A Cats' Fishing Ground von Darklover ================================================================================ Kapitel 24: 24. Kapitel ----------------------- Viola fühlte sich wie nach einem ausgiebigen Winterschlaf. Nicht, dass sie wüsste, wie es war, einen Winterschlaf zu halten, doch genau so stellte sie sich ihn vor. Eingemümmelt in ein weiches Nest, rundherum Wärme, Geborgenheit und wohltuende Stille. Ihre Glieder waren bleischwer und taten auf eine Weise weh, wie man gerne die Schmerzen hinnahm. Vor allem ihre Oberschenkel zwickten bei jeder noch so kleinen Anspannung und erinnerten sie an die köstliche Art, wie sie gerade diese Muskeln auf eher ungewohnte Art beansprucht hatte. Zufrieden und von einem herrlich männlichen Duft eingelullt, den sie sich am liebsten vor dem Zubettgehen immer aufs Kopfkissen gesprüht hätte, holte sie einmal tief Luft, um noch eine Runde zu schlafen. Sie war träge, faul und absolut nicht in der Stimmung irgendetwas an ihrer derzeitigen Lage zu verändern, obwohl dieser große, schlanke Männerkörper sich beinahe in eine Art beschützendem Käfig um ihren eigenen Körper gewickelt hatte. Sie bekam noch Luft. Alles andere war ihr egal. Trotzdem machte sie es sich noch um eine Spur bequemer, in dem sie ihre Hände und Beine etwas anzog und sich in der männlichen Umarmung an Zins Brust zusammenrollte. Viola war bereits dabei, wieder ins Land der sorglosen Träume abzutauchen, als sie die Nase rümpfte. So stark der herrlich einlullende Duft um sie herum auch war, sie konnte dennoch auch den Gestank von Eisen wahrnehmen. Sie sollte mal ordentlicher aufräumen, wenn sogar alte Pennys es schafften, durch diesen Duft hindurchzukommen. Immer noch leicht angewidert vergrub sie ihr Gesicht an der kühlen Brust, die sich regelmäßig hob und senkte, während sie sich mit ihrer Hand von dem Gestank abzuschirmen versuchte. Nur, dass es damit noch schlimmer wurde. „Was zum ... ?“, nuschelte sie total verschlafen, zog den Kopf etwas zurück und versuchte blinzelnd die schweren Augen zu öffnen. Viola brauchte eine Weile, um überhaupt die Umrisse ihrer Hand erkennen zu können und noch ein gutes Stück länger um die undefinierbaren rostbraunen Flecken darauf zu identifizieren. Als die nötigen Informationen endlich in ihren Gehirnwindungen ankamen, war sie mit einem Schlag hellwach, versuchte aber trotzdem ruhig zu bleiben, da es ja sein könnte, dass sie gerade zum unpassendsten Zeitpunkt ihre Zwischenblutungen bekommen hatte. Nichts, was Zin unbedingt mitkriegen sollte. Nicht nur, weil es verdammt peinlich wäre, neben ihm das Bett voll zu bluten, sondern sie in dieser Phase durchaus dazu neigte, in mörderische Stimmungen zu kommen. Während Viola sich langsam von Zins Armen freimachte, versuchte sie herauszufinden, der Wievielte heute war. Aber um ehrlich zu sein, sie hatte keine Ahnung. Trotzdem war sie erleichtert, als sie sich endlich so weit befreit hatte, dass sie einen Blick an sich hinabwerfen konnte. Die Innenseiten ihrer Schenkel fühlten sich zwar trotzdem etwas verklebt an, aber das lag an dem, was sie letzte Nacht getrieben hatte. Nicht an dem Beginn der Horrorwoche. Gerade als Viola noch einmal erleichtert durchatmen wollte, fiel ihr Blick wieder auf ihre von der Morgensonne beschienene Hand und das getrocknete Blut darauf. Einer grausigen Ahnung folgend, setzte sie sich nun doch ganz auf, aber ganz vorsichtig, damit sie Zin nicht weckte, und sah ihn prüfend an. Dann seinen blutverschmierten Rücken und das vollgeblutete Bettlaken hinter ihm. Dort wo sie ihn gestern Nacht beinahe bis in die Federkerneinlage der Matratze geritten hatte. Die Wut, die mit einem Schlag in ihr hochkochte, war so gewaltig, dass ihr einen Moment lang jedes Wort und vollkommen der Atem fehlte. Sie hatte ihn gestern extra noch gefragt, ob sie ihm wehtat und er hatte eindeutig den Kopf geschüttelt. Was in ihrer Sprache 'nein' bedeutete. „Zin, du verdammter ...“, knurrte sie leise und unfähig den Satz zu Ende zu sprechen, da sie kurz davor war, ihm wirklich wehzutun, dafür, dass er sie so belogen hatte und sie nun das Ausmaß ihrer eigenen Taten entdecken musste. Verdammt noch mal, sie hätten es auch in einer anderen Stellung treiben können. Damit hatte sie keinerlei Probleme. Sie war schließlich niemand, der darauf bestand, oben zu sein! „Du verdammter MASOCHIST!