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A Cats' Fishing Ground

von
Koautor:  Caracola

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35. Kapitel

Die Wellen spülten Wasser um seine Hüften. Das Meer rauschte laut in seinem Rücken und vor ihm lag die kleine Insel so ruhig da, dass sie fast unbewohnt wirkte.

Zin runzelte die Stirn und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es richtig war, Viola von hier weg zu holen. Natürlich war es ihre eigene Entscheidung und er würde sie zu absolut nichts zwingen, aber ...

Er hatte die neuen Konstruktionen vor der Küste gesehen. Stählerne Gerippe, die über der Wasseroberfläche emporragten wie düstere Skelette.

Bei dem Gedanken kroch eine Gänsehaut über Zins Arme. Seine Miene wurde hart und für einen Moment so düster, wie ihn kaum jemand je sah. Für ihn stand fest, dass er von hier wegwollte. Und dass Viola mit ihm kommen sollte. Nicht allein, um ihn glücklich zu machen, sondern um sie zu beschützen. Vor den Menschen und dem, was sie noch alles zerstören würden.

Die Vorstellung, dass man eines Tages Violas Natur entdecken und was man dann mit ihr tun würde, wollte Zin den Magen umdrehen. Nein. Sie musste hier weg.

Es mochte feige sein, sich einfach aus dem Staub zu machen. Aber was brachte es, sich töten zu lassen?

Langsam lief Zin den ansteigenden Strand hinauf, trat aus dem Wasser und ließ die Tropfen an sich hinunterlaufen, bevor er sich sehr viel langsamer in Bewegung setzte.

Auf dem Weg hierher, über diese ganzen Kilometer ... hatte er sich Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde, sie wieder zu sehen. Vielleicht hatte sie sich verändert. Vielleicht ... hatte sie entschieden, ihn aus ihrem Leben zu streichen.

Verdenken konnte Zin ihr das nicht wirklich. Er hatte sie sehr viel länger hier wartenlassen, als er es selbst gewollt hatte. Jeder Tag, jede Woche, die verstrichen war, hatte ihn mürber gemacht. Die Zeit hatte an Zin genagt und ihn oftmals unsicher gemacht.

Trotzdem wollte er nicht zurück.

Schritt für Schritt lief er auf das Haus zu, das ihm inzwischen schon fast wieder fremd erschien. Wie viele Tage hatte er hier verbracht? Er konnte sich nicht erinnern. Aber es waren gute Tage gewesen. Und gute Nächte.

Mit einem unsicheren Schmunzeln blieb er vor der Terrasse stehen und blickte zur Eingangstür hinauf. Er erinnerte sich an den Tag, als er sich aus dem Fenster geworfen hatte, um nicht entdeckt zu werden. An die Situation, als Viola versucht hatte, ihn mit Jod direkt auf die Kiemen zu behandeln und er das Gefühl gehabt hatte, sie wollte ihn umbringen, anstatt ihm zu helfen.

Sein Lächeln wurde breiter.
 

Viola stand vor dem Badezimmerspiegel nur mit einem Handtuch bekleidet und wollte gerade ihre feuchten Haare föhnen, als Flocke plötzlich überraschend von ihrem Platz auf der Waschmaschine aufsprang und zur Tür hinausflitzte, als regne es draußen plötzlich Fische und sie könnte den Schauer verpassen.

Eigentlich nichts, was Viola beunruhigt hätte. Doch gerade, als sie den Föhn einschalten wollte, hörte sie ihre Süße auch schon bitterlich maunzen, als würde der dreibeinigen Katze tatsächlich ein Fischschauer entgehen, da alle Türen für die Nacht verschlossen waren und sie nicht raus konnte.

„Da muss wohl jemand dringend sein Geschäft verrichten, was Süße?“

Seufzend legte Viola den Föhn wieder zur Seite und rubbelte stattdessen mit einem zweiten Handtuch noch etwas weiter an ihren Haaren herum, während sie durch den leeren Flur in die karge Wohnküche ging, um Flocke über die Terrassentür hinauszulassen, damit diese ihr kein stinkendes Präsent auf dem Teppichboden hinterlassen konnte. Als Dankeschön sozusagen, da Viola mal wieder nicht ihren Arsch hochgekriegt hatte. Wäre nicht das erste Mal, obwohl das zum Glück selten vorkam.

Mit einer Hand den Knoten des Handtuchs festhaltend, der sich langsam lockerte, warf sie sich das andere Handtuch um die Schultern und schob die Terrassentür auf, um ihre Süße in die Nacht zu entlassen.

