erfreut dreingucken.

Auch mal wieder… Immer schickt sie mich raus. Sie traut mir nicht. Ganz schlecht. Wenn sie mir nicht traut, dann hat der Boss sicher auch Bedenken. Was will sie mit ihm besprechen, was ich nicht wissen darf? Betrifft es mich etwa?

Ohne ein Murren verließ Mezcal das Zimmer und ließ den um ein Jahr älteren Mann mit Jami und Asti alleine.

„Warum schickst du ihn raus?“ Man konnte seine Stimmlage schon erbost nennen. „Er ist mein bester Freund geworden! Jemand, dem ich meine Seele anvertrauen würde…“ Nach den Worten stand die Grünäugige auf und knallte ihm eine. Wie einem Schuljungen, der etwas ausgefressen hatte, schenkte sie ihm Blicke.

„Was hab ich jetzt falsch gemacht?“ Es traf den 25-jährigen sehr, wenn sie ihn so behandelte, er mochte sie wirklich gerne.

„Mezcal ist nicht vertrauenswürdig! Merk dir das mal, Juu-chan!“

‚Juu-chan? Die kennen sich anscheinend wirklich näher, wie interessant.’ Jami beobachtete beide. Was gab es da noch zu erfahren, was er noch nicht über ihn wusste?

„Alles machst du falsch! Treibst es mit deiner Schwester, machst ihr ein Kind, und lässt dich dann auch noch von ihr knebeln!“ Ihre Augen funkelten zornig.

„Das war jawohl nicht geplant!“

„Vieles ist nicht geplant, aber du hättest das Ganze geschickter behandeln können. Ohne dich auf dieses Weib einzulassen! Ich hab dir tausendmal gesagt, dass du so etwas nicht machen sollst!“

Sie behandelte ihn ja schlimmer, als Jami selbst, dieser war mehr als nur überrascht, er hätte schwören können, es war das Verhalten einer Mutter gegenüber ihrem Sohn. „Wie hat deine Mutter dich bloß erzogen? Es ist unfassbar! Bei deiner Schwester hat sie auch maßlos versagt! Sie angelt sich einen Gitarristen. Hat ihr niemand gesagt, dass man sich als Frau immer den Besten nimmt? Wäre sie klug, hätte sie sich an den Sänger rangemacht. Die stehen nun mal im Mittelpunkt, Mitsuki hat es besser gemacht, sie hat ihn rechtzeitig in den Wind geschossen.“

„Wenn jemand einen in den Wind geschossen hat, dann war er das, tze“, entrüstete sich der Braunhaarige, er verstand sowieso nicht, wie er so etwas hatte machen können.

„Wie auch immer…“, sie räusperte sich, „wie siehst du überhaupt aus? Hast du dich wieder mit Leuten angelegt, denen du unterlegen bist? Was denkst du eigentlich, weshalb ich mir die Mühe mit dir mache? Damit du möglichst bald ins Gras beißt? Darüber hinaus sind Drogen schlecht für den Verstand, also lass die Finger davon!“

„Ich bin auf dem besten Weg, klar? Bin seit Tagen auf Entzug und fühl mich nicht sonderlich… Hatte etwas Streit mit Sakurai, der hat sich mal wieder aufgeführt, wie das allerletzte Rindvieh.“ Andere Männer als Rindviecher zu bezeichnen, sah ihm ähnlich, dabei war er selbst das allergrößte, fand jedenfalls Asti.

„Du lässt dich benutzen… Nicht nur von Mitsuki, auch von so ziemlich allen anderen Leuten um dich herum. Nenne Mezcal nie mehr deinen besten Freund, das verbiete ich dir! Er ist es nicht!“ Der Kerl hatte nur Kimiko im Kopf und er nannte ihn seinen besten Freund – war er eigentlich so dumm, zu denken, diese Freundschaft würde Bestand haben, wenn er die Wahrheit erfuhr? Bisher konnte er anderen die Schuld geben und gegen sie hetzen, aber irgendwann machte er einen Fehler, das war dann das Ende.

„Warum willst du Yui eigentlich ständig erziehen? Es ist doch ihr Leben – warum gönnst du’s ihr nicht? Sie hat den Sänger für ihren Gitarristen verlassen, na und? Ist das denn ein Verbrechen?“ Juu war beides, er konnte damit angeben und fühlte sich auch äußerst toll damit. Er hätte niemandem eines von beidem überlassen. Er konnte Hyde nicht verstehen, der so etwas mit sich machen ließ, er war doch schließlich auch Gitarrist. Nein, das Weichei gab seine Gitarre an Ken ab, weil Tetsu das so wollte. Der war sowieso herrschsüchtig. Erinnerte ihn ungemein an seinen Vater, kein Wunder, dass Yui nicht mit ihm auskam.

‚Das wüsstest du gerne, was?’ Sie blieb ihm eine Antwort schuldig, während sie auf ein völlig anderes Thema kam. „Männer wie er sind für ein Spiel gut, aber nicht für mehr. Irgendwann erkennt auch deine kleine Schwester, wie er tickt. Sie hat keine Ahnung von Männern, auch wenn sie immer so tut.“

„Was soll schon jetzt noch passieren? Er hat ihr einen Antrag gemacht…“

„Pure Verzweiflung, um sie ruhig zu stellen. Glaubst du etwa wirklich, er will sie JETZT heiraten? Verlobungen sind nur dafür da, etwas anderes zu vertuschen! Männer sind so hinterhältig! Sie ist eine eifersüchtige Zicke, mit dem Heiratsgedanken im Hinterkopf, gibt er ihr das Gefühl, es ernst zu meinen.“ Die junge Frau mit dem knallend roten Lippenstift fuhr sich durch die Haare. „Ich kenne einige Mädchen, die ihm schöne Augen machen, irgendwann wird er schwach werden… So ist der Lauf der Dinge. Wenn sie sich weiter so aufführt, treibt sie ihn ja geradezu dazu.“

Sie hatte wirklich gut reden, so gut kannte sie ihn nicht mal, sie hatte ihn 1 bis 2 Mal gesehen. Mehr nicht, Juurouta wusste auch nicht, weshalb sie bei Männern immer im Recht sein wollte, nur weil sie bereits 45 war. Manchmal glaubte er auch, dass sie eine Affäre mit seinem Vater gehabt hatte, so wie sie immer von ihm gesprochen hatte. Sie schien ihn mehr in der Hand zu haben, als seine eigene Mutter. Aber das konnte jawohl nicht sein, sie war die beste Freundin seines Vaters, seine Patentante. Andererseits… wieso traf er sie jetzt wieder, da er in dieser Scheiße saß? In einer Organisation, deren einziges Interesse Macht zu sein schien. Auch noch im direkten Kontakt mit diesem Ekel Jami.

„Vielleicht löst sich das Problem auch von ganz alleine – wenn er das Ganze publik macht, haben wir neues Futter. Irgendwem passiert noch was, weil sie so verdammt stur ist. Hoffen wir, sie wird vernünftig, wenn der gute Jami ihr davon erzählt, was mit dir geschehen ist.“

Deutlicher musste sie nicht werden, er wusste sofort, dass sein Unfall nicht auf Shin Sakurais Mist gewachsen war, sondern an seine Schwester gerichtet. Ihm lief es eiskalt den Rücken runter, am Ende lebte er nur noch, weil seine Patentante in der Organisation war…

Und überhaupt, alles passte irgendwie. Doch sein Verdacht blieb unausgesprochen, es war offensichtlich, dass sie ein reges Interesse an seinem Vater und dessen Kindern hatte, insbesondere an Yui. Was wäre also, wenn sie ihre… wäre?
 

Jami musste grinsen. „Also ich plane anderes“, verriet er seiner Erziehungsberechtigten, woraufhin diese ihm ihre gesamte Aufmerksamkeit schenkte. „Sie ist jetzt vielleicht noch hartnäckig, aber wenn ich sie etwas länger bearbeite, wird er es sein, der sie verlässt, weil sie ihm zur Seite gesprungen ist. Aber es würde mich schon interessieren, wer der Kerl ist, vielleicht kann ich den ein bisschen ärgern.“

„Wenn du das wagst, lernst du mich kennen! Du mischst dich da gefälligst nicht ein!“

Ein jüngerer Kerl, auch noch einer, der frisch bei ihnen war, wagte es, so mit ihm zu reden – wäre Asti nicht daran gelegen, dass er überlebte, hätte er sonst was mit ihm angestellt. Der hatte ein großes Maul, weil er genau wusste, dass sie ihn beschützte. „Na komm, Asti, verrat’s mir, ich renne schon nicht gleich hin und nehm dir deine Beute weg! Na, wer ist es?“

„Nein!“ Sie blieb diesmal hart, obwohl er sie um so manches bitten konnte, worauf sie auch einging. Aber in dem Fall hatte er keinerlei Chance, sie kannte ihn einfach zu gut. Wer wusste schon, was er mit ihr machte, sobald er DAS wusste?

„Wir tragen es auf fairem Wege aus! Wer von beiden als erstes anbeißt. Ohne irgendwelche Tricks, Jami!“

‚Schlecht… ich hab sie bereits zu sehr geärgert, um noch bei ihr erfolgreich zu sein, also werde ich betrügen müssen… Ich krieg schon raus, wer das ist. Vielleicht kenne ich ihn sogar. Wäre ja zu lustig, wenn die beiden in der gleichen Band wären… Das wäre ein Spaß, damit kann man ihm gleich noch etwas auf die Nerven gehen… Vielleicht macht er dann endlich, was ich ihm sage…’ Jami war diese Warterei einfach satt. Er war ohnehin nicht gerade der geduldigste Mensch.
 

Mitten in der Nacht klingelte das Haustelefon und die Mädchen wurden dadurch aufgescheucht, während die beiden Männer den Schlaf der Gerechten zu schlafen schienen.

Am anderen Ende der Leitung war der unangenehmste Zeitgenosse, den man sich vorstellen konnte. Zum Glück war es nicht Tomoko, welche den Hörer abhob, es wäre ihr nicht bekommen, wenn er ihre Stimme gehört hätte. Stattdessen war es eine total verschlafene Kotomi.

„Hallo?“ meinte sie leise und bekam eine Männerstimme als Antwort, die ihr jedoch wenig sagte.

„Ich will Hiroya sprechen, es ist dringend.“

Dass er ihn verlangte, wunderte sie nicht, denn sie waren hier, ohne dass jemand davon wusste. „Ja, Moment!“ Ahnungslos holte sie ihn aus dem Bett, ans Telefon. Er nahm den Hörer und fragte gleich: „Wer ist das?“ Seine Stimme klang dunkel, man bemerkte, dass er geschlafen hatte.

„Werd’ erstmal wach!“ forderte der Mann von seinem Freund und dieser verzog das Gesicht noch um ein Vielfaches mehr.

„Was zum Teufel willst du?!“ raunte er den Mann an.