“, brüllte sie ihn schließlich an und schupste ihn unsanft gegen die Schulter, ehe sie sich fuchsteufelswild aus den Laken befreite, aufstand und beinahe auf die Schnauze fiel, weil ihr Fuß sich noch nicht ganz befreit hatte. Sie riss sich einfach los, taumelte zur Tür und schlug sie mit einem lauten Knall, der das ganze Haus zum Wackeln brachte, hinter sich zu. Dasselbe wiederholte sie mit der Badezimmertür. Der Spiegel ihres Badezimmerschranks erlitt beinahe das gleiche Schicksal, hätte sie nicht den Daumen darin gehabt, bevor er wieder aufsprang, und Schmerz sie durchzuckte. Dieses Mal fauchte sie wirklich und schonungslos die ganze Litanei an Schimpfwörtern hinunter, die selbst einen gestandenen Seemann vor Scham hätte erröten lassen. Kochend vor Wut riss Viola die Plastikhülle der frischen Kernseife mit den Zähnen ab und begann dann gründlich ihre Hände zu schrubben, bis das Wasser im Waschbecken wieder klar und nicht mehr rot war. Danach wusch sie sich auch noch Zins restliche Hinterlassenschaften von ihrem Körper, bürstete sich die Haare und Zähne und donnerte wie eine Dampflok aus dem Badezimmer. Fehlte nur noch, dass ihre Nasenlöcher Rauch ausstießen, dann wäre das Bild perfekt. Trotz ihrer Nacktheit. Es riss Zin von der Matratze hoch in die Senkrechte. Sein Hirn war sofort hellwach und wusste, was los war, noch bevor der zweite Knall einer Tür das Haus in seinen Grundfesten erschütterte. Nur ein kurzer Blick auf das Bettlaken genügte, um sich im Klaren darüber zu sein, was Viola so aufregte. Scheiße, das sah aber auch wirklich so aus, als hätte sie ihn mit einem Messer bearbeitet, anstatt wirklich eher kuscheligen Sex mit ihm gehabt zu haben. Dabei war es doch wirklich halb so schlimm gewesen. Seine Kiemen hatten ihm die Muskelzuckungen vielleicht ein bisschen übel genommen. Auch jetzt fühlten sie sich noch taub an. Und das, obwohl er davon gestern nichts bemerkt hatte. Herrgott, er war mit ganz anderen Dimensionen von Gefühlen beschäftigt gewesen! Bevor Sorge über seinen eigenen Zustand sich breitmachen konnte, kam Zin auf die Füße, riss das Bettlaken von der Matratze, knüllte es zusammen und nahm es mit auf den Flur, wo Viola keine Minute später wutschnaubend aus dem Bad gestürmt kam. In ihrer Haltung hätte sie auf jeden angsteinflößend wirken müssen. Und sie wollte wohl auch Zin den Eindruck vermitteln, dass er sich bloß nicht zu weit vorwagen sollte. Wo er doch ein 'verdammter Masochist' war und sie nichts anderes wollte, als von ihm weg! Zumindest, wenn sie es sich nicht gerade anders überlegte und sich so sehr an ihn hielt, dass ihm wegen der ganzen Verwirrung die Luft wegblieb. Ihre Blicke trafen sich. Und Zin hielt stand. Seine Augen schimmerten wie flüssiges Quecksilber und es lag so viel Entschlossenheit in seinem Gesicht, dass es Viola die Millisekunde zu irritieren schien, die er brauchte. Mit zwei langen Schritten war er bei ihr, fasste ihre Handgelenke, drehte Viola so herum, dass ihr Rücken an seinem Bauch lag, und warf dann vor ihr das blutige Laken mit einer ungeduldigen und auch ein wenig ungehaltenen Geste auf den Boden. Zin war klar, dass sie kämpfen würde. Dass sie sich würde befreien wollen. Dass sie ihn anschreien würde. Er ließ ihre Handgelenke los und hielt ihr stattdessen seinen Unterarm ein Stück entfernt vor ihr Gesicht. Sein freier Arm schlang sich dabei sehr viel sanfter als eben noch und in einer deutlichen Umarmung um Violas nackten Bauch. „Beiß hier rein, wenn dir danach ist.“ Er ballte eine Faust, so dass sich die Sehnen und Muskeln in seinem Unterarm vor Violas Gesicht anspannten. „Lass es raus. Und dann ...“ Zin schlang seinen Arm ein bisschen fester um sie, drückte seinen kühlen Körper an ihren warmen Rücken. „... rede endlich mit mir ... Bitte, Viola.“ Als sich ihre Blicke trafen, rechnete Viola absolut sicher damit, dass Zin ihr im nächsten Augenblick ausweichen würde. Das taten diese Feiglinge immer. Jeder Mann, der sie bisher auf die Palme gebracht hatte, zog letztendlich den Schwanz ein und wich ihr aus, ehe er schon bald darauf seine Sachen packte und auf Nimmerwiedersehen verschwand, weil er sich mit keiner Frau abgeben wollte, die in nur wenigen Sekunden dafür sorgen konnte, dass er um seine Eier bangen musste. Mochten es noch so harte Kerle sein. Und die wirklich harten Kerle ließ sie gar nicht erst an sich heran. Denn auf Prügel stand sie nicht, obwohl sie sicher ziemlich gut im Austeilen war. Daher überraschte es sie, dass Zin nicht einmal mit der Wimper zuckte, als sie ihm einen vernichtenden Blick zuwarf, der jeden geringeren Mann in die Knie gezwungen hätte. Umso verblüffter war sie erst recht, als er sie packte, sie einfach so herumdrehte und gegen seine kühle Brust drückte. Das nach Blut stinkende Bettlaken flog an ihr vorbei, und obwohl es die Flecken gut darin verbarg, war der Geruch jedoch ziemlich offensichtlich. Zin ließ ihre Handgelenke los und schlang stattdessen seinen Arm um ihren Bauch, während sie immer noch unfähig war, sich zu bewegen. Er hatte sie so total überrascht. Damit hatte sie einfach nicht gerechnet und sogar ihre Wut ließ deswegen etwas nach. Aber einen richtigen Dämpfer verpasste er ihr, als er seinen Arm vor ihr Gesicht hielt und ihr sagte, sie solle hineinbeißen, um sich abzuregen. Viola starrte einfach nur auf die blasse Haut vor ihr und fühlte, wie ihr Blut in den Ohren rauschte und ihr Herz heftig schlug. Zugleich war sie sich sehr deutlich bewusst, wie nahe sie Zin erneut war und dass die Wildkatze in ihr, sich am liebsten einfach nur an ihm gerieben und geschnurrt hätte, um sich anschließend um ihn und seine Verletzungen zu kümmern. So wie sich eine annähernd anständige Frau ihrer Art, um 'ihren' Mann gekümmert hätte. Zumindest glaubte Viola das. Scheiß auf die Vernunft! Sie begann unterschwellig zu knurren, als sein letzter Satz sie