A Cats' Fishing Ground von Darklover ================================================================================ Kapitel 6: 6. Kapitel --------------------- Etwas übellaunig an diesem Morgen, zog sich Viola erstmal nur ein weites Kuschelshirt über, das ihr bis knapp über den Hintern ging, da sie normalerweise nur in Höschen, Strings oder Pantys schlief. Alles andere war ihr zu heiß, aber da sie ja einen mehr oder weniger männlichen Gast hatte, wollte sie nicht halbnackt vor ihm herumlaufen. Entgegen der landläufigen Meinung über sie hatte sie nämlich sehr wohl Anstand. Meistens jedenfalls. Zuerst einmal machte sie sich Kaffee. Ein Getränk, auf das sie morgens nicht verzichten konnte, wenn sie eine anstrengende Nacht gehabt hatte und das nicht im körperlichen Sinne. Während sie an dem Heißgetränk nippte, überlegte sie sich, was sie Zin zum Frühstück machen sollte. Rühreier gingen zwar schnell, man wurde sie aber sogar noch schneller überdrüssig. Sie hatte heute also wirklich keine Lust drauf, auch wenn sie ihm bestimmt noch welche hätte unterjubeln können. Nur, dass sie das gar nicht wollte. Kurzerhand entschloss sie sich daher, Pfannkuchen zu machen. Die mochte jeder gern und brauchten auch nicht allzu lange. Bis sie damit fertig war, würde sie sich hoffentlich verkneifen können, nach Zin zu sehen und ob er noch atmete. Sie hatte ihn zwar nachts gehört, aber ... „Nein. Nicht denken, Viola. Einfach nicht daran denken“, murmelte sie leise zu sich selbst, während sie entschlossen ihre flache Pfannkuchenpfanne aus dem Schrank holte. *** In einem hellblauen Sommerkleidchen, das ihr sogar bis zur Mitte der Oberschenkel ging und aus weichem, flattrigen Stoff bestand, kam Viola schließlich doch ins Badezimmer geschlichen, um nach ihrem Patienten zu sehen. Auf den Händen trug sie ein großes Tablett mit Tellern, den dampfenden Pfannkuchen, dazu noch verschiedenste Soßen, frisch geschlagene Sahne und gekühlten Mangosaft. Bevor sie allerdings zu Zin in die Wanne spähte, stellte sie alles vorsichtig auf der uralten Waschmaschine ab, um beide Hände frei zu haben. Sie mochte es selbst mit den Händen sanft geweckt zu werden, daher würde sie auch nichts anderes bei jemand anderem tun. Dieses Mal lag er auf der Seite, mit dem Gesicht zu ihr. Er sah ruhig aus, so wie er da schlief. Trotzdem konnte sie sich nicht vorstellen, wie man nur in Wasser schlafen konnte. Das war so ungemütlich, wie sich in ein Wespennest zu legen. Nein. Sicher nichts, was sie selbst einmal ausprobieren würde. Allerdings glaubte sie auch nicht, dass Zin sich gerne in einen Baum legen würde, so wie sie es persönlich gerne hin und wieder tat. Vollkommen andere Welten. Ja, das war es wirklich. „Guten Morgen, Sonnenschein“, flüsterte sie Zin leise zu, während sie mit ihren Fingerspitzen über diese unglaublich weichen Haare streichelte. Eigentlich hätte man meinen können, bei der kurzen Länge, würde es sich stoppelig und kratzig anfühlen. Aber das tat es wirklich nicht. Zin war dort ganz weich, so dass sie noch einmal drüber streicheln musste. Und noch einmal. Schon vor einer Weile hatte er leises Geklapper gehört. Aber da es ihn nicht direkt zu betreffen schien und auch nicht näher kam, hatte Zin deswegen nicht einmal die Augen geöffnet. Stattdessen hatte er sich sogar noch mehr zusammengerollt, einen großen Schluck Wasser durch seine Kiemen gespült und dann weiter geschlafen. Allerdings nicht so tief, wie zuvor. Deshalb hörte er Viola sofort, als sie ihn ansprach, und spürte auch ihre Hand, wie sie ihm mehrmals sanft über den Kopf streichelte. Es war also Zeit aufzuwachen. Bloß warum tat er es dann nicht? Panik wollte in Zin hochsteigen, als er versuchte die Augen zu öffnen, sich zu bewegen und weder das Eine noch das Andere funktionierte. Sein Körper rührte keinen Muskel, bis so viel Adrenalin durch Zins Blutbahn polterte, dass er glaubte, daran ersticken zu müssen. Er schmeckte Blut im Wasser. Und etwas Anderes, das sehr viel beunruhigender war. Metall und ... zu wenig Sauerstoff! Wach auf! Eine Luftblase entwich über seine Lippen, als Zin die Augen aufriss und aus Reflex beinahe nach Violas Hand gegriffen hätte, um sich an ihr festzuhalten. Doch er blieb ruhig. Er musste nur die Beine strecken, sich aus dem Wasser schieben ... Mit einem Japsen kam er an die Oberfläche und blinzelte sich das schale Nass aus den Wimpern, bevor er Viola leicht schockiert und mit flatterndem Herzen ansah. Seine Hand lag auf seiner eigenen Brust und seine Finger zitterten, während er über seine Lungen wieder genügend Sauerstoff in sein Blut pumpte. „Hi ...“, meinte er etwas abgehakt und zwischen tiefen Atemzügen, die sich fast so anhörten, als hätte er einen Sprint hinter sich. Seine Muskeln brannten höllisch. Außerdem waren sie ganz steif und ausgekühlt. Lediglich an den wunden Stellen an seinem Rücken fühlte er immer noch das warme Pochen der Entzündung. War das denn gar nicht zurückgegangen? Zin erschreckte sie fast zu Tode, als er so aus dem Schlaf hochfuhr. Dabei war sie nicht unbedingt jemand, den man leicht erschrecken konnte. Aber er war bleich und seine Haut fühlte sich, nun da sie ihn am Nacken ergriffen hatte, um ihn zu stützen, eiskalt an. Es jagte ihre eine Gänsehaut den Arm hoch. „Okay, ich weiß ja, das Wasser normalerweise dein Element ist. Aber du bleibst mir keine Minute länger in dieser beschissenen Badewanne!“, fauchte sie ihn regelrecht an. Verdammt, ihr saß der Schrecken immer noch tief in den Knochen. Trotzdem ließ sie Zin vorsichtig los, um zu sehen, ob er von selbst aufrecht sitzen konnte. Danach stapfte sie beinahe wütend durchs Bad und riss die Schranktüren auf, um ein großes Badetuch zu holen. Sie kam zu Zin zurück und breitete es aus. „Du kommst da jetzt raus. Dann packe ich dich wieder in meterlange Verbände ein und dann bleibst du im Bett. Verstanden? Plantschen gehen kannst du später auch noch. Jetzt werd' erst mal wieder gesund.