„Na los, ab in die Freiheit.“

Viola wollte die Tür schon wieder zuschieben, als sie mit einem Schlag erstarrte.

Da in der Wohnküche alle Lichter brannten und sie die Terrassenbeleuchtung nicht eingeschaltet hatte, konnte sie nicht viel erkennen, zudem war sie auch nicht gerade aufmerksam gewesen, aber der Geruch, den ihr da der Wind zugetragen hatte, den hätte sie nicht ignorieren können.

Es roch nach ihrem Lieblingsduft. Meer und Mann in einem.

Beinahe knickten ihr die plötzlich viel zu weichen Knie ein, als Viola hoch und die ihr immer noch so vertraute Silhouette eines Mannes sah, der da nur wenige Meter von ihr entfernt in der Dunkelheit stand und um dessen Beine ein weißer, haariger Fleck herumstrich.

„Z-Zin ...?“

Sie brachte es fast nicht über die Lippen, während ihr auch noch ihr Herz mit nur wenigen Schlägen fast aus der Brust springen wollte.

Erneut trug der Wind ihr seinen Duft zu und dieses Mal war sie sich sicher. Er war es. Er musste es einfach sein, obwohl sie es immer noch nicht glauben konnte.

Doch das war im nächsten Augenblick auch schon völlig unwichtig, als sie sich mit einem kurzen spitzen Schrei von der Stelle löste und Zin ansprang, als wäre der Boden plötzlich zu heiß für jede weitere Berührung und sie könne sich nur so davor in Sicherheit bringen. Sie brauchte nur eine Sekunde lang seine Haut zu berühren und Viola war sich seiner sicher. Es war Zin, um die sich da ihre Arme und Beine besitzergreifend schlangen und ihn so fest hielten, als könne er sich jeden Moment wieder in Luft auflösen.

„Zin!“, entkam es ihr wieder, doch dieses Mal sehr viel sicherer, während sie ihr Gesicht gegen seine Halsbeuge presste und tief seinen Duft inhalierte. Dabei störte es sie kein bisschen, dass seine Haut immer noch nassfeucht vom Meer war und salzig schmeckte. Ganz im Gegenteil, sie bekam einfach nicht genug davon.
 

Als die Tür sich unerwartet öffnete und einen Lichtstrahl ins Freie ließ, machte Zins Herz einen Satz. Er erschrak und zuckte innerlich so stark zusammen, dass er sich am liebsten ausgelacht hätte. Trotzdem konnte er nichts dagegen tun, dass er da stand, wie vom Donner gerührt.

Dass sich vibrierendes, warmes Fell gegen seine Waden drückte und Flocke sich um seine Aufmerksamkeit bemühte, registrierte Zin nur ganz am Rande seines Bewusstseins.

Sein Blick hatte sich an dem Schemen im Rahmen der Tür festgebrannt. Und obwohl ihm das Licht in den Augen kribbelte, wagte er nicht einmal zu blinzeln.

Nach einer Weile wollten sich zumindest seine Lippen bewegen, er wollte sagen, dass er es wirklich war. Dass sie nicht denken musste, er würde nicht hier stehen und sie würde sich vielleicht täuschen.

„Vi–“

Mehr brachte er nicht zustande, denn er brauchte all seine Reaktionsschnelle, um seine Arme zu heben und sie rechtzeitig um den Körper zu schlingen, der sich mit einem unzweideutigen Schrei auf ihn warf.

Zin kam ins Schwanken und das nicht nur körperlich, als Viola sich um ihn wand, sich an ihm festkrallte und ihren Kopf so fest an seinen Hals presste, dass er Sorge bekam, sie würde ihn im nächsten Moment mit Haut und Haar verspeisen.

Nicht, dass Zin etwas dagegen gehabt hätte.

Ohne darauf zu achten, dass Viola ihm fast die Luft aus den Lungen drückte, schloss er seine Arme um sie, hielt sie fest und legte seine Wange an ihr Haar.

„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.“
 

Es war ... ein merkwürdiges Gefühl. Sie konnte ihn riechen, ihn schmecken, ihn fühlen und sogar hören, aber irgendwie wollte ihr Verstand es immer noch nicht ganz glauben. Egal wie fest sie sich an ihn klammerte, Viola hatte immer noch Angst, er könnte sich jeden Moment in Luft auflösen, weshalb sie gar nicht weiter reagierte, außer sich weiterhin an ihm festzuhalten, bis das Gefühl langsam in sie sickerte.