„Begrüßt man so seinen besten Freund?“

Hiroyas Gesicht erschreckte Kotomi, aber sie konnte sich denken, wer es war. Seine unweigerliche Mädchenstimme – wie sie zumindest empfand – und Hiroyas Gesichtsausdruck verrieten es ihr. Außerdem wurde er ziemlich laut, weshalb sie zu Kazuo lief, um ihn zu wecken. Das gestaltete sich jedoch als äußerst schwierig – auf Grund dessen verpasste sie die spannenden Teile des Ganzen. Die ganzen Drohungen und Aufforderungen.

„Ich wüsste nicht, dass wir beste Freunde sind! Seit wann wühlst du in Vergangenem rum?“

„Ach komm – ich habe dich besonders gern, was denkst du, warum ich mich so gern mit dir beschäftige! Wir haben deine Nichte… Ich nehm an, du möchtest sie unversehrt wieder haben, nicht wahr? Also hör gut zu!“ Natürlich machte es ihn wütend, dass Kenichi eine 12-jährige in die Sache mit hineinzog, doch lauschte er aufmerksam, ohne ihn erneut anzufauchen.

„Heute Nacht, 3 Uhr in Kawasaki – am See – komm alleine! Dann siehst du sie wieder, Hiroya!“ Es klickte, so dass monotones Tuten im Telefon blieb. Mit einer wutentbrannten Fratze schmiss der Besagte den Hörer auf die Gabel und rannte zur Garderobe. Gerade als Kotomi mit einem verpennten Kazuo die Treppe runterkam.

„Was war los? Wo willst du hin?“ fragte der Detektiv den Älteren.

„Jami!“

„Was will der?“ entgegnete der Braunäugige entsetzt.

„Spielchen spielen…“ Um klare Antworten war Hiroya nicht bemüht, aber aus irgendeinem Grund hatte Kōji nicht vor ihn alleine gehen zu lassen, weshalb er ihn am Arm packte. „Langsam! Du sagst es doch immer… Man darf sich nie zu blinder Wut hinreißen lassen, weil man dann Fehler macht! So wie du gerade drauf bist, läufst du direkt in eine Falle!“

„Ist mir klar“, er versuchte sich von seinem Freund loszureißen, doch dieser hatte ihn gut im Griff.

„Wenn dir das klar ist, warum willst du es dann tun? Damit Jami dir ins Gesicht lächeln kann? Das kannst du unmöglich wollen…“

Hiroyas Blick ging in Richtung des 23-jährigen Mannes, er sah wild entschlossen aus. „Ich soll alleine kommen! Natürlich ist das eine Falle, sie werden auf mich warten, aber ich muss es tun – er hat Nami in seiner Gewalt! Das bereut er! Sie ist erst 12! Wie kann er es wagen, sich an ihr zu vergreifen? Hat er keine würdigeren Gegner? Leute wie mich? Dem bring ich Manieren bei!“ Es war ein ernst gemeintes Versprechen.
 

Naru konnte von Glück reden, dass nach Sêiichîs Verschwinden Juro aufgetaucht war und ihr geholfen hatte, bevor sie einen Nervenzusammenbruch hatte erleiden können. Sie war auch total aufgewühlt, was ihn kein bisschen wunderte, da es sich um ihre beste Freundin handelte.

„Ich kann nicht glauben, dass man Nami einfach vor meinen Augen entführt hat – alles ist meine Schuld! Hiroya bringt mich eigenhändig um, wenn er davon erfährt.“

„Überziehst du nicht ein bisschen, Naru? Hast du etwa deswegen Fujimine alarmiert?“ Dass sie ihrem Exfreund nicht gerne sagen wollte, dass man seine Nichte gekidnappt hatte, war ihm klar, aber wieso ausgerechnet den Typen?

„Weil er ihr Freund ist und außerdem bei Interpol!“

„WAS?!“ Es brauchte einen Moment, bis der Schwarzhaarige den Schock überwunden hatte. Interpol gefiel ihm gar nicht – am liebsten wollte er auf der Stelle die Fliege machen…

„Das ist ganz schön… Riina und der geheimnisvolle Agent von Interpol“, er zog es ein bisschen ins Lächerliche, sonst kam sie noch dahinter, dass ihn das wirklich schockte. Er war ein Mitglied der Organisation – und Fujimine auf dem Weg. Das war nicht sein Tag.

„Oh ja, der geheimnisvolle Mann, der kommt und geht…“ Warum dauerte das heute eigentlich so lange? Was hielt ihn auf?

Naru wurde zunehmend nervöser. Nicht nur, dass Tatsuji noch nicht gekommen war, die Ärzte wollten ihr auch keine Auskunft geben. Ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, vermochte die Hellbraunhaarige nicht zu deuten…

Da sie in der Nähe eine Treppe hatten, hörten sie natürlich sofort als jemand schwer atmend ebendiese hinaufkam. Sofort gingen die Blicke der Beiden auf die Treppe. Wo daraufhin jedoch nicht Tatsuji war, sondern zu ihrem Leidenswesen Sêiichî Iwamoto. Dass der sich hierher traute, unglaublich!

„Was willst du denn hier? Willst du gucken, ob sie schon gestorben ist?!“ warf Naru dem 23-jährigen zu – sie glaubte einfach nicht, dass er sich wirklich für Riina selbst interessierte, doch eher für seinen beschissenen Auftrag.

„Spinnst du, Naru?“ Sie entsetzte ihn mit ihren Worten – das war hoffentlich nicht ihr Ernst. „Ich will wissen, wie es ihr geht!“

„Das Eine schließt das Andere jawohl nicht aus, oder wie siehst du das?!“ Er war ein schlechter Kerl, er hatte denen geholfen, ein kleines Mädchen zu entführen und noch dazu zugelassen, dass sie Riina fast umbrachten. Wer wusste schon, ob sie heil aus dieser Sache kommen würde?

Wenig später hörten sie erneut Schritte und ein hektischer Tatsuji gesellte sich zu ihnen. „Wie - geht’s - ihr?!“ Seine Stimme holperte, was seine Sorge zeigte, und dass er anscheinend drei Stufen auf einmal genommen hatte. „Und was machst du hier?“

„Dasselbe wie du, will ich meinen, auch wenn sie nicht glaubt, dass es so ist! Ich bin genauso geschockt wie du… Ich war dabei und musste es mit eigenen Augen mit ansehen.“

„Warum hast du nichts unternommen?“ Tatsuji schnappte Sêiichî am Kragen und schüttelte ihn, das war sonst nicht seine Art, er hatte ein ziemlich ruhiges Gemüt.

„Hätte ich ja gerne, aber es ging so schnell. Ehe ich mich versah, hat der Scheißkerl dann abgedrückt und sie getroffen! Und dann wollte er mich auch noch töten.“

„Tut mir außerordentlich Leid für dich“, meinte Naru ironisch und schenkte ihm hasserfüllte Blicke. Bei ihr hatte er es sich endgültig verschissen…

Tatsuji ließ Sêiichî los – was war nur los mit ihm? Er wurde von einem Schwindelgefühl heimgesucht und setzte sich für einen Moment, den Kopf in den Händen vergrabend.

„Es tut mir Leid, dass ich nicht eher gekommen bin – ich bin fürchterlich hierher gerast und dann in eine Polizeikontrolle gekommen. Da hat es dann noch länger gedauert. Was sagen die Ärzte?“ Er blickte auf zu Naru, diese schlug die Augen nieder.

„Bisher gar nichts!“

Juro hatte die Arme verschränkt und stand nahezu abwesend da, weshalb Sêiichî sich ein bisschen fragte, was er hier überhaupt machte, zudem kannte er ihn nicht.

„Und er-?“ Der 24-jährige hoffte so etwas herauszubekommen.

„-Wurde auch von Naru angerufen“, antwortete dieser selbstständig und musterte Sêiichî. „Ich bin Juro – wie sieht’s mit dir aus?“

„Sêiichî… Ich war mal mit ihr zusammen.“

„Ja, leider Gottes“, murmelte Tatsuji in den nicht vorhandenen Bart hinein, er hatte sich das leider nicht verkneifen können. Eine Exfreundin von dem zu sein, war eine Strafe, seiner Meinung nach.

„Ich weiß, ich hab Mist gebaut… Aber nach 6 Jahren hat sogar sie mir verziehen.“

Tatsuji gab einen ziemlich schnippischen Laut von sich. „Trotzdem ist es eine Strafe!“ Die Frau, die momentan mit ihm zu tun hatte, war zumindest seine Kragenweite, die würde ihm wenigstens die Hölle heiß machen, wenn er den Bogen überspannte – es geschah ihm ja Recht. Sie war die richtige Frau für Sêiichîs Erziehung.

„Ach, er wird ja auch ständig bestraft von so einer Schauspielerin“, machte sich Naru lustig, was der 24-jährige nicht amüsant fand und einen Schmollmund zog.

„Erziehung der Extraklasse, oder wie?“ Tatsuji machte sich große Sorgen um Riina und doch stieg er ein, um Sêiichî etwas zu ärgern.

„Ich bin bereits erzogen, danke!“ Vermouth erzog ihn nicht, wieso glaubten das alle?

Als wenig später ein Arzt ihren Weg kreuzte, war es Tatsuji, der sofort hinrannte und diesem keine Ruhe ließ, bis er eine Antwort gab.

„Sie ist noch im Operationssaal – es ist eine komplizierte Verletzung, da kann es durchaus länger dauern. Es sieht aber gut aus – bis auf den großen Blutverlust, gab es bisher keinerlei Komplikationen – wirklich wissen, wie es um sie steht, tun wir aber erst, wenn die Operation erfolgreich abgeschlossen ist. Bitte gedulden Sie sich.“

„Hoher Blutverlust, was bedeutet das nun genau? Wird sie Folgeschäden davon tragen?“

„Keine Sorge, einer Transfusion steht nichts im Wege. Eine junge Frau hat ihre Hilfe angeboten und genug Blut gespendet.“

„Und meines wollte keiner haben…“, seufzte Naru, obwohl ihre Blutgruppe auch kompatibel gewesen wäre.

„Nein, die junge Frau hat nur exakt die gleiche Blutgruppe, wie Frau Takagi, deswegen und weil sie eine enge Verwandte des Chef-Arztes ist, wurde sie bevorzugt behandelt.“

Naru hätte ihrer Freundin gerne selbst geholfen, was sie äußerst deprimierte, doch der Arzt versuchte ihr das auszureden. „Zudem standen Sie unter Schock, Sie wären nicht in der Lage gewesen, so viel Blut zu spenden.“

„Ich wüsste gerne ihren Namen, damit wir uns bei ihr bedanken können.“

„Mitsuki Ikezawa“, antwortete Juro und blickte in die Runde. „Sie ging auf die gleiche Uni wie ich, daher kenn ich sie, aber nur flüchtig.“

„Ich glaub, ich muss mich setzen“, Naru holte tief Luft, ihr war nun auch schwindelig geworden, aber mehr, weil sie diesen Namen gehört hatte. Natürlich war er ihr ein Begriff, sie lebte ja nicht ganz hinter dem Mond. Hiroya sprach zwar wenig über Familiäres, aber das hatte er ihr erzählt. „Da kann ihr Bruder ja wahrlich stolz auf seine kleine Schwester sein, er lobt sie sowieso in den höchsten Tönen -“, obwohl sie dabei gewesen war, auch noch zu sagen, dass sie Mitsuki nicht leiden konnte, schwieg sie es tot. Zumindest solange der Arzt anwesend war.