sehr deutlich an etwas erinnerte, das ihr gar nicht gefiel und obwohl sie eher wegen des bevorstehenden Verlusts wie ein kleines Mädchen heulen sollte, siegte doch immer noch die Wut über alles andere. Das Knurren schwoll noch mehr in ihrer Brust an und ließ ihren ganzen Körper vibrieren, während sie immer noch Zins Arm anstarrte und ihre Hände still an ihr hinabhingen, so als würde sie immer noch überlegen, ob sie nun zubeißen sollte oder nicht. Oh, sie würde Zin gerne wehtun. Da brauchte sie sich keine Illusionen zu machen und er sich bestimmt auch nicht, aber sie wollte es nicht auf diese Art tun. Sie war vielleicht halb Tier, aber sie war auch halb Mensch und somit ein instinktgesteuertes Wesen mit logischem Denkvermögen. Viola packte äußerst flink seinen Arm und hielt ihn mit hartem Griff fest, so dass ihre Fingerknöchel weiß wurden und sie ihm bestimmt wehtat. Wenn auch nicht sehr. Aber es gab ihr kein Gefühl der Befriedigung. Das war es schließlich nicht, was sie wollte. Verdammt noch mal, sie hatte noch nie über einem Kerl von 'ihrem' Mann gedacht. Das Bedürfnis kannte sie nicht und umso mehr hatte diese Empfindung plötzlich ihre Gedanken fest im Griff. So fest, wie sie Zins Arm hielt. Das Knurren arbeitete sich nun ihre Kehle hinauf und ließ ihre zusammengebissenen Zähne vibrieren, bis ihre Kiefer knackten und sie die Anspannung daraus löste und das Knurren abrupt abbrach. „Glaubst du, ich würde es nicht tun?“ Ihre Stimme war schneidende Kälte und doch gefährlich leise. Fast ein Flüstern. „Glaubst du, ich würde dir nicht das Fleisch von den Knochen ziehen, wenn mir danach wäre?“ Viola drehte leicht den Kopf zur Seite, so dass sie in ihrem Augenwinkel Zins Schulter sehen konnte und zugleich dem Verlauf seines Armes folgte. „Glaubst du, dass mir dein Arm dafür auch nur annähernd genügen würde?“ Langsam, so dass er es kommen sah und selbst so weit nachgab, wie nötig, drehte sie sich zuerst in seiner Umarmung leicht auf die Seite, ließ dann sogar seinen Arm los, um sich dann ganz zu ihm herumzudrehen, so dass ihr Brustkorb nun gegen seinen gedrückt wurde und sie zu ihm aufsehen konnte. Sie raste vor Wut und war zugleich erfüllt von etwas völlig Neuem. Etwas, das sie nur einmal in seine wunderschönen Augen sehen ließ, ehe sie Zins Hals fixierte. Langsam, so dass Zin ihre völlig normalen Hände sehen konnte, obwohl sie am liebsten die Krallen ausgefahren hätte, hob Viola ihre Arme und legte sie um seinen Nacken. Nicht fest, aber auch nicht in einer liebevollen Geste. Noch einmal blickte sie in seine Augen, ehe sie überraschend schnell ihre Arme doch fester um seinen Nacken schlang und ihren Mund auf die Stelle an seinem Hals presste, bei der sie selbst immer total schwach oder wohl eher scharf wurde. Ein Stück unter seinem Ohr und doch weiter seinem Nacken entgegen, dort wo sich ein Muskelstrang spürbar unter ihren Lippen abhob. Ihre Zähne schabten deutlich, aber nicht verletzend über seine Haut, ehe ihre heiße Zunge folgte und sie ihn kostete. Viola stöhnte ungewollt vor Genuss, schloss für einen Moment die Augen, um alles andere auszublenden und nur dieses eine Gefühl übrig zu lassen, ehe sie zu saugen begann. Fest und hart. Aber allen voran, verletzte sie fordernd und in einer dominanten Geste die feinen Blutgefäße unter seiner Haut. Als sie endlich von seinem Hals abließ, prickelten ihre Lippen von der ungewohnten Anspannung und fühlten sich geschwollen an, als hätte sie Zin stundenlang geküsst. Doch es war der Anblick des gigantischen Knutschfleckes, der ihr wahre Befriedigung schenkte und zugleich das Untier in ihr etwas zähmte. Dagegen sahen die immer noch sichtbaren roten Striemen auf seiner Brust, einfach nur ... nett aus. Ihn wirklich zu beißen, hätte sie trotzdem nicht über sich gebracht, weil sie sich schon immer in diesem Punkt zurückgehalten hatte. Doch der leuchtende Knutschfleck prangte auch so wie ein Neonschild in der Dunkelheit und war garantiert nicht zu übersehen. „Ich weiß nicht, ob ich mit dir reden werde, aber wenn du mich loslässt, höre ich dir vielleicht zu“, meinte sie anschließend in ruhigerem, etwas besänftigteren Tonfall und ließ Zin zuerst los, ohne ihn anzusehen. Und wieder etwas, von dem er überhaupt nicht wusste, was er davon halten und wie er reagieren sollte. Zins Augen wurden schmal, als Viola seinen Arm so fest hielt, dass es auf jeden Fall wehtun musste. Er machte sich bereit dafür, dass sie wirklich ihre Zähne in sein Fleisch versenken würde. Vor Wut, an der er Schuld hatte. Zin wusste nicht, was genau er getan hatte. Aber wenn Viola meinte, sie könne es damit lindern, dass sie ihn verletzte, sollte sie es lieber so tun. Mit körperlichen Narben konnte er leben. Das Vibrieren ihres Knurrens übertrug sich auf seine Haut. Violas Brustkorb schien ihn ebenso angreifen zu wollen, wie der Rest ihres Körpers. Wahrscheinlich konnte er mehr als froh sein, dass er nicht schon längst ihre Krallen gespürt hatte. Die Annahme bewahrheitete sich mit Violas Worten. So kalt sie waren, verursachten sie doch Hitze auf Zins sonst so kühlen Wangen und seine Muskeln