Wochenende in Manitoba von Vampyrsoul ================================================================================ Kapitel 10: ------------ Ich fing Channing auf und setzte lich lachend auf dem Boden ab. »Ist alles in Ordnung?« »Ja, alles gut.« Le lächelte und befreite sich von meinen Händen. »Danke, dass du es versucht hast.« »Kein Problem. Besser als hättest du erst beim Training bemerkt, dass das so nicht geht.« »Dennoch, deine Tipps waren echt klasse und sind sicher Gold wert. Hast du dir mal überlegt, wenn du selbst nicht mehr turnen kannst, Trainer zu werden?« Le schnappte sich die Handtücher von der Couch. Mit einem tupfte le sich ab, das andere gab le mir. Mit einem Nicken nahm ich es lir ab. »Danke. Vielleicht. Ich hoffe ja, dass es bis dahin noch ein paar Jahre sind.« »Du solltest es dir wirklich überlegen. Du hast super viel Erfahrung und kannst gut erklären. Außerdem macht das total viel Spaß mit den Kindern.« Eher ablehnend zuckte ich mit den Schultern. »Ich kann nicht so gut mit Kindern. Vermutlich würde ich eher die Amateure trainieren.« Le seufzte und verdrehte dabei die Augen. »Izzy, du solltest wirklich lernen, dir mehr zuzutrauen. Vertrau mir, du könntest auch Turnierakrobaten trainieren. Du solltest es wirklich versuchen.« Ich wischte mit dem Handtuch über mein Gesicht, damit le nicht bemerkte, dass ich rot wurde. Ich wusste doch selbst, dass ich mich manchmal kleinredete. »Oh, ihr seid auch fertig?« Summer kam die Treppe herunter. »Wollt ihr dann eure Lieblinge sehen?« »Natürlich!« Channing ließ sich auf der Kante der Couch nieder und sah gespannt zur Treppe. Ich setzte mich daneben und legte meine Hand leicht auf leine, da le sie nervös miteinander verknotete. Ich konnte mir Ryan auch nicht mit Make-up vorstellen, daher verstand ich leine Aufregung. Anderseits half mir der Körperkontakt, selbst nicht zu angespannt zu sein. »Gut, dann können wir ja anfangen. Meine verehrten Menschen, hiermit eröffne ich die erste Westbourne-Makeover-Show.« Channing und ich sahen uns kurz an, grinsten, dann klatschten wir übertrieben begeistert. Was hatten wir auch erwartet, wenn wir die fünf allein ließen? »Unser erster Kandidat ist Ryan ... Fass-mir-nicht-ins-Auge. Gestylt wurde er von der wunderbaren Gail, die ihm nicht nur die Haare geschoren, sondern auch ein bezauberndes Make-up aufs Gesicht gezaubert hat.« Hinter der Ecke trat Ryan hervor und lief die Treppe hinunter. Er hielt genau auf Channing und mich zu. Le hielt verblüfft den Atem an. Ryan sah wirklich umwerfend aus. Es war eine gute Idee gewesen, Gail diese Arbeit zu überlassen, weder Summer noch Abby hätten die Erfahrung gehabt, die Farben so gut auf seinen Teint abzustimmen. Ich hatte keine Ahnung, wie sie es hinbekommen hatte, aber sein Gesicht wirkte schmaler, die einzelnen Partien waren stärker betont, wobei es bis auf einen leichten, sicher beabsichtigen, Silberschimmer komplett natürlich aussah. Gleichzeitig überdeckte es kaum den Dreitagebart, was ihn auf mich sehr attraktiv wirken ließ. Den Augenlidern hatte sie ein sanftes Blau und – wie ich erkannt, als er näherkam – kleine Strasssteinchen verpasst. Lediglich den fast weißen Lippenstift fand ich nicht so schön, doch er schien sich damit wohlzufühlen. Vor seinem Freundil blieb er stehen und hob fragend die Augenbraue. Ein paar Mal öffnete le den Mund und schloss ihn wieder, dann hauchte le: »Wow!