Da war seine angenehm kühle Haut, die fühlbaren Narben auf seinem Rücken. Sein Atem, der über ihr Haar strich. Wie er sie festhielt, obwohl sie ihn fast ersticken musste.

Erst da ließ sie nur ein winziges Stückchen lockerer, damit Zin atmen konnte, aber bestimmt war er auch wahnsinnig müde. Immerhin war er wirklich lange weg gewesen und das kam mit Sicherheit auch davon, dass es ein verdammt langer Weg gewesen war.

Sie war wirklich eine schöne Freundin, dass sie ihn so überfiel!

„Mir tut es leid“, hauchte Viola leise, ehe sie sich langsam von Zin löste und auf ihre wackeligen Beine kam.

Ohne ihm in die Augen zu schauen, nahm sie seine Hand in die ihre und führte ihn zum Haus.

„Du musst völlig erledigt sein. Komm rein und setz dich. Hast du ... hast du vielleicht Hunger?“

Gott, was war nur mit ihr los? Wieso benahm sie sich plötzlich so angespannt, nachdem der erste Freudenschub vorüber war?

Es war nicht so, dass Viola Zin nicht sofort auf der Stelle noch einmal wie ein Klammeräffchen hätte anfallen können, viel eher lag das Problem darin, dass sie es zu sehr wollte. Dass sich an ihren Gefühlen für ihn offenbar während der langen Zeit nicht das geringste verändert hatte, nein, sie waren wohl eher intensiver geworden. Viola hatte fast Angst davor, es zu zeigen. Es war so lange her, seit ihrem Abschied. Es konnte sich so viel verändert haben.

Zin könnte sich verändert haben ...
 

Zin lächelte und hätte sich dafür ohrfeigen können, dass er es so nichtssagend tat. Bei allen Meeren, er hatte sie so sehr vermisst! Er hatte von ihr geträumt und war voller Sehnsucht aufgewacht, weil sie nicht bei ihm gewesen war. Und jetzt ... konnte er sie nicht einmal wirklich ansehen, ohne ... ohne sich seltsam dabei zu fühlen.

So unsicher kannte Zin sich überhaupt nicht. Jede Faser seines Körpers schien angespannt und seine Augen flitzten so unruhig hin und her, als müsste er jede Sekunde, die verging, auf irgendein Zeichen hin überprüfen. Was für ein Zeichen das sein sollte, wusste er selbst nicht. Vielleicht ... wollte er nur bestätigt sehen, dass das eben dort draußen keine Überreaktion gewesen war. Viola hatte sich auf ihn gestürzt und jetzt sah sie ihn an, als wüsste sie nichts weiter mit der Situation anzufangen.

Ob es ihr so ging wie ihm?

„Nein. Nein, danke.“

Seine Stimme klang hohl und abwesend. Das lag aber nur daran, dass ihn Essen nun wirklich keinen Deut interessierte. Er wollte ...

Diesmal zuckte er wirklich zusammen, als ein lautes Geräusch ihn von hinten überfiel und ihn erschreckte. Doch im nächsten Moment musste Zin so laut lachen, dass der Schreck und die Anspannung mit einem Schlag von ihm abfielen.

Immer noch mit einem breiten Grinsen ging er in die Hocke und streichelte Flocke am Kopf. Die kleine, schneeweiße Katze hatte sich hinter ihm in Positur gesetzt und so beleidigt ein Maunzen von sich gegeben, dass Zin wirklich zusammengefahren war. Jetzt entschuldigte er sich ausführlich bei der eingeschnappten Dame und versuchte es mit Kraulen und Streicheleinheiten wieder gut zu machen.

Erst, als endlich ein zufriedenes Schnurren erklang, sah er zu Viola hoch, die sich keinen Zentimeter bewegt zu haben schien.

Der Ausdruck in Zins Augen wurde weich und drückte endlich die Gefühle aus, die er schon die ganze Zeit eigentlich hatte, in die Welt hinausschreien wollen.

In einer geschmeidigen Bewegung stand er auf, ging auf Viola zu und blieb so dicht vor ihr stehen, dass er ihre Wärme auf seiner Haut spüren konnte. Sein Zeigefinger strich die Linie ihres Gesichts bis zu ihrem Kinn hinunter, das er dann vorsichtig anhob.