“ Zin setzte sich noch weiter auf und sah hinter Viola her, die schäumend vor Wut durchs Bad stapfte. Ihr blaues Kleidchen wirbelte dabei um sie herum wie lockere Blütenblätter. Und Zin hatte nicht den blassesten Schimmer, womit er das Donnerwetter auf sich gezogen hatte. Er sah zu seiner Pflegerin auf, als sie sich mit dem Handtuch vor der Wanne aufgebaut hatte, und machte ein ebenso verdutztes Gesicht, wie er sich auch fühlte. Da er aber nicht riskieren wollte, dass sie sich noch mehr aufregte - und das, obwohl ihm ihre geröteten Wangen durchaus gefielen - stützte Zin seine Hände brav auf dem Wannenrand ab und zog die Beine so an seinen Körper, dass er in die Position kam, in der er aufstehen konnte. Oder vielmehr könnte. Denn selbst seine eingeweichte Haut protestierte an vielen Stellen an seinem Rücken und Zin spürte ein unangenehmes Reißen, das aber von seinen Muskeln und nicht von den Verletzungen herrührte. „Alter Mann ist kein Orca ...“, meinte er mit einem konzentrierten Blick auf seine Füße und holte dann einmal tief Luft, um sich auf den zu erwartenden Schmerz einzustellen. Der kam auch prompt und hätte ihn unter Umständen wieder von den Füßen gerissen, wäre es Zin nicht gelungen, sein Hinterteil auf den Rand vor Viola zu bugsieren und sich an der gegenüberliegenden Wand mit beiden Händen abzustützen. So zeigte er ihr zwar seine vermutlich im Moment nicht gerade schöne Hinteransicht, aber ... er war schon fast aus der Wanne. Als er ihr den Rücken zu kehrte, ließ für einen Moment die Wut von ihr ab und Angst wollte sich an ihr festsaugen wie eine Zecke. Doch Viola rief sich zur Ordnung. Seine Wunden waren eingeweicht. Darum sahen sie so aus, und wenn man genauer hinsah, waren jetzt wenigstens auch die winzigen Schmutzpartikel weg, die sie zu anfangs nicht hatte richtig herausbekommen können, weil sie ihm nicht noch mehr wehtun wollte und das Jod, auch nicht alles herausgespült hatte. Da Angst also unbegründet und keine angemessene Reaktion war, wurde sie noch wütender, verbiss sich aber jede Bemerkung und kam dafür in die Gänge. Sie trat hinter Zin, legte ihm vorsichtig das Handtuch um die Schultern und beugte sich seitlich zu ihm, so dass er sie ansehen konnte. „Leg' die Arme um mich“, war alles, was sie sagte. Sogar schon etwas sanfter, auch wenn sie sich nicht so fühlte. Sie selbst schob auch ihre Arme unter die seinen hindurch und versuchte möglichst sich nur an seinen kräftigen Schultern und Nacken festzuhalten, damit sie keine Wunde auf seinem Rücken berührte. Ihre Wange war dabei wieder einmal an seine Brust gedrückt und sie spürte, wie ihr Kleid nass wurde, aber das war Viola egal. Sie half Zin dabei, die Beine aus der Badewanne zu bekommen, ehe sie ihn in dieser Position hochzog, so dass er stand. Dann drehte sie sich vorsichtig in seinem Griff herum, so dass sie hinten auch noch schön eingenässt wurde, und umfasste wieder seinen Arm, den sie fest im Klammergriff an ihren Bauch drückte. Dieses Mal ging es leichter, ihn zurück ins Zimmer zu bringen, da nicht mehr so viel von seinem Gewicht auf ihr lastete, auch wenn dadurch deutlich wurde, wie schwach er immer noch war. Trotzdem kamen sie dieses Mal schneller an ihrem Ziel an. Viola setzte Zin vorsichtig auf dem frisch gemachten Bett ab, ging noch einmal sicher, ob er auch von selbst sitzen blieb, ehe sie einen kleinen Schritt zurückmachte und Zin vorsichtig das Handtuch vom Rücken zog. Dann begann sie damit, ihn an den unverletzten Stellen abzutrocknen. Ihre Miene war dabei verschlossen und machte hoffentlich klar, dass sie keine Widerrede duldete, bis sie damit fertig war. „Das kann -“ Zin fing sich einen derart giftigen Blick ein, dass er nur verwundert die Brauen hochzog und sich nicht weiter dazu äußerte, dass er durchaus in der Lage wäre, sich größtenteils selbst abzutrocknen. Dass Viola ihn wieder durch den Flur des Palasts hatte zerren müssen, sollte doch wohl reichen. Aber es stimmte schon. Selbst kam er nicht an seinen Rücken heran und schon gar nicht so sanft und kontrolliert, wie Viola es konnte. Sie tupfte geduldig an ihm herum, ließ sich Zeit und war so gewissenhaft, dass Zin schon glaubte, die kleine, konzentrierte Falte an ihrem Mundwinkel, würde sich für immer dort eingraben. Und das wäre seine Schuld. Als Viola dann allerdings damit anfing auch seine Arme, seine Brust und schließlich seinen Bauch abzurubbeln, legte Zin doch Einspruch ein. Seine Hände umfassten die ihren, die sehr viel kleiner und auch deutlich wärmer waren, und hielten sie kurz fest. Ihr Blick wollte ihn wieder vernichtend treffen, doch diesmal konterte Zin mit einem Lächeln, in dem sich ehrliche Dankbarkeit spiegelte. „Danke, den Rest ... mache ich lieber selbst.“ Vorsichtig, weil er nicht genau einschätzen konnte, ob sie ihn wirklich lassen würde, nahm er Viola das Handtuch aus den Fingern und begann seine Oberschenkel abzutrocknen. Dabei sah er absichtlich nicht noch einmal hin, als er anmerkte: „Dein Kleid ist nass geworden.“ Nicht nur nass ... durchsichtig. „Das ...“ -trocknet wieder, wollte Viola eigentlich anmerken, bis sie an sich selbst hinuntersah. Das Kleid klebte nicht nur an ihrer Haut, sondern die kühle Feuchtigkeit neckte auch noch ihre Brustwarzen, die darauf natürlich reagierten. „Ich bin gleich wieder da.“ Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ Viola den Raum und rannte dann die Treppe zu ihrem Zimmer hoch, während sie sich bereits das Kleid über den Kopf gezogen hatte. Sie warf den nassen Stoff einfach über den Klappstuhl vor ihrem Schreibtisch, wo er bei der langsam aufkommenden Hitze bestimmt bald trocken sein würde. Schnell wühlte sie in ihrem Kleiderschrank herum, band sich einen kurzen Wickelrock mit langen Fransen in sommerlichem Gelb um ihre Hüften und zog dazu ein bauchfreies Neckholdertop in der gleichen Farbe an. Da sie zuhause meistens ohnehin keinen BH trug, da es ohne viel bequemer war, selbst bei ihrer Ausstattung, musste sie sich wenigstens nicht wegen sichtbarer Träger Gedanken machen. Höchstens darüber, dass sie noch einmal nass werden könnte. Wieder bei Zin waren sogar ihre Haare wieder in annehmbarer Ordnung. Er saß noch immer auf dem Bett, was gut war, weil sie ihm so sehr viel leichter den Verband umwickeln konnte. „Wenn ich mit dir fertig bin - und das meine ich jetzt nicht im negativen Sinne - gibt es Pfannkuchen. Sie dürften dann zwar schon kalt sein, aber sie werden sicher auch so noch schmecken.