« »Ist das ein gutes oder ein schlechtes Wow?« Ich hatte ihn noch nie so verlegen gesehen. Er lachte leicht und führte den angewinkelten Finger zum Mund, als wollte er sich auf den Knöchel beißen. Channing stand auf, hielt die Hand fest und küsste ihn. »Ein gutes Wow.« »Das ist gut zu hören. Es hat nämlich echt viel Arbeit gemacht, weil er einfach nicht stillhalten wollte.« Ich war so fokussiert auf Ryan, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass Gail ihm gefolgt war. »Nein, du hast gute Arbeit gemacht.« Channing ließ leinen Partner los und ging zu Gail, um ihr ebenfalls einen sanften Kuss zu geben. Vor Freude strahlte sie und fuhr dann mit der Hand über die Stoppeln auf Ryans Kopf. Offenbar war sie der Meinung, dass radikal kurz die beste Option war. »Dann musst du mal sehen, was Abby gemacht hat.« Sobald wir saßen, räusperte sich Summer und verkündete: »Unser zweites Modell ist Steve Kleeblatt. Die Schermaschine wurde von Abby geführt, die auch für das farbenfrohe Make-up verantwortlich ist.« Oh Gott! Abby hatte ihm doch hoffentlich nicht auch die Haare geschoren! Erleichtert atmete ich auf, als Steve im Gegensatz zu Ryan nicht langsam die Treppen herunterkam, sondern immer zwei Stufen auf einmal nahm und dann die letzten drei heruntersprang. Er hatte seine Haare noch, Abby hatte lediglich den Undercut nachgeschnitten. Dafür hatte sie die – zugegebenermaßen sehr unnatürlich aussehende – schwarze Farbe daraus entfernt. Jetzt waren sie mittelbraun und die vordersten Strähnen erstrahlten in leuchtendem Grün. Das passte sich auch dem Make-up an, das er im Gesicht trug. Es war nicht ganz so auffällig wie bei Ryan, sondern sehr dezent und betonte seine grau-grünen Augen. Strahlend kam er auf mich zu und sprang mir schon fast auf den Schoß. Triumphierend hielt er mir die Fingernägel unter die Nase, die eine ähnliche Farbe angenommen hatten wie seine Haarsträhnen. »Schau mal, wie toll die geworden sind!« Damit er nicht runterfiel, legte ich einen Arm um seine Taille und rutschte noch ein Stück auf die Couch. Ich nahm seine Hand in meine und betrachtete sie eingehend. Die Nägel waren nicht durchgängig grün, Abby hatte sie mit feinen blauen Strichen verziert und jeweils an den kleinen Finger ein rotes Steinchen geklebt. Sanft strich ich mit dem Daumen über Steves Handrücken. »Das ist wirklich fantastisch.« Ich sah kurz auf, um Abby ansehen zu können, die die Treppe herunterkam. »Danke dir.« Sie lächelte nur und winkte ab. Ich hätte sowieso keine Aufmerksamkeit mehr für sie übergehabt, da mir Steve um den Hals fiel und sich an mich drückte. »Danke, danke, danke!« Um kein Make-up im Gesicht zu haben, küsste ich ihn in die Halsbeuge. Wer hätte ahnen können, dass ihn eine solche Kleinigkeit so glücklich machen würde. »Bitte schön. Hauptsache, es gefällt dir.« »Ja, total!« Er lehnte sich etwas zurück und sah auf seine Nägel. »Schade, dass ich das morgen früh schon wieder abmachen muss.« Hilfesuchend sah ich auf, doch auch meine Freunde schienen ratlos und schauten etwas betreten drein. Also war es an mir, ihn wenigstens etwas zu trösten: »Lass es doch wenigstens die Fahrt über drauf. Ich wollte eh Abby und Gail erst zu Hause absetzen, bevor ich dich wegbringe. Dann kommst du kurz mit hoch und wir machen das ab.