„Ich habe dich vermisst.“

Es war die absolute Wahrheit, und obwohl Viola sich nicht wehrte, war es doch ein vorsichtiges, schüchternes Herantasten, als er seinen Kopf senkte, seine Lippen den ihren näherte und diese eine Sekunde auf ihre Zustimmung wartete, bevor er es wagte, sie zu küssen.
 

Viola hätte eifersüchtig auf Flöckchen sein müssen, wären ihre eigenen Gefühle nicht so chaotisch, dass sie kaum zusammenhängend denken konnte. Da beneidete sie das fast schon schlichte Gemüt ihrer Katze, die offen zeigen konnte, was sie wollte und es auch bekam.

Doch nur allzu schnell wandte sich Zin wieder ihr zu und je näher er ihr kam, umso wilder begann ihr Herz zu schlagen. So dass sie nicht nur wegen des viel zu lockeren Knotens des Handtuchs ihre Hand darauf legte, um es wieder einmal festzuhalten.

Viola stockte der Atem, als sie Zins Finger auf ihrem Gesicht spürte. Eine Gänsehaut überzog ihren ganzen Körper, während sie wie elektrisiert einfach nur in seine wunderschönen Augen sehen konnte.

Oh Gott, sie hatte ihn doch auch so wahnsinnig vermisst. Sie hatte –

Der Bann brach mit der Berührung seiner Lippen auf den ihren. Da war nur noch ein Moment des Zögerns, als sie die samtene Kühle auf sich spürte, ehe sich ihre anfängliche Unsicherheit in eine geballte Form von den Gefühlen umwandelte, denen sie permanent während Zins Abwesenheit ausgeliefert gewesen war.

Viola ließ den Knoten ihres Handtuchs los und schlang erneut die Arme um Zins Nacken, doch dieses Mal, um ihn ungeniert und in Anbetracht all ihrer Gefühle küssen zu können. Sehnsucht lag darin. Sowie eine fast schon strafende Wildheit, aber auch Besitzanspruch.

Er gehörte ihr. Er war ihr Mann, das machte sie mit jedem ihrer Küsse klar und deutlich. Ebenso, wie Viola ihm mit ihrem ganzen Körper zeigte, dass sie die Seine war. Aber irgendwie ... reichte das nicht ...

Das Handtuch konnte dem nicht lange standhalten und rutschte schließlich zu Boden, dort wo auch das andere schon längst gelandet war. Doch Viola störte sich nicht daran. Da war nur Haut an Haut. Wärme an Kühle und ihr Herz, das wie wild so dicht an dem von Zin schlug.

„Ich ... liebe dich!“, kam es Viola keuchend zwischen zwei Küssen über die Lippen, während sie sich noch enger an Zin drängte.

„Ich hätte ... es dir ... früher sagen ... sollen ...“

Sie drängte Zin weiter zurück in Richtung Couch, ohne auch nur eine Sekunde von ihm abzulassen, bis er sich gezwungenermaßen darauf niederlassen musste, da Viola ihm gar keine andere Wahl ließ.

Sofort war sie auf seinem Schoß und küsste ihn noch verzweifelter, während Viola eine einsame Träne über die Wange lief.

„Bitte ... geh nie wieder weg ... Zin!“
 

Anstatt irgendetwas zu sagen, schlang er seine Arme fest um sie, schloss die Augen und ließ sich auf das Gefühl ein, das ihre Worte bei ihm auslösten. Was Violas ganzes Verhalten bei ihm auslöste.

Seine Hände fanden erneut ihr Gesicht, sein Daumen strich sanft eine Träne von ihrer Wange und unter gesenkten Lidern sah er zu ihr hoch. Zin wollte nicht, dass sie traurig war.

Dass Viola weinte, schnürte ihm den Hals dermaßen zu, dass er nicht wirklich daran glaubte, dass ihm ein einziges Wort über die Lippen kommen konnte. Vielleicht klang er deswegen ein wenig kratzig, als er ihr versicherte, dass er nicht fortgehen würde.

Zumindest nicht ohne dich, fügte er im Stillen für sich hinzu.

„Viola, es tut mir so leid, dass ich dich verletzt habe. Wäre es nicht nötig gewesen, ich wäre gar nicht gegangen.“
 

„Das ... Das weiß ich doch ...“, flüsterte Viola so leise, dass man es kaum hören konnte. Doch Zin musste es gehört haben, denn sie sprach es knapp an seinem Ohr aus, ehe jegliche Spannkraft sie verließ und Viola sich gegen seinen Körper sinken ließ. Einen Arm schlang sie um seinen Rücken, während ihre andere Hand auf seiner Brust zum Liegen kam. Ihre Stirn lag an seiner Halsbeuge gekuschelt und nur langsam beruhigte sich ihr Atem wieder.

