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Im Schatten der Steine

Die Reise in eine neue Welt könnte dich von Grund auf verändern...
von

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Machtspiele

An dem Haus eines Menschen erkennt man seinen Stand. Das denkt sich Jason zumindest immer. Er ist ein Schmarotzer, das gibt er ehrlich zu, und deshalb schließt er sich prinzipiell nur den Reichen und Mächtigen an – eben Leute, die ihn auch weiterbringen können.

Die Aktion nach dem Blitzball-Turnier war ein voller Erfolg gewesen. Er hatte die Schreie der Massen genossen. Das hätte er sich schon denken können, klar, aber es dann doch live zu erleben, dieses berauschende Gefühl, das übertraf all seine Erwartungen.

Seymor, den er momentan für einen nützlichen Faktor in seinem Leben hielt, hatte den Plan ausgeheckt. Zu dem Zeitpunkt war Jason schließlich noch nicht seine rechte Hand. Dafür hatte er dann den Plan ausgeführt, noch ein klein wenig verbessert. Er war stolz auf sich. Der Effekt war grandios gewesen.

„Beinahe wäre die ganze Aktion fehlgeschlagen.“ Seymor stieg eleganten Schrittes die Stufen hinunter. Sein Haus, eine große, prächtige Villa in viktorianischen Stil gehalten, lag inmitten eines ‚Dorfes’ unter der Erde. Zunächst hatte Jason sich davor gescheut, auch nur einen Fuß in diese Höhle zu setzen, an deren anderem Ende man unweigerlich in einem entsetzlichen Gewitter landet. Doch was blieb ihm anderes übrig? Das Haus hatte ihn dann für alles entschädigt.

„Ist sie aber nicht.“, erwiderte er etwas gereizt. „Letztendlich konnten Sie doch noch den glorreichen Helden spielen.“

Entlang der Treppe, die auf beiden Seiten in schwungvollem Bogen nach oben führte, hingen Gemälde von Seymors Ahnen, von Meisterhand gemalt und in golden verzierte Bilderrahmen gesteckt. Jason hatte nicht schlecht gestaunt, als er dieses Haus zum ersten Mal betreten hatte. Von da an wusste er irgendwie, dass dieser seltsame Kauz, der ihn aufgelesen hatte, noch nützlich sein könnte. Und sein Gefühl trog Jason nie. Bereits die Aktion im Stadion hatte ihm schon Seymors Macht in diesem Lande gezeigt.

„Es wäre um einiges leichter gewesen, wenn mir dieses Mädchen nicht dazwischen gefunkt hätte.“ Seymor stand nun vor Jason. Er überragte ihn kaum. Jason konnte ihm noch gut in die Augen sehen. Doch ansonsten wirkte dieser Seymor unnatürlich. Seine bläuliche Haarfarbe, der blasse Teint und die langen dünnen Finger trugen nicht unbedingt zu einer normalen Erscheinung bei. Als Jason dieses Dorf zum ersten Mal betreten hatte, konnte er es nicht glauben. Hier liefen überall solch merkwürdige Gestalten rum. Aber er hatte sich davon nicht beirren lassen. Seymor war mächtig, so mächtig wie Jason bald selbst sein würde. Wenn alles nach Plan verlief.

„Was hätte sie denn schon ausrichten können. Sie hat doch mit Müh und Not gerade mal ein Monster besiegt.“, entgegnete Jason achselzuckend.

Das Mädchen hatte es im Stadion irgendwie geschafft, ein Monster zu erledigen. Es sah gefährlich aus, doch wirklich bedrohlich konnte es ihrer Aktion nicht werden.

„Sie ist nicht wirklich mächtig. Wahrscheinlich weiß sie noch nicht einmal was von ihrer Gabe.“, fuhr Jason ungehindert fort. Seymor betrachtete ihn eine Weile nachdenklich, bevor er sich entschloss, etwas zu sagen.

„Du hast recht. Sie scheint noch ganz am Anfang zu stehen. Ihre Gabe ist ungewöhnlich, aber keineswegs hinderlich für uns.“

Jason verschränkte die Arme vor der Brust und nickte entschieden. Vielleicht stellte das Mädchen doch eine größere Gefahr dar, aber er wollte seinen „Meister“ damit nicht belasten. Er selbst würde sich dieser Sache annehmen, wenn Gefahr im Verzug wäre. Mit Frauen konnte er schließlich immer noch am Besten umgehen.
 