spannten sich an, bis sein Gesichtsausdruck angestrengt wirkte und man rein gar nichts mehr daraus lesen konnte. Sie wollte ihm das Fleisch von den Knochen ziehen? Auch wenn er scheinbar ruhig stehenblieb, sie sich umdrehen ließ und auch ihrem Blick standhielt, hätte Viola einige Veränderungen an Zin erkennen können. Hätte sie nur für eine Sekunde darauf geachtet. Das Muster auf seinem Rücken verstärkte sich. Die Streifen und Punkte, die jedem Fisch schon von Weitem Respekt und sogar so etwas wie Panik einflößten, wurden dunkler. Sie hoben sich deutlich von Zins blasser Haut ab. Eine Warnung genauso, wie eine natürliche Schutzfunktion, die er nicht einmal bewusst steuerte. Seine Lippen zuckten, waren kurz davor, seine Zähne zu entblößen, aber Zin hielt diese Geste gerade gegenüber Viola zurück. Erstens wusste er nicht genau, was sie vorhatte. Und zweitens hätte er eine Verletzung wohl kaum vermeiden können, wenn sie es darauf anlegte. Weder für ihn selbst noch für sie. Denn dafür waren seine Instinkte – trotz aller Gefühle, die er für Viola hegte – einfach zu stark. Er sah ihre Hände, die sich an seinen Hals legten, spürte ihren Bauch unter seinen eigenen Fingern, die sich direkt auf ihren Solarplexus platzierten. Bereit, sich gegen Zähne und Krallen zu verteidigen. Er würde sie zumindest von sich stoßen können. Viola war stark und hatte die besseren Waffen. Aber sie unterschätzte Zin. Das wusste er. Adrenalin schoss durch seine Adern und seine Fingerkuppen gruben sich fester in Violas Haut, als sie ihn zu sich herunterzog. Er spürte ihre Lippen an seinem Hals, ihren festen Griff. Doch noch immer tat Zin nichts, was ihr hätte wehtun können. Seine Kiefer waren so fest aufeinander gepresst, dass seine Schläfen davon schmerzten. Aber ... er wollte sie nicht – Zin musste das Klicken so schwer hinunterschlucken, dass ihm kurz schlecht davon wurde. Es fühlte sich so an, als wolle Viola ihn tatsächlich häuten, aber auf sehr viel langsamere Weise, als es ihre Krallen zustande gebracht hätten. Hätte sie es ein Stück weiter vorne – auf seinen Kieferkiemen getan – hätte sie ihm wirklich schaden können. So ... ließ sie ihn mit einer pochenden Stelle am Hals und einem leicht getrübten Blick zurück, als sie sich von ihm losmachte und ihm diese paar Worte hinwarf. Es war nicht einfach sie anzusehen. Viola kam ihm klein und bebend vor. Wie ein Vulkan, der zwar gerade einen Gang herunter schaltete, aber immer noch alles niedermachen konnte, wenn man sich nur einen Zentimeter in die falsche Richtung bewegte. Was hatte er denn nur getan? Verdient hatte er diesen Zorn bestimmt nicht, nur wegen der Tatsache, dass er sie gestern im Eifer des Gefechts über seine Verletzungen im Unklaren gelassen hatte. Aber was war es denn dann? Zin zögerte. Er wusste, was er sagen wollte. Aber ihm war auch klar, dass das vermutlich wieder hieß, dass sie davon lief. Hatte er denn eine Wahl? „Ich bin froh, dass du mir zuhören willst“, begann er leise, aber mit fester Stimme. Es war immerhin schon eine Weile her, dass er über diese Sache nachgedacht hatte. „Das ist sogar mehr, als ich verlangen kann. Und doch ... will ich dich um noch mehr bitten. Es ist nur eine Bitte. Wirklich.“ Er wollte auf sie zutreten, seine Hand auf ihre Schulter legen. Aber ... „Ich möchte nicht gehen. Aber ich muss. Man hat meine Familie abgeschlachtet. Zwei meiner Brüder sind tot. Mein Schwarm braucht mich, um mehr Zerstörung und mehr Morde zu verhindern. Ginge es nicht darum, würde ich nicht gehen.“ Nun tat er es doch. Zin streckte langsam seine Hand aus. Ganz vorsichtig, als könne Viola davor zurückscheuen. Er hob ihr Kinn an, sodass sie ihm ins Gesicht sehen musste. „Meine Bitte an dich ist nur diese: Sag mir, ob ich wiederkommen darf.“ Violas Pupillen waren das Einzige an ihr, was einen Moment lang reagierte, als Zin ihr seine Bitte vortrug. Fast hätte sie ihn verblüfft angestarrt und noch einmal nachgefragt, ob er auch wirklich das gesagt hatte, was sie verstanden zu haben glaubte. Doch so wie er sie ansah ... So wie er sie sanft dazu zwang, ihn anzusehen ... das ließ einfach keine Fragen offen. Hitze kroch über ihre Haut und das Flattern in ihrem Bauch wurde zu einer vollkommenen Invasion. Dennoch war das Zucken ihrer Pupillen erstmal alles, was sie Zin gab. Sie hätte ihn gerne gefragt, ob er denn wiederkommen wollte? Ob er überhaupt dazu in der Lage sein würde oder es vielleicht wohl eher wahrscheinlicher war, dass er bei der ganzen Aktion draufging, von der sie nichts wusste und die sie im Grunde auch nichts anging. Ja, seine Familie war abgeschlachtet worden und er hatte zwei Brüder verloren. Er hatte alles Recht zu gehen und sollte das auch auf jeden Fall tun. Schließlich war seine Familie es wert, dass er zu ihr stand. Sogar Viola war das klar, die sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als auch nur ein freundliches Wort über ihren Möchtegern-Vater zu verlieren. Trotzdem ... Ihr Blick fiel auf das deutlich leuchtende Zeichen, das sie ihm in ihrer ... Verzweiflung aufgedrückt hatte. Wieder sah sie seine Augen an. Trotzdem wollte sie