„Sonst hätte ich dich gar nicht erst gehen lassen.“ Und das sagte sie mit einem gewissen Hochmut in der Stimme, immerhin hätte sie schon Mittel und Wege gewusst, um Zin bei sich zu behalten. Gerade deshalb hatte sie ihn bei ihrem Abschied so von sich stoßen müssen. Sonst hätten sie sich nie für so lange Zeit getrennt.

„Ist deine Familie denn jetzt in Sicherheit?“

Viola streichelte ihn, schmiegte sich an ihn und sog erneut tief seinen Duft ein. Langsam, wirklich nur sehr langsam, beruhigte sich auch ihr wild pochendes Herz wieder.

Der Sturm war noch in ihrem Bauch, aber für den Moment war er gezähmt. Sie wollte Zin nicht noch mehr schlechte Gefühle einreden, immerhin hatte er richtig gehandelt und keinerlei Wahl gehabt. Sie verstand es also wirklich.
 

Er streichelte ihr weiches Haar und lächelte sanft. Ja, Zin glaubte, dass Viola Wege gefunden hätte, ihn hier zu behalten. Er traute ihr so gut wie alles zu, wenn sie sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatte. Und es war nun einmal für sie beide schwer gewesen.

Umso besser fühlte es sich jetzt an, dass sie wieder zusammen waren.

Mit einem tiefen Atemzug so Zin Violas Geruch ein. Warm und wohlig, wie er es sich oft vorgestellt hatte. Aber in natura noch so viel besser und süßer, als es seine Phantasie je erdenken konnte.

Entspannt schloss er die Augen und erlaubte es sich, den Kopf auf die Kissen der Couch sinken zu lassen und Viola noch ein bisschen fester an sich zu drücken.

„Es geht ihnen gut.“

Vorerst hatten sie einen Ort gefunden, der sich eignete, um eine Weile dort zu leben. Auf etwas Endgültiges wagten sie immer noch nicht zu hoffen. Das wäre auch zu viel gewesen, wenn man die jüngste Vergangenheit bedachte, die den Schwarm aus seiner gewohnten Umgebung gerissen und ihnen die Heimat genommen hatte.

„Es ist schön dort und –“

Er brach ab, ließ seine Worte im Sande der Stille und Flöckchens leisem Schnurren verlaufen. Noch wollte er nicht von Entscheidungen und Zukunft reden, die über die nächsten Stunden hinausging. Zin wollte nur jetzt und hier sein.

Vorsichtig, als könne sie unter ihm zerbrechen, drückte er Viola einen Kuss auf den Scheitel und wickelte sich eine Strähne ihres Haares um den Zeigefinger.

Seine Augen waren immer noch geschlossen und in Zins Innerem wartete die bleierne Müdigkeit wie ein sprungbereites Raubtier darauf, dass er auch nur ein wenig Schwäche zeigte.
 

Viola wartete darauf, dass er weiter sprach; ihr mehr von dem erzählte, was er erlebt hatte und ob die lange Trennung sich am Ende doch ausgezahlt hatte. Doch er sagte nichts weiter, streichelte sie nur und unter ihrer Hand auf seiner Brust wurde auch sein Herzschlag ruhiger.

Es mussten viele Minuten vergangen sein, bis Viola klar wurde, dass Zin hier und heute nichts weiter dazu sagen würde und um ehrlich zu sein, im Augenblick war es ihr sogar lieber so.

Sie konnte es immer noch kaum fassen, dass er endlich wieder bei ihr war und auch ein stundenlanges Gespräch würde im Moment nichts daran ändern. Viel lieber genoss sie seine so intensiv spürbare Nähe und sog jedes noch so winzige Detail in ihren Geist auf. Als müsse sie Rationen anlegen, die sie später brauchen würde, sollte er wieder verschwinden. Doch im Gegenteil zum letzten Mal gab es nun wirklich keinen Grund mehr für sie, Zin so einfach und kampflos gehenzulassen und das würde sie auch garantiert nicht mehr tun.