“ Viola schnappte sich ihre Verbandsschachtel und stieg hinter Zin aufs Bett, wo sie begann, alles Nötige auszupacken und vorzubereiten. „Dass du das nicht negativ meinst, hoffe ich sehr.“ Er sah sie kurz über seine Schulter hinweg an und wusste nicht genau, ob seine Worte mehr zu bedeuten hatten, als wirklich nur das, was er gesagt hatte. Zin machte sich darüber keine weiteren Gedanken. Stattdessen stützte er sich mit den Händen auf der Matratze ab und setzte sich so gerade hin, wie er konnte. „Ich möchte schlechte Nachrichten immer vor den Guten hören. Daher: Würdest du mir zuerst sagen, wie mein Rücken aussieht und dann, was genau ein Pfannkuchen ist?“ Auf jeden Fall wieder etwas, das man normalerweise warm zu sich nahm. Was es für Zin schon einmal spannend und fast schade machte, dass es kalt werden würde, bis Viola ihn verarztet hatte. Vielleicht hätte er einfach nur besser aufpassen und den Sauerstoffmangel früher bemerken müssen. Dann wäre sie nicht sauer geworden und ihre Mühe hätte nicht so umsonst sein müssen. Verdammt, Zin hätte zumindest gern das Frühstück aus dem Bad geholt, wenn Viola es schon vorbereitet hatte. „Habe ich nicht. Ich vergreif mich grundsätzlich nicht an Verletzten.“ Auch wenn sich nicht vermeiden ließ, dass sie ihnen manchmal wehtat. Oder besser gesagt, das Jod, das sie gerade auf einen Tupfer träufelte, um damit noch einmal über die offenen Wunden zu gehen, die inzwischen schon besser aussahen. Was auch immer das Salzwasser genau bewirkt hatte, zumindest blutete er nicht mehr, sobald sie an die Verletzungen kam. „Sie sehen den Umständen entsprechend gut aus und sind auch nicht mehr so geschwollen, wie gestern noch. Ob es nun die Tabletten sind oder das Salzwasser, auf jeden Fall scheint die Entzündung langsam zurückzugehen. Das werden allerdings sicher ein paar deftige Narben werden. Naja.“ Viola zuckte mit den Schultern. „Es hätte schlimmer kommen können.“ Vorsichtig betupfte sie die Wunden und ging wie schon die Male davor systematisch und nicht zimperlich vor, um es für Zin so schnell wie möglich zu erledigen, damit er nicht unnötig lange leiden musste. „Was Pfannkuchen sind, könnte ich dir jetzt zwar lang und breit erklären, aber am besten du siehst es selbst. Auf jeden Fall sind sie süß und nicht salzig, so wie die Eier gestern und man kann die Soßen dazu variieren, so dass kein Bissen wie der vorige schmeckt.“ Als sie mit dem Säubern fertig war, nahm sie einen Tiegel mit einer fetthaltigen Creme zur Hand, in den unterschiedliche Kräuter gemischt waren. Auf offene Wunden sollte man die Creme vermeiden, obwohl es nicht schadete. Aber es brannte sonst die ganze Zeit wie die Hölle. Da Zin aber nicht mehr blutete, bestrich sie die Nähte dick mit der Creme, was die Haut geschmeidig und die Narbenbildung geringer halten würde. Was seine Kiemenschlitze anging, bestrich sie nur die äußersten Ränder, ehe sie auf jede einzelne Wunde eine dicke Mullbinde drückte und dann damit begann, Zins Oberkörper langsam einzubandagieren. „Das werden nicht die ersten und nicht die letzten Narben sein. Ich habe mal ein schlecht gelauntes Schwertfischweibchen ...“ Sein Rücken rundete sich, als Zin unwillkürlich den Kopf einzog und mit seiner begonnenen Geschichte innehielt. Ihm war gerade die Luft dafür abhandengekommen, als Viola wieder dieses ätzende Zeug auf seine Kiemen geträufelt hatte und auch jetzt damit nicht innehielt. Stattdessen schürte sie noch mehr Brandherde auf seinem zerfurchten Rücken und hörte erst damit auf, als er schon längst vergessen hatte, was er hatte sagen wollen. Dafür hörte er kurz zu, was Viola über Pfannkuchen erzählte, um dann die Arme zu heben und es ihr zu erleichtern, ihm den Oberkörper vollständig mit elastischem Verband einzuwickeln. Eine Gelegenheit, die Zin nutzen konnte, um sein Interesse von gestern zu befriedigen. Als Viola einmal näher an ihn herankam, mit beiden Armen seinen Oberkörper umfassen musste und dabei ihre weichen Haare seine Schulter streiften, schloss Zin die Augen und schnupperte. Na gut, es war nur ein einzelner, tiefer Atemzug. Aber es genügte, um ihn mit einem Schmunzeln wieder die Augen öffnen zu lassen. Sie roch nicht besonders intensiv, aber ... irgendeine Frucht war dabei. „So, fertig. Du hast es überstanden.“ Viola lächelte und war zufrieden mit ihrer Arbeit. Außerdem fand sie es gleich viel besser, Zin frisch eingepackt in einem Bett zu sehen, anstatt durchweicht in einer Badewanne, dessen Wasser mittlerweile nicht mehr sehr sauber ausgesehen hatte. Rasch packte sie alles wieder ein und verstaute die Kiste unter dem Bett. „Mach' es dir schon mal gemütlich, ich hol derweil unser Frühstück.“ Als sie wieder zurückkam, stellte sie das Tablett neben Zin aufs Bett und setzte sich dann auf der freien Seite weiter unten zu seinen Füßen. Ohne etwas zu sagen, stellte sie ihm die drei Pillen und das Glas Milch hin, währenddessen bereitete Viola das Frühstück vor. Sie schenkte Zin und sich selbst Saft ein, legte ihm dann auch ein paar Pfannkuchen auf seinen Teller und öffnete dann eine Soße, nach der anderen. Sie hatte Ahornsirup, Himbeersirup, Schokoladencreme und natürlich ihr ganz persönlicher Favorit, war das große Sahnehäubchen oben drauf. Gott, sie liebte gezuckerte Sahne! „Ich werde ab morgen oder übermorgen wieder Arbeiten müssen“, begann sie einfach mal ein Gesprächsthema, weil sie Stille beim Essen nicht ausstehen konnte. „Meinst du, du kommst in der Zwischenzeit alleine zurecht? Falls dir langweilig wird, hätte ich sicher ein paar Bücher und Zeitschriften für dich. Ich glaube, ich könnte sogar einen Gameboy auftreiben.