Schon minutenlang herrschte eisiges Schweigen auf der Treppe zur Mi’hen-Straße. Nervös huschten Yvonnes Augen zwischen Auron und Tidus hin und her. Die Hände, die sie hinter ihrem Rücken versteckt hatte, zupften aufgeregt an den Falten ihres Rockes.

Langsam hielt sie diese Unsicherheit nicht mehr aus. Warum sahen die beiden sie so scharf an? Es war beinahe so, als könnten sie auf den Grund ihrer Seele blicken und alle Wahrheiten erkennen. Haben sie mitbekommen, wie sie gelauscht hat? Sie hoffte so sehr nicht, aber wirklich wissen konnte sie es nicht. Nachfragen konnte sie erst recht nicht. Da könnte sie sich das Messer genauso gut gleich selbst in den Rücken rammen. Sie müsste es klüger anstellen. Nur wie?

„Yvonne? Was machst du denn hier?“ Tidus war der Erste, der sich zu Wort meldete. Es war als würde damit eine zentnerschwere Last von ihrem Rücken genommen. Sie stellte sich aufrecht und strahlte die beiden übereifrig an. Auron, der gerade etwas sagen wollte, überlegte es sich anders, als der Wortschwall von Yvonne ihn förmlich unter sich begrub.

„Ich bin nur ein wenig spazieren gegangen. Wisst ihr. Brianna ist noch immer bewusstlos und Yuna wollte, dass ich mal etwas Abstand gewinne. Ja, ich mache mir einfach zu große Sorgen um Brianna. Sie ist ja schließlich auch meine beste Freundin.“

Yvonne stoppte, als sie sah, wie Auron seine Hand ihr entgegen hob. Einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie etwas zurückweichen sollte. Diese Geste von Auron konnte sie nicht recht einsortieren. Sie war verwirrt. Doch viel Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht, denn schon hatte Auron seine Hand auf ihre Schulter gelegt. Nun war sie vollends verwirrt. Das kannte sie von Auron gar nicht.

„Mach dir keine Sorgen.“ Knapp und präzise hatte er die Sache auf den Punkt gebracht. Aber nicht nur das. Erleichtert ließ Yvonne ihre angespannten Schultern sinken. Die beiden hatten ihren kleinen Lauschangriff nicht mitbekommen.

„Wir sollten trotzdem mal nachsehen gehen.“, meinte er. Sie zögerte noch etwas. Diese Worte aus Aurons Mund machten sie noch mehr nervös, als sein ganzes bisheriges Verhalten.

„Meinst du wirklich? Aber wieso denn? Brianna schläft bestimmt noch, da können wir eh nicht viel machen.“ Yvonne fuhr sich mit einer flinken Geste durch die Haare und schaute die beiden fragend an. „Ich hätte vielmehr Lust auf einen Kaffee. Wer kommt mit?“

Tidus setzte gerade zum reden an, doch Auron brachte ihn mit vorgehaltener Hand zum augenblicklichen Verstummen.

„Wir können uns nicht noch länger in dieser Stadt aufhalten. Das Medium muss weiterreisen.“

Enttäuscht senkte Yvonne den Kopf. Jetzt, wo sie sich allem Anschein nach dieser Gruppe angeschlossen hatte, musste sie wohl oder übel auch das tun, was sie taten. Sie wollten weiterreisen, also blieb keine Zeit noch ein wenig in Luca abzuhängen. Sie hätte es zu gerne getan, denn die Stadt gefiel ihr. Es war lebhaft hier, man hatte einfach immer Leute um sich und genau das war es, was Yvonne mochte.

Doch, nun wo Auron weiterreisen wollte, musste sie wohl Abschied nehmen von Luca.
 

Das Getränk schmeckte so widerlich, wie es aussah. Ungehalten schmiss Jason den Becher an die Wand, wo er scheppernd zerbrach. Die bräunliche Flüssigkeit lief in den kleinen Furchen in der Tapete nach unten und auf den Teppich, auf welchem sie einen unschönen Fleck hinterließ.

Das Dienstmädchen stand unschlüssig im Eingang. In ihren Händen hielt sie noch das Tablett, ihre Nägel bohrten sich in das silberne Metall.

„Es tut mir leid, Sir. Soll ich Ihnen vielleicht etwas… äh… anderes bringen?“, erkundigte sie sich. Jason tat diese Bitte mit einer lässigen Handbewegung ab.