ihn nicht gehen lassen ... Es hätte mehr ihrem Temperament entsprochen sich von seiner Hand loszureißen, doch stattdessen entzog sie sich beinahe sanft, ging um Zin herum und hob ihren Morgenmantel auf, um ihn sich überzuziehen. „Du wirst in diesem Haus keine verschlossenen Türen finden“, meinte sie leise, fast betrübt und ging in die Küche, da sie annahm, Zin würde ihr folgen. Eigentlich hätte sie ihm noch mehr sagen wollen. Dass er auf jeden Fall zu ihr zurückkommen durfte und dass er sich dann sicher sein konnte, dass sie ihn nicht mehr so leicht aus ihren Krallen lassen würde. Sie hätte ihm gerne gesagt, dass sie gar nicht erst wollte, dass er ging. Dass die letzte Zeit mit ihm schön gewesen war und sie ihn mit Garantie wie wahnsinnig vermissen würde. Doch was hätte das bewiesen? Dass ich eine hoffnungslos verschossene, klammernde Egoistin ohne Rückgrat bin. „Braucht ihr etwas für den Rückweg?“, fragte sie schließlich weiterhin in diesem leicht belegten Tonfall und holte eine große Teigschüssel heraus, da sie Pfannkuchen für eine gute Idee hielt. Irgendwie war bei ihr plötzlich vollkommen die Luft raus. Zin machte ihr Hoffnungen, wo es keine gab. Zumindest nicht nach ihren Erfahrungen nach. Niemand war je wieder zurückgekommen. Zin atmete geräuschvoll tief ein und aus. Es war ein Seufzen. Aber kein Eindeutiges. Er wusste nicht, was er mit Violas Antwort anfangen sollte. Hieß es, dass er gern zurückkommen konnte, wenn er unbedingt darauf bestand? Oder ... dass sie wollte, dass er zurückkam? So hörte es sich ehrlich nicht an. Vielmehr war es ein 'mach doch, was du willst' gewesen. Andererseits ... konnte man in Viola nur lesen, wenn sie es so wollte. Noch ein Seufzen, diesmal deutlicher, bevor er Viola auf leisen Sohlen in die Küche folgte. Sie hatte eine große Schüssel aus dem Schrank geholt, sah aber etwas unentschlossen aus, was sie damit letztendlich tun sollte. Zins Rücken juckte leicht, als er sich gegen die Küchenzeile lehnte und ihr bei ihrer zwiespältigen Suche zusah. Nach was sie suchte ... er hatte keine Ahnung. Vielleicht eine bessere Antwort, als sie ihm gerade gegeben hatte. Egal, was es war, es schien die Stimmung wie eine Tonne Blei niederzudrücken und Zin fühlte, wie sein Nacken langsam steif wurde, von der Anstrengung, seinen Kopf hochzuhalten. Er hatte seine Antwort bekommen. Was wollte er denn noch mehr? „Nein, danke“, war schließlich seine Antwort auf ihre Frage, ob sie etwas für den Rückweg bräuchten. Waren ihre Augen tatsächlich in seine Richtung gehuscht? Zins Herz machte allein bei der Vorstellung einen Satz und es hielt ihn nicht länger den Meter von Viola fern. Mit zwei Schritten war er bei ihr, umarmte sie von hinten und schlang diesmal seine Arme wirklich besitzergreifend um ihren Bauch. Zins Rücken rundete sich, bis er sein Kinn auf ihre Schulter legen konnte. Bis er ... ihren Hals küssen konnte, ihre Wange und es schaffte, seine eigene Wange in ihr Haar zu schmiegen. Sollte sie ihn doch kratzen, beißen und ihm die Haut von den Muskeln ziehen. Dann wäre es wenigstens ein ordentlicher Abschied. Nicht so ein abgeklärtes Erwachsenengespräch, wie sie es sich hier gegenseitig vorzuspielen versuchten. Ihre Hände umklammerten die Schüssel so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten und sie starrte blind aus dem Fenster direkt vor sich. Jeder ihrer Muskeln versteifte sich zunehmend noch mehr, während Zin sich nicht davon abhalten ließ, ihren Hals zu küssen ... genau an der Stelle, wo – Zitternd atmete Viola kontrolliert tief ein, während die Sicht vor ihren Augen verschwamm und ihre Augen so stark brannten, als hätte jemand Salz hineingestreut. Ihr Herz holperte schwer in ihrer Brust und ihr Bauch zog sich unter Zins Armen umso fester zusammen. Sie konnte kaum an dem Knoten in ihrem Hals vorbeischlucken. Nein. Ich werde jetzt nicht heulen. Auf keinen verfickten Fall werde ich jetzt heulen! Aber Viola hatte keine Ahnung, wie sie es aufhalten sollte. Wie sollte sie es schaffen, wenn Zin alles in ihr zum Zittern und Beben brachte und Dämme niederzureißen begann, von denen sie selbst noch nicht einmal gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab? Langsam, so als könne eine zu hastige Bewegung alles einfach so niederreißen, drehte Viola sich in seinen Armen herum und legte schließlich ihre Stirn an diese perfekt an ihren Kopf angepasste Kuhle. Genau dort, wo sie ihre Nase hineindrücken und seinen Duft tief in sich aufsaugen konnte. Nein, sie würde jetzt nicht heulen, das wagte sie nicht, aber sie konnte es nicht verhindern, dass sie ihre Arme um ihn schlang und sich einfach an ihn schmiegte. So, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Was ja auch den Tatsachen entsprach. Viola konnte Zin nicht mehr mit Härte und Abweisung strafen. Egal wie sehr er ihr zusetzte. Sie konnte es einfach nicht länger. Selbst wenn er das Zittern ihres Körpers nicht gespürt hätte, die Art, wie sie schwer gegen seine Haut atmete ... Zin hätte sie trotzdem festgehalten. Er drückte Viola sanft an sich, schloss die Augen, als er seine Wange wieder in ihr Haar