“ Inzwischen fackelte Zin nicht mehr lange mit den Tabletten herum, sondern nahm sich eine nach der Anderen vor, um sie mit einem großen Schluck Milch hinunterzuspülen. Angenehm fand er es nicht gerade, aber je schneller es ihm besser ging, desto früher konnte er damit aufhören, Medizin in sich hineinzuwerfen. Hoch interessiert sah er Violas schlanken Fingern dabei zu, wie sie eine gelb-orange dicke Flüssigkeit in Gläser goss, die Pfannkuchen mit einer Gabel auf die Teller verteilte und dann kleine Gefäße aufschraubte, die jedes anders, aber alle unglaublich süß rochen. Zin wurde allerdings von Viola davon abgelenkt, ein kleines Stück Pfannkuchen zu probieren. Stattdessen nickte er ruhig. „Verstehe. Natürlich komme ich klar.“ Wenn sie Glück hatten, konnte er vielleicht schon bald auf seinen Füßen gehen oder sogar ins Meer zurück. So, wie sich sein Zustand seit gestern verbessert hatte, konnte man wirklich langsam Hoffnung hegen. „Bücher und Zeitschriften hören sich gut an. Vielleicht kann ich auch Flocke davon überzeugen, dass ich nicht gefährlich bin und sie kann mir Gesellschaft leisten.“ Er wollte das Fell der Katze immer noch ganz gern einmal berühren. Bis jetzt war er höchstens einmal an einen Otter oder an Robben so nah herangekommen, dass er sie hatte streicheln können. Aber das war alles unter Wasser und sicher nicht das Gleiche gewesen. „Was arbeitest du denn?“, wollte er schließlich wissen und schnitt sich nun doch ein Stück von dem Fladen auf seinem Teller ab. Da er bei Viola gesehen hatte, dass sie die Happen einfach mit der Gabel in die Schälchen tauchte, machte er es ihr bei einer der halb durchsichtigen Flüssigkeiten nach. Dicke Perlen fielen dann zurück in die Schale und Zin musste sich beeilen, um nicht alles vollzukleckern, bevor er sich den Bissen in den Mund steckte. Er zog die Augenbrauen zusammen. Kaute langsam ... und sah dann Viola an. „Wie heißt das?“ Er zeigte auf das erste und dann auch auf die anderen Schälchen. „Das schmeckt ziemlich ...“ Erst nach einem Moment fand er, wonach er gesucht hatte. „Großartig.“ „Ich arbeite in Dan’s Ocean Palace als Kellnerin. Es gibt drei Schichten, also kann es sein, dass ich mal nachts weg bin oder vormittags oder nachmittags. Ganz so, wie er uns einteilt.“ Viola tauchte ein Stück Pfannkuchen in die Schokosoße und gab sich dann mit einem kleinen Löffel noch einen ordentlichen Patzen Schlagsahne darauf. Sie schloss genießerisch die Augen, während sie selig kaute. Dafür könnte sie töten. Als auch Zin seinen ersten Bissen hinter sich hatte, musste sie lächeln, weil es ihm offenbar sehr gut schmeckte. Das hatte sie natürlich gehofft, obwohl sie nicht sicher gewesen war, wie es für jemanden sein musste, der normalerweise nur rohen Fisch bekam. Außer, es gab auch unter Wasser Delikatessen, von denen sie einfach nur nichts wusste. „Also die Soße, die du gerade probiert hast, ist Himbeersirup. Eine sehr leckere Frucht, die man auch frisch vom Strauch naschen kann. Das Erste ist Ahornsirup und kommt von einem Baum, der allerdings nicht in dieser Klimazone wächst.“ Etwas seltsam kam sich Viola schon vor, wie sie Zin das alles erklären musste, als hätte er keine Ahnung, was das für Früchte waren. Andererseits ... woher sollte er es auch wissen, und nur weil es für sie völlig gewöhnlich und banal war, musste es das nicht auch für ihn sein. „Die dunkelbraune Soße da ist übrigens flüssige Schokolade. Macht unheimlich süchtig und bei zu intensivem Konsum auch dick. Aber ab und zu schmeckt es einfach göttlich. Und hier, das musst du auch mal probieren.“ Viola gab ihm etwas Sahne auf seinen nächsten Bissen. „Das ist gezuckerte Schlagsahne. Auch ein absoluter Suchtfaktor. Zumindest für Leute, wie mich.“ Ihr Lächeln wurde etwas zurückhaltender, da sie ziemlich schnell so offen wurde, obwohl sie das vermutlich gar nicht sollte, weil sie sich bisweilen gerne mal verplapperte und dann musste sie sehen, wie sie sich da wieder herausredete. „Und was treibst du für gewöhnlich so?“, wollte sie daher von Zin wissen, um von sich selbst etwas abzulenken. „Aus Himbeeren kann man so etwas machen?“, fragte er erstaunt und steckte sich dann noch einen Bissen - diesmal einen sehr viel größeren in den Mund. Der Pfannkuchen ertrank inzwischen schon fast in Sirup auf Zins Teller. Allerdings wandte er sofort seine Aufmerksamkeit Viola zu, als sie ihm von der Schlagsahne und ihrer eigenen Schwäche dafür erzählte. „Wie meinst du das? Leute, wie du?“, wollte er mit einem Lächeln wissen und kaute genüsslich das Pfannkuchenstückchen mit der Sahne. Außerdem sah er sich dazu gezwungen, Viola ein bisschen über seine Art zu fragen aufzuklären. Immerhin war er weder dumm, noch von einem anderen Stern. Er war eben nur ... unerfahren, was ihren Teil der Erde anging. „Was eine Himbeere und welcher der Ahornbaum ist, weiß ich übrigens. Ich habe viel über menschliche Bräuche, Essen und auch andere Dinge gelesen. Aber wenn man es dann mit eigenen Augen sieht ...“ Er schmunzelte Viola freundlich an. „... dann ist es vollkommen anders, als man es sich je hätte vorstellen können. Dann magst du also gern Schokolade? Und Sahne? Was magst du noch?“ Das war gerade sehr viel interessanter und schien Zin wichtiger, als ihr zu erzählen, dass er den ganzen Tag eigentlich nicht viel machte. Oder zumindest an menschlichen Ansprüchen gemessen, nicht viel. Viola sah Zin fragend an und hatte dabei wie immer ihre eine Augenbraue hochgezogen. Der Kerl war ja überhaupt nicht neugierig, wie? „Naschkatzen wie ich eben“, log sie ihn ungerührt an. Schließlich war sie ziemlich gut darin, sofern sie sich nahe genug an der Wahrheit hielt. „Aber bevor ich dir hier noch weitere Fragen beantworte, würde ich gerne einmal was von dir wissen.“ Viola machte es sich in ihrem Schneidersitz noch etwas bequemer, ehe sie Zin wieder ansah. „Gibt es bei dir auch Fragen, denen du nicht ständig ausweichst? Vielleicht-“ Ihr Kopf schoss herum, noch ehe sie das laute Klopfen an der Vordertür hörte. Sofort wurde sie schlagartig ernst. „Bleib hier und sei still“, befahl sie Zin streng, ehe sie lautlos vom Bett glitt, auf den Flur schlich und die Tür zum Gästezimmer leise hinter sich schloss. Danach trat sie an die Haustür und öffnete diese. „Viola Lennox! Was habe ich da gehört? Du bist krank?