Siva-Blanque: Cortexwanderung

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Das Verwandlungsritual zum Lesser

 

Seit Jahrtausenden verfügen wenige eingeweihte Persönlichkeiten über das Wissen einen einfachen, sterblichen Menschen zu einem Geschöpf übernatürlicher Stärke und altersloser Unsterblichkeit zu verwandeln. Dieses Geheimnis wird unter den ranghöchsten Anführern der verschiedenen Kohorten strengstens gehütet und nur von ihnen an ihren eigens auserwählten Nachfolger weitergegeben. Es ist eine große Verantwortung und eine schwierige Auslese von Nöten, um unter all dem menschlichen Gezücht einen jenen ungeschliffenen Diamanten zu entdecken, der es verdient den Segen zu erfahren. Denn nicht jeder Mensch kann ein Lesser sein. Weder wäre dies gut für die Pläne der Lesser selbst, noch überleben die Wenigsten die grausame-martialische Prozedur überhaupt.
Sollte sich jedoch ein einzelnes, sterbliches Individuum in der glanzlosen, tauben Masse der Menschheit hervortun und in der Gunst des Lesserpatriarchen stehen, sodass dieser gewillt ist den Mensch dem Streben nach dem höheren Wohl zukommen zu lassen, stehen diesem vier Etappen der Verwandlung bevor, die auch den etwas theatralischen Beinamen ‚Die vier Blutbande‘ besitzen.
 

Die Aufopferung – Ein menschliches Wesen kann nicht gegen seinen Willen zum Lesser geformt werden. Aber auch eine selbstdedizierte Seele ist nicht ohne weiteres dazu bereits den Wandel zu durchschreiten, ohne vorher eine mehrtägige Besinnungsphase zu durchleben. Diese streng genommen an eine in sich kehrende Meditation erinnernde Phase dient dazu das Unterbewusstsein zu bereinigen und zu öffnen. Diese Vorbereitung ist ein essentieller Teil der späteren Einflussnahme des Patriarchen über den Verstand des werdenden Lesser. Der schwierigste Teil dieser vorbereitenden Phase ist zweifellos das Ende. Denn der Mensch muss im Wissen das er den Tod finden wird seine innere Ruhe finden und den unbedingten Willen dies auf sich zu nehmen. Ist man nicht voll und ganz zu Selbstaufgabe bereit – wird der Verwandlungsprozess scheitern.
 

Der Exitus – Hat der Mensch seinen Geist geöffnet und sich mit dem bevorstehenden Tod abgefunden, wird es nun an der Zeit das eben jener auch seinem Körper zugefügt wird. Seit dem Beginn dieser Lehre ist es ritueller-Brauch den Tod durch die eigene Hand des Primarchen vollziehen zu lassen. Der Mensch bettet sich auf einen Tisch nachdem er einen Trance ähnlichen Wachzustand durch eine letzte Meditation erreicht hat. Danach wird der Torso des Menschen mit einem großen Bogenförmigen Schnitt unterhalb des Rippenbogens geöffnet. Der Lesser schiebt seine Hand in den Körper hinein und umgreift das an diesem Punkt vermutlich hektisch schlagende Herz. Er ballt die Faust sodass der Blut pumpende Muskel sein lebenserhaltenes Werk nicht weiter fortführen kann – zugleich muss der Patriarch aber auch darauf acht geben das empfindliche Organ nicht zu zerquetschen. Ein brachialer Herzstillstand wird erzwungen und der ausbleibende Blutfluss taucht den Körper in eine sterbende Starre.
 