„Sie wollen mich wohl vergiften! Von Ihnen nehme ich nichts mehr an!“ Trotzig ließ er sich in den Sessel fallen. Er legte die Fingerspitzen an die Stirn und schüttelte leicht den Kopf.

Vorsichtig trat das Mädchen in den Raum hinein. „Sir?“, fragte sie, während sie weiter in Richtung Sessel ging. „Ist… ist alles in Ordnung?“

Sie löste eine Hand vom Tablett und streckte diese behutsam nach Jason aus. Auf einmal schnellte seine Hand nach oben und ergriff ihre. Ängstlich wollte sie zurückweichen, doch er hielt sie so fest, dass es kein Entkommen gab.

„Sir… bitte.“

Jason hob seinen Kopf. Eiskalte Augen starrten sie an. Doch plötzlich huschte ein Lächeln über seine Lippen.

„Wie heißt du?“

„S… Sarah…. Sir.“ Ihr Gesicht verzog sich vor Schmerz. „Bitte Sir, lassen Sie los.“

Jason reagierte nicht auf diese Worte. Vielmehr drückte er noch fester zu, was Sarah einen entsetzten Schmerzenschrei entlockte. Das Tablett fiel zu Boden. Klirrte noch ein Weilchen, bis es still liegen blieb. Mit der anderen Hand wollte sie sich befreien, aber es gelang ihr nicht. Blitzschnell hatte Jason auch diese im Griff. Nun stand er auf. Er drückte ihre Arme nach unten und zwang sie, rückwärts durch den Raum, zurück zur Tür.

Dort angekommen, löste er kurz seinen festen Griff und schlug die Tür zu. Er drehte den Schlüssel im Schloss. Sarah beobachtete das ganze zunächst noch, bevor sie eine Chance zu erkennen glaubte. Sie war frei. Jason war zu sehr mit dem Schloss beschäftigt. In der Zwischenzeit konnte sie durch das Fenster entschwinden. Es war im zweiten Stock, doch unter dem Fenster waren ein paar Kisten aufgestapelt. Dort könnte sie weich landen.

Sie wollte gerade entwischen, aber Jasons Reaktion war einfach zu schnell. Er hatte ihre Hand ergriffen und über ihrem Kopf gegen die Wand gedrückt, noch ehe sie einen Schritt tun konnte. Mit ihrer anderen Hand verfuhr er genauso, bis er beide in seiner linken festhielt. So stand sie nun, gefesselt wie zur Opferung, die Arme über ihrem Kopf an der Wand, gefangen in Jasons hartem Griff.

Sie schluckte, als Jason sachte über ihre Wange strich.

„Weißt du, du bist schön, aber auch dumm. So etwas erwarte ich von meinem Spielzeug, nicht von meiner Bediensteten.“

Er fasste ihr Kinn, zog ihren Kopf noch ein wenig nach vorne und presste dann seine Lippen auf ihre.
 

Yvonne war die erste, die den Raum betrat. Sofort fiel ihr Blick auf das Bett, in dem, zu ihrem Bedauern, noch immer Brianna lag und tief und fest schlief.

„Sie ist immer noch nicht aufgewacht, hm?“, wandte sie sich an Yuna. Diese schüttelte nur resignierend den Kopf.

Auron und Tidus waren inzwischen auch im Raum.

„Yuna.“, sagte Tidus. Er ging an Yvonne vorbei auf Yuna zu, die sich gerade von ihrem Platz neben dem Bett erhob. „Wie geht es ihr?“, fragte er, während er besorgt zur schlafenden Brianna sah.

„Sie ist sehr unruhig und redet im Schlaf.“

„Was hat sie gesagt?“, erkundigte Yvonne sich sofort. Yuna zuckte kurz mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Es war zu undeutlich, zusammenhanglose Laute.“

Seufzend ging Yvonne zum Bett und setzte sich an den Rand. Ihre Augen waren glasig. Es war ihr bewusst, dass sie die Tränen irgendwann nicht mehr würde unterdrücken können.

„Warum? Was ist nur mir dir geschehen?“, schluchzte sie. Eine Träne rann ihre Wange hinab. Schnell wischte sie sie weg. Nein, sie würde nicht weinen. Sie musste stark sein. Für Brianna.

