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Aufstand der Oktolinge

Limone x Agent 8
von

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Rock vs. Pop


 

E I N S – Rock vs. Pop
 

Es ist früh am Morgen, viel zu früh für Limone, aber die perfekte Aufstehzeit für Aioli.

„Also, Cousinchen! Dann wollen wir uns mal um die Splatfest-Themen kümmern!“, flötete Aioli und trommelte mit ihrem Stift auf dem Block herum.

Limone drückte sich gähnend um die Kaffeemaschine herum und wartete sehnsüchtig darauf, dass ihr koffeinhaltiges Heißgetränk fertig wurde. Sie liebte ihre Cousine Aioli, aber nicht unbedingt um sieben Uhr morgens und schon gar nicht, wenn Limone die halbe Nacht an einem Song gearbeitet hatte und Aioli währenddessen seelenruhig geschlafen.

Aioli wippte ungeduldig auf ihrem Sitz herum und biss in eine Waffel. „Komm schon, Limone. Was findest du gut? Katzen vs. Hunde, Reis vs. Brot, Rot vs. Blau …“

„Meine Lieblingsfarbe ist Grün nicht Blau, Aioli. Das weißt du doch“, murmelte Limone und schenkte sich Kaffee in ihre große 2-Liter-Tasse, auf der „Procastinators unite! Tomorrow!“ stand.

Aioli nickte gut gelaunt. „Stimmt, stimmt … Mensch, Musik brauchen wir, ich kann das nicht ohne Musik! Moment!“

Sie machte das Radio an und suchte nach ihrem Lieblingssender. Limone stöhnte innerlich auf, keine Rockmusik am Morgen!

„Aioli, muss das sein?!“

Limones Cousine warf ihr einen verärgerten Blick zu. „Ja, muss es! Anders kriegt man dich sowieso nicht wach!“

Limone schüttete sich Milch in ihren Kaffee. „Ich will auch gar nicht wach werden, ich war bis halb zwei morgens wach!“

„Tja, selbst schuld?“ Aioli verdrehte die Augen.

Limone streckte ihr die Zunge entgegen. „Tja, dann schreib du doch den nächsten Song?!“

Aioli wandte sich wieder dem Radio zu und drehte daran, bis sie schließlich „Rock am Riff“ gefunden hatte – ihren Lieblingsrocksender.

Limone seufzte wehleidig.

Aioli setzte sich zurück an den Tisch und wuschelte Limone durch die Tentakeln. „Hilf mir mit dem Splatfest-Thema und dann kannst du zurück ins Bett, wie findest du das?“

„Na gut …“

Eine Weile saßen die beiden schweigend am Tisch, Aioli machte einen Vorschlag nach dem anderen, Limone lehnte so gut wie alle im Halbschlaf ab. Keiner davon fühlte sich richtig an, viele landeten auf der Liste von Themen, die sie irgendwann später dran nehmen würden.

Schließlich hielt Limone es nicht mehr aus. „Mach doch endlich das Radio aus!“

„Nein! Es spielen gerade die „Demonic Ducks“, das ist eine meiner absoluten Lieblingsbands und ihr Lied „Feathers for the Sea!“ ist voll gut!“

„Aber nicht jetzt! Können wir wenigstens ein bisschen Pop hören?“, fragte Limone genervt und stürzte den restlichen Kaffee in sich hinein.

Aioli zeigte ihre spitzen Zähne. „Nein! Können wir jetzt nicht! Ich will das Lied zu Ende hören! Rock ist sowieso viel besser als Pop!“

„Wovon träumst du eigentlich nachts?!“, fauchte Limone.

Aioli grinste gehässig. „Wenigstens träume ich überhaupt, Miss Übernächtigt!“

„Pop!“

„Rock!“

Das Telefon klingelte. Aioli stand vor Wut schäumend auf und riss den Hörer von der Gabel.

„Ja, was ist denn?! Oh … Ja, ja, wir arbeiten gerade daran … Nein, wir haben uns noch nicht entschieden … Ich weiß, dass das Thema heute beschlossen werden muss! Natürlich denken wir darüber nach, genau in diesem Moment!

Limone, lass deine Tentakel vom Radio!“, rief Aioli aufgebracht.

Limone hatte die Gelegenheit genutzt und sich am Sender zu schaffen gemacht und grinste ihre Cousine maliziös an.

Aioli hing am Telefon fest, man wollte von ihr schließlich wissen, welches Splatfest-Thema heute verkündet werden sollte und konnte nichts dagegen tun, dass Limone Aiolis Lieblingslied wegdrehte.

Während Limone ihren Sender „Pop with a Pufferfish“ suchte, fiel es Aioli wie Schuppen von den Augen.

„Unser Thema ist Rock vs. Pop.“

Ihre Cousine hielt sofort inne und drehte sich dann zu Aioli um.

„Genau. Ja, das machen wir, wir lassen uns was einfallen. Bis später dann, ja. Auf Wiederhören, Ihnen auch einen tentakulären Tag.“

Aioli legte den Hörer auf und wusste, was jetzt gleich kommen würde.

„Du hast ohne mich das Splatfest-Thema festgelegt?!“, platzte es aus Limone wütend heraus.

Sie hatte aufgehört am Sendersuchrad zu drehen und klassische Musik dröhnte aus dem Radio. Ein junger Inkling gab gerade seine Lieblingsoper zum Besten.

Aioli warf sich spielerisch einen Tentakel über die Schulter. „Ich weiß gar nicht was du willst, du hast doch mit entschieden.“

Limone öffnete den Mund um zu protestieren, aber dabei blieb es auch, denn im weitesten Sinne hatte Aioli irgendwie recht. Außerdem war es gerade ihr liebstes Streitthema – was könnte sich also besser für ein Splatfest eignen?

„Tja, und da wir das jetzt erledigt haben, kannst du dich wieder in die Falle hauen“, meinte Aioli gut gelaunt und schnappte sich den Rest ihrer Waffel.

Limone kam um den Tisch herum und drückte Aioli an sich. „Vergiss es, ich bin jetzt wach! Ich sag dir was wir machen! Wir üben jetzt gemeinsam meinen neuen Song, den ich gestern Nacht geschrieben habe!“

„Okay, wenn du willst“, sagte Aioli und umarmte ihre Cousine ebenfalls gut gelaunt, ehe sie stirnrunzelnd aufsah. „Limone … Mach diese furchtbare Musik aus! Dem sein Gejaule ist ja nicht auszuhalten!“

Limone prustete und stellte das Radio ab. „Wenigstens hier sind wir uns einig!“

Die beiden beendeten ihr Frühstück und machten sich bereit, um ins Studio zu fahren und ihren neuen Song auszuprobieren. Während Aioli sich den letzten Schliff verpasste, um draußen auch ja perfekt auszusehen, merkte Limone, dass ihr Squidphone vibrierte.

Sie zog es aus ihrer Hosentasche und warf einen Blick auf die Nachricht.

 

Noctiluca:

„Guten Morgen, Limette.

Schon wach oder schläfst du noch?“

7:32

 

Limone musste grinsen. Noctiluca … Er schrieb ihren Namen mit Absicht falsch, seit die Autokorrektur so einen Murks damit getrieben hatte. Sie erinnerte sich daran, als es das erste Mal passiert war und sie vor Lachen im Studio eine ganze Weile nicht singen konnte.

 

Limone:

„Guten Morgen, Luca.

Aioli hat mich früh rausgehauen, wir mussten das Splatfest-Thema festlegen. Was treibst du so?“

7:35
 

Noctiluca:

„Ist es schon so weit?! Toll, um was geht es denn?

Tja, ich tue was ich immer so tue. Oktario will eine neue Basis im Untergrund bauen und er werkelt an Plänen für neue Maschinen herum.

Er hat irgendein großes Ding vor, seid lieber auf der Hut!“

7:40

 

Limone:

„Unser Thema ist Rock vs. Pop. Ich bin natürlich für Pop!

Aha, so ist das also … Ja, Opa meinte schon, dass „ihr“ euch immer weiter aus dem Untergrund wagt.

Aber Luca, sowas kannst du mir doch nicht einfach schreiben! Wenn das die anderen Oktarianer mitbekommen, werden die dich kielholen!“

7:44

 

Noctiluca:

„Mach dir keine Sorgen, Limo! Ich hab alles im Griff. Dieses Squidphone verstecke ich immer im Außenposten vom Okto-Distrikt, das trag ich schon nicht mit bei mir! Ich schleiche mich mit meinem Leuten hier gerade herum.

Dein Opa hockt in seiner Hütte und schreit so was wie „Runter von meinem Rasen“. Meine Leute amüsieren sich köstlich.

Limone, es wäre immer noch großartig, wenn du einen Weg finden könntest, wie wir Oktolinge und Inklinge in Frieden miteinander leben könnten. Ich weiß, es ist nicht mehr viel Platz an Land und die Salmoniden belagern die Küsten, aber vielleicht kann man sich arrangieren.