kuschelte, und hörte seinem eigenen, schwer klopfenden Herzen zu. Er verstand Viola einfach nicht. Nein, er kam bei diesen Meinungsschwankungen, diesen Wechseln von kalter Schulter und warmen Umarmungen nicht mehr mit. Aber eigentlich war es auch egal. Solange er sie so in seinen Armen halten und ihren Körper an seinem spüren konnte, würde Zin es genießen. So lange, wie Viola es zuließ. Solange ... wie er sich einbilden konnte, dass sie vorhin doch mehr gemeint hatte, als „wenn du es nicht lassen kannst, dann komm eben wieder“. Zin genoss es, solange es dauerte. Er streichelte über den dünnen Stoff, der nun Violas Rücken bedeckte, und versuchte die Gedanken an seine Brüder zu vertreiben, die er draußen bereits hören konnte. Noch waren sie im Wasser. Aber sie waren wach. Und so, wie es sich anhörte, würden Oka und Sal nicht mehr lange dafür sorgen können, dass Ban sich vom Haus fernhielt. „Viola ...“, begann Zin deshalb vorsichtig und küsste sanft ihren Scheitel. „Was ...“ Er brach die Frage mit einem Seufzen ab. Sie würde es ihm nicht sagen. Hätte sie es tun wollen, wüsste er schon, was los war. Das machte es aber leider alles andere als einfacher. Ja, sie hörte sie ebenfalls, auch wenn Viola die unterschiedlichen Klicklaute nicht verstehen konnte, so konnte sie das Geräusch nun doch inzwischen eindeutig zuordnen. Langsam nahm sie die Hände von Zins Rücken, suchte mit geschlossenen Augen seine Lippen und hauchte ihm schließlich einen Kuss darauf, als sie seinen Mund endlich fand. Dann zog sie sich ganz zurück, ohne ihn anzusehen. Vielleicht hätten ihre Augen sie verraten. „Was ... es zum Frühstück gibt?“, nahm sie seine unausgesprochene Frage wieder auf, sicher, dass es nicht das war, was er hatte sagen wollen. Aber so war es einfach am besten. „Pfannkuchen. Aber ich würde dir raten, dich vorher zu waschen, ehe deine Brüder dich so sehen können.“ Viola hielt ihm ihre offenen Handflächen hin, die zwar nicht blutverschmiert waren, aber trotzdem getrocknete Blutflocken auf der Haut vorwiesen, obwohl sie ihn nur leicht berührt hatte. „Ich werde dafür nicht meinen Kopf hinhalten, verstanden?“ Sie sagte es nicht böse und meinte es auch nicht so. „Bei den ganzen anderen Sachen ...“ Sie ließ ihren Blick kurz über die Striemen auf seiner Brust und ihr Zeichen auf seinem Hals schweifen, ehe sich ihr Mund zu einem leichten Grinsen verzog. „Dafür übernehme ich die volle Verantwortung.“ Trotzdem wusch sie sich demonstrativ die Hände in der Spüle und drehte sich dieses Mal mit verschränkten Armen vor der Brust herum, konnte Zin aber inzwischen wieder ansehen, ohne sich zu verraten. Das Unwetter war endgültig vorbei. Was blieb, war eine tiefe Leere. „Nun geh schon. Ich laufe bestimmt nicht weg, ehe deine Brüder und du einen vollen Magen habt.“ Noch einmal schloss er sie in die Arme, drückte sie und gab ihr einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich mit einem winzigen Nicken von Viola losmachte. Zin ging ins Badezimmer, stellte das Wasser in der Dusche an und hörte mit halbem Ohr, wie sich seine Brüder dem Haus endgültig näherten. Es war ihm relativ egal, dass sie seinen Rücken so sehen könnten. Sie hatten schließlich die offenen Wunden nicht ertragen müssen. Nicht so wie Viola ... Ein Stich in der Herzgegend versuchte Zin etwas zu sagen. Etwas, das er im Moment nicht hören wollte. Deshalb verschloss er Augen und Ohren davor und stellte sich stattdessen unter den lauwarmen Wasserstrahl. Es brannte, aber in einer Art und Weise, die Zin locker ertragen konnte. Seine langen Finger tasteten nach einer Weile über seine Brust, fuhren die roten Linien nach, die Viola dort hinterlassen hatte. Es brachte Zin zum Schmunzeln. Auch ein bisschen mehr lag in seinem Blick. Aber erlaubte sich nicht, weiter darüber nachzudenken. „Guten Morgen, Viola.“ Oka hielt ihr wieder die Hand hin, mit der er auch an der Tür geklopft hatte. Er sah ein bisschen stolz aus, weil er daran gedacht hatte, wie Menschen darauf aufmerksam machten, dass sie das Gebiet eines anderen betreten wollten. „Wie geht’s?“, wollte Sal wissen und hielt seine Nase in den Raum hinter Viola, aus dem schon ein herrlich süßer Duft nach draußen flatterte. „Wo hast du Zin versteckt? Pennt er noch?“ „Er ist ...“ Viola lauschte kurz auf das ihr verhasste Geräusch. „... unter der Dusche“, beendete sie ihren Satz und schenkte Zins Brüdern ein Lächeln, ehe sie alle hereinbat. Auch Ban bekam eins ab, obwohl er nicht so aussah, als hätte er auch eines gewollt. „Er kommt sicher gleich. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch ruhig schon mal setzen. Ich mache gerade Pfannkuchen. Ihr könnt aber auch Speck und Eier dazu haben. Kein Problem. Gebt mir einfach nur bescheid.