„Wir sollten aufbrechen.“, meinte Auron.

Entsetzt blickte Yvonne auf. Sie sah, wie Yuna leicht nickte und ihr dann einen entschuldigenden Blick zuwarf. „Wir können nicht noch länger verweilen.“

„Ja, ich weiß, aber was wird aus Brianna? Wir können sie doch nicht einfach so zurücklassen.“, sagte Yvonne. Betrübt senkte sie den Blick. „Und sie wird so schnell nicht aufwachen, glaube ich.“

Schweigen erfüllte den Raum. Yvonne sah zwischen den anderen hin und her.

Auron, der still und souverän an der Wand neben der Tür lehnte. Mit seiner Aufbruchsstimmung machte er sie ganz nervös.

Direkt neben ihr Yuna, die sich inzwischen wieder der Wasserschüssel zugewandt hatte. Sie wrang gerade den Lappen aus. Die vielen Tropfen trafen plätschernd auf das Wasser und brachten es in Unruhe.

Nicht weit von dem Medium entfernt, stand Tidus. Er schien über irgendetwas nachzudenken. Sein Blick war auf Yuna gerichtet, doch Yvonne glaubte nicht, dass er sie ansah.

„Wir lassen sie nicht zurück.“, sprach er auf einmal. Erstaunt blickten alle im Raum ihn an.

Auron zuckte mit den Schultern.

„Wie?“, wollte Yvonne wissen. Tidus antwortete nicht. Er ging an ihr vorbei und schob die Bettdecke zur Seite. Sofort sprang Yvonne dazwischen.

„Sag mal, tickst du noch richtig? Was soll das?“, zischte sie ihn an und deckte Brianna wieder zu. „Raus hier!“

Yuna reagierte, bevor Yvonne ihn mit einem kräftigen Schubs nach draußen befördern konnte. Stattdessen schob das Medium ihn sanft aus dem Zimmer, wobei sie auch Auron einen flüchtigen Blick zuwarf.

„Ihr beide geht mal kurz nach draußen. Wir kümmern uns inzwischen darum, dass Brianna was anzuziehen bekommt.“, meinte sie noch und schloss die Tür.

„Was hat er sich nur dabei gedacht?“, zeterte Yvonne.

Yuna führte ihre Hände zusammen, zuckte mit den Schultern und lächelte ihr zu. „Er wollte sie nicht zurücklassen.“

Rasch ging sie zum Bett zurück. „Jetzt sollten wir ihr was Vernünftiges anziehen.“, meinte sie und schlug die Bettdecke zurück. „Im Nachthemd kann sie schlecht nach draußen.“

Yvonne lachte. „Ja, da hab ich wohl etwas überreagiert.“ Vom Stuhl nahm sie Briannas Sachen. Yuna hatte sie säuberlich dort hingelegt. „Also dann, ans Werk mit uns.“

Yvonne war glücklich. Ihre größte Sorge hatte sich in Luft aufgelöst. Sie würden Brianna nicht zurücklassen, das war die Hauptsache. In dieser fremden Welt konnte sie froh sein, eine Freundin wie sie dabei zu haben und außerdem wusste sie nicht, wie Brianna wohl reagieren würde, wenn sie wieder allein hier aufwachte.
 

Die verloschene Glut erwachte zu neuem Leben, als Jason an der Zigarette zog. Er inhalierte den Rauch tief, ließ ihn sich in seiner Lunge ausbreiten, bevor er ihn in einer großen Wolke wieder ausatmete. Seine Augen waren geschlossen, seine Lippen umspielte ein genüssliches Lächeln.

Das Mädchen war schnell aus seinem Zimmer verschwunden, als er sie ziehen ließ. Vermutlich war sie zu ängstlich, sich bei ihm für diese wunderbar innigen Momente zu bedanken. Er schrieb das ganze ihrer Dümmlichkeit zu. Aber immerhin hatte sie sich letztendlich kaum gewehrt. Dafür war sie wohl zu überrascht gewesen von seiner direkten Art. Er nahm einen weiteren Zug und diesmal gab er dem Rauch die Form von Ringen, die in die Höhe stiegen und an der Decke zerbrachen.

Als es an der Tür klopfte, erhob er sich aus dem Bett und drückte die Zigarette auf einem gläsernen Teller aus, den er eigens dafür besorgt hatte. Schnell warf er sein Hemd über, bevor er die Tür öffnete.