Der Untergrund ist einfach die Hölle …

Und außerdem, wenn wir schon über Musik sprechen … nichts geht über Metal. Wollte ich nur mal gesagt haben!“

8:02

 

„Schreibst du schon wieder mit diesem Noctiluca?“

Limone hätte vor Schreck beinahe ihr Handy fallen lassen. Aioli war direkt vor ihr aufgetaucht, fertig angezogen und mit ihrer Ausgehtasche in der Hand.

Limone nickte. „Ja. Er meint, dass Oktario eine große Sache vor hätte, dass er Maschinen baut und all sowas.“

„Diese elendingen Oktarianer!“, murmelte Aioli und ihre Augen blitzten feindselig.

„Aioli, nicht alle sind so …“

Limones Cousine schüttelte verärgert den Kopf. „Ich traue diesem Noctiluca nicht, Limone! Und du solltest ihm auch nicht trauen, er ist ein Oktoling! Nur, weil er dir schöne Augen macht –!“

„Das ist es nicht, und das weißt du genau!“, fiel Limone Aioli aufgebracht ins Wort. „Luca wünscht sich eine friedliche Lösung, die wünsch ich mir auch! Ocatrio hat irgendwas vor, wir müssen rausfinden was das ist! Und ich denke, das sollten wir so schnell wie möglich tun!“

Aioli war bereits an der Tür, die beiden mussten endlich los. „Schön, machen wir das. Aber nach dem Splatfest. In Inkopolis bricht Chaos aus, wenn wir jetzt so sang- und klanglos verschwinden.“

Limone zwirbelte einen ihrer Tentakel um ihren Finger. Manchmal war es einfach ungünstig, ein Superstar zu sein – mit all diesen Verpflichtungen und Auftritten. Wie sollten sie da ihrer Agentenarbeit nachkommen?

„Opa meint, er hätte einen jungen Inkling gefunden, der so aussieht als könnte er den Ocatrianern einheizen“, sagte Aioli, Limone sah überrascht auf.

„Wen?!“

Aioli zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Irgend so ein ganz junger, der erst vor kurzem mit Revier-Kämpfen angefangen hat, aber sich ganz gut machen soll. Er soll im ersten Distrikt den Oktarianern gezeigt haben, was eine Harke ist.“

Limone spürte wie ihr Herz einen schmerzhaften Sprung machte und Panik in ihr hochkroch. „Luca ist dort!“

„Beruhig dich. Luca ist doch ein kluges Kerlchen, oder nicht? Der will doch gar nicht kämpfen, also wird er sich damit zurückhalten.“

Es war eindeutig, dass Aioli sich keine großen Sorgen um den Oktoling machte, genauer genommen war kaum zu übersehen, dass der Junge ihr ziemlich gleich war. Für Aioli waren alle Oktarianer Feinde, die den Inklingen ihr Land abluchsen wollten. Limon sah das anders. Sie hatte Noctiluca bei einem Einsatz kennengelernt, als sie ihm eigentlich eine Kugel durch den Kopf hätte jagen sollen. Aber sie hatte es nicht getan. Noctiluca war einfach dagestanden und hatte darauf bestanden, dass er sich für eine friedliche Lösung einsetzen will, die diesen langwierigen Krieg beenden soll. Limone hegte diesen Wunsch ebenfalls schon sehr lange und endlich war da Jemand, der ihre Meinung teilte und sogar bereit war, sich dafür erschießen zu lassen, wenn es denn etwas bringt.

Sie konnte nicht abdrücken, Noctiluca wollte nicht abdrücken und so kam es, dass sie redeten statt zu schießen, während Aioli am Funkgerät ausflippte.

Limone schüttelte den Kopf und kehrte ins Hier und Jetzt zurück. Ihre Angst verwandelte sich in Wut über die Sorglosigkeit ihrer Cousine.

„Jaah, Luca will nicht kämpfen! Aber Opas neuer Schützling, der wird sich wohl kaum zurückhalten! Ich muss –!“

„Mit mir ins Studio, den neuen Song üben, uns fürs Splatfest bereitmachen. Wenn Noctiluca dir nicht schreibt, weißt du auch so, dass er wohl in Schwierigkeiten steckt, also …“

Limone stand wie zu Stein erstarrt da, während Aioli an ihrer Hand zog.

Aioli merkte, dass sie die Gefühle, die Limone für diesen Oktoling hegte, wohl nicht ernst genug genommen hatte. Limone sah nun richtig besorgt aus und Aioli fühlte sich schlecht, weil ihre Sorge um den Oktoling nicht mal ansatzweise so groß war, aber sie traute diesem Kerl einfach nicht. Er war ein Feind, er könnte ein Spion sein, er könnte die Aquamarine ausspionieren! Welchen Beweis hatte Limone für seine Loyalität ihr gegenüber? Schön, er hatte an diesem einen Tag seine Tentakel riskiert, als er seinen Oktokleckser auf den Boden gelegt hatte, obwohl Limone weiterhin ihren Ziel-Konzentrator auf ihn richtete, aber das reichte Aioli einfach nicht. Außer regen Kontakt über Handy und heimliche Treffen war noch nichts bei dieser Freundschaft rumgekommen – fand Aioli.

„Okay, okay. Limone, wir können gerade nicht viel machen. Reden wir mit Opa, der soll sich mit seinem Schützling kurzschließen, damit er keine friedlichen Oktolinge abknallt, okay? Das ist im Moment echt alles, was wir machen können. Jetzt komm endlich, wir sind spät dran!“

Limone blieb noch eine Weile wie erstarrt stehen, ehe sie sich in Bewegung setzte und ihrer Cousine nach draußen folgte Ihre Gedanken kreisten um Luca, sie fragte sich, ob es ihm gut ging, ob er gut auf sich Acht gab, ob die anderen Oktolinge gemerkt haben, dass er mit ihnen Kontakt hatte … Es gab so viele Möglichkeiten, wie er in Schwierigkeiten geraten konnte!

Limones Handy vibrierte.

 

Noctiluca:

„Hey, Limone! Ihr habt einen neuen Agenten?! Der hat im ersten Okto-Distrikt ganz schön Terror getrieben! Ich weiß jetzt auch, was Oktario vorhat! Er will den Großen Elektrowels klauen, eine Menge kleiner hat er schon, aber einen Teil davon hat euer Agent bereits wiederbeschafft!

Schreib mir so schnell wie möglich zurück, hier bricht allmählich echt die Hölle los …!

8:11

 

Limones Finger zitterten, als sie Luca auf seine Nachricht antwortete.

„Limone, wir müssen langsam gehen …“, sagte Aioli vorsichtig und berührte sie an der Schulter.

 

Limone:

„Von dem Agenten hab ich gerade erst erfahren! Halt dich von ihm fern, Luca! Der soll alles und jeden splatten! Aioli und ich müssen uns auf das Splatfest vorbereiten, wir können nicht einfach so verschwinden!“

8:13
 

Auf wackelinge Beinen lief Limone neben Aioli her, ihre goldenen Augen auf das Squidphone gerichtet. Luca könnte ihr jeden Moment zurückschreiben! Ihre gesamte Konzentration war nur noch darauf gerichtet.

 

Noctiluca:

„Wow … Meine Zivilisation steht wortwörtlich am Abgrund und dich interessiert nur dieses Splatfest – das ist schon ein Hammer. Was ist aus der Limone geworden, die mir versprochen hat, dass sie Oktolingen hilft, die friedlich mit euch zusammenleben möchten? Ich bin echt enttäuscht. Vielleicht hört euer neuer Agent mir ja zu, einen Versuch ist es jedenfalls Wert – das ist nämlich alles, was mir noch bleibt.“

8:15

 

Limone wäre beinahe das Squidphone aus der Hand gefallen. Luca hatte recht, im Okto-Distrikt fing der Krieg von neuem an und sie und Aioli dachten über etwas so Albernes wie das Splatfest nach!

„Aioli, ich muss jetzt in den Okto-Distrikt!“

Limones Cousine blieb auf der Straße überrascht stehen. „Was?! Das geht nicht, wir …!“

„Wir sind Agenten und wir werden gebraucht! Du musst dich entscheiden, Aioli! Ein Leben als sorgenfreier Superstar oder ein Leben als Agent, der für eine gute Sache kämpft, egal wann und ohne Rücksicht auf die Karriere! Im Moment kannst du nicht beides haben! Ich werd Luca nicht im Stich lassen, nur weil wir uns über Musik streiten – außerdem hat er vielleicht recht!“

Limone machte sich bereit, per Supersprung in den ersten Okto-Distrikt zu springen.