“ Mit in den Hüften gestemmten Händen stand ein goldgelockter Engel breitbeinig in ihrer Tür und grinste so breit, dass er fast seine Ohren verspeist hätte. „Tess. Ich hätte wissen müssen, dass du nicht einfach anrufst. Nein, du musst mich ja unbedingt mit deiner Anwesenheit beehren.“ „Darauf kannst du Gift nehmen. Wozu sind denn sonst beste Freundinnen da?“ Bevor sie eine Antwort auf diese Frage finden konnte, sprang die sehr viel kleinere Frau sie an und umarmte sie kräftig, ehe sie Viola wieder losließ. „Freut mich auch, dich zu sehen. Aber wie du siehst, mir fehlt nichts. Erzähl das aber bloß nicht Dan.“ Tess lachte. „Als wäre das noch nie vorgekommen. Klar erzähl ich Dan nichts. Ich dachte auch nicht, dass du krank bist, weshalb ich dich sozusagen inflagranti erwischen wollte. Bei was auch immer. Also, bei was habe ich dich erwischt?“ Sofort kam Violas Anspannung zurück und ihre Sinne liefen auf Hochtouren. Schlimm genug, dass sogar ihre beste Freundin keine Ahnung hatte, was Viola war. Sie könnte ihr auch niemals erklären, was es mit dem Mann in ihrem Bett auf sich hatte. Auch wenn es nur das Gästezimmerbett war. Aber Bett war Bett. Zumindest in Tess' Augen. „Beim Frühstück. Was sonst?“ „Aha. Und mit wem, wenn ich fragen darf?“ Viola zuckte mit den Schultern. „Du darfst nicht fragen. Punkt. Aber du störst gerade ziemlich, ich wäre dir also sehr dankbar, wenn du dir jemand anderen zum Nerven suchst.“ Sie lächelte dabei, vielleicht sogar etwas gezwungen, aber das war Tess schon gewöhnt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Viola ihre Freundin zu Gunsten eines Männerbesuchs wieder vor die Tür setzte. Der blonde Engel konnte dafür später nicht genug von Violas ausführlichem Bericht bekommen. „Ist es der Knackarsch, mit dem du letztes Mal so schnell von der Strandparty verschwunden bist? Wie hieß er doch gleich ... Kit?“ Tess versuchte an Viola vorbei zur Treppe zu spähen, was gut war, denn sie schien keine Ahnung zu haben, dass das Objekt ihres eigentlichen Interesses kaum ein paar Meter von ihr entfernt lag. „Cid und nein. Zu deiner Information, er hat noch nicht einmal angerufen.“ Das holte Tess wieder in die Gegenwart zurück. Zumindest sah sie wieder Viola an. „Echt nicht? Dabei dachte ich, ihr versteht euch so gut. Aber naja, Männer. Meld' du dich doch mal bei ihm. Vermutlich wartet er schon darauf ... allerdings, wird er dann wohl noch eine ganze Weile warten müssen. Also sag schon. Wer ist es dieses Mal?“ Viola schüttelte entschlossen den Kopf. „Es ist nicht so, wie du denkst und du kennst ihn nicht.“ Nun wurde Tess' Lächeln kleiner und ihr Blick skeptisch. „Aber wenn er nicht in diesem Augenblick nach einer heißen Nacht splitterfasernackt in deinem Bett sitzt und ich euch gerade beim Erholungsfrühstück gestört habe, wieso zum Teufel darf ich dann nicht wissen, wer es ist?“ „Weil du neugieriges Ding nicht alles wissen musst, außer, dass ich gesund bin, bald wieder arbeiten gehe und dir ...“ Viola senkte deutlich die Stimme und sah Tess beschwörend an. „... später alles genau erzählen werde. Vorausgesetzt, du gehst jetzt.“ Natürlich würde Viola das nicht tun. Aber solange sie Tess los wurde, war ihr jedes Mittel recht. Sie mochte die junge Frau wirklich und hasste es, sie anlügen zu müssen. Aber in manchen Dingen hatte man nun einmal keine andere Wahl. Dennoch schienen Violas Worte zu wirken, denn Tess' Lächeln wurde nun strahlend und sie grinste wissend. „Okay, dann lass ich euch beide Mal wieder alleine. Lass mich aber nicht zu lange warten. Bis dann beste Freundin!“ Viola drückte Tess noch einmal, ehe sie die kleinere wieder hinausschickte. „Werd' ich nicht. Machs gut.“ Sofort, nachdem Viola aus dem Raum geschossen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, schob Zin den Teller von seinem Schoß und sah sich nach einem geeigneten Versteck um. Er hatte den leisen Befehl durchaus ernst genommen, aber außerdem hatte er seine eigene Meinung zum Aufeinandertreffen mit fremden Menschen. Solange sie ihn nicht halb tot am Strand fanden und es sich zur Aufgabe machten, ihn gesund zu pflegen. Daher verursachte Zins nervöses Herumrutschen auf dem Bett ein leises Klappern des Geschirrs, das er sofort festhielt. Mit zusammengekniffenen Augen horchte er auf den Flur hinaus und versuchte zu erkennen, ob wirklich Gefahr drohte, oder ob er sich einfach nur ruhig und unauffällig verhalten musste. Die zweite Stimme hörte sich auch weiblich an. Zin konnte zwar nichts aus der Unterhaltung der Frauen wirklich verstehen, aber zumindest kamen sie nicht näher. Was wohl so etwas wie Entwarnung geben sollte. Bloß sträubten sich sämtliche von Zins Instinkten gegen diese Einsicht und er saß in dem weichen Bett, wie auf Kohlen. Wo konnte er denn hin? Sein Blick flitzte durch den Raum, maß Lücken und Möglichkeiten ab, bis er immerhin zwei Stellen gefunden hatte. Allerdings blieb nur eine, die er in seinem Zustand und in so kurzer Zeit erreichen konnte. Sollten die Frauen näher kommen, würde er ... Es war lediglich Viola, die nach einer Weile des Schweigens wieder ins Zimmer kam, die Tür diesmal offen stehen ließ - wie bisher - und sich auf ihren Platz auf dem Bett setzte, um das Frühstück anscheinend weiter zu führen, als wäre nichts gewesen. Als die Tür hinter ihrer Freundin zu war, sperrte Viola zweimal ab und atmete erst einmal erleichtert durch. Glück gehabt. Nächstes Mal würde sie allerdings gar nicht erst an die Tür gehen. Zurück bei Zin, setzte sie sich wieder bequem hin, nahm ihren Teller auf den Schoß und badete ein Stück Pfannkuchen in Schokosauce. „Wo waren wir?