„Seymor, schon Sie zu sehen. Was kann ich für Sie tun?“

„Rede nicht so viel. Wir werden bereits bei der Mi’hen – Offensive erwartet, also lass uns aufbrechen.“

Jason verbeugte sich leicht und nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Danach schloss er die Tür wieder. Kurz blieb er noch stehen, lehnte sich gegen die Tür. Was soll das nun schon wieder?, dachte er sich. Von einer Mi’hen – Offensive hatte Seymor noch nie was erwähnt. Wahrscheinlich war das schon wieder eine Phase seines Planes.

„Ich werd’s wissen, wenn ich erstmal da bin.“, meinte er zu sich selbst. Rasch knöpfte er sein Hemd zu, zog seine Jacke an und nahm die Zigarettenschachtel vom Tisch. Diese schwenkte er zunächst noch kurz in der Hand. „Lange werde ihr auch nicht mehr reichen…“ Danach steckte er sie ein und ging aus dem Raum.

Seymor wartete bereits auf ihn. Neben ihm standen seine Bediensteten, unter diesen auch das Mädchen Sarah. Als diese Jason entdeckte, lief sie puderrot an und senkte den Blick. Jason würdigte sie keines Blickes. Sie hatte ihre Schuldigkeit getan und nun war sie nur noch unnötiger Ballast.

„Hier bin ich, Meister. Bereit zur Abfahrt.“

Seymor warf ihm einen abschätzigen Blick zu. „Gut, dann los.“

„Ach, einen Moment noch.“, wandte Jason ein. „Ich würde gern noch kurz etwas mit Ihnen besprechen.“ Während er diese Worte sprach, warf er Sarah einen höhnischen Blick zu. Sie hatte kurz neugierig aufgeschaut, senkte aber schnell wieder den Blick, als Jason sie ansah.

„Was gibt es denn noch?“ Seymor schien entnervt. Er hatte es eilig von hier wegzukommen, aber Jason musste diese Angelegenheit noch erledigen.

„Es geht um das Dienstmädchen, dass ihr mir zugeteilt hattet.“

Sarah war bei diesen Worten unmerklich zusammengezuckt.

„Was ist mit ihr?“

„Ich halte sie für unfähig. Sie hat wertvolles Geschirr zerstört. Mal ganz davon abgesehen, dass sie keinen vernünftigen Tee zubereiten kann. Ich sehe mich außer Stande, noch länger ihren Dienst für mich in Anspruch zu nehmen.“

Sarah war inzwischen schluchzend an die Brust einer Kollegin gesunken, die ihr nun liebevoll über den Schopf strich und beruhigend auf sie einsprach.

„Was soll ich also deiner Meinung nach tun?“, fragte Seymor. Jason grinste. Seine Manipulation schien erste Früchte zu tragen und die Entlassung würde sein erster Erfolg sein.

„Ich schlage vor, sie auf der Stelle raus zu werfen. Sie ist für Sie nicht länger tragbar.“

Seymor schien kurz nachzudenken. Er blickte in die Reihe seiner Bediensteten. „Mir ist der Fleck in Ihrem Zimmer nicht entgangen.“, meinte er. „Ich würde sagen, Sarah, Sie entfernen den Fleck augenblicklich, bevor Sie dieses Haus verlassen.“

Sarah sackte auf die Knie. Noch immer schluchzend nickte sie kurz. Ihre Kollegin trat vor und wandte sich zornig an Seymor. „Sir, das können Sie nicht tun. Sarah hat ihre Pflichten immer bewusst erledigt. Sie ist Ihnen doch immer treu ergeben gewesen!“

„Schweig oder willst du ihr Schicksal teilen?“, entgegnete Seymor ungehalten. Sie verstummte augenblicklich und reihte sich wieder unter den anderen ein. „Und nun geh an deine letzte Arbeit in diesem Haus!“, sagte er noch zu Sarah.

Sofort sprang sie auf. Mit gesenktem Kopf, ging sie schweigend die Stufen hinauf zu Jasons Zimmer. Die restlichen Bediensteten rückten zusammen und füllten so die Lücke, die Sarah hinterlassen hatte.

Ein hämisches Grinsen huschte kurz über Jasons Lippen. Das war erst der Anfang., dachte er bei sich.
 