„Ich werde es ihr ausrichten“, meinte der Arzt und wollte sich auf den Weg machen, als Naru sich erneut an ihn wandte.

„Nein, das machen wir selber – wir kennen sie immerhin persönlich.“

Tatsuji wunderte sich ein wenig, dass Naru darauf bestand.

„Nun gut – gedulden Sie sich. Und lassen Sie sich einen Kaffee bringen, Sie sehen müde aus.“

„Geht schon!“

Der Arzt lief den Gang entlang und verschwand um die nächste Ecke, da brachte Tatsuji etwas zur Sprache, worüber Naru ungern sprach.

„Und nun sag mir, was das sollte! Kann es sein, dass du keine hohe Meinung von dieser Dame hast?“

Ein Seufzen entkam der Hellbraunhaarigen – wie gut Tatsuji doch Menschen durchschaute. Er sah es ihr anscheinend an.

„Ach, sie ist das liebe Kind der Tokorozawas, die nun über einen sehr schmerzlichen Verlust hinweg kommen, weil sie einen Ersatz haben. Ich könnte schreien vor lauter Wut, wenn ich daran denke, wie sie sich in ihr Leben eingeschlichen hat. Da konnte Kimiko ja nicht gut dastehen. Mitsuki tut nämlich alles, was ihre Eltern ihr so sagen. Ganz anders als sie.“

„Übertreibst du nicht, Naru?“

„Mitsuki hat sich überhaupt nicht in die Familie geschlichen, sie gehörte schließlich eigentlich schon immer zu ihnen!“ entrüstete sich Sêiichî, immerhin kannte er sie mittlerweile auch.

„Es gibt Menschen, die das anders sehen und deine Meinung interessiert mich in keiner Weise, Iwamoto, also halt dich da raus!“ Dass Kimiko im Schatten ihrer Schwester stand, konnte man schon sagen, wenn man von den familiären Verhältnissen ausging. Sie fand es äußerst unfair, seiner Schwester Vorhaltungen zu machen, dass sie verkorkst sei, nur weil ihre Schwester bei der Polizei war. Und nicht zu sagen, der nette Spruch „man hätte dich weggeben sollen“ war gefallen, was Naru einfach unfassbar fand, dass man ihrer Freundin so etwas an den Kopf geworfen hatte. Es hätte sie nicht gewundert, hätte der Vater auch noch damit zu tun gehabt, dass ihr keiner helfen wollte, sicher hatte er Hiroya auch bearbeitet, dass er sich schön aus Kimis Angelegenheiten heraushielt. Sie war eben das schwarze Schaf der Familie, Mitsuki passte besser zu ihnen. Polizistentochter, schön brav bei der Polizei tätig, dabei log die doch wie gedruckt – da war sich Naru vollkommen sicher.

„Das erklärt einiges, muss ich sagen“, meinte Tatsuji, „sie ist die verlorene Tochter – wenn man das so nennen kann. Es ist unverschämt von den Eltern. Geben sie nach ihrer Geburt weg und tauschen ihre Zwillingsschwester gegen sie ein, furchtbar.“

„Nicht nur sie tauschen sie ein, auch ihr Freund sieht es nun ziemlich gelassen, dass Kimiko tot ist. Es fehlt nur noch, dass er sie mit Kimiko anredet. Das traue ich dem Kerl auch noch zu.“

Naru dachte nicht gerne daran – wenigstens war da ein Haar in der Suppe und Mitsuki war nicht ganz die perfekte Tochter, hoffentlich bekam sie wegen ihrer Beziehung zu diesem Kerl ordentlich ihr Fett weg, die Tokorozawas hatten grundsätzlich etwas gegen Prominenz und diese kleine Plage war mit einem Musiker zusammen – sogar ein Kind hatte sie mit dem. Dafür, dass sie nicht perfekt war, war das der Beweis. Uneheliches Kind von einem Musiker, das dürfte den Eltern und vor allem Hiroya wenig schmecken.

„Redest du von ihrem Stiefbruder?“ hinterfragte Tatsuji und Naru schüttelte den Kopf.

„Mit dem sie in der Kiste war, ja. Zum Glück war Kimiko schlauer und hat nichts mit dem angefangen. Am liebsten wär dem Schwachmaten gewesen, wenn er es gleichzeitig mit ihnen hätte treiben können.“

„Anderes Thema“, schlug Tatsuji vor, den Gedanken fand er nicht appetitlich.

„Och, wieso denn? Ich finde das interessant – Zwillinge, ui!“

Sêiichî kassierte einen Schlag gegen den Hinterkopf, als er das so sagte und zwar von Naru – das war nun wirklich wieder typisch für ihn, dass er so etwas interessant fand.

„Aua!“

„Geschieht dir nicht anders“, meinte Tatsuji, er würde ihm garantiert nicht helfen, wenn er sich so um Kopf und Kragen redete. Er machte sich eher Gedanken darum, wie er das Wataru erklärte. Dass seiner Schwester etwas zugestoßen war. Außerdem war er viel zu besorgt, um sich über die Probleme von anderen Gedanken zu machen.

Juro beobachtete Sêiichî – wie sie auf ihm herumhacken, fand er äußerst unfair. Und der lange Kerl benahm sich auch nicht gerade freundlich. Zum Glück stellte er ihm keine neugierigen Fragen – doch wer wusste, was im Kopf des Mitarbeiters von Interpol vor sich ging? Ob er ihn vielleicht kannte? Ob er was ahnte? All diese Fragen quälten den schwarzen Lockenkopf. Aber auch, was Sêiichîs Gefühlszustand anging. Er kannte ihn aus Kazukis Erzählungen, doch nicht aus eigener Erfahrung.

„Magst du mit mir Kaffee holen?“ meinte er zu Sêiichî, selbst wenn es Tatsuji verwunderte, dass der Mann sich mit Sêiichî offensichtlich davonstehlen wollte.

„Warum?“

„Ach, einfach so! Ich will auch an die frische Luft eine rauchen“, er sah mit seinen faszinierend grünen Augen in Sêiichîs strahlend blaue, er war skeptisch, aber irgendwas war da… „Weißt du, alleine eine rauchen gehen, ist langweilig, kannst auch gerne eine haben.“

„Ich rauch nicht, aber mitkommen kann ich ja trotzdem.“

Juro blickte zu Naru und Tatsuji. „Noch jemand einen Kaffee?“

„Für mich nicht!“

„Nein, danke, ich werde dann nur noch hippeliger!“ kam von der Frau, nachdem Tatsuji bereits abgelehnt hatte.

Daraufhin liefen beide Männer den Gang schweigend entlang – man hatte erwartet, dass sie sich auf dem Weg unterhalten würden, doch schwiegen sie.

„Hast du eine Ahnung, was das jetzt sollte?“ fragte Naru Tatsuji um Rat, als sie bereits verschwunden waren.

„Wir haben den jungen Mann ziemlich links liegen lassen, jetzt sucht er sich wahrscheinlich Beschäftigung mit Sêiichî. Woher kennst du ihn eigentlich und wieso hast du ihn angerufen?“

Naru errötete leicht, als er sie so direkt nach Juro fragte und sie griff sich an die Wange. „Er ist einer der Exfreunde von Riina und man kann sagen, er ist mein Geliebter.“

„Lass das ja nicht Hiroya erfahren, der würde das nicht so komisch finden, denke ich. Warum verlässt du den nicht gleich?“

„Räumliche Trennung bereits vollzogen“, antwortete sie monoton. „Mal sehen, was passiert – er hat zu leicht aufgegeben… So wie es aussieht, hat er sogar bereits eine andere…“ Dass es ihr dennoch etwas ausmachte, so etwas zu erfahren, sah man an ihrem Gesichtsausdruck, es hatte sie hart getroffen.

„Ich hoffe für dich, er ist einer von der netteren Sorte – Riina hatte diesbezüglich schließlich wenig Glück.“

„Er bereut es furchtbar, was er getan hat, so viel ist sicher.“

„Dann ist das Juro Hideaki“, erriet Tatsuji und grinste leicht. „Das erklärt natürlich alles, er ist der Mann, der es nicht aushalten konnte, zu warten und dann in Leena Takadas Fänge geraten ist.“

In ihre Fänge also, das klang gruselig, aber wahrscheinlich traf es das wirklich.

„Dafür, dass du solange in Amerika warst, weißt du erstaunlich gut Bescheid.“

„Ja, ich wurde gut aufgeklärt… Von Shina. Sie hat mir immer alles Relevante erzählt, sie dachte wohl, was Riina treibt, interessiert mich… Die Frau hat schon so manchen Menschen durchschaut und das ganz ohne eine psychologische Ausbildung. Es liegt ihr einfach im Blut. Sie wusste auch sofort, dass Yakko nicht der Mensch ist, den sie vorgab zu sein. Ihr Vorschlag war, doch mal wieder in Riinas Leben zu treten… Ganz schön frech, das zu sagen.“

„Blödmann!“ Naru schüttelte den Kopf. „Dass man dir das auch noch sagen musste, ist wirklich der Oberhammer. Wärst du damals nur geblieben, dann wäre sie von Iwamoto nicht so verletzt worden. Ich weiß, dass ihr euch trotz ihrer Beziehung mit ihm nahe gekommen seid, du hättest sie richtig verführen sollen.“

„Ach du S…“ Beinahe hätte er wirklich Scheiße gesagt. „Sie war doch erst 15, ich kann doch nichts mit einer 15-jährigen anfangen. Außerdem wusste ich ja nicht, wie er so drauf ist.“ Allwissend war er ja schließlich auch nicht, aber es kam ihm wirklich so vor, als wollte Naru ihm nun Vorwürfe machen.