“, fragte sie ungerührt, während innerlich noch total ihre Nerven flatterten. „Du ... wolltest mich etwas fragen“, antwortete er wahrheitsgemäß, aber mit leichter Skepsis in der Stimme. Irgendwie traute er dem Braten nicht. Was, wenn der Mensch, den Viola gerade weggeschickt hatte, jetzt am Fenster auftauchte? Konnten sie ihn dann einfach als irgendeinen Verletzten verkaufen? Allerhöchstens, wenn er sich die Decke über den Unterkörper zog und seine Finger versteckte, genauso, wie seine Kiemen. „Eigentlich hattest du mich schon etwas gefragt. Und ja, es gibt Sachen, die ich erzähle.“ Es war einfach nur sehr viel spannender, etwas über Viola zu erfahren. Er hatte sie damit nicht beleidigen oder sie misstrauisch stimmen wollen. „Es gibt bloß gar nicht so viele Dinge, die ich während eines Tages tue. Ich stehe auf, gehe mit dem Schwarm auf die Jagd. Sobald wir genug gefangen haben, kehren wir nach Hause zurück und es wird gegessen. Meistens sehe ich mich dann noch in der Umgebung um. Oder ich frische meine menschlichen Vokabeln auf. Meistens mit Büchern.“ Oder, indem er verbotenerweise und vollkommen auf eigenes Risiko, an menschliche Boote und Schiffe heranschwamm und sie belauschte. „Wirklich?“ Viola sah ihn erstaunt an. Und da dachte sie immer, sie sei faul, wenn sie den ganzen Tag nur in der Sonne herumliegen und dösen könnte. „Schwarm ... also fühlst du dich in großen Gesellschaften wohl? Ich persönlich genieße ja gerne meine Ruhe, und wenn mir mal die Decke auf den Kopf zu fallen droht, geh ich auf Partys. Aber ein Gruppenleben würde mir gar nicht liegen.“ Obwohl sie es mit ihrer Omi sehr schön gefunden hatte. Zumindest war sie eine Person gewesen, die ihr glich. So hatte es in dieser Hinsicht keine Geheimnisse zwischen ihnen gegeben. „Hast du eigentlich eine Familie? Du weißt schon, eine Frau, vielleicht auch Kinder? Wie macht ihr das eigentlich mit ...“ Viola räusperte sich. Nein, sie würde jetzt nicht fragen, wie Zin das mit dem Babymachen überhaupt hinbekam. Zin lachte leise. Das erste Mal, seit er hier war und auch nur ziemlich kurz, weil die Kontraktionen seines Brustkorbs wohl nicht gerade das Ideal für seine verletzten Kiemen zu sein schien. Zurück blieb ein Grinsen, das er Viola schenkte und es ihr auch erklärte, sobald er sich nicht mehr so zusammenkrümmen musste. „Ja, wirklich. Ich muss nun einmal nicht arbeiten, so wie ein Mensch. Das Einzige, was ich tun muss, ist meinen Schwarm, meine Familie und mich selbst am Leben zu erhalten.“ Sein Grinsen verschwand augenblicklich aus seinem Gesicht, als er das gesagt hatte. Die Worte kamen in seinen eigenen Ohren an und ließen sein Herz zu einem eisigen Stein erstarren. Seine einzige Aufgabe ... Er hätte ... sie beschützen müssen. „Und nein, ich habe keine Frau und auch noch keine Kinder.“ Er sagte es aufgeräumt und sachlich, auch wenn ihm gerade eher der Sinn danach stand, Viola in einen winzigen Teil seines Gefühlslebens einzuweihen. Glücklicherweise verwirrte ihn allein diese Tatsache ausreichend, um ihn genau davon abzuhalten. „Was die Gesellschaft angeht ...“ Zin erlaubte sich, Violas Blick festzuhalten, ihre wahnsinnig blauen Augen zu betrachten und sich einzugestehen, wie viel ihm die Gesellschaft dieser Frau bedeutete. Sie war ... seine Retterin. „Ich kann durchaus allein sein. Manchmal finde ich es befreiend, tagelang allein durchs Meer zu schwimmen. Ohne Ziel, ohne Begleitung. Ich gewinne viel dabei. Und niemand verbietet es mir. Aber ... Es ist schön, zu Leuten nach Hause zu kommen, die einen vermisst haben.“ Zins Lachen verursachte Viola einen warmen Schauer, der ihr wie kleine Funkenblitze die Wirbelsäule hinabknisterte. Es hörte sich verdammt gut an, mit seiner tiefen Stimme und ließ sie unwillkürlich fragen, wie es dann erst sein musste, wenn er aus vollem Leib lachen konnte, ohne sich dabei selbst Schmerzen zuzufügen. Zunächst schob sie den deutlichen Stimmungswechsel auf seine Verletzungen, doch als er sie dann erneut ansah, hatte sich etwas in seinen Augen verändert. Sie waren ... kälter und das Funkeln, das gerade noch in ihnen aufgeblitzt war, war verschwunden. „Ja. Das ist es.“, bestätigte Viola schließlich und nickte leicht, ehe sie sich noch ein Stück Pfannkuchen in den Mund steckte und kaute. Eigentlich war sie nicht mehr hungrig. „Ohne Flocke würde mir hier wirklich etwas abgehen. Aber naja. Seit kurzem hab ich ja noch eine nette Gesellschaft hinzugewonnen.“ Viola lächelte Zin aufmunternd an, obwohl sie wusste, dass er schon bald wieder gehen würde, sofern er hinreichend genesen war. Und bis dahin würde sie diese Gegebenheit nehmen, wie sie gekommen war. Außerdem gab es ihr Zufriedenheit, dass sie sich um jemanden kümmern konnte. „Da zahlt es sich wenigstens einmal aus, dass ich immer zu viel für mich alleine koche. Probier doch mal den Mangosaft. Der ist wirklich erfrischend.“ Den Rest von der Schokosoße auf ihrem Teller wischte sie mit ihrem Finger auf und den sie sich anschließend in den Mund steckte, um ihn abzulecken. Dann stellte sie das Geschirr wieder auf das Tablett zurück. „Wie ist das eigentlich ...“, begann sie nach einem neuen Gesprächsthema zu suchen. „Bist du immer so angenehm kühl, oder ist das nur, weil du gerade nicht ganz fit bist?“ Er nahm das nette Kompliment mit einem angedeuteten Nicken und fing dann wieder an seinen Pfannkuchen zu essen, der auf dem Teller inzwischen gänzlich kalt geworden war. Was aber nichts daran änderte, dass er mit Schokolade und Sahne unglaublich gut schmeckt. Und mit Ahornsirup. Schließlich hinterließen Zins Lippen einen verschmierten Abdruck auf dem Glas, als er den Saft probierte und sofort stutzte. Noch einen winzigen Schluck ... "Das kenne ich. Das ... habe ich schon mal ... Es ist eine grüne Frucht, richtig?“ Ziemlich groß und innen sehr fleischig. Zin glaubte sich zu erinnern, dass er einmal einen Happen hatte versuchen dürfen, als zwei seiner großen Brüder so etwas in einem Fluss gefunden hatten. Dass ihm das bis heute entfallen war ... Mit einem versonnenen Lächeln musterte er Viola und fragte sich, wie sie denn gerade auf dieses Thema kam. „Meinst du, was meinen Charakter oder meine Körpertemperatur angeht?