Die anderen warteten schon alle am großen Platz. Leicht wehmütig blickte Yvonne zum Café zurück. Wie gerne hätte sie noch einmal dort gesessen, auch wenn das Essen nicht das Beste gewesen war.

Yvonne überlegte, wo wohl die Reise hingehen würde. So ganz hatte sie den Sinn dahinter noch nicht verstanden, auch wenn Yuna versucht hatte, ihr alles zu erklären. Sie schob die Gedanken beiseite. Warum sollte sie sich jetzt auch den Kopf darüber zerbrechen? Sie liebte es zu reisen und neue Orte, aber vor allem neue Menschen kennen zu lernen. Der Grund dahinter war zweitrangig.

In der Tür entdeckte sie Yuna, die gerade hinaustrat. Hinter ihr erschien Tidus, Brianna hatte er Huckepack genommen. Yvonne musste lächeln. Sie dachte daran, wie Tidus darauf bestanden hatte, Brianna zu tragen. Nun schlenderte er den Weg zu ihr, als wäre Brianna leicht wie eine Feder.

„Wird sie dir auch wirklich nicht zu schwer?“, fragte sie ihn noch einmal.

„Ich trage sie doch nur bis zur Mi’hen – Straße, dort kann sie dann auf einem Chocobo.“, entgegnete er ihr.

Ein Chocobo, noch eines der merkwürdigen Dinge, die Yvonne immer noch nicht ganz verstanden hatte. Vermutlich würde sie es begreifen, wenn sie ihn sehen würde.

„Dann können wir ja endlich los.“, sagte Lulu, die mit Wakka, Auron und Kimhari an der Treppe stand, die vom Platz aus nach oben führte. Yvonne grinste sie an. Lulu war für sie ein Buch mit sieben Siegeln. In ihrer Gegenwart wusste sie nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte. Lange hatte sie darüber nachgedacht, doch letztendlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass es ihr doch ziemlich egal war, was andere Menschen von ihr hielten, also gab sie sich auch bei Lulu so wie immer. Wenn es ihr gegen den Strich gehen würde, hätte sie wahrscheinlich schon längst was gesagt, ansonsten war es Yvonne auch egal.

„Es hat etwas länger gedauert, uns hübsch zu machen, aber nun können wir. Ja, da hast du Recht.“, entgegnete sie ihr lässig, wie immer. Lulu verschränkte die Arme und schüttelte kurz den Kopf. In ihrem Seufzer klang Missmut mit, aber Yvonne überhörte diesen einfach.

Sie liefen die Treppe hinauf. Schon nach den ersten paar Stufen hatte Yvonne genug. Sie hörte auf, mitzuzählen. Grummelnd nahm sie eine Stufe nach der anderen und hoffte, bald oben angekommen zu sein. Dafür würde sie drei rote Kreuze machen. Yuna, die ihre Frustration mitbekommen hatte, drehte sich zu ihr um.

„Wir haben es gleich geschafft.“, flüsterte sie ihr aufmunternd zu.

„Das hoffe ich doch stark. Ich habe keine Lust einen neuen Weltrekord in Treppen steigen aufzustellen.“, entgegnete Yvonne. Auf diese Worte musste Yuna lachen.

„Sieh nach oben, es ist wirklich nicht mehr weit.“

Yvonne schaute hoch. Das Ende der Treppe war wirklich fast erreicht.

Nach ein paar Stufen waren sie auf einem weiteren kleinen Platz angekommen, der in einer Straße endete. Der Platz war zwar weniger belebt als der in Luca, aber auch hier herrschte reges Treiben. Yvonnes Blick fiel sofort auf einen großen gelben Vogel.

„Das sind also Chocobos.“, meinte sie verzückt. Yuna nickte zustimmend. Ein paar Chocobos rannten an ihr vorbei, jeweils einen Reiter auf dem Rücken, und verschwanden am Ende der Straße. Andere standen gehorsam neben ihren augenscheinlichen Besitzern, die auf neue Kundschaft warteten. Tidus ging gerade zu einem. Schnell schloss Yvonne sich ihm an.

„Wir würden gerne einen ihrer Chocobos mieten?“, fragte Yuna den kleinen untersetzten Mann. Der streichelte sanft über das gelbe Gefieder seines Tieres. „Sie können diesen haben. Er wird ihnen treu sein, aber nur bis zum Ende der Mi’hen – Straße.“

Yuna nickte und gab dem Mann ein paar silberne Taler in die Hand. Derweil packte Tidus Brianna auf den Rücken des Chocobo.