„Ach weißt du, Tatsuji, ich bin froh, dass du es jetzt endlich gepackt hast, sonst würde sie die nächste schreckliche Beziehung erleben, was sie nämlich nie wahrhaben wollte, ist, dass du derjenige warst, den sie immer wollte. Sie hat sich auf diese Männer doch nur deswegen gestürzt. Und jetzt stirb bloß nicht, sie würde nie mehr glücklich werden.“

Warum sie nun vom Sterben sprach, er wusste es nicht. Anscheinend wusste sie besser Bescheid, als er gedacht hatte. „Mich wird so schnell keiner umbringen, keine Sorge, ich bin vorsichtig, was auch immer ich tue, ich tue es mit Bedacht. Wahrscheinlicher wäre, wenn sie nun stirbt.“ Er stand auf und fing nun auch an hin und her zu laufen, bis er sich vor das Fenster stellte, auch damit sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Da passte er einmal nicht auf und sie rannte in irgendwelche Gefahren, riskierte ihr Leben… Er würde ein ernstes Wörtchen mit ihr reden müssen, damit sie so etwas ja nie wieder machte. Seine Art von ernstem Wörtchen würde allerdings verhältnismäßig mild ausfallen. Er musste dem Wildfang wohl mal ganz bestimmte Dinge klarmachen…
 

Draußen fühlte sich Juro bereits wesentlich sicherer, denn Tatsujis Anwesenheit hatte ihn zunehmend nervös gemacht. „Ich wollte da einfach raus… Tatsuji ist bei Interpol und das gefällt mir, wenn ich ehrlich bin, kein bisschen“, verriet der Gleichaltrige Sêiichî, so dass dieser ihn schief anguckte. Es brauchte einen Moment, seinen männlichen Verstand anzukurbeln. Das konnte eigentlich nur eines bedeuten: Er stand einem Mitglied der Organisation gegenüber, von dem er bislang nie etwas gewusst hatte. Ja, sie waren wirklich weit reichend und oft erlebte man eine Überraschung. So wie es eine Überraschung gewesen war, seinen Bruder in dem Laden wieder zu treffen, darauf hätte er gut verzichten können, genauso wie auf die vielen anderen Mistkerle, die Pinot und Chardonnay wie ein Magnet anzogen.

„Na ja, Tatsuji Fujimine ist nicht gerade der Schlimmste. Es bangt mir schon eher bei Hiroya Tokorozawa…“ Sêiichî blickte den Unbekannten an, man sah ihm an, was er jeden Moment fragen würde. „Und wie nennst du dich?“

„Mir wurde der nette Name Caprino aufgedrückt!“ antwortete Juro mit einem Ächzen, das war hoffentlich deutlich genug für Sêiichî, um zu erkennen, dass er es sich nicht ausgesucht hatte.

„Die Zeiten, in denen man sich seinen Namen noch quasi selber aussuchen konnte, scheinen damit vorbei. Ich jedenfalls habe mir den Namen Cognac geben lassen. Weil ich ihn mag.“

Dass Cognac seinen Codenamen mochte, war bedauerlich, so hing er an seinem Organisationsleben am Ende noch. „Häng dich nicht zu sehr daran… Sonst kommst du irgendwann, wenn die Zeit gekommen ist, nicht mehr los. Genauso wenig, wie von dieser Frau. Sie ist wie die Pest, man wird sie nie mehr los, wenn sie das nicht selbst will.“

Es erschreckte den Blauäugigen, als Juro von Vermouth sprach und da war er sich sicher, dass sie gemeint war. Wohl war er auch völlig anderer Meinung, als er. Seinen Codenamen sollte er nicht mögen, irgendwie merkwürdig. „Du bezeichnest sie als Krankheit.“

„Das ist sie ganz offensichtlich! Und die armen Männer, die sie liebten, sind alle tot. Möchtest du auch einer von ihren Verflossenen werden? Einer, der für sie ins Grab geht? Ich hoffe nicht.“

Ja, es stimmte, er bezeichnete die Frau als eine tödliche Krankheit, eine die einen umbrachte. Sêiichî musste tief schlucken. Und er hatte gedacht, Carpano, Chardonel und Helios waren so ziemlich die einzigen, die so etwas von ihr dachten. Und nun wurden es immer mehr Männer, die etwas an ihr auszusetzen hatten und ihm das auch noch mitteilen mussten. Wieso konnten sie es nicht still und leise denken und belasteten ihn stattdessen mit dieser Qual? Er fühlte sich alleine gelassen in seiner Meinung, teilte sie schließlich keiner mit ihm. Vielleicht war er auch ein Einzelstück – jemand, den sie einfach hatte retten müssen, anders als die meisten anderen, die sie im Stich ließ. Wahrscheinlich sah er einfach zu gut aus – das fand ja auch seine werte Mutter.

„Oder etwa doch?“ hinterfragte Juro seinen Leidensgenossen, nachdem dieser vehement zu schweigen begonnen hatte.

„Was soll ich dazu schon sagen? Sie ist mein Schutzengel.“

„Diese Frau als einen Engel zu bezeichnen, ist schon krankhaft!“ verriet Juro seine eigene persönliche Meinung. Er wollte sich gern mit ihm anfreunden, auch wenn es laut Kazuki der falsche Weg war, es so zu tun. „Die hat in ihrem Leben schon so viel verbrochen, dass man dich bestrafen sollte, allein dafür, dass du so etwas zu sagen wagst… Du bist doch bei der Polizei, oder etwa nicht?!!“

Na toll, was sein Leben anging, wollte er wirklich nicht damit hausieren gehen, auch wenn der hier ungefährlich aussah, konnte er ihm ziemlich schaden…

„Woher willst du wissen, dass ich bei der Polizei bin? Seh ich aus, wie ein Verräter?“

„Vermouth schläft eigentlich nur mit Verrätern, wusstest du das nicht? Leider haben die das alle nicht überlebt… Du bist bloß ein Ersatzrädchen. Und weil du so verdammt verliebt in die Schönheit bist, kriegst du es nicht mit. Du solltest endlich mal die Augen aufmachen. Diese entsetzliche Frau hat sogar vor dem Mann ihrer Cousine nicht Halt gemacht. In so eine verliebst du dich, nur weil sie ein bisschen nett ausschaut. Oberflächlichkeit wird in jeder Hinsicht bestraft. In deinem Fall bisher jedoch noch nicht richtig. Irgendwann wird sie eine Gegenleistung von dir wollen. Du glaubst doch wohl nicht, dass Sex das einzige ist, was sie will? Dafür ist sie viel zu schlau. Im Gegensatz zu den Männern, die sie verführt, verliebt sie sich nicht in ihre Opfer – das seid ihr schließlich, Opfer.“

Kein gutes Haar ließ er an ihr, genauso wie Yuichi und Jamie es stets taten, aber auch sagte er Dinge, die Sêiichî schockten. Der Mann ihrer Cousine – das war, was ihn am meisten schockte, sogar so sehr, dass er anfing zu lachen. „Ach komm, der Mann ihrer Cousine. Der ist doch schon viel … zu… alt…“ Gegen Ende ging ihm ein Licht auf, weshalb er stockte und die letzten zwei Worte wie in Trance von sich gab. Es war nicht zu leugnen, dass sein Vater und er sich äußerlich ähnelten – und da Sêiichî einfach eine oberflächliche Denkweise hatte, dachte er nun, dass es tatsächlich nur sein Aussehen war. Er fühlte sich nun wirklich wie ein Ersatzrädchen, immerhin war sein Vater bei seiner Mutter geblieben. Dass sie ihre Cousine wenig mochte, hatte Seyval schon so oft verraten – und nun hatte sie auch noch einen Grund, sie, bzw. die Frau, die sie früher gewesen war, hatte sich an seinen Vater rangemacht – ihm war schlecht, kotzübel war ihm. Der Gedanke hatte ihm wahrhaftig die Übelkeit die Kehle hoch geholt. Sein eigener Vater… Was kam denn als nächstes? Yuichi? Jamie? Hatte sie seine Frau deswegen vielleicht absichtlich ins offene Messer laufen lassen? Nein, das konnte nicht sein. Er glaubte es nicht, wollte es nicht wahrhaben, dass sie so etwas tun würde. Aber wenn er darüber nachdachte – sie war am Tod seiner Exfreundin beteiligt gewesen…

„Und woher… wie kommst du darauf, dass sie mit dem Mann ihrer Cousine…?“ Er konnte den Ausdruck nicht mal passend wählen, der beschrieb, was sie getan haben sollte.

„Es gibt Leute, die das mitbekommen haben. Menschen wie Kazuki Aisawa beispielsweise, er ist immerhin auch ein bisschen älter und hat mehr gesehen, als du, weil du noch ein kleines Kind warst.“

Gott, Kazuki – nicht der. Sêiichî fühlte sich hin und her gerissen. Natürlich kannte er ihn, sie waren gemeinsam in Amerika als Nachbarn groß geworden. Bis seine Familie nach Japan gegangen war. Warum sollte der Kerl lügen? Es gab keinen Grund dafür. Noch weniger einen, ihm zu schaden.

„Ich weiß, dass deine Mutter ihre Cousine ist und dein Vater ihr Liebhaber war.“

„MOMENT!“ Sêiichî reagierte ein wenig gereizt, als Juro das so sagte. „Mein Vater ist nie fremdgegangen, ja?!“

„Nein schlimmer, sie haben sich gegenseitig betrogen. Dein Vater mit Vermouth und deine Mutter mit Chardonnay!“ Na die Sache dürfte er jawohl wissen. „Und weißt du warum? Es war die kleine schmutzige Rache einer Frau. Sie sind beide gleich schlecht, was das angeht! Deine Mutter interessierte sich schließlich nur für Chardonnay, weil der einen Narren an deinem Schätzchen gefressen hatte.“

„Dafür konnte sie jawohl nichts, dass der alte Sack sie belästigt hat!“

„Bist du dir auch ganz sicher, dass er sie belästigt hat? Ich hab da ganz andere Sachen gehört!“

„Nein, hör auf, hör auf, hör auf!“ Sêiichî hielt sich die Ohren zu, er wollte es nicht mehr hören. Dass sie mit seinem Vater ins Bett gestiegen war, war schlimm genug, und nun wollte dieser Kerl ihr auch noch etwas mit Chardonnay unterstellen – er war ja schließlich nicht von gestern.

„Chardonnay war nicht immer ein alter Sack, denk endlich nach! Sie ist Sharon Vineyard gewesen! Chardonnay und sie trennen gerade Mal läppische 5 Jahre.“ Und nun machte sie mit einem Jüngeren rum und verdarb ihn. Sêiichî war doch viel zu gut, um mit dieser Hexe zusammen zu bleiben, es war an der Zeit, dass man ihn endlich aus seinen Träumen aufweckte.

Sêiichî fragte sich, was er getan hatte, um so gestraft zu werden… Am Ende hatte sie mit Chardonnay und seinem Vater etwas und hatte zu guter Letzt Jamies Frau verunglücken lassen. Dass Leute in ihrer Umgebung gerne Unfälle hatten, war nun einmal so. Sie hatte es bei Sherrys Eltern getan – und Kimi war auch so gestorben… Er konnte nicht mehr, schnappte hektisch nach Luft. Er war kurz vor einem Nervenzusammenbruch, ihm entwich die Gesichtsfarbe und er wirkte, als würde er jeden Moment einfach umkippen.