“ Viola sagte das alles so leichthin, obwohl sie sich nicht gerade wohl in ihrer Haut fühlte. Das lag nicht an den Männern, sondern der Situation, weshalb sie das die Drei auch nicht spüren ließ, sondern einfach nur vor sich hin plauderte, selbst wenn sie am Ende als unerträgliche Schnattergans hingestellt werden könnte. Der Tisch in der Wohnküche war noch nicht gedeckt, aber wie Viola vorhin, als Zin gegangen war, festgestellt hatte, sauber aufgeräumt. Genauso wie der Rest der Küche. Das hätte sie keinem der Anwesenden zugetraut, gerade weil sie gestern so fluchtartig den Raum verlassen hatte. Trotzdem würde sie die Männer sicherlich nicht daran erinnern, in dem sie fragte, wer für die Ordnung verantwortlich war. „Ich hoffe, ihr konntet euch ausreichend erholen. Wie habt ihr geschlafen?“ Während sie mit einer Hand einen Pfannkuchen in der Luft wendete, ehe der sich in ein schwarzes Unding verwandeln konnte, plapperte sie einfach weiter drauf los. Irgendwie würde sie diesen Tag schon hinter sich bringen. Das musste sie einfach. „Ach ganz gut. Vor deinem Strand ist das Wasser ziemlich ruhig. Genau das, was man nach so vielen Tagen des Schwimmens brauchen kann.“ Sal lächelte und schob sich eine dunkle Haarsträhne nach hinten, während er das sagte. Ihm sah man die erholsame Nacht auf jeden Fall an. Etwas weniger schien sich diese Empfindung auf die beiden anderen Brüder niedergeschlagen zu haben und auch Zin war nicht unbedingt bester Laune, als er aus dem Bad trat. Ihm hingen noch kleine Wassertropfen an der kühlen Haut. Aber länger als nötig hatte er Viola nicht mit Oka, Sal und vor allem Ban allein lassen wollen. Wer konnte schon einschätzen, wer von den beiden Hitzköpfen als Erstes etwas sagen oder tun würde, was den jeweils anderen zum Explodieren brachte. „Morgen“, meinte Zin daher etwas knapp und machte sich am Geschirrschrank zu schaffen, um den Tisch zu decken. Der Blick, den Ban ihm zuwarf, als er sich umdrehte, überraschte Zin sehr stark. Vor allem, weil in der nächsten Sekunde klar wurde, dass er ihn gar nicht hätte sehen sollen. Scheiße. Zin wünschte, er hätte gesehen, was Ban da gerade so an ihm fixiert hatte. Seinen Rücken? Den Monsterknutschfleck an seinem Hals? Und wenn es eines von beidem gewesen war, was ließ sich bitte daraus schließen? Hielt der große Bruder ihn für zu schwach und nutzlos für ihr Vorhaben? Oder fand er es lächerlich, dass er sich von einer Frau so hatte zeichnen lassen? Noch dazu – zumindest wie Ban glaubte – von einem Menschen? „Hier. Mach dich mal bitte nützlich.“ Zin drückte Oka den Stapel Teller in die Arme und kramte anschließend in der Besteckschublade herum, was ihn Viola so nahe brachte, dass er ihre Körperwärme an seinem Unterarm spüren konnte. Der Blick, den er ihr zuwarf, war hoffnungsvoll und doch durch und durch ... schüchtern. „Wenn ich dir irgendwie helfen kann ...“ Er wusste nach dieser kurzen Dusche, nach dem Blick in den Spiegel ... einfach überhaupt nicht mehr, was er sagen und tun sollte. Als Zin neben sie trat und sie ansprach, hob Viola den Blick von den Pfannkuchen, um ihn von der Seite her anzusehen. Er duftete intensiver nach Meer und ihm selbst, was vermutlich an der noch leicht feuchten Haut von der Dusche kam. Gott, zum Glück hatte er sich das Blut abgewaschen. Noch einmal hätte sie den Anblick vermutlich nicht ertragen. Das brachte einfach nur schlechte Erinnerungen mit sich, als sein Leben noch an einem seidenen Faden gehangen hatte. Violas Blick glitt zu dem Liebesbiss, dem sie ihm verabreicht hatte, dann wieder zu seinen Augen. Beschämt sah sie schließlich wieder auf ihre Hände und drehte den Pfannkuchen in der Pfanne herum. Sie hatte überreagiert. An sich nichts Neues in ihrem Leben, aber so sehr hatten ihre Hormone noch nie verrückt gespielt, dass sie jemanden so zugesetzt hatte, den sie eigentlich mochte und der ihr doch noch dazu gesagt hatte, dass er gerne bei ihr bleiben würde. Vielleicht lag es daran, dass sie es einfach nicht ganz glauben konnte, auch wenn sie Zin nicht für einen Lügner hielt. Was hielt ihn denn schon bei ihr? Ja, sie hatte ihm das Leben gerettet und das war sicher ein guter Grund, ihr dankbar zu sein, aber deswegen konnte man niemanden dazu bringen, länger zu bleiben oder nicht nur auf einen Kurzbesuch wieder zu kommen. Das war es also bestimmt nicht. Vielleicht der Sex? Nein. Zin sah so gut aus, dass er sicherlich keine Probleme hatte, sich ein Mädchen fürs Bett – oder wo auch immer er es für gewöhnlich sonst trieb – zu angeln. Und bedachte man ihre Stimmungsschwankungen, ihr unbeugsames Wesen und die Tatsache, dass der Umgang mit ihr oftmals nicht leicht war, waren ein paar heiße Stunden den Aufwand noch nicht einmal wert. Allein bei diesem Gedanken fühlte sich Viola noch beschissener und zugleich machte sich rasende Eifersucht in ihren Eingeweiden breit, auf jedes dieser möglichen Mädchen, das er so einfach haben könnte und bestimmt so viel besser zu seinem Wesen gepasst hätte. Zin war nicht dominant. Zumindest nicht so, wie diese dämlichen Machos, die sie bisweilen brauchte, um die Typen nicht zu schnell zu vertreiben. Aber das vorhin im Flur, als er sie gepackt hatte ... Sanft aber bestimmt. Dominant und doch nicht eingebildet. Ein prickelnder Schauer durchlief sie, als sie sich noch einmal daran erinnerte und Zin einen Seitenblick zuwarf. Prompt wurde ihr klar, dass er sie etwas gefragt hatte und sie vermutlich schon die ganze Zeit beobachtete, während ihr diese ganzen Gedanken durch den Kopf gegangen waren. Sofort begann ihr Gesicht noch mehr zu glühen und sie lächelte etwas unsicher. Was hatte er sie noch einmal gefragt? Das Besteck in seiner Hand gab ihr die nötige Hilfestellung. „Ähm ... Im Kühlschrank sind noch die Soßen für ...