„Willst du auf ihm reiten?“, fragte er. Erstaunt blinzelte Yvonne ihn an. „Keine Sorge, wir führen ihn. Dir kann also nichts passieren.“

„Wirklich?“, fragte sie noch einmal nach und als Tidus grinsend nickte, ging sie zum Chocobo und saß auf.

„Du kannst dich an seinem Hals festhalten, aber pass auf, dass du ihm keine Federn ausziehst. Das können sie nämlich gar nicht leiden.“, meinte Wakka augenzwinkernd. Alle aus der Truppe sahen sie leicht belustigt an, wie sie etwas unbeholfen auf dem Vogel saß.

„Ich hab eben noch nie auf so was gesessen!“, zischte sie in die Runde.

Die Reise ging ohne weitere Zwischenfälle los. Wakka führte den Chocobo, während Yvonne mit Brianna hinten aufsaß. Neben ihr liefen Tidus und Yuna. An die Seite von Wakka hatte sich Lulu gesellt und die Nachhut bildeten Auron und Kimhari.

„Pass gut auf Brianna auf.“ Yvonne schaute verblüfft von diesen Worten zu Tidus.

„Keine Sorge, ich lasse sie schon nicht runterfallen.“, entgegnete sie ihm.
 

Mit seinem Fuß zeichnete er Kreise auf den staubigen Boden. Er hasste es, hier zu warten, während Seymor die wichtigen Dinge erledigte. So hatte er nicht gewettet, aber was sollte er sonst tun. Er durfte kein Aufsehen erregen. Sein Plan war fehlerlos, bis auf das eine Manko, dass es wohl noch ein Weilchen dauern würde.

Gelangweilt schaute er sich um. Es herrschte Hektik. Die Soldaten wuselten wie tausend kleine fleißige Ameisen, die für den Wintervorrat sorgten. Jason zog die Zigarettenschachtel aus seiner Tasche, klopfte gegen die Unterseite, so dass eine Zigarette hinausragte, die er anschließend mit dem Mund raus zog. Geschickt knipste er sein Feuerzeug an. Die Flamme loderte klein auf dem silbernen Metall.

Plötzlich ließ er das Feuerzeug fallen. Mit einem klackenden Geräusch fiel es auf den Stein. Die Flamme war wieder erloschen. Mit weit aufgerissenen Augen sah er zu den beiden Personen, die sich eben unter die anderen gemischt hatten. Vorsichtig wich er zurück und stellte sich in den Schatten einer Ritze im Berg.

Er kannte die beiden nur zu gut. Wie oft hatte sie ihn im Training, wie auch in Wettkämpfen, geschlagen, während er daneben gestanden und gegrinst hatte. Zorn stieg in ihm auf. Er ballte die Hände zur Faust. Am liebsten wäre er zu ihnen gegangen und hätte sie zu Boden geschlagen, als Rache für all die Schmach, die sie ihm erteilt hatte. Doch er musste sich gedulden. Die beiden wussten nicht, dass er auch hier war. Er konnte sich ihnen jetzt nicht offenbaren. Irgendwann würde die Zeit kommen. Er musste nur abwarten und das konnte er.
 

Der Ritt auf dem Chocobo war angenehm. Yvonne ließ die Landschaft vorbeiziehen, grüne Hügel, kleine Hütten und ab und zu ein paar Menschen. Es war beruhigend all das im entspannten Sitzen zu genießen und fast wäre Yvonne dabei eingeschlafen. Doch plötzlich rührte sich Brianna, die vor ihr saß.

„Anhalten!“, schrie sie zu den anderen. Als sie stoppten, sprang sie schnell vom Chocobo.

„Was ist denn los?“, fragte Tidus. Yvonne blickte sich nicht zu ihm um, dafür war sie zu sehr auf Brianna konzentriert, doch sie antwortete ihm.

„Ich glaube, Brianna wacht auf.“

„Ja, du hast recht.“, meinte Yuna, die inzwischen auch zu ihnen getreten war.

Brianna lag auf dem Chocobo, ihren Kopf an seinen Hals gelehnt. Ihre Arme hatte sie an sein Gefieder gelegt. Leicht öffnete sie ihre Augen. Yvonne jauchzte. „Brianna, du bist endlich wach!“

Noch immer benommen, starrte Brianna sie an. „Was ist passiert?“, murmelte sie. Das Sprechen fiel ihr schwer, zu sehr schwirrten ihre Sinne im Chaos. In ihrem Kopf dröhnte es unaufhörlich.