„Ich muss weg… Lass dir von Naru meine Handynummer geben, schreib mir eine SMS wie es Riina geht…“

„Was?“ Juro war geschockt und wollte ihm hinterher rennen, aber Sêiichî schien schneller als der Blitz zu sein. Er stürmte über die Straße, zwischen fahrenden Autos hindurch, dass Zweiterer es nicht schaffte, ihm so schnell nachzukommen, weil sonst irgendein Auto ihn erfasst hätte…
 

Sêiichî hatte sich erst einmal Trübsal blasend in eine Bar begeben und dort einen doppelten Cognac getrunken, bevor er bei Yuichi anrief, dass er vorbei kommen würde. Hidemi, die ans Telefon gegangen war, überraschte es zwar, dass er diesmal nicht fragte, ob es passte, aber sie verbot es ihm auch nicht.

„Wer war denn dran?“ fragte ein frisch geduschter Yuichi, der gerade aus dem Bad gekommen war und sich die Haare rubbelte.

„Nur Sêiichî, er will gleich vorbei kommen.“

„Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit – außerdem ist es schon total spät… Hoffentlich ist es nicht wieder Vermouth.“

Die Braunhaarige gab ein leichtes Seufzen von sich. „Versuch ihm nicht wieder ihre schlechten Charakterzüge unter die Nase zu reiben, bitte, ihm geht’s nicht sonderlich gut – auch wegen Alan und Jamie.“

„Ich weiß… Ganz so grausam bin ich jawohl nicht, oder denkst du das?“ Er blickte sie an, als hätte man ihm eine total absurde Frage gestellt.

Kaum eine halbe Minute später, als er sie gerade in die Arme geschlossen hatte und auf dem besten Weg war, sie zu küssen, klingelte es an der Tür. Zwar nur einmal, aber am laufenden Band. „Gott, ich ahne Schreckliches, wenn er schon Sturm klingelt.“ Sêiichî riss zwar oft Türen auf, ohne anzuklopfen, aber so penetrant hatte er die Klingel hier noch nie betätigt. Es kam ihm vor, als sei etwas total Schlimmes vorgefallen. Hoffentlich fiel er ihm nicht gleich blutend in die Arme, weil gewisse Personen mal wieder unachtsam gewesen waren…

Deswegen machte er sich auch auf schnellstem Wege zur Tür, öffnete sie und erblickte Sêiichî im Laternenlicht. Er ließ sich nicht herein bitten, er stieß die Tür auf und ging an ihm vorbei.

„Wie immer höflich…“ Der Satz kam noch über seine Lippen, als er dann aber das Gesicht seines Freundes sah, unterließ er weitere Kommentare. Es sah nicht nur so aus, er roch auch so, aus irgendeinem Grund hatte er sich wohl schon wieder Cognac genehmigt, dabei sollte er das lassen.

„Ich habe ja nichts dagegen, dass du herein platzt, aber ich kann es nicht ausstehen, wenn Hidemi dich so sieht, also renn nicht gleich ins Wohnzimmer!“ Yuichi hielt ihn am Arm fest, er wollte ihr wirklich ersparen, einen Sêiichî, der wieder total am Boden war, ertragen zu müssen.

Der 24-jährige zitterte am ganzen Körper, obwohl es auch am Abend ziemlich warm war und er keinen Grund dafür hatte, eher wäre es normal gewesen, hätte er geschwitzt.

„Wir können auch hier im Flur stehen bleiben“, verriet Sêiichî seinem Gegenüber, er konnte selbst nicht fassen, dass er hier war, um Wahrheiten über seine Freundin zu erfahren und das von Leuten, die sie nicht leiden konnten. So etwas hatte er noch nie gemacht, sondern immer anstandslos zu ihr gehalten… aber jetzt…

„Was ist vorgefallen?“ Auch Yuichi konnte Sêiichî mal vorsichtig behandeln, so gemein er so manches Mal mit ihm redete, wenn es darum ging, die Wahrheit auszusprechen.

Sêiichî hörte Sorge aus Yuichis Stimme und fragte sich, wie furchtbar er wohl gerade aussehen musste.

„Hat Jamie eigentlich jemals mit dir über Chris gesprochen? Was damals passiert ist? Details?“ Er kannte ja keine Details, es war immer das Gleiche gewesen. Ihre Freundschaft zu Chris hatte sie das Leben gekostet. Mehr wusste er nicht. Denn es war ja schon schlecht, mit ihr befreundet zu sein, sie brachte ja die Leute ins Grab.

„Warum willst du das so plötzlich wissen und wieso von mir?“ Es wunderte ihn, dass er ihm doch noch Glauben schenken wollte, wo er ihm doch ständig widersprach, wenn es um sie ging.

„Es ist alles wie ein Albtraum“, meinte Sêiichî todtraurig und ließ den Kopf hängen. Wäre es möglich gewesen, wohl auch bis auf den Boden.

„Jetzt sag schon, was los ist!“ forderte Yuichi und legte beide Hände auf Sêiichîs Schultern. „Was ist wie ein Albtraum? Du weißt doch, dass Jamie sie nicht sonderlich mag“, fügte Yuichi an, wobei er die Sache verharmloste. Das, was Jamie für Sêiichîs Freundin empfand, war Hass. Schlimmer, als er selbst.

„Ich habe das Gefühl, dass das nicht mehr nur nicht sonderlich mögen ist, sondern er sie am liebsten bei der nächst besten Gelegenheit ermorden würde…“

Yuichi gab nun zwar ein Seufzen von sich, aber zumindest konnte er seinen Freund diesbezüglich beruhigen. „So schlimm, dass er sie ermorden würde, ist es nicht. Er sieht in ihr die Schuldige, deswegen bringt er sie nicht gleich um. Du kannst doch nicht erwarten, dass er sie mag wie du es tust. Das kann er nicht, damit würdest du viel zu viel von ihm verlangen. Er geht ihr lieber aus dem Weg.“

„Und hat mich so oft gewarnt…“

„Das haben auch andere“, kam von Yuichi mit einem Kopfschütteln und er schob Sêiichî erst einmal zur Treppe, da er wirkte, als würde er umfallen wollen. So setzte er ihn erst einmal auf die Treppe und kniete sich zu ihm runter, um auf seiner Augenhöhe zu sein. „Aber du willst ja nie hören. Du bildest dir steht’s deine eigene Meinung, dir etwas einzureden ist schwer. Was ist passiert, dass du zu mir kommst und mir diese Fragen stellst?“ Es war einfach zu merkwürdig, als dass es unbegründet sein konnte.

Der Atem des Jüngeren ging schneller. „Kazuki hat mitbekommen, dass sie etwas mit meinem Vater hatte“, nun konnte der 24-jährige es nicht mehr verhindern, ihm entfuhr ein Schluchzen und er warf sich Yuichi an die Brust. Das hatte er Jahre nicht getan, um genau zu sein, nicht mehr, seit sein Bruder ihn als Kind terrorisiert hatte.

„Wahrscheinlich ist er deswegen tot“, schluchzte er weiter und machte es damit keinesfalls besser. Wie hatte Juro noch so schön gesagt, die Männer, mit denen sie zusammen gewesen war, waren alle tot. Das würde bedeuten, dass auch sein Vater tot war, es fehlte nur noch, dass herauskam, dass Chardonnay ihn kalt gemacht hatte. „Und mit diesem Ekel Chardonnay hatte sie anscheinend ja auch was! Das ist mehr als ich ertrage!“ Seine Stimme war fast ein Schreien.

Chardonnay war ein wunder Punkt bei Sêiichî, aber es war auch ein Punkt, an dem er ansetzen konnte, um ihn wieder einigermaßen hinzukriegen. „Ach weißt du, Sêiichî, selbst wenn sie früher mal was mit ihm hatte, so hat sie ihm deinetwegen in seinen alten Arsch getreten!“ Normalerweise sprach er ja nicht so, aber es passte einfach zu gut. „Sie hat seinen Plan, dich zu töten, zunichte gemacht. Was die Sache mit deinem Vater angeht, wundert es mich ehrlich gesagt nicht. Der war auch mal jung und hat nun einmal große Ähnlichkeit mit dir… Ihre Affären sind ja bekannt. Du wusstest das alles… Ich sage es mal so, auch sie war mal jung. Du weißt nicht, was damals vorgefallen ist. Jedenfalls kannst du sicher sein, dass sie den Kerl nie mehr freiwillig an sich ranlassen würde. Meinungen ändern sich manchmal…“ Es fühlte sich irgendwie komisch an, so zu reden. Aber er war nur darauf bedacht, es ihm erträglicher zu machen – das was ihn so schrecklich getroffen hatte. Es war aber ja auch bescheuert, einem sensiblen Kerl wie Sêiichî Storys über seinen Vater, den verhassten Mann und seine Flamme zu stecken. Wusste der Idiot denn nicht, dass er damit die schlimmsten Albträume von Sêiichî wahr machte?

„Hast du mich etwa auch deswegen nach Jamies Erzählungen von früher gefragt? Weil du denkst, dass sie Interesse an ihm gehabt haben könnte? Das alles ist solange her, warum beißt du dich daran so fest? Wir leben im Hier und Jetzt! Dass sie gut darin ist, Mist zu verzapfen, weißt du ja…“ Dass sie kein Engelchen war, das wusste Sêiichî doch und plötzlich war alles furchtbar, weil sie früher vielleicht auch mal Fehler gemacht hatte. Chardonnay war ein Fehler, wahrscheinlich sogar der Schlimmste, den sie hatte begehen können. Was sie von dem Kerl hielt, wussten ja selbst diejenigen, die sie nicht so gut kannten.

Es war nicht unwahrscheinlich, dass sie wirklich hinter Jamie her gewesen war, aber doch bestimmt nicht wirklich ernsthaft. Sie probierte es doch bei allen gut aussehenden Männern einmal, auch bei ihm selbst. Aber das würde er Sêiichî nie sagen. Er war nämlich auch so ein schwacher Punkt, wo man ihm verdammt wehtun könnte. Und wenn sie das je wagte, würde die ihn aber mal richtig kennen lernen…

„Ja…“ Es kam in einem schwachen Laut, mehr war ihm auch gerade nicht möglich

„Das kann dir nur Jamie selbst wirklich beantworten.“ Er ließ den Gedanken, dass er es ihr zutraute, weg. Das wühlte ihn nur noch mehr auf.

Bestimmt würde auch Jamie diesbezüglich lieber schweigen, selbst wenn es so gewesen war. Er wusste ja, wie sensibel Sêiichî auf das Thema reagierte.
 

Nun, die Ohrfeige, die ihm seine Verlobte gegeben hatte, früher hatte er sie verdient, mittlerweile war diese Aktion völlig überzogen, doch ignorierte er diese. „Ich hab keine Zeit für deine Eifersuchtsattacken!“ Mit seiner Meinung nach kaltherzigen Worten ergriff er das Handgelenk der Kurzhaarigen und zerrte sie unsanft den Gang entlang. „Wir fahren nun ins Krankenhaus, du kommst mit!“ So sehr Mann war er noch nie gewesen, er hatte noch nie einer Freundin Befehle erteilt, aber gerade blieb ihm kaum eine andere Möglichkeit. Die Fahrt würde die Hölle werden, sie war gerade mal wieder ihrer Eifersucht verfallen.