Der Ritus – In dem Moment indem der menschliche Verstand den schmalen Grat zwischen Leben und Tod überschreitet ist die Zeit nun gekommen in dem der Patriarch den tatsächlichen Verwandlungsprozess in die Wege leitet. Der Lesser beugt sich hinab zum Ohr des technisch gesehen toten Lebewesens, dessen in die Dunkelheit hinfortdämmerndes Unterbewusstsein immer noch empfänglich ist. Es gibt eine Formel die nun vom Primarchen gesprochen wird. Dies hat jedoch nichts mit irgendwelchen dubiosen Hokuspokus oder Glaubensscherereien zu tun. Wie klassische Musik nachweislich eine beruhigende Wirkung auf das ungeborene Kind im Mutterleib hat, obgleich es nicht in der Lage sein dürfte die Klänge aktiv wahrzunehmen, so dienen diese Formellaute einem ganz ähnlichen Zweck. Es gibt keine Sprache die sie zu übersetzen vermag. Und sowieso ist es mehr als eine Art akustisches Mantra oder Singsang aus kantig-schroff betonten Lauten und melodischen Flüsterversen zu verstehen. Diese Worte dringen aber in den letzten Funken Leben in einem toten Körper des Menschen ein, der zuvor bereits seinen Geist mittels intensiver Konditionierung für eben diesen Prozess empfänglich gemacht hat. Der Lesser programmiert das Unterbewusstsein um. Er erweckt schlafendes Potential aus Teilen der bekannten 90% Hirnkapazitäten die der moderne Mensch bis zum heutigen Tage nicht zu nutzen befähigt ist. Darunter fällt zum Beispiel die für die Lesser einzigartige Fähigkeit zur Regeneration. Damit der Geist des Menschen während dieser Behandlung nicht gänzlich seinen Halt an den Körper verliert, führt der Patriarch mittels seiner Hand, welche noch immer um das Herz des Menschen gelegt ist, eine dem Singsang rhythmisch angepassten Pumpbewegung durch um einen minimalistischen Blutkreislauf herzustellen. Er kontrolliert ihn mit den eigenen Händen und achtet darauf ihn weder zu weit abschwächen zu lassen dass das Unterbewusstsein des Menschen ihn nicht mehr wahrnehmen kann, noch die vitale Funktion des Blutkreislaufes soweit wieder in Gang zu setzen, dass der Mensch vor der vollendeten seelischen Neukonditionierung wiederbelebt wird.
 

Das Erwachen – sollte der Mensch an diesem Punkt noch immer mehr oder weniger am Leben sein und die Worte des Primarchen empfangen. So wird dieser den immer wieder wiederholenden Singsang solange in den offenen Verstand sprechen, bis dieser seine menschlichen Barrieren fallen lässt und die verborgenen Gaben erwachen lässt. Die Regeneration tritt in Kraft – das Herz setzt sich gegen die Kraft des Primarchen zu Wehr selbst schlagen zu dürfen – eine ungeheure Hitze durchfluteten den Körper des Menschen als der neugeborene Geist des Lessers seinen Körper übernimmt. Diese Extremstrapazen und die Manipulation der Seele sind auch der Grund für das schlagartige Ausbleichen jeglicher Pigmente. So wie es bekannte Fälle gibt in dem Menschen nach einem schwerwiegenden Schock graue Haare bekommen hatten. Der Primarch löst sich von dem Körper. Jetzt ist es nur noch eine Entscheidung des Willens, die über Erfolg und Fehlschlag entscheidet. Hatte der Mensch zu irgendeinem Zeitpunkt dieses albtraumhaften Ereignisses gezweifelt, wird die neue Seele den Körper nicht annehmen – der Tod wäre die Folge. Erneut zeigt sich wie unabdingbar wichtig die spirituelle Vorbereitung ist.Öffnet der einstige Mensch nun die Augen – so tut er dies nun als Lesser. Sein Körper beginnt die neue Konditionier und Umprogrammierung der Seele umzusetzen. In den folgenden Stunden, in denen der neugeborene Lesser allerlei Qualen durchleiden wird, formt sich sein Körper zu einem stärkeren, widerstandsfähigen, nichtmehr alternden Gebilde, welcher fortan seine physische Erscheinung als Lesser diktieren wird. Es ist vollbracht…

Die Quote jener die wirklich den geistigen Zustand erreichen können der für die Verwandlung von Nöten ist, beträgt gute 90%, da der Primarch sie in weiser Voraussicht bereits nach diesem Kriterium überhaupt in Erwägung gezogen hat. Von diesen überleben gut 50% die physische Gewaltbehandlung, sofern sie gesunder Konstitution waren. Wiederrum schaffen es nur knapp 20% ihre Seele unterbewusst im Zaum zu halten und sich gegen die Angst zu Sterben… dem Zweifel, zu behaupten der sie ansonsten davon Hinder den unfertigen Geist eines Lessers an den Körper zu binden. Man sieht also – ein Lesser zu erschaffen ist ein Ringen mit dem Schicksal selbst. Und Primarchen verbringen oft Jahrhunderte bis sie ein einzelnes, würdiges Wesen entdecken von dem sie überzeugt sind, dass dieser das Ende der Verwandlung erleben wird.

✤ Text verfasst von Razorback