Aioli stand noch immer geschockt da, ehe sie fragen konnte: „Recht?! Womit soll dieser Oktoling bitte recht haben?!“

Limone schoss in die Luft und rief Aioli zu: „Dass Metal die beste Musik von allen ist!“

 

Nachwort:

Ehrlich gesagt, wollte ich nur einen OS darüber schreiben, wie das erste Splatfest-Thema entstanden ist und dann ist das irgendwie mutiert :D Ich weiß noch nicht ganz genau wie ich das weiterschreiben möchte, aber ich hab schon ein paar Ideen :3

Die Geschichte erwähnt den Salmon Run, den es erst seit Splatoon 2 gibt, aber da es ja eine Welt ist, hab ich mir die Freiheit genommen zu behaupten, dass es den Salmon Run trotzdem an sich schon gibt.

Im Titel steht Limone x Agent 8, weil mir der Gedanke kam, das es sich hierbei um die Vorgeschichte von Agent 8 handeln könnte. Ich weiß, dass er eigentlich erst nach dem großen Auftritt beim Kampf gegen DJ Oktario „erwacht“ ist, aber ein bisschen die Geschichte zu ändern, nehmt ihr mir hoffentlich nicht übel ^^“

Sagt mir doch einfach was Ihr von diesem ersten Kapitel haltet^^ Über Kritik, Anregungen und nette Worte wäre ich Euch sehr dankbar :]

Bernstein vs. Rubin


 

Z W E I – Bernstein vs. Rubin

 

Limone landete hart auf dem Boden des ersten Okto-Distrikts. Hektisch sah sie sich um, aber das Chaos, das sie erwartet hatte blieb aus. Es wurde nicht geschossen, nirgends waren Farbkleckser zu sehen und zu ihrer Erleichterung auch keine toten Oktolinge. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, offenbar war sie noch rechtzeitig gekommen!

„Limone, meine Liebe. Was machst du denn so plötzlich hier? Mein in die Jahre gekommenes Radio meinte gerade eben noch, dass du und Aioli euch auf das Splatfest vorbereitet.“

Limone ließ ihren Blick zurück zur winzigen Hütte gleiten – der Außenposten ihres Großvaters, Käpt'n Kuttelfisch. Dort stand er, ihr Opa, auf seiner treuen Klotzer 14-C gestützt, die ihm als Gehstock diente. Seine großen Augen musterten Limone neugierig. Hinter Kuttelfisch, neben der Hütte auf einem klapprigen Stuhl, saß ein junger Inkling – ein sehr junger Inkling. Limone schätzte ihn auf gerade mal 14 Jahre; das Alter, in dem Inklinge ihre humanoide Form annehmen konnten und ihre Zeit mit Revierkämpfen verbrachten. Doch dieser Inkling, mit cyanblauen Tentakeln und bernsteinfarbenen Augen schien anderes im Sinn zu haben, als sich mit Farbe bespritzen zu lassen. Er sah aus wie jemand, der bereit war sich die Hände schmutzig zu machen, um sein Ziel zu erreichen.

„Opa! Ich muss unbedingt mit dir sprechen!“, sagte Limone, während ihre goldenen Augen weiterhin auf dem Jungen ruhten, der sie nun seinerseits bemerkt hatte und fragend ansah. Limone hatte nicht den Eindruck, dass er sie erkannte – er schien sich nur zu wundern, wer sie überhaupt war und was sie hier zu suchen hatte.

Kuttelfisch kratzte sich unter seiner Mütze und kam langsam näher. „Aber ja doch, Liebes. Was gibt es denn? Neuigkeiten aus deiner vertraulichen Quelle?“

Limone nickte knapp und wies ein Stück von der Hütte weg, langsam folgte Kuttelfisch ihr.

Der Inkling, der währenddessen seine Waffe gereinigt hatte, sah ihnen schweigend nach.

„Ja, es gibt Neuigkeiten, aber zuerst … Dieser Junge, wer ist er, woher kommt er?!“, flüsterte sie eindringlich. Ihrer Meinung nach war er viel zu jung, um ein Agent sein zu können. Opa hatte doch nicht etwa …

„Oh, ich weiß nicht so genau, wer er ist …“, gab Kuttelfisch geradeheraus zu.

Limone schloss seufzend die Augen. Opa hatte also sehr wohl. „Das hatten wir doch besprochen! Wir ziehen nicht einfach irgendwelche Zivilisten in diese Sache mit hinein!“

Kuttelfisch hob die Hände und lächelte. „Du verstehst das nicht. Der Junge hat Talent! Du hättest Nr. 3 schießen sehen sollen! Er trifft jedes Ziel, sogar mit Artys wackeligem Prototypen! Arty ist total begeistert, mit 3s Hilfe bastelt er gerade an der nächsten Generation!“, erklärte der Veteran begeistert, seine Augen glitzerten und seine Beine zitterten vor Aufregung. Alter Kampfeswille wallte durch seine Adern – Limone hatte ihn schon lange nicht mehr so gesehen. Ihr wurde jedoch ganz elend, als Kuttelfisch 3s Zielsicherheit erwähnte. Wie viele Oktarianer hatte der Junge schon erschossen als wäre Krieg nur ein Spiel?

„Nr. 3 also. Wie ist sein richtiger Name?“

Kuttelfisch zuckte die Schultern. „Hab ihn nicht gefragt. Muss man auch nicht wissen, denke ich …“

Limone schnaubte verächtlich. „Ach so, es ist also okay, dass er nur eine Nummer ist.“

Kuttelfisch sah seine Enkelin an und zog vielsagend eine Augenbraue hoch. „Du kennst mich, so bin ich nicht. 3 ist mir sehr wichtig und ich würde ihn nicht in die Gefahrenzone dirigieren, wenn ich mir bei ihm nicht sicher wäre. Ich gehe keine unnötigen Risiken ein, das weißt du. Außerdem … Stimmt es nicht so ganz, dass ich seinen Namen nicht kenne, sagen wir lieber, ich kenne ihn bald. Dir muss ich’s nicht erklären, Sicherheitsvorkehrungen und so …“

Limone verkniff sich jedes weitere Wort, denn sie kannte ihren Großvater tatsächlich – zu argumentieren wäre sinnlos, Kuttelfisch war sich seiner Sache sicher. Einst war er der Kopf eines ganz großen Teams, er hat einen Krieg erlebt, den Limone sich noch nicht einmal vorstellen konnte geschweige denn wollte. Entscheidungen zu treffen lag Kuttelfisch im Blut und er war mit den Jahren sehr gut darin geworden.

Trotzdem hatte Limone hin und wieder berechtigte Zweifel an der Vorgehensweise ihres Großvaters.

„Nicht schießen! Nicht! Ich bin unbewaffnet, ich schwöre es!“

Limone riss die Augen auf – das konnte nicht wahr sein! Kuttelfisch drehte sich verdutzt um, als seine Enkelin bereits an ihm vorbeirannte.

Ein junger Oktoling, ungefähr in Limones Alter, stand in der Nähe der Hütte, die Hände in die Luft gestreckt, mit stoischem Gesichtsausdruck. Seine königsblauen Tentakel glänzten in der matten Sonne, die nur ab und zu aus der Wolkendecke spitzte und seine rubinroten Augen waren auf Nr. 3 fixiert, der Artys "wackeligen" Prototypen auf ihn richtete.

Als Limone zu dem Oktoling hinüberrannte, konnte sie nicht umhin als zu zugeben, dass der junge Inkling beim Zielen keine Miene verzog und völlig ruhig blieb und sein Ziel keine Sekunde aus den Augen ließ. Mochte seine Waffe noch so sehr nach Bastelei aussehen, in den Händen dieses Jungen wirkte sie dennoch tödlich.

Limone stellte sich zwischen Nr. 3 und dem Oktoling. „Er ist einer von uns!“

3 zog die Brauen hoch und seine Tentakel färbten sich gelb mit schwarzen Punkten. Wortlose Kommunikation, Inklinge unterhalten sich durchaus auch nur durch Farbsignale. 3 schien gerade nicht nach Reden zumute oder er wollte einfach nicht, dass der Oktarianer ihn verstand.

„Ich weiß, dass er ein Oktoling ist, aber er ist einer von uns! Er ist mein Informant. Hat Opa Kuttelfisch dir nicht von ihm erzählt?“, fragte sie, ging auf 3 zu und schob seine Waffe nach unten. 3 schüttelte den Kopf, ehe seine Tentakel sich wieder cyanblau färbten.

Limone wandte sich wieder dem Oktoling zu. „Luca! Was machst du denn für Sachen! Ich hab dir doch gesagt –!“

„Dass du mit dem Splatfest beschäftigt bist“, beendete Noctiluca frostig ihren Satz.

Limone öffnete ihren Mund, wollte etwas sagen, wiedersprechen, wollte sagen, dass sie es sich doch anders überlegt hatte, dass sie jetzt da war, dass alles gut werden würde – Letzteres mochte nicht wirklich stimmen, aber immer, wenn sie an Noctiluca dachte, dann wünschte sie sich nichts mehr, als dass er ein genauso sorgenfreies Leben leben durfte wie jeder andere Einwohner von Inkopolis. Weil er es verdient hätte, weil er etwas dafür tat – mehr als jeder andere, den Limone kannte.