“, konterte er mit einem Zwinkern, bevor er ihr wahrheitsgemäß antwortete. „Meine Körpertemperatur hängt auch von meiner Umgebung ab. Aber meistens bin ich nicht wesentlich wärmer als jetzt. Und du findest das ... angenehm?“ Viola musste grinsen. Wie er über Dinge sprach, als wären sie total neu und faszinierend, obwohl es für sie nur noch banal und gewöhnlich war. Das war so ... „Interessant. Und nein, ich meine nicht deinen Charakter.“ Ihr Lächeln wurde breiter. „Aber ja, ich finde das angenehm. Ich meine, ich bin von Natur aus total hitzig, und obwohl ich ganz gut damit zurechtkomme, ist mir bei einer heißen Außentemperatur natürlich etwas Abkühlung lieber. In jeder Form. Auch in der Form eines Mannes.“ Viola nahm rasch einen Schluck von ihrem Mangosaft, um sich davon abzuhalten, noch mehr zu sagen. Doch sie ließ Zin dabei die ganze Zeit nicht aus den Augen. Er ... faszinierte sie einfach. Vor allem seine ungewöhnlichere Seite. „Und du kommst wirklich nicht allzu oft an Land? Warum eigentlich nicht? Das Trockene scheint dir nichts auszumachen und den paar Menschen auf dieser Insel kann man durchaus aus dem Weg gehen.“ Außerdem hätte sie hier auf jeden Fall ein sicheres Plätzchen für ihn, falls er mal wieder hierher zurückkommen wollte. Eigentlich wollte sie Zin jetzt schon nicht mehr gehen lassen. Ihre Freunde waren toll und sie liebte Flocke, aber Zin war ebenso andersartig wie sie, auch wenn er das nicht wusste. „Ach ...“ Zins Miene zeugte von ehrlicher Irritation über diese Aussage. Er war sich für einen Moment absolut nicht sicher, ob sie ihn gerade ein bisschen angemacht hatte. Da er aber weder 'ja' noch 'nein' dazu sagen konnte, entschied er sich für die sichere Variante und ließ es einfach auf sich beruhen. „Nein, nicht allzu oft. Aber du hast natürlich Recht. Ich könnte an Land gehen, mir die Natur ansehen, die ich durchaus zu schätzen weiß. Und das habe ich auch schon getan. Ich habe mir Mangrovenwälder angesehen, Strände, Urwälder und sogar einmal eine Großstadt. Aber nichts davon hat mich ... so nachhaltig beeindruckt wie zum Beispiel ein Ausflug mit einem Buckelwal an den Rand der Tiefsee. Es ist wirklich wunderschön dort, wo ich lebe, Viola.“ Hatte er sich gerade ein Stück zu ihr gelehnt? Um ... seinen Worten mehr Gewicht zu geben? Zin wunderte sich darüber, dass er ihr seine Heimat schmackhaft machen wollte. Ja, sie war schön, geheimnisvoll und er liebte sie ... Aber Viola hatte gesagt, dass sie Wasser hasste. Daran würde sich wegen ein paar schöner Geschichten nichts ändern. Und ... warum wollte er das überhaupt? „Kann ich das als ... Angebot sehen? Dafür, dass ich dich vor meiner Reise zum Pol für einen Abstecher besuchen kann? Jedes Jahr ... einmal 'Hallo' sagen und auf ... das hier einen Pfannkuchen essen?“ Er lächelte verschmitzt. Das konnte er sich durchaus vorstellen. Unwillkürlich lehnte sich Viola auch ein Stück in Zins Richtung, während er ihr erzählte, was er schon alles gesehen hatte. Ein Ritt auf einem Buckelwal? Wow. Das konnte sie sich noch nicht einmal vorstellen. Zumal sie ja nicht unter Wasser atmen konnte, aber irgendetwas daran, vielleicht wie Zins Augen bei seinen Worten leuchteten, während er ihr von seiner Heimat erzählte, oder die Art, wie ihr Name von seiner tiefen Stimme getragen wurde, auf jeden Fall schürte das noch mehr ihre Faszination. Wer zum Teufel ritt auch schon auf einem Buckelwal am Rande einer Tiefsee? Menschen würden ihn für diese Behauptung auslachen. Ebenso, wenn sie behaupten würde, dass es für sie kaum etwas Schöneres gab, als Wild durch die Wälder zu jagen, ohne es jedoch zu erlegen. Dass sie es einfach mochte, wie ihre Pfoten blitzschnell jeden Untergrund, jede Erhebung, ja jeden noch so kleinen Stein dazu nützten, sie noch schneller voranzutreiben, bis ihr der Wind ins Gesicht schlug. Oder das ihr kein Baum hoch genug sein konnte, wenn sie ihn erklimmen wollte. Als Zin weitersprach, wusste Viola nicht, ob sie grinsen oder enttäuscht sein sollte. Enttäuscht deshalb, weil seine Frage nur einen Zeitraum von einmal im Jahr beinhaltete und so ein Jahr war nun einmal verdammt lang. Grinsen jedoch musste sie schließlich, weil sich seine Worte so mehrdeutig anhörten, obwohl er das sicher nicht gemeint hatte. Ja, lächeln war besser, als enttäuscht, zu sein. Vor allem passte es besser zu einer Erwiderung auf seinen hinreißenden Gesichtsausdruck. Er sollte wirklich öfter so lächeln. „Kommt darauf an, was du unter Abstecher und 'Hallo' sagen verstehst?“ Ihr Grinsen wurde breiter, während sie ihm einen vielsagenden Blick zuwarf, der dann ungewollt an ihm entlang nach unten glitt. „Ich kann mir das bei den gegebenen Tatsachen gerade irgendwie nur schwer vorstellen ...“ Zin hob die Augenbrauen und setzte eine vollkommene Unschuldsmiene auf, während er Viola einen Moment lang eingehend betrachtete und das Knistern zu ignorieren versuchte, das ihr Blick als Spur auf seinem Bauch hinterließ. „Jetzt weiß ich nicht genau, mit was du mir eher gedanklich eine überziehen möchtest. Damit, dass man meine Frage falsch interpretieren könnte ...“ Er lehnte sich - trotz des Protests seines Rückens - noch ein Stück weiter vor, senkte seine Stimme zu einem tiefen Raunen und lächelte ein Lächeln, das sonst nur sehr wenige Frauen zu Gesicht bekamen. „Oder, dass du mir nicht zutraust, ich könnte diese falsche Interpretation erfüllen.“ Mit einem breiten Schmunzeln setzte er sich wieder gerade hin. „Nur weil du nicht alles sehen kannst, heißt das nicht ... dass ich nicht alles habe, was ich brauche.“ „Wirklich?“ Okay, sie begann sich zu wiederholen, aber Zin forderte es geradezu heraus, dass sie seine Antworten in Frage stellte. Vor allem, wenn er so lächelte, wie er es gerade getan hatte. Einen Moment lang hatte Viola geglaubt, ihr bliebe tatsächlich das Herz bei diesem Anblick stehen. Nur um dann ziemlich rasant weiter zu schlagen. "Weißt du, was ich eher glaube?