Er gehörte zu ihr und das würde sie sich nicht nehmen lassen. Aber zu allererst wollte sie sich um ihn kümmern, denn obwohl sie immer noch eine rosarote Brille zu tragen schien, sah sie doch, wie abgekämpft Zin war. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen, und obwohl sie das bei ihm und seiner sportlichen Gestalt nur schwer sagen konnte, sah er auch so aus, als hätte er Gewicht verloren.

Hatte er überhaupt in den letzten Wochen und Monaten einen Tag der Ruhe gehabt? Viola wusste es nicht, aber als sie sich langsam von ihm losmachte und aufstand, um sich das Handtuch erneut um den Körper zu wickeln, nahm sie sich vor, dafür zu sorgen, dass Zin zumindest von jetzt an, etwas Ruhe bekam.

Dass er keinen Hunger hatte, hatte er ihr bereits mitgeteilt. Aber sie wusste auch so, dass es da noch etwas anderes gab, wonach ihm im Augenblick verlangte. Weshalb sie auch sanft seine Hand in die ihre nahm und ihn schließlich von der Couch hochzog.

Ohne Worte führte sie ihn durch das inzwischen spärlich möblierte Haus, in dem kaum noch persönliche Sachen von ihr vorhanden waren, die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer. Dort zog sie die Bettdecke zur Seite und drückte Zin auf die Matratze, ehe sie um das Bett herum ging, dabei das Handtuch über die Lehne ihres Schreibtischsessels hängte und zu Zin unter die Bettdecke kroch.

Sie musste nicht um Erlaubnis fragen und zögerte auch keinen Moment lang, um sich an seine Brust zu kuscheln und ihre Beine mit den seinen zu verschlingen.

Schlafen würde sie zwar sicherlich nicht wirklich können, aber es ging hier auch nicht um sie, sondern um ihren Mann. Alles andere war im Augenblick unwichtig.
 

Ihm fiel am Rande auf, dass das Haus sich verändert hatte. Dass es leerer war, wie ausgeräumt wirkte. Aber er war trotzdem zu dankbar für die Stille zwischen ihnen, als dass er sie mit Fragen hätte unterbrechen können.

Im Schlafzimmer angekommen, ließ er sich ohne Gegenwehr ins Bett drücken, betrachtete Viola mit Neugier, als sie sich das Handtuch vom wunderschönen Körper zog und sich schließlich zu ihm unter die Decke legte.

Kurz dachte Zin daran, dass sein Körper auf diese schöne, nackte Frau, die sich da an ihn kuschelte, auf jeden Fall reagieren würde. Aber obwohl das absolut sicher war, fühlte Zin sich nicht imstande, etwas in diese Richtung zu unternehmen. Wenn er Viola körperlich lieben wollte, nach all dieser Zeit, die sie getrennt gewesen waren, dann bei vollen Kräften. Und daran war nun gerade wirklich nicht zu denken.

Er seufzte leise, schloss sie in die Arme und erlaubte es sich, die Augen zu schließen und das Gewicht der Decke auf seinem Körper zu genießen. Violas Körper neben ihm strahlte Hitze aus, die er schon sehr vermisst hatte. Schon fast vergessen war die Energie, die durch diese Frau pulsierte, selbst wenn sie im Bett lag und schlief.

Sie war einfach ... unglaublich.

„Geht es dir gut?“

Seine Stimme war tief und leise, aber Zin war noch so wach, dass er auf eine Antwort würde reagieren können. Er wollte wirklich wissen, ob es ihr gut ging.
 

Zunächst reagierte sie nicht auf seine Frage, sondern hoffte mehr, dass er bald einschlief und sich endlich seine wohlverdiente Ruhe gönnte, doch sein Atem wurde nicht tiefer. Auch nach einer Weile nicht, also kuschelte Viola sich noch enger an Zin und seufzte leise.

„Jetzt, ja“, war alles, was sie dazu sagen konnte. Obwohl es mehr geflüstert war. Danach blieb sie stumm und reglos und lauschte lange auf Zins Atmung, bis er endlich eingeschlafen war und sie sich wieder etwas entspannen konnte.

Wie sie es sich gedacht hatte, konnte sie sehr lange nicht einschlafen, sondern war unersättlich darin, Zins Herzschlag zu lauschen, ihn vorsichtig und sanft zu streicheln, damit sie ihn nicht aufweckte und seine Rückkehr zu realisieren.

Irgendwann schlief sie dann doch ein, nachdem auch Flocke sich zu ihnen gesellt und es sich bei ihren Füßen gemütlich gemacht hatte.



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