Schweigend sah sie Noctiluca eine Weile an. Sie waren sich doch so ähnlich … Sie sprachen eine andere Sprache, sie hatten andere Gewohnheiten, aber sonst, was war schon so großartig anders, dass man sich wortwörtlich gegenseitig niederschießen musste? Lange Zeit waren Oktarianer nur etwas, was Limone aus weiter Ferne durch ihren Ziel-Konzentrator sah und im schlimmsten Falle elimieren musste. Einmal dauerte es Stunden, bis die Zielperson vor Limones Linse trat; Stunden, in denen sie zwei Oktolingen beim Kartenspielen und herumalbern zugesehen hatte. Limone musste an Aioli und sich selbst denken, daran, dass die beiden auf dieselbe Art und Weise sich die Zeit vertrieben, wenn es ewig dauerte bis eine Mission richtig in die Gänge kam. Diese Oktarianer waren wie Inklinge, fand Limone. Sie waren kein bisschen anders, sie sahen nur anders aus …

Und dann kam Luca. Zum ersten Mal stand Limone einem Oktoling Auge in Auge gegenüber, nur wenige Meter trennten sie; ihre Beine hatten sich angefühlt als würden sie jeden Moment nachgeben und ihr Herz trommelte förmlich gegen ihren Brustkorb. Schießen. Nicht schießen. Fliehen. Kämpfen. Alles, was Limone gelernt hatte ging ihr durch den Kopf; sie wusste nicht was sie nun tun sollte, nachdem sie beschlossen hatte diesen Oktoling nicht zu töten. Er streckte die Hand aus und nannte seinen Namen – so einfach war das. Limone ergriff sie und nannte ihren, Aioli fiel hörbar vom Stuhl und seitdem hatte Limone einen Oktarianer als Freund. Ein denkwürdiger Tag, aber auch ein Tag, an dem die tiefe Verbundenheit zwischen Limone und Aioli Risse bekam, denn Aioli könnte nicht anderer Meinung sein als Limone.

Genau wie am ersten Tag war Limone von Noctilucas andersartigem Aussehen fasziniert,

dieses schöne Blau seiner Tentakel, die anders aussahen als ihre eigenen, seine rubinroten Augen, dieser stechende Blick, dem nichts zu entgehen schien. Genau wie Limone war er dafür ausgebildet worden zu töten und zu spionieren und genau wie Limone war er so viel mehr als das. Warum hatte sie nur so lange gebraucht, das zu erkennen, wo es doch so simpel war? Und warum begriffen Aioli und Käpt’n Kuttelfisch es bis heute nicht?

„Luca … Du hast recht. Meine Karriere hätte mir nicht wichtiger sein dürfen als dieser Kalte Krieg.“ Entschuldigend senkte Limone ihren Kopf und ließ ihre Tentakel hängen. Sie konnte hören, wie der Oktoling langsam auf sie zukam.

„Leider ist es kein Kalter Krieg mehr, fürchte ich. Ich gebe zu, ich habe zu drastischen Mitteln gegriffen, aber … Auch wenn diese Oktolinge auf Oktarios Seite stehen sind sie meine Kameraden, meine Freunde; ich kann nicht zulassen, dass sie einfach so erschossen werden!“, sagte Noctiluca leise, in seiner Stimme schwang großer Schmerz. Er legte eine Hand auf Limones Schulter und drückte sie sanft.

„So, so, dein Informant, so sieht man sich also endlich, von Angesicht zu Angesicht“, brummelte Kuttelfisch, während er träge näher kam. Sein großväterliches Gehabe war jedoch nur Show. Kuttelfisch mochte in die Jahre gekommen sein, aber wenn es darauf ankam, könnte er Noctiluca im Nahkampf durchaus das Wasser reichen – ganz zu schweigen von seinen Schießkünsten.

„Deinen Namen kannte ich nicht, Oktoling, den hat meine Enkelin aus Sicherheitsgründen immer für sich behalten, und wenn du klug gewesen wärst, hättest du dich hier nie blicken lassen, oder hast du eine gute Ausrede für deine Freunde, warum du dich zu meinem Außenposten wagst?“ Kuttelfisch nahm Noctiluca genau ins Visier, taxierte ihn vom Tentakel bis zum Zeh.

Der junge Oktoling seufzte, ehe er antwortete: „Mein Splatoon weiß nicht, dass ich hier bin. Ich bin zum Wachdienst abgeschoben worden, aber ich musste einfach herkommen. Seinetwegen.“ Er deutete auf Nr. 3, der seinen vermeintlichen Feind mit unverhohlener Neugier musterte.

Kuttelfisch nickte anerkennend. „Ja, 3 macht eine hervorragende Arbeit. Er hat schon so einige Oktarianer über die See geschickt. Aber verrate mir doch“, Kuttelfisch räusperte sich und kam behäbig näher, „was du dir von diesem Besuch erhoffst. Denkst du, mein Agent hört auf, deine Kameraden "zu löchern", nur weil du ihn nett darum bittest?“

Nr. 3 kicherte kaum vernehmlich hinter dem Rücken des Veteranen.

Limone schob sich zwischen die beiden Fronten, die Hände zu Fäuste geballt. „Opa, Luca wünscht sich eine friedliche Lösung. Lass uns erst mal anhören, was er zu sagen hat.“

Kuttelfisch löste seinen durchdringenden Blick nicht von dem Oktoling als er zustimmend nickte.

Noctiluca atmete tief ein. „Okay. Oktario arbeitet an einer großen Sache. Ich wusste wirklich nicht, dass er den Großen Elektrowels stehlen will, sonst hätte ich das Limone früher gesagt! Aber jetzt weiß ich von seinen Maschinen, für die er den Strom braucht!“

„Wissen wir, 3 hat bereits eine Größere ausgeschaltet“, fuhr Kuttelfisch unbeeindruckt dazwischen. Noctilucas Augen schnellten zu dem jungen Agenten, der seine Waffe in seinem Holster verschwinden ließ und sich zurück auf den Weg zu seinem Stuhl machte.

„Er hat das Ding alleine platt gemacht?!“, hakte der Oktoling ungläubig nach.

Kuttelfisch schmunzelte amüsiert. „Für was hast du die Aquamarine gehalten, Bürschchen? Einen Senioren-Verein?“

Noctiluca fuhr nervös mit der Zunge über die Lippen. „Wir haben nicht viel Zeit … Oktario hat noch einiges vor, er hat sich seinen militärischen Rachefeldzug genau überlegt. Die nächsten kleinen Elektrowelse wird er sich nicht so einfach abluchsen lassen und über 3 hat er sich bereits informieren lassen. Sagen wir es mal so, Käpt'n: er weiß über 3 vermutlich bereits mehr als Sie!“

Kuttelfisch blieb weiterhin unbeeindruckt und schwieg.

Limone biss sich nervös auf die Unterlippe. „Oktario will den Großen Elektrowels“, sie drehte sich zu ihrem Großvater um, „und wir müssen uns beeilen! Wir –!“

Limones Squidphone gab eine signifikante, bestimmte Melodie von sich. Aioli.
 

Aioli:

„Limone! Der Große Elektrowels ist weg! Der Redakteur will, dass wir das sofort auf Sendung bringen! Komm schnell ins Studio!“

8:35
 

„Ich muss los …“, murmelte Limone wie zu Stein erstarrt. Sie konnte ihre goldenen Augen nicht vom Display lösen – zu spät. Sie waren bereits zu spät. All das Wacheschieben, das Herumschnüffeln und so weiter hatte nichts gebracht, Oktario war ihnen einen Schritt voraus – nun war er erstmal im Vorteil.

Noctiluca schnaubte verächtlich als er sah, dass Limones Augen wie gebannt am Display klebten. „So? Wartet Inkopolis sehnsüchtig auf sein Splatfest-Thema, ja?“

Limone schaffte es langsam sich vom Handy zu lösen und sah den Oktoling entsetzt an. „Der Wels ist weg. Wir sind zu … Er ist weg … Oktario hat ihn!“

Noctilucas Abfälligkeit verschwand augenblicklich, sein Mund öffnete sich leicht, aber kein Wort kam aus ihm heraus. Der Schock stand ihm ins blasse Gesicht geschrieben.

Kuttelfisch räusperte sich. „Der alte Kriegsverschwörer meint es also ernst, schön – dann werde ich auch mit harten Bandagen kämpfen.

Nr. 3!“

Der junge Inkling, der gerade eben noch auf dem Stuhl gelümmelt hatte, sprang auf und nahm Haltung an.

„Du hast es gehört, jetzt geht es ans Eingemachte!“ Kuttelfischs Augen richteten sich wieder auf Noctiluca. „Splatte alles, das dir vor die Flinte läuft.“

Die Augen des Oktoling wurden groß vor Schreck und er stolperte einige Schritten nach hinten.