Yvonne selbst war so glücklich, dass sie Brianna nur schnappte, vom Chocobo zog und sie fest in die Arme nahm. Erst als ein leiser Protest von ihrer Freundin kam, ließ sie sie wieder los. Zusammen setzten sie sich auf die Wiese; an eine Stelle, wo Brianna sich gegen einen Stein lehnen konnte.

„Wie geht es dir?“, fragte Yuna, während sie sich nun ebenfalls neben Brianna setzte.

Brianna lächelte. „Ganz gut.“, meinte sie Schultern zuckend.

„Wenn man bedenkt wie lange du geschlafen hast. Da muss es dir ja gut gehen.“, lachte Yvonne.

„Wie lange hab ich denn geschlafen?“, erkundigte Brianna sich verwundert. Yuna und Yvonne sahen sich kurz an. In diesem Fall würde Yvonne dem Medium das Wort überlassen. Sie selbst konnte sich in solchen Dingen noch nie besonders gut ausdrücken.

„Zwei Tage sind seit dem Angriff auf das Blitzball – Stadion vergangen. Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht.“, meinte Yuna.

„Wirklich?“ Brianna konnte es nicht glauben. Man hatte sich um sie gesorgt? So ein Gefühl hatte sie noch nie gehabt. Als sie aufsah, merkte sie, dass alle um sie herum standen und auf sie nieder blickten.

Yvonne nickte eifrig. „Ich dachte schon, ich hätte dich verloren.“

Euphorisch von dem Glücksgefühl, das sie nun durchströmte, wie ein Bach die üppige Landschaft, vergaß Brianna alle Schmerzen und sprang auf.

„Unkraut vergeht nicht.“, sagte sie grinsend.

Yvonne erhob sich und starrte ihre Freundin ausdruckslos an. Wie konnte Brianna nur solche Witze darüber machen? Sie hatte sich Sorgen gemacht, geglaubt, ihre Freundin würde nie mehr aufwachen und sie lachte einfach nur drüber. Ohne ein Wort gab sie ihr eine schallende Ohrfeige.

Briannas Hand war sofort hochgeschnellt und nun hielt sie ihre Wange. In Yvonnes Augen standen Tränen. Etwas, was Brianna noch nie bei ihr gesehen hatte.

„Wieso bist du so leichtsinnig?!“, schrie Yvonne sie an.

Yuna legte eine Hand auf Yvonnes Schulter.

„Es ist gut.“, meinte sie. „Brianna ist wach und das ist doch das Einzige, was jetzt zählt.“

Eine Weile sah Yvonne das Medium an. Sie hatte recht. Leicht nickte sie ihr zu.

„Dann können wir ja weiter.“

Erstaunt blickte Yvonne sich zu Auron um. Er stand da wie immer, die Arme verschränkt. Seine Aura strahlte Nervosität aus, er wollte unbedingt weiter. Sie wusste, dass er damit gar nicht so verkehrt lag. Das Medium musste seine Reise schnell beenden, um gegen Sin kämpfen zu können, bevor noch mehr Unschuldige starben.

„Kannst du laufen?“, fragte sie Brianna.

„Ich denke schon.“

„Gut, dann lasst uns aufbrechen.“
 

– Ende 7. Kapitel –
 

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Gut, das war’s an dieser Stelle erst mal wieder.

Jasons Part zu schreiben hat Spaß gemacht. Bei Yvonne fiel es mir etwas schwerer, da musste ich lange auf die Muse warten…

Ich verspreche, dass das nächste Kapitel schneller kommt (ich hoffe, ich kann’s auch halten ^^’)
 

An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön von mir an euch!!!
 

LG, Jenny



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2006-10-14T15:07:21+00:00 14.10.2006 17:07
Das war ein rundum gelungenes Kapitel und vorallem schön lang ^^
Macht weiter sooooo !!! ^-----------------------^
Von: abgemeldet
2006-10-12T15:33:28+00:00 12.10.2006 17:33
Hey, ich weiß gar nicht, was du hast! Das ist doch gut geworden^^
Also mir gefällts und ich bin schon gespannt, wies weiter geht!^^

LG
Schwarzfahrerin


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