„Spinnst du?!“ Sie unternahm den Versuch sich von ihm loszureißen, aber sie hielt sich für stärker, als sie es tatsächlich war, das ließ sie dem 26-jährigen unterliegen.

„Nein, du spinnst, Yui!“

„Was?“ Sie war geschockt, dass er sie als eine Spinnerin bezeichnete.

„Bist eifersüchtig auf Tote, das ist krank, total krank!“

Den Gang hinunter, zur Tür hinaus, die Treppe ließen sie ebenfalls hinter sich – und den ganzen Weg zwang er sie dazu mitzukommen. Im Hof begegneten ihm mehrere Leute, er ignorierte die entsetzten Blicke, die sich auf sie richteten.

„War ja ganz schön laut bei euch!“ warf man ihm zu und er gab ein gleichgültiges: „Das war nötig“, zurück. Das Tor flog zu und sie stiegen ins Auto – die Leute waren ihm gerade egal.
 

Im Krankenhaus, wo es Juurouta hingezogen hatte, herrschte Ruhe, Nachtruhe. Und doch fand er sein Bett leer vor. Wo er mitten in der Nacht hingegangen war? Wollte er flüchten, vor ihnen? So eiskalt er sich ihm gegenüber verhalten hatte, war er hierher gekommen. Und zwar nach diesem Gespräch mit Asti, die ihm Mezcal auszureden versuchte. Es war ja auch ein Versuch, Hideto in den Arsch zu treten, dass er sich gerade mit dem größten Feind, der diesen terrorisiert hatte, einließ und ihn seinen besten Freund nannte. Er wollte es ihm heimzahlen… Was er ihm angetan hatte… Die Frau, die er liebte, für sich alleine zu beanspruchen, so etwas tat man nicht.

Also machte er sich auf die Suche, fragte sogar die Nachtschwester, ob sie etwas über seinen Verbleib wüsste. Sie war geschockt, denn man hatte ihm nie erlaubt, das Bett zu verlassen. Typisch, man verbot ihm etwas und er machte es erstrecht. Sie machten sich beide auf die Suche, auch wenn die junge Frau deswegen ihren Posten verlassen musste. Sogar die Ärztin alarmierte sie…. Ob es ihm so schlecht ging, dass das nötig war?

Auf dem Weg erklärte sie dem Sänger, dass sein Freund unter einer starken Depression litt, dass er sogar Halluzinationen hatte. Er bildete sich also Dinge ein… Kein Wunder, Jami hatte immerhin seine Finger mit im Spiel.

Auf dem Dach, wo der 25-jährige die Tür aufriss, sah er ihn und atmete aus. Endlich hatte er ihn gefunden und begann sich ihm von hinten zu nähern.

„Ganz schön tief“, murmelte sein Freund immer wieder, ehrfurchtsvoll, allerdings in einem bedenklichen Ton. „Wie laut der Knall wohl wäre, wenn ich aufkomme?“

Unweigerlich - er spürte es kaum – beschleunigten seine Schritte, bis er zu ihm rannte, seine Arme um den Oberkörper des 26-jährigen schlang und ihn festhielt. „Tu es nicht!“ kam es von selbst aus dem Mund des Braunhaarigen.

Erschrocken von seiner plötzlichen Anwesenheit versuchte er sich zu lösen, auch wenn es hieß, er würde vom Dach stürzen. Er fasste ihn an, der Widerling wagte es, ihn noch mal anzufassen, nach allem, was er getan hatte. „Lass mich los, Ikezawa, sofort! Fass mich nie mehr an!“

„Bist du verrückt? Ich lass dich nicht in die Tiefe stürzen!“

„Ach, warum nicht? Es würde dich doch beglücken!“

„Ganz bestimmt nicht!“

„Versteh ich nicht, immerhin hast du dich über mich amüsiert, als es mir schlecht ging…“

„Ja, ich weiß… Ich wollte mich eigentlich bei dir entschuldigen, deswegen bin ich gekommen.“

Anscheinend litt er auch noch unter Schizophrenie, es konnte doch unmöglich sein Ernst sein, dass er sich auf einmal für seine Boshaftigkeit entschuldigen wollte. Er hatte es doch viel zu sehr genossen. „Selbst wenn du wieder mein Freund sein willst, der Zug ist längst abgefahren… Du verstehst nichts! Und nun lass mich!“ Der Versuch sich loszureißen, glückte nun. Daraufhin sah er ihn an, verachtend. „Du bist zu weit gegangen, als du sie vergewaltigt hast!“ Die Faust des Kleineren traf ihn ins Gesicht und der Jüngere taumelte rückwärts. Schmerzen in seinem Kieferknochen waren das Resultat.

„Ach, sind wir nun wieder beim Anfang, mit dem Unterschied, dass nun ich statt du Prügel beziehe??“ Was bildete sich der Zwerg ein, ihn zu schlagen? Bei dem waren wohl die Sicherungen durchgebrannt. Früher war es umgekehrt gewesen, da hatte er ihn verdroschen.

„Weil du sie verdient hast, Arschloch!“ Ob er sich noch im Spiegel ansehen konnte? Er, der Frauen verachtende Mistkerl?

„Damals schon hast du mir Kotomi weggenommen, wieso konntest du es mir nicht gönnen?“ Die Tränen traten in Hidetos Augen. Er hatte es hingenommen… seinetwegen.

„Was willst du eigentlich von mir? Du bist doch mit Kotomi zusammen gewesen…“

„Ja… und zwar solange, bis du mit ihr in die Kiste gestiegen bist! Du hattest etwas gut zumachen, also habe ich mir Kimiko genommen! Das war fair! Findest du nicht?“

Diese Sache von damals, er trug sie ihm also immer noch nach. „Das hast du absichtlich gemacht?“ Und den wollte er retten…

„Du hast es nicht gerafft! Stattdessen hast du sie belästigt, auch als sie sich längst für mich entschieden hatte, Scheißkerl! Du kannst einfach nicht verlieren! Immer willst du alles für dich selbst beanspruchen! Ich hab sie dir vorgestellt… Ich habe unsere Freundschaft sogar mit dir geteilt! Dann hast du angefangen, sie anzumachen, auf deine gewohnt primitive Art und Weise! Und wolltest sie mir wegnehmen!“

Seine Wut war verständlich, er hatte es schon wieder getan, oder zumindest versucht. „Ich wusste nicht, dass du sie liebst!“

„Damals vielleicht nicht, aber danach schon, und trotzdem hast du immer weitergebohrt! Und damit hast du unsere Freundschaft kaputtgemacht! Los, hau ab! Lass mich in Ruhe! Geh mir aus dem Weg… Ich will dich nie mehr sehen, egoistischer Drecksack!“

Egoistischer Drecksack, Scheißkerl, Mistkerl – ja, das alles passte auf ihn, maßgeschneidert für seinen Charakter. „Hättest du nur teilen wollen, wäre es nie so weit gekommen“, was ihm mehr rausrutschte, war die Wahrheit. „Wir hätten so viel Spaß zu dritt haben können.“

„Bitte was? Verpiss dich, du elender Abschaum, die Freundin teilt man nicht mit dem Kumpel!“ Hideto drohte ihm erneut mit der Faust. „Hau endlich ab!“

„Was ist denn hier los?“ hörten beide plötzlich eine weitere Stimme, die eines Mannes, den sie beide lange genug kannten, um zu wissen, dass er den Streit beenden würde… schade eigentlich, er hatte gerade große Lust weiter auszuteilen. Ihm das zurückzugeben, was er anderen Leuten angetan hatte.

„Oh, hallo Ken, Yuis Bruder wollte gerade gehen…“

„Nein, wollte er nicht“, gab Juurouta in der dritten Person von sich selbst zurück, doch wurde er von Yui am Hemd geschnappt und weggezogen. „Was zum Teufel machst du mit ihm auf dem Dach? Wolltest du ihn in einem Anfall von blinder Wut nun auch noch umbringen?!“

Was seine eigene Schwester ihm zutraute, war unglaublich, selbst Ken war geschockt.

„Komm endlich wieder runter, du bist krank! Nachdem du ihn ausgelacht hast, solltest du wenigstens so viel Charakter beweisen, ihn nun zufrieden zu lassen! Am Ende zeigst du nur, dass du selbst unglücklich bist, dabei hast du Mitsuki!“

Er ging ohne ihn anzusehen an ihm vorbei und kümmerte sich um das, was wirklich wichtig war. Natürlich wusste er, dass Mitsuki eher eine Strafe war, aber er war ja selbst schuld, wenn er sich von diesem Miststück betrügen ließ und sie dann noch als so furchtbar gut hinstellte. Es war eben schwer zuzugeben, dass man seiner Freundin so wenig wichtig war, dass sie mit anderen Männern rum machte. Wer gab gerne zu, betrogen zu werden? Kein Mann tat das.

Wahrscheinlich bereute er, dass er Kimi niemandem mehr wegnehmen konnte und war deswegen hier, ihm war alles zuzutrauen. Er dachte alles Schlechte von dem Kerl, nicht dass er wirklich wieder mit ihm befreundet sein wollte.

„Ich war hier, um mich zu entschuldigen, du Chaot!“

„Das erzähl dem Papst… Deine Freundschaft ist wie eine Krankheit, die andere ansteckt, du weißt doch gar nicht, was dieses Wort bedeutet, Idiot!“ Die Freundin des Freundes war ein absolutes No-Go, Yuis Bruder interessierte doch gar nicht, ob er anderen Leuten wehtat, schließlich tat er es ständig. Der einzigen Person, der er momentan loyal gegenüber stand, war doch Yui. Zumindest fiel ihm da sonst keiner ein.

„Halt’s Maul, Ken, du hast schließlich deinen wahren Charakter für meine Schwester geopfert!“

„Pass auf, was du sagst!“

„Irgendwann wird dein wahrer Charakter wieder erwachen, du wirst sehen, und dann bin ich da, um dir zu sagen, ich hab’s dir ja immer gesagt. Ich finde eure Beziehung zum Kotzen, das wollte ich dir immer schon mal sagen! Freundschaft ist die wahre Beziehung, alles andere ist vergänglich.“

„Dein Geschwätz geht mir sonst wo vorbei.“ Dass er Treue als etwas Verwerfliches darstellte, war klar, er hatte ja keine erfahren und tat deswegen so, als wäre sie ihm total unwichtig.

„Auf wessen Seite bist du? Willst du ihm sagen, es ist dumm, mir treu zu sein?“

„Du bist naiv und dumm, Yui, er will eigentlich gar nicht, er tut das nur, weil er ein schlechtes Gewissen hat! Hast du dir mal angeguckt, was er früher getrieben hat, ich glaube, du hast seinen wahren Charakter noch gar nicht kennen gelernt…“ Gerade gab es ihm Genugtuung nach diesem Gespräch, sie zu piesacken, alle, jeden Menschen. Es war ihm gerade egal, wem er da Wunden zufügte, er fuchtelte wie wild um sich, egal wen er traf.