“ Sie benetzte sich die trockenen Lippen und räusperte sich kurz. „... für die Pfannkuchen.“ Mann, der Kerl schaffte es wirklich, sie durcheinanderzubringen! Mit einem kleinen Nicken nahm Zin Violas Wink auf, ging zum Kühlschrank hinüber und ignorierte die kühle Luft, die ihm direkt auf die Füße zu fallen schien und ihm für ein paar Sekunden eine Gänsehaut verursachte. Komisch. Da schwamm er auf den Wegen der Wale fast bis an den Pol und trotzdem erwischte ihn diese menschliche Erfindung immer wieder aufs Neue. Es war aber auch wirklich beeindruckend, wie sie es geschafft hatten, Kälte in einem Schrank zu speichern. Bei einem Leben im Wasser nicht nötig. Aber an Land ... sehr praktisch. Zin holte Schoko- und Vanillesauce und irgendetwas mit Karamell heraus. Dann noch Ahornsirup und Honig aus dem Hängeschrank. Er fand es faszinierend, dass Viola so viele Lebensmittel in ihrem kleinen Haus lagerte. Andererseits war das besser, als immer wieder in diesen schrecklichen Supermarkt fahren zu müssen. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass Viola mit ihrer Art gern für lange Zeit alleine blieb. Sie hatte doch bestimmt das Bedürfnis nach – Er warf einen Blick über seine Schulter und musterte kurz Violas Profil. Dabei schoss ihm ein durchdringender Schmerz vom Hals in die Wirbelsäule und Zin zog sich lieber wieder zurück, bevor er den angefangenen Satz mit 'Kontakt', beendete. Ja, Viola war bestimmt jemand, der auch nicht für immer und ewig ohne sozialen Austausch hier in ihrem Häuschen sitzen konnte. So schön und idyllisch es auch war. Da gab es doch noch die gesprächige Freundin und ... Die Flasche mit dem Ahornsirup knallte unerwartet laut auf den Tisch, als sie Zin halb aus der Hand glitt und er sie halb auf die Platte donnerte, als ihm der Name Cid in den Sinn kam. Am liebsten hätte er die Zähne gefletscht. So, wie er den Platzhirsch einschätzte, musste Zin damit rechnen, dass er auf Violas Veranda auftauchen würde. Früher oder später. Daran gab es nichts zu rütteln. Die Frage war nur ... was würde sie dann tun? Wenn er – Zin – nicht mehr hier war. Wenn er nicht mehr in diesem Gästezimmer lag und sie kein schlechtes Gewissen haben musste, weil er sie möglicherweise hören könnte ... „Das riecht klasse.“ Beinahe hätte er die Plastikflasche mit der Schokosauce erwürgt. Das Behältnis gab schon ein bedenkliches Geräusch von sich und Zin stellte die Flasche lieber mehr als vorsichtig neben Oka ab, von dem der Kommentar gekommen war, der gerade eine Explosion verhindert hatte. „Ja ... riecht ... wirklich gut.“ „Danke. Wenn’s auch noch gut schmeckt, hab ich mein Ziel erreicht“, merkte Viola an, während ihr Herz immer noch wild in ihrer Brust pochte. Zin hatte sie ganz schön erschreckt, als ihm die Flasche fast aus der Hand gerutscht wäre und diese auf den Tisch knallte. In der sonst eher ruhigen Küche war das wirklich ein lautes Geräusch gewesen. Um allerdings die Jungs nicht mehr zu lange warten zu lassen, warf sie den fertigen Pfannkuchen aus der Pfanne auf den bereits gestapelten Haufen auf einem Servierteller und stellte diesen dann in die Mitte des Tisches. „Greift schon mal zu, solange es noch warm ist.“ Sie schenkte den Männern ein Lächeln, ehe Viola die Rührschüssel ausspülte und noch einmal neuen Teig anrührte, damit die Pfannkuchen auch wirklich für alle reichten. Zudem tat es ganz gut, ihre Finger beschäftigen zu können. Das lenkte sie zumindest mit etwas Mühe von ihren Gedanken ab. Trotzdem hob sie sofort den Kopf, als Flocke einen Blick zur Tür hereinwarf, die Männerrunde misstrauisch beäugte und dann an den Wänden entlang auf Viola zu schlich. Sofort legte sie die Rührschüssel aus der Hand, warf ebenfalls kurz einen Blick auf die Männer und nahm dann Flockes Futternapf von der Anrichte. Es gab Leute, die ekelte es davor, wenn ihre Katze in gleicher Höhe wie sie selbst aß, obwohl sie ihrer Süße niemals stinkendes Dosenfutter antun würde. Trotzdem stellte sie ihrer Katze schließlich den gekochten Hühnchenflügel und das Hühnerherz zusammen mit dem Napf auf den Boden. Während Viola Flocke einmal über den Kopf kraulte, entschuldigte sie sich leise bei ihrer Süßen für den Ortswechsel und versprach ihr für später ein frisches Stückchen Lachs. Flocke miaute daraufhin kurz und blickte sie aus dem großen blauen Auge an, ehe sie sich über das Essen hermachte. Wenigstens schien es hier noch jemandem zu schmecken und selbst das Übermaß an Testosteron schien sie kein bisschen zu stören. Das musste der Geruch sein. Selbst wenn Zin weg war, würde sie ihn mindestens noch eine Woche hier riechen können. Irgendwie war das kein bisschen tröstlich. Noch niedergeschlagener machte Viola sich daran, auch die zweite Runde Pfannkuchen fertigzumachen. Hosted by Animexx e.V. 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