“ Viola sah ihn schief grinsend an und ließ ihn kurz zappeln. „Ich glaube, dass ich viel mehr meine Neugierde befriedigen wollte, anstatt dir verbal eine überzubraten. Zudem traue ich dir ziemlich viel zu, wenn schon ein paar Sekunden von deinem speziellen Lächeln weniger abgebrühte Frauen als mich dazu bringen könnten, sofort ihre Höschen zu verlieren.“ Nun musste sie bei der Vorstellung tatsächlich lachen. „Und überhaupt lasse ich mich grundsätzlich nur von Tatsachen überzeugen, nicht mit bloßen Worten.“ So wie sie es beinahe schnurrte, klang es fast wie eine Herausforderung, doch Viola winkte dann lediglich ab. „Außerdem könnten deine Worte auch bedeuten, dass du alles hast, um ... wie zum Beispiel bei den Lachsen, einfach über ein paar Eier zu schwimmen und sie dabei zu befruchten. Ich bin zwar vielleicht kein Ass in Naturkunde, aber soviel weiß selbst ich.“ Viola ließ die Worte so im Raum stehen und nahm seelenruhig einen Schluck von ihrem Mangosaft, während sie in sich hineinschmunzelte. Es machte Spaß Zin zu necken. Entsprach aber auch der Tatsache, dass sie ihm nicht vollkommen glaubte. Nein, da würde er sie wirklich erst noch überzeugen müssen. Wenn es überhaupt je dazu kommen sollte. Als Violas Lachen erklang, musste Zin sich wirklich am Riemen reißen. Wenn er weiterhin so unvorsichtig war, würde er das Pulsieren der Wunden nicht mehr so schnell und leicht ignorieren können. Aber ... was sollte es denn? Zumindest ein bisschen ließ er sich anstecken und sah sein Gegenüber dann forschend an, als sie ihn mit ihrer nächsten Aussage offensichtlich wieder zu verwirren suchte. Sie ließ sich nur von Tatsachen überzeugen? Zin hatte ja schon von offenen Frauen gehört, aber das war eher so, wie Viola es gerade genannt hatte. Abgebrüht. Was es nur noch viel schwieriger machte, Viola einzuschätzen. Erlaubte sie sich nur einen Scherz mit ihm, neckte sie ihn ... oder lag ein bisschen Ernst in ihren Worten? Manchmal war es wirklich nicht so einfach, mit einem Menschen zu kommunizieren. In seiner Welt war man selten unehrlich zueinander. Meistens war es einfach zu gefährlich, sich nicht auf die Signale des Anderen verlassen zu können. Aber bei Menschen ... musste man immer damit rechnen, dass sie genau das Gegenteil von dem meinten, was sie sagten. Man musste ... skeptisch bleiben. Trotz seines gesunden Maß an Misstrauen musste Zin wieder leise lachen und diesmal schlang er seinen Arm um seinen Bauch, um den Verband etwas fester auf seine schmerzenden Kiemen zu drücken, bevor er sich wieder vollkommen beruhigt hatte. „Das habe ich nun wirklich noch nie versucht.“ Allein die Vorstellung war aber durchaus erheiternd. Und sich das vorzustellen ... Herrje, stinklangweilig. Wieder ruhiger fuhr er fort. „Wie ist das mit dir? Ich weiß ja immer noch nicht, wie groß dein Anwesen ist, aber Kinder hätte ich wohl inzwischen zumindest gehört ...“ „Also so groß ist mein Anwesen auch wieder nicht. Nimmt man die Wohnküche, mein Zimmer, das obere WC und die Rumpelkammer dazu, wäre das Haus eigentlich komplett. Dazu noch etwas Strand und hinterm Haus noch ausreichend Wald, dann wäre es das auch schon gewesen.“ Viola machte ihr kleines Reich zwar farbloser als es eigentlich war, aber sie sprach trotzdem mit Wärme in der Stimme, wenn sie von ihrem Zuhause redete. Sie liebte diesen Ort und wollte auch gar nicht von hier weg. „Und nein. Für Kinder habe ich noch nicht den richtigen Erzeuger gefunden. Was mich bei dem Kaff auch kein Bisschen wundert, aber was soll’s. Ich hab ja noch ausreichend Zeit und wie meine Omi immer sagte: Ich muss mich noch austoben und erwachsen werden.“ Viola lächelte bei dem Gedanken. Es war jedoch nur noch ein kleines Lächeln. Sie wusste ja selbst, dass sie einen viel zu unsteten Lebenswandel hatte und ihre Unfähigkeit, lange intensive Beziehungen zu führen, machte es auch nicht gerade besser. „Naja. Ich räum' dann mal das Geschirr weg.“ Geschmeidig rutschte sie vom Bett, sammelte alles ein, ließ Zin aber den Saftkrug und sein Glas auf dem Nachtkästchen stehen und verschwand dann mit dem Tablett in die Küche, wo sie die übrig gebliebenen Pfannkuchen einpackte und in den Kühlschrank stellte. Mit einem Teller und einem Geschirrtuch in der Hand hielt sie schließlich inne und starrte aus dem Fenster auf das Meer hinaus. Ihr fiel noch ein Grund ein, warum sie keine Kinder hatte und auch gar nicht erst daran dachte, welche in naher Zukunft zu haben. Hier gab es niemanden von ihrer eigenen Art. Toll. Zin sah aus dem Fenster, nachdem Viola verschwunden war und ihn wohl für den größten Idioten halten musste, der in den Weltmeeren unterwegs war. Oder in ihrem 'bescheidenen Palast' im Gästezimmer herum saß. Ganz toll. Na, zumindest hatte sie ihn nicht ausgelacht dafür, dass er ihr diese anfängliche Beschreibung einfach abgekauft hatte. Vielleicht zählte ja, dass er da noch halb ohnmächtig vor Schmerzen mit dem Bauch auf dem Bett gelegen hatte. Er würde sich von jetzt an daran gewöhnen, Violas Worte auf die Goldwaage zu legen, wie bei jedem anderen Menschen auch. Wobei der Unterschied sein würde, dass er bei ihr keine Lügen, sondern lediglich einen Scherz vermuten wollte. Als er wieder vor sich auf das Bett sah - auf den Platz, an dem Viola gerade noch gesessen hatte - bekam Zin das Bedürfnis nach ihr zu rufen. Zwar brauchte er nichts, aber ... ihre Gesellschaft fehlte ihm schon nach den wenigen Minuten, die sie gerade in der Küche herum klapperte. „Reiß dich doch mal zusammen“, ermahnte er sich nachdrücklich und schnappte sich noch etwas Mangosaft, der ihm dann in winzigen Tropfen auf der Oberlippe stand, bevor er sie unauffällig abschleckte. Vielleicht sollte er lesen. Wenn er doch jetzt so oft mit einem Menschen sprach ... Wieder huschte sein Blick zur Tür, doch anstatt nach ihr zu rufen, lauschte Zin Viola in der Küche und ließ sich dann umständlich und dem entsprechend sehr langsam auf das Bett gleiten, wo er auf die Seite gerollt liegen blieb. Er würde vor Langeweile sterben, wenn sie wieder arbeiten ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)