„Wenn du so etwas annimmst, tust du mir Leid, dann hast du noch nie Liebe empfunden. Ich glaube, du weißt gar nicht, was das ist. Werde erwachsen, Kleinkind!“ Ken brachte seinen Freund vor Juu in Sicherheit, im Moment war es ungesund mit ihm in einem Raum zu sein.

Yui ließ ihren Bruder los… Er hatte sich so sehr verändert. „Ich kann nicht glauben, dass du ihn wegen Kimi so behandelst, du solltest dich schämen, er war der Einzige, der sich mit dir abgab, nachdem es sonst keiner mehr tat. Warum tust du das nur? Du hast diese Frau über eure Freundschaft gestellt… Dabei wollte sie dich doch gar nicht!“ Nun blieb ihm gar nichts mehr. Er konnte unmöglich stolz darauf sein.

„Das liegt daran, dass er ein Einzelkind ist und nicht gelernt hat, zu teilen.“

Ken blieb mit Hideto an der Tür stehen und schnaubte. „Ich bin kein Einzelkind und trotzdem teile ich nicht gerne, wenn es um Liebe geht! Das kannst du von NIEMANDEM verlangen!“ Der hatte echt einen Knacks, er machte eine Freundschaft daran fest, ob sein Freund die Freundin mit ihm teilte, der hatte doch einen Knall.

Es war ein unglücklicher Zufall, dass Beide nun aufgetaucht waren, sein schlechtes Gewissen, tötete ihn fast und er meinte das mit der Entschuldigung ernst. „ICH WILL WIRKLICH NOCH MIT DIR BEFREUNDET SEIN!“ rief er ihnen nach und blieb kurz darauf dennoch alleine auf dem Dach zurück. Ja, alleine, das war es, wie er sich fühlte, auch wenn Mitsuki da war. Sie interessierte sich nicht für ihn, auch jetzt nicht, da er sich ganz auf sie einlassen wollte. Sie liebte ihn einfach nicht… Er hatte doch alles dafür getan, dass sie ihn liebte und blieb doch alleine zurück. Wie alleine er wirklich war, hatte sich erst in den letzten Tagen gezeigt. Mit Sicherheit spielte sie mit dem Gedanken, ihn ganz zu verlassen. Sie würde nie etwas fühlen, nichts. Wie sollte er es nur schaffen, dass sie sich in ihn verliebte, jetzt da er die zweite Chance bekommen hatte. „UND ICH HAB SIE NICHT VERGEWALTIGT!“ Das ließ er sich von ihm nicht sagen, er hatte sie zwar belästigt, ja, aber er hatte sie nie ganz gehabt.
 

„Was redet er da?“ flüsterte Ken. „Wieso vergewaltigt?“

„Mir ist schlecht…“ Sein Kopf drückte sich unter Kens Arm und er kniff die Augen zu, er wollte nur, dass es endlich aufhörte.

„Wie kommst du darauf?“ Es interessierte den Gitarristen wirklich.

„Mein Bruder vergewaltigt keine Frauen… So schlimm ist er dann doch nicht.“

„NEIN! Sie hat mich nicht betrogen, also muss er sie vergewaltigt haben!“

Obwohl Ken etwas ahnte, schwieg er nun, der Gedanke, der ihn überkam, war weniger beruhigend. Die Vorstellungen, er hätte ihn wahrscheinlich blutig geschlagen, wenn es stimmen sollte…

„Du bist nicht der Vater gewesen… Oder?“

Schweigen in den Krankenhausgängen, er brauchte nicht antworten. Die nicht vorhandene Antwort sagte alles.

„Wie kommst du darauf, dass mein Bruder so etwas Abscheuliches getan haben könnte? Wieso ausgerechnet er? Er macht so was nicht!“ Es war schwer für Yui, dass die Tatsachen andere Dinge bewiesen.

„Weil er der Vater des Kindes ist“, die Stimme des jungen Mannes klang leer, verlassen, todtraurig in den Gang, es schallte sogar, obwohl er ganz leise gesprochen hatte. „Versprechen waren ihr heilig und sie wäre nie fremdgegangen… NIEMALS! Sie verachtete so etwas! Obwohl ich es verdient hätte, immerhin hab ich’s auch gemacht. Dummerweise… war total sinnlos…“

„Yui… auch wenn du es nicht glauben willst, dein Bruder kann ein brutales Ekel sein, das vor nichts zurückschreckt, auch einen Menschen zu töten“, meinte Ken, er hatte es schließlich am eigenen Leibe zu spüren bekommen, dass ihr Bruder durchaus in der Lage war, so etwas zu tun.

„Dazu müsste man ihn zwingen!“ beharrte sie, doch er schüttelte den Kopf.

„Als ich etwas mit Mitsuki hatte und er kam dahinter, wollte er mich vom Balkon stoßen… Was sagst du jetzt?“

„Was?!“ Sie war geschockt und blickte ihn an, als hätte man ihr erzählt, dass ihre Mutter die heilige Jungfrau Maria war und sie alle dem heiligen Geist entsprungen waren.

„Ich dachte, ihr beide seid Freunde.“

„Juus Definition von Freundschaft ist etwas merkwürdig. Um nicht zu sagen, schizophren. Der redet davon, dass du deine Freundin hättest mit ihm teilen sollen, das widerspricht dem, wie er bei mir reagiert hatte. Und dass ihm ihre Seitensprünge egal sind, kann er wirklich dem Papst erzählen. Keiner will einen anderen vom Balkon stürzen, wenn es ihm nichts ausmachen würde. Bestimmt hat er dir auch alles Mögliche über mich erzählt, wie schlimm ich bin. Dass ich Frauen nur ausnutze und du mir nichts bedeutest…“ Der Gute kannte seine Freunde leider nicht, sondern lebte in der Vorstellung, wie sie waren. Und er liebte es im Recht zu sein, also konnte er nicht akzeptieren, wenn sie sich als anders herausstellten.

„Er hat mir erzählt, wie ihr zu zweit eine Frau ran genommen habt.“

„Pisser!“ entgegnete Hideto. „Alle anderen sind schlimmer als er und er ist ein Engel! Er wurde ja nur verdorben, ja klar…“

„Oh man, da kann ich ja froh sein, dass ich nicht in den Hintern getreten wurde, wenn er dir solche Geschichten erzählt hat. Außerdem ist das nur die halbe Wahrheit. Ich war dabei, aber dass ich so aktiv war, kann man nicht sagen. Er tut ja, als wenn man mich nur auf diese Weise beglücken kann, du hast so einen Schwachmat als Bruder.“ Für einmal war das vielleicht okay, aber nichts, was wirklich von Bedeutung gewesen wäre. Sie waren eben Männer und probierten manchmal komische Sachen aus, aber gefallen musste es ihnen deswegen noch lange nicht.

„Der soll mal nicht zu viel von sich auf andere beziehen. Er ist der Kerl, der die Freundin des Freundes auch als seine Freundin ansieht.“

„Fies wäre, wenn du dir Mitsuki vornimmst… Ob er das so gut finden würde?“ Ken erschreckte sich selbst, vielleicht erweckte der Kerl nun seine fiese, rachtsüchtige Ader…

„Mit dem bin ich fertig, wir sind jetzt quitt!“

„Der wird sich schon wieder beruhigen“, legte Yui ein, sie konnte immer noch nicht glauben, dass ihr Bruder ein Vergewaltiger sein sollte. Aber dass Kimiko irgendwen betrogen hätte, konnte sie sich auch nicht vorstellen. Sie war die Letzte, der so etwas passieren würde. Sie meinte, dass der Wunsch den anderen zu betrügen für sie bereits ein Grund für eine Trennung sei.

„Ich will gar nicht, dass er sich beruhigt! Er hat damit geprahlt, dass er noch eine Freundin hat, dann soll er sie doch behalten… Die, die er wirklich wollte, hat er nie bekommen und er wird sie nie bekommen! Ich denke, er hat genug…“

Yui versetzte sich in seine Lage. Wenn man sie so behandelt hätte, ihr rachsüchtiger Geist würde ihm das Leben zur Hölle machen. „Es tut mir Leid, dass er so geworden ist… Mitsuki ist eben ein ganz spezieller Fall, sie hat ihm nicht gut getan. Ich wünschte, er würde sie verlassen und ein neues Leben anfangen.“

„Ich fürchte, das wird er nicht tun, sie ist sein doppeltes Netz. Er ist die ganze Zeit über mit ihr zusammen geblieben, auch wenn er Kimiko angesabbert hat. Sie war die Sicherheit, dass er, falls er bei Kimi scheitert, nicht alleine bleibt.“ Solche Menschen würden immer zweigleisige Beziehungen führen und ihre Partner betrügen, nur um keinen Moment alleine sein zu müssen. Deswegen wollte er sie beide haben.

„Ich glaube, du hast Recht. Als er mit meiner Freundin in die Kiste sprang, war er auch in einer Beziehung, die sehr wackelig geworden war.“ Anscheinend war Juu wirklich krank, er musste nur aufpassen, dass er ihn nicht doch wieder bedauerte, weil er ein Problem damit hatte, alleine zu sein.

„Wird das nun die wir-bedauern-Juu-Runde? Entweder er kapiert irgendwann mal, dass solche Beziehungen aussichtslos sind, oder er macht so weiter! Mir egal, lasst uns das Thema wechseln“, schlug Ken vor, „sonst krieg ich Hassgefühle, die mag ich nicht sonderlich“, außerdem gab es da Wichtigeres, als Yuis durchgeknallter, älterer Bruder. Die Zeiten, in denen er sich für ihn interessiert hatte, gehörten der Vergangenheit an, er würde ihn ja nicht einmal zu ihrer Hochzeit einladen.

„Du hast mir noch nicht gesagt, wieso du wie ein Gestörter hierher gerast bist!“ fiel Yui ein.

„Ich habe hellseherische Fähigkeiten, ich wusste, dass dein Bruder hier sein würde, um ihn zu belästigen?“ witzelte der Gitarrist, auch wenn es wohl kaum so gewesen war.

„Ich glaube, der gute Tetsu war besorgt um ihn und hat dich jetzt wahnsinnig gemacht!“

„Das trifft’s, er ist wirklich schlimm! Wenn er jemanden wahnsinnig machen will, tut er das!“ Ken runzelte die Stirn, diesmal waren diese Ängste wohl aber auch begründet.

„Warum hast du ihn nicht gleich mitgebracht, Ken?“ wollte Hideto wissen. Wenn Tetsu besorgt war, konnten ihn doch keine zehn Pferde halten.