„Tut mir leid, Bursche, aber dein Anführer hat es so gewollt. Die Gnadenfrist ist vorbei.“

Noctiluca ergriff ein schwaches Zittern, das er unter Kontrolle zu bringen suchte. Panisch flogen seine Augen zwischen Kuttelfisch und Limone hin und her. „Limone …“

Sie hörte deutlich sein Flehen heraus, hastig redete sie los: „Opa, er ist einer von uns, 3 darf ihn nicht … Was ist, wenn wir uns eine Chance entgehen lassen, Frieden zu schließen?!“, versuchte sie sich bei ihrem Großvater Gehör zu verschaffen, aber er winkte nur ungeduldig ab.

„Den Wels zu stehlen nennst du friedlich? Mag sein, dass dieser Oktoling denselben Traum hat wie du, Limone. Dennoch …“

Als Limone sich verzweifelt Noctiluca zuwenden wollte, war er fort.

Er musste sich mittels Supersprung aus dem Staub gemacht haben. Als Limone sich wieder Kuttelfisch und Nr. 3 zuwandte sah sie, wie 3 seine Waffe locker in der Hand hielt. Hätte er Luca erschossen? Einfach so? Hätte es 3 leidgetan? Er sah nicht so aus, er sah aus wie jemand, der fürs Töten geboren worden war. Es stimmte, Kuttelfisch hatte ein Auge für so etwas, er hatte nicht irgendeinen Inkling angesprochen und zu seinem Außenposten gelotst – er hatte diesen Inkling angesprochen. Limone wusste nun warum.

„Limone, Liebes. Du musst zurück nach Inkopolis. Nr. 3 und ich werden das Kind schon schaukeln. Ich bin vor fast 100 Jahren mit Oktario fertig geworden und ich schaffe das erneut. Mach dir nicht zu viele Sorgen“, beruhigte Kuttelfisch seine Enkelin. In Limones Kopf rasten die Gedanken wie in einem Karussell wild umher. Sie blickte in den Himmel, grau in grau; die Sonne strahlte wie durch dichten Nebel auf sie herab – über allem lag weiches, verwaschenes Licht. Der Wind frischte auf, sie musste los. Das Squidphone klingelte.
 

Aioli:

„Limone! Sag doch was!!“

8:50

 

~~~

 

Oktario blickte von seiner Festung zufrieden auf seine Untertanen herab. Er liebte es und hatte es so vermisst; er liebte das geschäftige Treiben seiner Oktolinge, wie sie Material herumschleppten, löteten, schweißten, schraubten und klopften. Oktario liebte es zu sehen, wie mehr und mehr Kampfmaschinen Form annahmen, wie mehr und mehr Schusswaffen hergestellt wurden. Liebte das Rufen der Kommandeure, das Schreien von Befehlen und den rauen Ton. Nichts ging über die Sprache der Oktarianer, nicht zu vergleichen mit diesem weichen Geblubber, das die Inklinge Sprache nannten.

„Er ist zurück, Sir.“ Eine Oktarianerin stand in der Tür zu Oktarios Büro, ihre roten Tentakel kringelten sich vor Aufregung.

„Er soll reinkommen“, befahl der Kriegsveteran, löste seinen Blick beim Sprechen aber nicht von der Szenerie unter ihm.

Die Oktarianerin nickte knapp, trat zur Seite und ließ einen Oktoling eintreten, dessen Tentakel königsblau strahlten, seine rubinroten Augen blickten neutral seinem Anführer entgegen. Es zeigte sich keinerlei Regung in diesen Augen, das Gesicht des Oktoling war ausdruckslos.

Oktario drehte sich zu seinem Untergebenen um, der Stuhl knarzte leise in der Stille. Er verschränkte seine Arme vor seiner Brust, die giftgrünen Augen taxierten den Oktoling zufrieden. „Dein Bericht, Agent 8. Erzähl mir, was treibt Kuttelfisch und seine jämmerliche Bande von Kaulquappen so?“

Noctiluca schenkte Oktario ein maliziöses Lächeln.

 

Nachwort:

Ich denke, dass sich Wortwahl und Struktur vom ersten Kapitel unterscheiden, weil ich einen ernsteren Ton anschlagen möchte, als er im ersten Kapitel existiert.

Über Lob, Kritik, Anregungen etc. würde ich mich sehr freuen :3

Blutorange vs. Limette


 

D R E I – Blutorange vs. Limette

 

Limone stützte sich in ihrer Garderobe gegen die Wand und atmete schwer aus. Es war nicht leicht so zu tun, als wäre das Verschwinden des Großen Elektrowels neu für sie und es fiel ihr noch viel schwerer, das kommende Splatfest anzukündigen – so fröhlich und unbekümmert. Limone wünschte sich, sie wäre tatsächlich so gut drauf, wie sie ihre Fans glauben machte.

Sie hörte, wie jemand die Tür zu ihrer Garderobe öffnete und leise wieder schloss. Es gab nur eine Person hier, die das tun würde.

„Limone … Ich weiß, du machst dir Sorgen, aber Opa hatte bis jetzt immer alles im Griff. Du hast mir auch noch gar nicht erzählt, was im Okto-Distrikt passiert ist …“

Limone verharrte noch kurz in ihrer Position, ehe sie sich zu ihrer Cousine umwandte. „Aioli, hier geht es nicht um ein paar dreiste Octolinge, die sich den Grenzen des Okto-Gebiets nicht bewusst sind, sondern um Octario. Der Krieg hat angefangen, er hat den Wels gestohlen, schon bald werden unsere Energiereserven zu Neige gehen. Es ist wirklich ernst.“ Eindringlich sah Limone Aioli in die Augen.

Ihre Cousine seufzte tief. „Aber Opa hat doch diesen neuen Agenten …“

„Der Agent ist 14“, stellte Limone mit säuerlicher Miene klar.

Aiolis Augen wurden groß, ehe sie antwortete: „Du machst Witze!“

Limone zuckte noch nicht einmal mit der Wimpern.

"Okay … Du machst keine Witze … Verdammte … Und jetzt?!", fragte sie erschrocken und langte sich mit einer Hand an den Kopf. Was für ein Tag!

Limone schloss kurz die Augen um sich zu sammeln. „Wir müssen Nr. 3 helfen. Er macht sich auf den Weg die kleinen Elektrowelse zurückzuholen, aber Luca meinte, dass Octario ihm dieses Unterfangen nicht leicht machen würde.

Aioli, du bist Agent 1.“

Aioli grinste breit. „Und wie ich das bin!“

Limone nickte. „Und ich Agent 2. Ich muss herausfinden, was Octario in seiner Teufelsküche ausheckt!“

Aioli sah ihre Cousine erschrocken an. „Du willst dich doch nicht etwa in den Untergrund einschleichen! Da kommst du niemals rein!“

„Allein? Keine Chance. Mit Luca? Ganz sicher. Ich muss Informationen sammeln. Egal wie gut Nr. 3 ist, ohne Infos wird er keine Chance haben. Aioli“, Limone legte ihre Hände auf die Schulter ihrer Squid Sister, „ich verlass mich auf dich. Kümmer dich gut um Opa, hab ein Auge auf 3.“

Aioli schluckte sichtbar, Angst machte sich ihren Gesicht breit. „Ich … will nicht, dass du gehst, Limone. Das ist die Höhle des Löwen, jede Entscheidung da unten könnte deine letzte sein!“

Limone blickte Aioli fest in die Augen. „Für Inkopolis.“

Aioli ließ den Kopf hängen, seufzte, blickte wieder auf, straffte die Schultern und legte nun ihrerseits Limone die Hände auf die Schultern.

„Für Inkopolis!“

 
 

~~~

 

Noctiluca:

„Bist du dir sicher, Limo? Ich kann für nichts garantieren, wenn wir da runtergehen. Es ist alles sehr gut bewacht, wenn du auffliegst, kommst du da nicht mehr lebend raus! Auch für mich ist das nicht ohne Risiko. Wenn sie spitz kriegen, dass ich dir geholfen habe … Sagen wir einfach, wir werden dann beide über die See gehen.“

22:20

 

Limone:

„Ich bin mir ganz sicher. Ich vertraue dir, ich weiß, dass du das kannst! Ich muss das tun.“

22:23

 

Noctiluca:

„Ich verstehe … Aber es wird nicht leicht, wir müssen Vorkehrungen treffen, ein paar Fluchtpläne in der Hinterhand haben. Ich muss einen guten Moment abpassen; das richtige Outfit habe ich für dich.

Ein Vorteil ist, dass du Octo sprichst, allerdings hast du einen Akzent und benutzt einige Wörter, die schon lange aus der Mode sind, daran müssen wir feilen, sonst fliegst du beim ersten Wort auf.