« Meine beiden Freundinnen nickten bekräftigend, als Steve kurz zu ihnen sah. Und sofort strahlte er wieder. »Und was sagst du zu den Haaren?« »Steht dir. Geht das denn mit deinem Job in Ordnung?« »Das ist nur Sprühfarbe, die geht nach einmal waschen raus«, erklärte Gail, die es sich mittlerweile gemeinsam mit Summer ebenfalls auf der Couch bequem gemacht hatte. »Ich war schon froh, dass ich Entfärber gefunden habe, dann auch noch richtige Haarfarbe zu finden wäre wirklich Glück gewesen.« »Das ist der Vorteil, wenn so viele Leute im Haus ein- und ausgehen: Im Laufe der Zeit hat man von allem etwas da, weil jeder irgendwas vergisst«, erklärte Ryan, bevor ich nachfragen konnte, warum sie so etwas überhaupt hatten. »Was sagst du eigentlich zum Make-up?«, fragte Gail. »Das sieht doch richtig cool aus, oder?« Kurz überlegte ich, dann entschied ich mich, die Wahrheit zu sagen. »Es sieht ganz gut aus, aber ehrlich gesagt, gefällt mir Steve ohne besser.« Er grinste. »Das ist gut, ich mag es nämlich auch nicht so. Es ist ganz witzig, das Mal auszuprobieren, aber ich glaub, es ist nicht so ganz meins. Aber Abby hat mir noch gezeigt, wie ich ganz dezent, welches raufmachen kann. Ich glaub, das mach ich irgendwann mal.« »Klar. Wenn du willst, kannst du dafür zu uns kommen. Wir haben einiges da«, bot ich ihm an. Statt darauf zu antworten, drückte er mir einen Kuss auf die Lippen und lehnte dann den Kopf gegen meine Brust. Einen Moment später murrte er und erhob sich von meinem Schoß. »Ich seh nichts.« Kurz war ich über die Aussage verwirrt, dann wurde mir klar, dass die anderen rechts von mir saßen, er in dieser Haltung aber das Auge verdeckte. Bevor ich den Entschluss fassen konnte, mich ans andere Ende zu setzen, fragte Gail: »Wo hast du jetzt eigentlich Agathe? Du wolltest uns doch noch was zeigen.« »Ach ja!« Steve sprang auf und rannte erst zum Esstisch, dann in die Küche. »Oben, neben dem Bett«, klärte ich ihn auf, bevor er verzweifelte. Mir war schon oft aufgefallen, dass er Dinge liegenließ und dann fast vergaß, daher hatte ich es lieber nach oben gebracht, bevor es in der Küche verloren ging. »Danke!« Er rannte an mir vorbei, gab mir einen erneuten Kuss auf die Wange, dann verschwand er nach oben. »Lass mich raten, was du denkst: So süß!«, feixte Summer und stieß mir mit de Ellenbogen in die Rippen. »Du hast regelrecht Herzchen in den Augen, wenn du ihm nachsiehst.« Channing lächelte mich an, als ich wieder zu ihnen sah. »Gail, du solltest aufpassen. Wenn er so weitermacht, dann läuft er dir nicht nur den Rang bei Izzy ab, sondern auch noch den als die aufgedrehteste Person von uns«, neckte Ryan meine beste Freundin. Bevor ich reagieren konnte, saß diese mit dem Rücken zu mir auf meinem Schoß. »Das glaubst aber auch nur du. Izzy nimmt mir niemand weg.« »Richtig. Darf ich dich trotzdem darauf hinweisen, dass du schwer bist?« Sie schnaubte beleidigt und machte sich bewusst noch schwerer. Ächzend ergab ich mich meinem Schicksal. Als Steve einen kurzen Moment später wieder nach unten kam, warf er ihr einen verwunderten Blick zu, bedeutete ihr mit einer Handbewegung aber, sitzen zu bleiben. Er hockte sich mitten zwischen die anderen, schaltete sein Handy an und suchte etwas. »Da!