Der Arm des Angesprochenen schlang sich unweigerlich fester um seine Verlobte. Die wahnsinnige Angst, die er seit neustem entwickelt hatte, riss ihn dazu hin, sie besonders fest zu halten. Was Tetsu am Telefon gesagt hatte, kam ihm nun in den Sinn. Dieser Ort, war er für ein Gespräch über diese Dinge geeignet? Er war unsicher. Hayato meinte, dass sie schlimmer als die Yakuza waren, sie konnten überall sein…

Wie sollte er Hideto nur beibringen, dass Tetsu bei der Polizei festsaß, da man sie überfallen hatte? Wenn er ihm das erzählte, würde auch ihn die Angst packen. Sie mussten schreckliche Angst gehabt haben… Und ihr Tod weckte mit Sicherheit weitere Angstgefühle in ihm. Er musste doch die ganze Zeit denken, dass sie als nächstes ihn umbrachten…

Aber es gab noch etwas, was ihm nun wieder einfiel. Kat, die er dachte gesehen zu haben. Mittlerweile würde es ihn nicht wundern, wenn dem wirklich so gewesen wäre. Vielleicht waren sie irgendwann dazu gezwungen… Und so sehr war es keine schlimme Tat gewesen. Diese Person hatte ihm und Sonoko das Leben gerettet. Wenn er nur sicher gewesen wäre, hätte er sich dafür bedankt…
 

Die Gedanken an früher; sie hasste sie. Jedes Mal, wenn die 23-jährige dachte, sie sei darüber hinweg gekommen, holte sie irgendetwas auf den Boden der Tatsachen zurück. Bestimmt wollte man sie nur verunsichern – er war keiner von diesen Menschen, die andere betrogen. So sehr konnte man sich nicht irren, zudem hatte sie großes Vertrauen in diesen Mann. Und das musste sie auch, selbst wenn ihre vergangenen Beziehungen stets daran gescheitert waren, dass man sie betrogen hatte.

Das Vibrieren ihres Handys in der Tasche ließ sie die Gedanken verwerfen. „Hallo Schatz“, meinte sie, als sie die Nummer erblickte.

„Mama, Papa hat mir erlaubt bei meiner besten Freundin zu schlafen, ist das nicht toll?“

„Ja, Waaaahnsinn, das freut mich für dich, meine Kleine!“ Dieser kleine hinterhältige Kerl, sie konnte sich denken, was das sollte. Er wollte mit ihr alleine sein und schob deswegen die Tochter zur besten Freundin ab. Das Kind bemerkte es natürlich nicht.

„Die haben ein gaaaanz großes Schloss! Ein Palast! Sie haben ganz viele Zimmer.“

„Hey, das ist ja toll. Wo wohnen sie denn? Ich hoffe doch, nicht zu weit weg.“ Irgendwie hatte die 23-jährige ein ungutes Gefühl. Sie hasste es, wenn er ihrer Tochter Dinge erlaubte und es nicht mit ihr absprach. Aber seiner Meinung nach tat sie dem Kind nicht gut und sei eine miserable Mutter. Warum um alles in der Welt hatte sie ihm je Kontakt zu ihrer Tochter erlaubt? Sie würde es nie wieder machen. Der Kerl war eine Plage… Er wollte ihr dieses Kind nicht mehr überlassen, dabei war er nicht einmal der richtige Vater. Was wäre jedoch besser gewesen? Ihr Exmann war reich und hatte eine Zukunft. Bei ihnen sah das etwas anders aus. Sie knabberte noch immer daran, ein Doppelleben zu führen. ‚Wenn ich es irgendwann schaffe, wieder ein normales Leben zu beginnen, oder Bryan das gelingt, holen wir dich weg von ihm!’ Er war zwar ein ganz brauchbarer Vater, aber an sich war er diese Art Mensch, den sie verachtete. ‚Ich habe dir Noriko nur überlassen, weil du ein normales Leben zur Verfügung hast! Bei der erstbesten Gelegenheit auf ein neues Leben, bist du sie los, und wenn du sie nicht freiwillig rausrückst, bring ich dich um! So einfach ist das! Sie ist nicht dein Kind, es ist meins, und Bryans! Man sollte sich niemals nehmen, was einem nicht gehört!’

„In Tōkyō!“

„Ach, Schatz, Tōkyō ist riesig!“ Sie war eben noch ein kleines Kind, ob sie ihr diese Frage wirklich beantworten konnte, war nicht sicher. „Wohnen sie im Zentrum oder mehr außen?“

„In Shibuya, Mami“, antwortete das 5-jährige Mädchen zu der Verwunderung ihrer Mutter.

‚Ausgerechnet da… Ich hasse diesen Stadtteil! Die reichen Leute ziehen dorthin… Leute wie Jami, Valpolicella…’ Trotz ihrer düsteren Gedanken erfreute sie sich daran, dass ihre Tochter ein zufriedenes Leben führen konnte und lächelte. „Und wie heißt deine Freundin?“

„Kaori Ashita“, meinte die Kleine verzückt, auch wenn sie den Nachnamen falsch aussprach…

„Was?!“ Ihr blieb vor Schreck fast das eine Wort im Hals stecken. Kalter Schweiß breitete sich auf ihrer Stirn aus. Sie dachte sich verhört zu haben, aber sie kannte Kaori. Wie hätte sie die Tochter von Jami vergessen können? Die Tochter, die er mit Bryans Schwester hatte…

„Si-nd ihre El-tern auch da?“ fragte die 23-jährige in einer Art Schockzustand und der blanken Angst verfallen. Noch schlimmer als Jami Frauen zu überlassen war es, wenn man ihm kleine Kinder überließ. Er pflegte sie an sich zu reißen und dem Boss zu bringen.

„Sie hat nur einen Papa und der ist total nett! Er holt uns gerade Pizza! Toll oder?“

‚Oh ja, furchtbar toll…’ Die Freude für ihre Tochter war mit einem Mal erstorben. Auch wenn es grausam klingen würde, Kaori war eine Freundin, die sie ihrer Tochter verbieten würde. Sie würde ihr den Umgang mit ihr verbieten, selbst wenn die Kleine nichts dafür konnte, so einen Vater zu haben. Es war einfach nicht fair, dass er ein unbeschwertes Leben führen konnte, der ihnen allen das Leben zur Qual machte. Er sollte leiden; ins Gefängnis mit diesem Kerl hatte sie gedacht, mittlerweile war sie eine Stufe weiter. Zu Tode foltern sollte man ihn, oder zumindest fast bis zum Tode, damit er noch etwas davon hatte.

Die fürchterlichen Vorstellungen, was Jami mit einer Pizza anstellen könnte, um ihre Tochter gefügig zu machen, beherrschten sie.

„Hör zu, Noriko-chan! Du sollst vor dem Schlafen gehen doch nichts mehr essen! Das ist ungesund! Du wirst ein braves Kind sein und die Pizza ablehnen, verstanden?“

„Du bist gemein, Mami“, kam traurig von ihrer Tochter, aber sie wollte dem armen Kind nicht sagen, was das für eine Familie war. Sie wollte ihr all diese unangenehmen Dinge ersparen.

„Ja, Mami ist gemein, weil sie besorgt um deine Gesundheit ist. Versprich mir artig zu sein!“

„Ok, Mami, Noriko-chan ist artig“, zwar klang ihre Stimme trotzig, aber man konnte sich auf die Kleine verlassen. Wenn man nein sagte, hielt sie sich daran. Man konnte sagen, sie war ein wohlerzogenes Kind.

Dennoch war ihr noch immer unwohl, wenn sie daran dachte, dass sie gerade bei diesem Kerl zuhause war, ihm ausgeliefert. Sie brauchte eine Person, die ihr schnell helfen konnte…

Leider gab es wenige, die bei Jami einbrechen und ein Kind entführen würden. Zuerst brauchte sie seinen Wohnort… All das hätte gar nicht erst passieren dürften. Ihm würde sie die Hölle heiß machen, oder wenn Noriko nicht mehr erreichbar sein sollte, ihm den Hals umdrehen, aber richtig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-06-26T11:44:36+00:00 26.06.2010 13:44
Gott ist da viel XD und doch so wenig!

Vermi hat bewiesen dass sie doll im Kopf ist knallt die ihrem Freund echt einige vor'n Latz Oo deprimiert die den nicht genug musste das auch noch sein? Genauso wie Kazuki und Juro die ihre Fresse nicht mal halten können! Yuichi hat Recht wenn er denkt ihn schonen zu müssen hätten die das nur mal auch getan!!!!

Ich dachte übrigens ich werd' nicht mehr als der bekloppte Juu im Krankenhaus auftauchte und auch ncoh meinte er möchte noch mit ihm befreundet sein XD ich glaube dem Dreckskerl kein Wort!! Kurz zuvor hat er noch daran gedacht weshalb er sich mit Mezcal abgibt da kann man dem nicht glauben der ist so hinterhältig wie ein Weib!!!! << Ken kann ihm gerne weiter die Meinung geigen ich habe es genossen!!! Lustig dass er derselben Meinung ist wie sein Freund und Yui alleine dasteht!! Tja die ist betriebsblind weil sie die Schwester ist wer würde das als Schwester von ihrem Bruder glauben?? Traurig ja dass ich nun erstrecht denke dass Juu sie aus dem Weg geräumt hat oder will der noch ein Balg am Hals haben?? Ich glaube auch dass er sie gezwungen hat und wenn er ihr wegen etwas gedroht hat die richtigen Verbindungen hat er ja damit man ihm sowas leicht beibringt >>

Naru mag also Mitsuki nicht sondern Kimi ich weiß immer noch nicht was ich von dem Mädel halten soll!! Ken hat die ja ganz schön hart rangenommen was hat dieses Weib nur alles verbrochen? Ich für meinen Teil glaube, Yui ist nicht böse, die wurde provoziert, klang alles jedenfalls so!! Wenn die konsequent die Freunde ihrer Schwester abgreift...... - -;
Aber gut, dass Asti Juu vor Mezcal warnt XD obwohl nein ich würde ihn lieber als Gearschter sehen &D

Ich hoffe Asti ist nichts Yuis Mutter das wäre richtig schön pfui!! Ich meine baggert die immer an den Kerlen der Tochter rum? oo" Würde aber leider zu gut passen wie Juu so schon merkte sie versucht die immer zu erziehen >>

Tja was soll ich sagen? Riina geht es erstaunlich gut da ist ein Haken!!! Da muss ein Haken sein sonst würde es ihr nicht so gut gehen >> denn es geht ja nun jedem schlecht der einmal ins Krankenhaus kommt >>""

Und was ist mit Kazuha??? *wissen will* ;_;

Und am Ende das geht garnicht wie kannst du nur die arme Noriko zu Jami schicken????????????? Ich weiß die sind gleich alt und befreundet aber musste das nun wieder sein? *lol* das arme Mädchen wird demnächst auch Mitglied bei dem Saftladen was? >> Ihre Mutter soll ihn kastrieren!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

So, mehr habe ich nicht oder es fällt mir nicht mehr ein! Bitte lad ihn hoch!!! Bitte bitte bitte! Solange ich freie Internetbahn habe ;_; du weißt ja meine Ellis --" also sei so lieb, ja? ^^

Dein Ryoschweinchen ;)





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