Wir treffen uns persönlich, zu gefährlich dir alles per SplashApp zu schreiben.“

22:36

 

Limone:

„Nenn mir Tag und Uhrzeit, ich werde da sein.“

22:37

 

Noctiluca:

„Was ist mit deinem Job?“

22:38

 

Limone:

„Den mache ich gerade.“

22:39

 

Noctiluca:

„Ich wusste, dass ich auf dich bauen kann! :) Wir treffen uns noch heute, die Infos kommen gleich.“

22:41
 

Limone ließ ihr Squidphone sinken, zog die Beine an, schlang die Arme darum und dachte nach. Sie war für diesen Tag ausgebildet worden. Sie hatte, seit sie 14 war Schießtraining bekommen, Nahkampf-Techniken gelernt, die Sprache der Octarianer erlernt und sich jede Information eingeprägt, die Großvater Kuttelfisch ihr geben konnte. Jetzt stand ihr Können auf dem Prüfstand, jetzt würde sich zeigen, ob die Mühe, die ihr Großvater in sie und ihre Cousine Aioli investiert hatte sich bezahlt machte.

Limone stand von ihrem Bett auf und streckte sich. Sie war bereit.

 
 

~~~

 

Sie befand sich in einer Seitenstraße des Salmoniden-Viertels. Es war Hochsommer und selbst zu dieser späten Stunde sehr warm. Limone hatte sich Alltagskleidung übergeworfen: kurze Hose und ein T-Shirt mit Kapuze, die sie sich tief ins Gesicht zog – sie wollte jetzt nicht erkannt werden.

Das Salmoniden-Viertel ist ein Stadtteil, der den Salmon Runnern gehört, hier wohnen nur Salmon Runner, die den gefährlichen Job nachgehen Salmonideneier zu sammeln und Salmoniden zurück in die salzigen Fluten zu treiben, sollten sie sich an die Küste wagen.

Ein harter Job, ein gefährlicher Job, ein undankbarer Job. Nur wer hier geboren war, wurde Salmon Runner; es gab Ausnahmen, ehemalige Revierkämpfer verschlägt es hin und wieder hier her, aber sie schaffen es nie Teil der Salmon-Runner-Gemeinschaft zu werden. Salmon Runner sind eigenbrötlerisch, sprechen einen eigenen Dialekt, der selbst für Inklinge manchmal schwer zu verstehen ist und besitzen sogar einen eigenen Friedhof. Salmon Runner werden selten sehr alt.

Limone dachte über diese Fakten nach, während sie versuchte ruhig zu bleiben. Luca ließ sich Zeit … Sie roch das Meer, das nie weit zu den schien, spürte die Schwüle der Nacht, schmeckte das Salz auf ihrer Zunge. Sie hörte Salmon Runner aus einer Bar gehen und sich laut unterhalten. Warum hier? Wieso sollten sie sich hier treffen?

„Nr. 2?“

Limone zuckte innerlich zusammen, wollte sich aber tunlichst nichts anmerken lassen, als sie sich zu der Person umdrehe, die offenkundig wusste, dass sie mehr war als eine Popikone.

Vor ihr stand ein Octoling-Mädchen. Ihre blutorangefarbenen Tentakel bewegten sich anmutig in der seichten Abendluft, ihre saphirblauen Augen musterten Limone aufmerksam. Sie war schön, jünger als Limone und schön.

Offenbar habe ich eine Schwäche für Octolinge, stellte Limone nüchtern fest.

„Ja“, antwortete sie ohne Umschweife.

Das Mädchen nickte und bedeutete Limone, ihr zu folgen. „er schickt mich, ich bringe dich zu ihm, so ist es sicherer“, erklärt sie in Octo, der Sprache der Octarianer. Vermutlich eine Sicherheitsvorkehrung vor neugierigen Ohren; weitere Erklärungen gab es nicht. Das Octoling-Mädchen trug die Arbeitskleidung der Salmon Runner: orangefarbenen Latzhose, grüne Gummistiefel und diese ulkige Cappi, deren Zweck Limone nicht ganz klar war. Sie war wohl ein Salmon Runner, Limone erinnerte sich, da war etwas, das ihr Großvater ihr vor Jahren erklärt hatte …

Salmon Runner gibt es schon lange, so lange wie es die Salmoniden gibt. Es gab sie schon vor dem Großen Revierkampf, als Inklinge und Octarianer noch in Frieden lebten. Als der Krieg begann, hielten die Salmon Runner sich da raus. Salmon Runner waren nicht nur Inklinge, sondern auch Octolinge. Gemeinsam sammelten sie die Eier und trieben den Feind immer wieder zurück ins Meer – seit Jahrhunderten. Der Salmon Run ist für diese Inklinge und Octolinge nicht einfach nur ein Job – es ist eine Berufung.

Dieses Mädchen musste eine der wenigen Octoling-Nachfahren sein, die als Salmon Runner arbeiteten. Limone hatte noch nie einen davon zuvor getroffen. Salmon-Run-Octolinge mieden den Rest Inkopolis', sie begnügten sich mit den Einkaufsmöglichkeiten im Salmoniden-Viertel. Auch das Octo der Salmon-Run-Octolingen hatte sich in den Jahrhunderten verändert; für Limone war es weitaus schwerer zu verstehen als das Octo der Octarianer aus dem Untergrund.

Limone merkte, dass sie sich zu einer Unterführung begaben, die zur Tiefsee-Bahn führen musste. Sie hatte diese Bahn noch nie benutzt, denn wie der Name schon sagte, führte sie in die Tiefsee – ein Ort, an dem Limone nichts zu suchen hatte.

Ihr Squidphone vibrierte.
 

Opa:

„Limone! Was machst du denn?! Du willst dich in den Untergrund wagen? Tu das nicht! Ich traue diesem Octoling nicht! Wenn du erst mal da unten bist, gibt es kein Zurück!“

00:08
 

Limone runzelte die Stirn. Das war doch ihr Zweck, dafür war sie ausgebildet worden.

 

Limone:

„Darauf hast du mich jahrelang vorbereitet, ich schaffe das, mach dir keine Sorgen. Bitte, gib Luca eine Chance, er riskiert ebenso seinen Hals. Wenn es mich erwischt, erwischt es auch ihn.

Ich melde mich bald wieder.“

00:10

„Alles in Ordnung?“

Limone blickte auf, ihre Begleitung war am Eingang der Unterführung stehen geblieben und taxierten sie eingehend.

Limone nickte. „Informant, nichts weiter. Wohin gehen wir?“

Die Salmon Runnerin lächelte schief. „Wo du hin wolltest, in den Untergrund.“

Die beiden gingen schweigend in die Unterführung, welche in diffuses Licht lag. Einige Lampen an den Wänden waren bereits kaputt, andere flackerte kläglich. Ihre Schritte hallten laut wieder, das Mädchen kickte eine Dose aus dem Weg, die scheppernd über den Boden schlitterte. Die Wände waren mit Parolen, Zeichnungen von Salmoniden und ähnlichem voll geschmiert. Es roch nach abgestandem Alkohol, Rauch und Fisch. Sie bogen um eine Ecke und standen vor dem Schranken, die den Weg zu den Gleisen versperrten. Limone hatte keine gültige Fahrkarte, aber das Octoling-Mädchen war darauf vorbereitet und gab ihr kommentarlos eine Karte und ging wieder voraus. Sie passierten die Automaten und gingen hinunter zum Gleis.

Unten, auf einer kleinen, schiefen Holzbank saß ein Laternenträgerfisch, der sie nur kurz ansah, um sich dann wieder mit seinem Handy zu beschäftigen.

Limone versuchte sich zu entspannen, räusperte sich und fragte die Salmon Runnerin leise: „Wo fahren wir hin?“

Die Augen des Mädchens waren auf die Gleise geheftet. „Wir fahren nicht.“

Auf Limones Stirn bildete sich eine Denkfalte. Sie meinte doch nicht etwa …

Die Bahn fuhr ein, der Lampenträger stand auf und stieg in die Bahn, ein paar Salmon Runner kamen heraus (Salomon Run fand fast rund um die Uhr statt), das Octoling-Mädchen und Limone warteten. Währenddessen sah Limone sich die Tags auf der Außenwand der Bahn an – sie sahen echt cool aus, das musste sie zugeben. Dann fuhr die Bahn wieder weg.

Die Salmon Runnerin ging an den Bordstein und winkte Limone zu sich. „Dann wollen wir mal.“ Mit ein Satz sprang sie in den Mittelteil der Gleise. „Berühr bloß nicht den gelben Rand, der steht unter Strom!“, mahnte sie, als Limone ihr folgte.

Der Aufprall ihrer Schuhe hallte unerhört laut im Tunnel des Bahnhofs wieder, Limone sah sich vorsichtig um. Beide Richtungen wurden spärlich von Lampen beleuchtet, die Tunnel glichen großen, schwarzen Mäulern – es sah unheilvoll aus.

„Weiter geht's.“ Das Mädchen ging voraus nach rechts, aus der Richtung aus der die Bahn gerade eben gekommen war.

Limone folgte ihr ohne zu zögern, trotzdem konnte sie den fürchterlichen Gedanken nicht abschütteln, dass die Bahn jederzeit auf sie zurasen und über den Haufen fahren könnte. Um sich von diesem Schreckensszenario ablenken zu können, fragte sie ihre Kontaktperson: „Darf ich wissen, wie du heißt?“

Das Mädchen schwieg eine Weile, lange genug, sodass Limone annahm, dass sie es ihr nicht sagen wollte.

„天天 (Tenten).“

Limone zog eine Augenbraue in die Höhe, wissend, dass Tenten es nicht sehen konnte. „Wirklich?“

„Ja. Mein Name bedeutet HimmelHimmel. Meine Eltern haben sich viel von mir versprochen und viel Gutes für mich gewünscht“, erzählte sie, ihre Stimme bar jedem Gefühls.

„Das ist schön“, meinte Limone einfühlsam.

Tenten blickte nach hinten, während sie weiter ging. „Sie sind tot.“

„Das tut mir leid!“, beeilte Limone sich zu sagen. „Wirklich.“

Tenten nickte. „Das glaube ich dir, es ist okay. Wir Salmon Runner sind oft Waisen oder Halbwaisen, es ist nichts Besonderes.“

Die beiden ließen den Bahnhof hinter sich, im Tunnel war es schummrig, es roch staubig und nach feuchtem Metall. Limone konnte kaum noch etwas sehen.

„Das macht es aber nicht weniger schlimm“, sagte sie, darum bemüht, nicht den gelben Rand der Schienen zu berühren.

„Lass uns einfach weitergehen“, meinte Tenten. Schweigend folgte Limone ihr, ihre Augen auf den Rücken des Octoling-Mädchens geheftet.

Nach einer gefühlten Ewigkeit bog Tenten plötzlich rechts ab. In die Wand war eine dunkle Holztür eingelassen, die in den schlechten Lichtverhältnissen kaum auszumachen war. Sie zog einen Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Tür auf. Als sie diese öffnete, ergoss sich warmes Licht in den Tunnel, es blendete Limone sogar ein wenig. Eine Hand über ihre Augen gelegt trat sie näher, Tenten war bereits nach innen verschwunden.

„Wenn ich du wäre, würde ich mich beeilen. Die Bahn kommt gleich hier vorbei“, rief sie Limone zu.

Sie trat hastig ein und schloss die Tür hinter sich. Als sie sich wieder dem Raum zuwandte, sah sie mehrere Octolinge an einem schief gezimmerten Tisch sitzen dahinter stand Noctiluca, der sie warm anlächelte und die Arme ausbreitete.

„Willkommen beim Widerstand!“

 

Nachwort:

Überraschenderweise habe ich WLAN in meiner norwegischen Hütte °-° Hat auch nur 20 Kronen gekostet :D Jetzt aber zur Geschichte: der Salmon Run ist in meinem Head-Canon etwas anderes als im eigentlichen Spiel. Wie man bereits lesen konnte, ist das für mich eine eigenen Subkultur unter den Inklingen und Octolingen. Der Salmon Run wird kein Hauptteil der Geschichte sein, aber eben Teil davon, da man aus dem Spiel weiß, dass die Octarianer und Salmoniden Kontakte zueinander haben.