« Er hielt es in die Runde und zeigte allen das Bild, das er auch mir am Vorabend gezeigt hatte. Unweigerlich verzog ich erneut das Gesicht. Wer war dieser Typ? »Oh, das sieht auch echt gut aus. Schade, dass wir nicht so viel verschiedenen Nagellack hier hatten«, bedauerte Abby, als sie auf den Bildschirm sah. »Das steht dir wirklich.« »Du hast das trotzdem gut hinbekommen«, lobte er sie. »Und das ist dein Freund, der dir das gemacht hat?«, fragte Ryan und deutete auf den anderen. Steve nickte. Summer sah sich das Bild ebenfalls noch einmal genauer an und stockte. »Ist das nicht ... das ist doch Samsa, oder?« Steve sah verwundert auf und nickte erneut. »Ja. Woher kennst du ihn?« »Er war mal Sänger in einer Band, die vor ein paar Jahren sehr bekannt war. Death Demons. Das müsste dir doch auch was sagen, oder?«, wandte sie sich an mich. Ich überlegte kurz. Ja, doch, das sagte mir etwas. Sie waren wirklich sehr angesagt gewesen und dann genauso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Das Schicksal vieler Bands. »Ja, gab es da nicht irgendeinen Skandal?« »Welchen meinst du denn? Dass sie sich getrennt haben, weil der Gitarrist drogenabhängig war, oder dass sie es sich ziemlich mit ihren Fans verscherzt haben, weil sie Fanfiktions über sich verboten haben und sogar gerichtlich dagegen vorgegangen sind?« Summer rümpfte die Nase. Ich schüttelte den Kopf. Nein, nichts davon sagte mir etwas. »Vermutlich erinnert sich Izzy eher daran, dass der Sänger – Samsa war’s? – und der Gitarrist – keine Ahnung, wie der hieß – gerüchteweise ein Paar waren«, mutmaßte Abby. »Ich kann mich aber auch nur wegen der vielen aufgebrachten Fanfiktionschreiber*innen an die erinnern. Angeblich sollen die die Fics nur verboten haben, weil sie zu nah an der Wahrheit waren.« »Stimmt das eigentlich?«, fragte Summer an Steve gewandt nach. »Du scheinst ihn ja zu kennen, weißt du das?« Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete, hatte ich das Gefühl, dass er etwas bleicher geworden war. Für einen Moment sah er Summer einfach nur an, dann schüttelte er hastig den Kopf. »Nein, keine Ahnung.« Kurz tauschte ich einen Blick mit meiner besten Freundin. Hatte sie das auch bemerkt? Ja, auch sie schien besorgt. »Ich muss aber zugeben, ich kann mit dem Bandnamen nichts anfangen. Ich kannte bis zu unserem Treffen nur einen Nickname von ihm. Erst da hab ich erfahren, dass er Musiker ist, aber wusste nicht, dass er so bekannt war.« Gut, vielleicht musste ich mir doch keine Sorgen machen. Vielleicht war er einfach nur wegen des Bekanntheitsgrads seines Bekannten nervös geworden. Zumindest wirkte diese Antwort schon bei Weitem nicht mehr so nervös und fahrig wie die zuvor. »Dann hast du auch noch nie seine Musik gehört?«, fragte Gail nach und stand bereits auf. »Nee, noch gar nicht. Wäre interessant.« Langsam schien sich Steve wieder zu beruhigen. Gail schaltete die Wii an, nahm eine Fernbedienung mit und loggte sich dann darüber ins Internet ein. Routiniert navigierte sie, bis sie auf Youtube ein Video aufrief. Während alle anderen gespannt darauf warteten, dass es startete, erhob ich mich von der Couch. Schon die Vorschau des Kerls, der halbnackt auf der Bühne stand, war mir zu viel. »Ich geh mal duschen.« Nur Channing sah mich kurz an, die anderen nickten als Zeichen, dass sie mich verstanden hatten, nahmen den Blick aber nicht vom Fernseher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)