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Brennendes Wasser

Engel der vergessenen Zeit
von

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Engel der vergessenen Zeit - 6

Den Wind unter ihren herrlichen weiten Flügeln spürend, flog Lenya weit in die Höhe. Er trug sie hinauf zu den Wolken, gab ihr das Gefühl völliger Freiheit. Ein Gefühl, das sie nicht mehr gekannt hatte, seit Lydia und sie damals zu den Wächterinnen ernannt worden waren. Doch nun konnte sie es nicht genießen. Zu hoch war der Preis, den sie dafür zu zahlen hatte. Wenn es noch eine Möglichkeit gab ihre Schwester zu retten, so musste sie ihr schnell einfallen. Zeit hatte sie keine, ihr blieb einzig und allein das Gelübde. Ein Gelübde, das unmenschliches von ihr verlangte.

Weiter flog sie, den unheilvollen Blicken ihrer Verfolger längst entkommen, auf den Ort zu, den sie nur als letzten Ausweg betreten durfte – den Turm des Himmels, in dem die Heilige Flamme verwahrt wurde.

In ihren Gedanken versuchte sie Lydia zu erreichen, in der Hoffnung einen überzeugenden Grund zu finden umzudrehen. Diese Flucht gefiel ihr gar nicht, sie empfand es als feige und schwach wegzulaufen, während ihre Schwester möglicherweise Todesqualen durchlitt. Und doch, Lydia war am Leben. Es war die einzige Sicherheit, die sie hatte, als der himmlische Turm in ihrem Blickfeld auftauchte, unsichtbar fast, wie Spiegel, die das Licht der Sonne in alle Richtungen reflektierten.

Überwältigend anzusehen hätte der Turm jeden in seinen Bann zu ziehen vermocht. Durch die unzähligen Lichtreflektionen war der Turm kaum als solcher zu erkennen, doch stellte seine Anmut ein Schauspiel strahlender Schönheit dar. Die Wächterinnen allein wussten, dass diese Fassade nichts weiter war als eine Täuschung. Und so war es nicht verwunderlich, dass Lenya beim Anblick des Turmes nicht vor Erfurcht erstarrte, sondern erfüllt von einer tiefen dunklen Vorahnung.
 

Lydia erschrak fürchterlich. Es war nicht die riesige, schimmernde Flosse, die ihre Aufmerksamkeit erregte, es waren die hilflosen, leeren Augen eines Mädchens, das scheinbar schon seit ewiger Zeit gefangen war.

Es waren Augen, die kein Licht reflektierten, keinerlei Regung zeigten und in keinster weise verrieten, dass sie Lydias Anwesenheit bemerkt hätte, obwohl sie dieser doch direkt ins Gesicht sah.

Wären sie nicht von Wasser umgeben gewesen, so hätte Lydia vermutet, das Mädchen würde weinen. So jedoch wurde jede Träne weggespült, bevor sie entstehen konnte. Dieses Mädchen durfte nicht weinen.

Lydia betrachtete sie fasziniert. Sie war das erste Wesen, dem sie begegnet war, seit sie in den Turm gesperrt worden war, doch ein Geschöpf solcher Schönheit hatte sie nie zuvor gesehen. Ihre lange Flosse schimmerte in allen Blautönen, ihr Haar glitzerte in reinstem Silber und fiel sanft über ihre helle Haut. Doch auch wenn von ihrer Anmut ein Licht auszugehen schien, so konnte es doch nicht über die tiefe Traurigkeit hinwegtäuschen, die ihre blauen Augen trübte.

Lydia verspürte den Drang, das Mädchen in die Arme zu schließen. Sie wunderte sich selbst darüber, doch von diesem Mädchen schien eine geheime Magie auszugehen, die bereits ihre Fänge nach ihr ausstreckte. Lydia wich zurück, doch das Mädchen folgte ihr. Und plötzlich, ohne dass Lydia Zeit blieb zu reagieren, packte das Mädchen unsanft ihren Arm und zog sie zu sich. Sie schwamm sofort los, lockerte ihren Griff dabei jedoch nicht. Lydia war gefangen, sie konnte sich nicht losreißen, egal wie sehr sie sich auch dagegen wehrte.

Die Umklammerung brannte fürchterlich, doch Lydia konnte im Wasser nicht schreien. Es kam ihr vor, als risse man ihr alles Leben aus dem Arm.

Mit jeder Sekunde schwamm das Mädchen schneller, der Griff um Lydias Handgelenk wurde immer fester. Schmerz und Erschöpfung erfüllten die Wächterin, sie wollte einfach nur ausruhen, wollte, dass es aufhörte, wollte endlich erlöst sein von all den Qualen.

Und das Mädchen schwamm weiter.

In all der Zeit änderte sich ihre Umgebung nicht im geringsten. Einzig und allein die immer häufiger werdenden Strömungen aus blauem Licht verrieten Lydia, dass sie sich tatsächlich bewegte. Den Wasserdruck, der von alles Seiten an ihr zerrte, bemerkte sie schon gar nicht mehr.

Sie wusste nicht, wie lang sie es noch ertragen konnte, würde ertragen müssen. Die Fingerspitzen des Mädchens, die sich inzwischen tief in ihre Haut gebohrt hatten, schienen ein Gift zu enthalten, das Lydia langsam aber sicher betäubte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-10-31T10:55:55+00:00 31.10.2007 11:55
*kommentar schreib* oO
Also ich mag deine beschreibungen.. und diese FF macht echt süchtig.. wehe du schreibst heut abend net weiter ^^°
Giftige fingernägel sind doch was tolles oder? Goil ausgedrückt jedenfalls!
Von:  Melodya
2007-05-08T19:58:30+00:00 08.05.2007 21:58
mir fehlen die Worte...XD
das war echt gut^^... aber ich frage mich, was die Meerjungfrau von Lydia( denk mal, es ist ne Meerjungfrau, nach deiner Beschreibung zu urteilen...*g*)will...
bitte schreib schnell weiter... will wissen, wie es weitergeht...

grüssle
angel


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