Ich hoffe, dass Euch dieses Kapitel ebenfalls gefallen hat :3

Heroshot vs. Octoshot


 

V I E R – Heroshot vs. Octoshot

 

Erster Okto-Distrikt, am nächsten Tag, 7:23 Uhr.
 

Aioli saß neben ihrem Großvater im Außenposten unter der kleinen, windschiefen Hütte, wo die Hauptzentrale versteckt lag. Der Raum, in dem sie sich mit Käpt'n Kuttelfisch befand, war ungefähr 15 m² groß; der Boden bestand aus weiß grau melierten Fliesen, die Wände waren ebenso grau gehalten, aber viel war von ihnen sowieso nicht zu sehen. Fast jeder Zentimeter war mit allen möglichen Notizen, Plänen, Postern oder Ähnlichem zugeklebt worden – dazwischen hingen sogar Bilder von Aioli und Limone als sie noch jünger waren. Aioli hatte in diesem Chaos noch nie ein System erkennen können, aber Kuttelfisch starrte oft auf diese Wände und schien immer zu wissen, wo sich welche Information verbarg. Zusätzlich war der Raum mit technischen Schnickschnack vollgestopft, das meiste davon schon etwas in die Jahre gekommen, aber da die Octarianer hauptsächlich ebenfalls mit veralteter Technik arbeiteten, kam es ihnen sogar zu Gute.

Aioli hatte ein Funkgeräte in der Hand und starrte konzentriert auf einen der vielen Bildschirme, die einen Kopfteil des Raumes komplett einnahm. Kuttelfisch hatte Nr. 3 eine kleine Kamera verpasst mit der sie sehen konnten, was ihr Agent gerade tat.

„Okay, 3. Arty hat dir Schalldämpfer mitgegeben, benutze sie mit Bedacht. Schalte einen Octoling nach dem anderen aus, sie dürfen es nicht sofort merken!“ Sie sah, wie der junge Agent den Schalldämpfer auf seine Waffe, den Heldenkleckser, schraubte und sich langsam auf einen Octolinge zubewegte, der an einer Ecke patrouillierte.

3 befand sich im zweiten Okto-Distrikt. Charakteristisch war die felsige Landschaft, auf der sich nichts anbauen und der Fels so hart war, dass es sich schwer damit arbeiten ließ. Trotzdem hatten die Octarianer hier einen Posten aufgebaut, mit allem Drum und Dran. Mehrere große Gebäudekomplexe, die gut bewacht wurden – offenbar ein Standort, um in naher Zukunft leichter nach Inkopolis gelangen zu können.

Als 3 im ersten Okto-Distrikt angefangen hatte aufzuräumen, befand sich dort alles noch im Bau. 3 hatte es damit auch wesentlich leichter gehabt, seine Gegner auszuschalten, denn die waren eigentlich mehr mit Bauen als Kämpfen beschäftigt oder eben erst gar nicht für den Kampf gedacht gewesen. Immerhin bei diesem Punkt waren sie Octario einen Schritt voraus gewesen.

Hauptsächlich wurden die Gebäude des zweiten Okto-Distrikts von Oktorekruten bewacht, die auf ihren eigentümlich zusammengeschusterten Maschinen herumfuhren. Kuttelfisch hatte 3 erklärt, dass es sich bei ihnen um abgeschnitte Tentakel von Octolingen handelte, die eine Art Bewusstsein entwickelt hatten – allerdings kein besonders ausgeklügeltes. Außer Atmen, Essen, Schlafen und alles angreifen, das kein Octarianer war (was durchaus dazu führen konnten, dass sie stundenlang einer Möwe nachschossen), war ihr Verstand für nicht mehr bestimmt.

Nachdem 3 sich diese Fakten noch einmal kurz durch den Kopf hatte gehen lassen, zielte er sorgfältig und im nächsten Moment fiel eine Octarianerin mit einer kleinen, roten Wunde am Kopf tot um. Er hatte genau getroffen und so gut wie kein Geräusch gemacht.

„Sehr gut! Versuch in eines der Gebäude zu gelangen. Der kleine Wels muss hier irgendwo sein. Sie haben Strom in diesem Gebäude und ich wette, den bekommen sie von ihm!“, flüsterte Aioli aufgeregt ins Funkgerät.

Ihr Agent gab keinen Laut von sich und schlich weiter, umrundete das hässliche, aus Metall gefertigte Gebäude, das irgendwie unfertig aussah, aber laut Kuttelfischs Aussage sah das immer so aus, wenn Octarianer sich am Bauen versuchten. An einem Eingang schob ein Octoling Wache, er schien hibbelig, so wie er mit seinem Oktokleckser herumspielte. 3 zielte, schoss und der Octarianer kippte vornüber. Der Inkling hatte ihn genau zwischen die Augen getroffen. Die roten Tentakel zittern, dann färbten sich schwarz. 3 hatte schon bemerkt, dass die Farbe Rot wohl einem Zweck diente, aber wenn Octolinge das Bewusstsein verloren oder starben, nahmen ihre Tentakel wieder ihre ursprüngliche Farbe an.

Aioli hielt den Atem an, Kuttelfisch brummte zufrieden neben ihr. „Jetzt sieh gut hin“, murmelte der Veteran stolz.

3 schleifte den toten Octoling außer Sichtweite, in die wenigen hohen Gräser, die aus der Erde zwischen den Felsen sprossen und sich sanft in einer Brise wiegten. Aioli brauchte einen Moment ehe ihr klar wurde was 3 vor hatte. Er entkleidete den Octoling und zog sich dessen Kampfmontur über. Der Helm, der dummerweise die Stirn des Octoling nicht ausreichend geschützt hatte, diente ihm, um seine inklingtypischen Tentakel zu verstecken, doch vorsichtshalber färbte er sie rot ein. Zum Schluss nahm er sich den Oktokleckser, versteckte seine eigentliche Waffe aber in der Montur. 3 wandte sich wieder dem Gebäude zu und begab sich zu der Stelle, wo der Octarianer Wache geschoben hatte.

Wo zum Kalamari warst du, 赤蛸 (Akashou)?!“

Aioli und Kuttelfisch klebten förmlich am Bildschirm, als 3 sich dem Sprecher zuwandte. Aioli musste zugeben, sie hatte 3 noch nie reden hören und war gespannt seine Stimme zu hören.

„Kann er … Spricht 3 überhaupt Octo?!“, fragte sie ihren Großvater besorgt.

Kuttelfisch schnalzte mit der Zunge. „Denkst du, ich lass ihn da ohne Sprachkenntnisse hin? Zugegeben, fließend ist sein Octo nicht, aber für ein paar Sätze reicht es. Ein Soldat muss nur Befehle ausführen und die kennt 3.“

Aioli biss sich nervös auf die Unterlippe – das klang in ihren Ohren nicht sehr Erfolg versprechend.

„Ich musste mal.“

Ja, ganz recht. Das waren die ersten Worte, die Aioli von ihrem Agenten zu hören bekam – in akzentfreiem Octo. Kuttelfisch streckte ihr breit grinsend den Daumen entgegen. Aioli grinste ebenso breit zurück.

„Verdammt, mach das, wenn du Dienstpause hast, Akashou!“, blaffte der große Octoling, der vor 3 stand. Er war sehr groß für einen Octoling, hatte kräftige Arme und ein breites Kreuz. An seiner Uniform hingen irgendwelche Abzeichen, die sich selbst Kuttelfisch mit gerunzelter Stirn genauer ansah. Der Octoling hatte graue, kalte Augen, ein grobschlächtiges, kantiges Gesicht und eine Narbe auf seiner rechten Wange. Ein Scharfschützengewehr hing über seiner Schulter, seine Tentakel waren ebenso rot wie die von 3.

„Es ist die Farbe der Kriegstreiber, wie wir damals zu sagen pflegten“, sagte Kuttelfisch leise ins Funkgerät.

Der Octoling-Kommandeur sprach weiter: „Na schön, dein Dienst ist vorbei. Dein nächster Einsatz ist beim Wels, vergeig das nicht! Und wehe du gehst pissen, dann reiß ich dir eigenhändig jeden Tentakel einzeln aus, kapiert?!“

Jawohl, Sir.“

„Das heißt, Kommandeur, du nutzlose Zellansammlung und jetzt Bewegung, Bewegung, los!“ Der Octoling scheuchte 3 vor sich her in das Gebäude hinein.

Aioli lehnte sich entspannt zurück. „Wow, das war ja leicht!“

Kuttelfisch schwieg eine Weile, während sie zusahen, wie 3 immer tiefer in das Gebäude hineingeführt wurde. Schließlich griff er an sein Funkgerät. „3, sei auf der Hut. Da stimmt was nicht.“

Aioli fiel fast vom Stuhl, als sie wieder nach vorne schwang und erschrocken ihren Großvater anstarrte. „Wie, es stimmt was nicht?!“

Kuttelfisch ließ das Funkgerät sinken. „Es ist zu leicht!“

„Du meinst, 3 könnte aufgeflogen sein?!“

„Ja, aber wir sitzen in der Klemme. Wir müssen abwarten“, erklärte Kuttelfisch seufzend.

Aioli griff panisch nach ihrem Funkgerät und wollte ihrem Agenten die schlechte Nachricht mitteilen, als Kuttelfisch sie zurückhielt. „Nein. Wir können ihn ohnehin nicht da rausholen – nicht ohne weiteres, 3 weiß das.“

Aioli japste nach Luft. „Aber wir müssen, wir müssen doch … Wir können nicht einfach so herumsitzen und …! Opa!“

Kuttelfisch sah seine Enkelin abschätzig an und schüttelte den Kopf. „Hab ich dich nicht dazu ausgebildet, immer einen kühlen Kopf zu bewahren?!“

Aioli rutschte verlegen auf ihrem Stuhl herum und knibbelte an einem Tentakel. „Schon, aber es hat nur bei Limone gefruchtet … Ich bin ja eher fürs Grobe …“

Kuttelfisch rieb sich die Schläfen. Aioli hatte den Verdacht, dass er gerade nicht über Limone nachdenken wollte – nicht, seit sie entschieden hatte, mit Noctiluca in den Untergrund abzutauschen. Und Aioli konnte es ihm nachfühlen, es ging ihr nicht anders. Sie richtete ihren Blick wieder auf den Bildschirm, 3 brauchte sie jetzt, da durfte sie sich nicht ablenken lassen.

Der Agent und der Kommandeur liefen durch verwinkelte Gänge, dunkelgrauer Boden, schmutzig weiße Wände, gesäumt von Glastüren, alle mit Schlüsselkarten gesichert. Unmengen an Octarianern befanden sich hier, die irgendwelchen Tätigkeiten nachgingen. Es sah nicht gut aus. Bald darauf folgten viele Sicherheitstüren und Schleusen, für die nur der Kommandeur mit seiner Schlüsselkarte Zugang zu haben schien. Überall standen Octolinge als Wachen herum.

Wie schön, dachte Aioli verbittert.

Schließlich erreichten sie einen Raum, in dem sich das befand, was die Aquamarine so sehnsüchtig suchte: ein kleiner Elektrowels in einem Tank, dazu verdammt Strom für diese Basis zu generieren.

„Okay, Soldat. Du schriebst hier Wache und lässt Niemanden an diesen Wels heran.

Zumindest würde ich das sagen, wenn du tatsächlich Akashou wärst.“

Aiolis Finger krallten sich in die Polsterung des Stuhls und sie biss sich die Unterlippe blutig. Ihr Blick schnellte zu Kuttelfisch, der ungerührt einfach nur da saß, die Hand fest um seine Klotzer 14-C geschlossen.

„Opa …“

Seine Augen ruhten auf dem Bildschirm, als er seiner Enkelin antwortete. „3 ist anders als alle anderen Agenten vor ihm. Ich weiß allerdings wirklich nicht, ob er das schafft, aber er wird es nicht unversucht lassen. Er gibt niemals auf und das schätze ich so an ihm.“

 
 

~~~

 

„Okay, Soldat. Du schriebst hier Wache und lässt niemanden an diesen Wels heran.

Zumindest würde ich das sagen, wenn du Akashou wärst.“

3 hatte es geahnt. Schon als dieser Octoling-Kommandeur ihn angesprochen hatte, wusste 3 es einfach – er war aufgeflogen, allerdings wesentlich schneller als erwartet. Schlechte Bilanz. Außerdem war dieser Octoling von Octo gerade eben in Inkisch umgestiegen – er wusste, wen er da vor sich hatte. Kuttelfisch hatte vielleicht doch den falschen Inkling angesprochen, aber jetzt war nicht der richtige Moment, in Selbstzweifel zu zergehen. Dafür würde 3 später Zeit haben, oder eben auch nicht – je nachdem wie es lief.

3 zog blitzschnell seinen Heldenkleckser hervor, wirbelte herum und richtete die Waffe auf seinen Feind, der längst mit seinen Oktokleckser auf ihn zielte.

„Akashou hasst es, wenn ich ihn so nenne. Akashou war mein Neffe. Sein richtiger Name ist 黒蛸 (Kuroshou), weil seine Tentakel schwarz sind wie die Nacht. Aber das weißt du sicher schon, Agent 3. Ich glaube nicht, dass mein Neffe noch lebt.“ Der Octoling entsicherte die Waffe, seine Tentakel, zuvor scharlachrot, wurden grau, so grau wie ein aufziehender Sturm. Sein Gesicht blieb hart, seine Augen eiskalt. „Ich habe ihn immer Akashou genannt, weil er rot im Gesicht wurde, wenn er verlegen war. Er hasste diesen Namen.“ Langsam bewegte er sich auf 3 zu, 3s Finger spannte den Abzug. Bloß keine hastigen Bewegungen …

„Ich wollte ihn anspornen, ich habe keine eigenen Kinder. Kuroshou war wie ein Sohn für mich.

Dich, Inkling, dich erledige ich persönlich. Niemand soll mir dabei in die Quere …“

Ein Schuss peitschte durch den Raum. Das war eine nette Story, aber 3 hatte nicht die Zeit sich die Lebensgeschichte des Octolings anzuhören, den er vor wenigen Minuten umgepustet hatte. Der Schalldämpfer ließ bereits nach und 3 hatte keine Gelegenheit, einen neuen draufzuschrauben, weshalb der Schuss lauter ausfiel als erhofft.

Aber der Kommandeur war geübt, er hatte es kommen sehen und konnte dem Schuss ausweichen. Er preschte nach vorn und packte 3s Hand mit eisernem Griff. „Wie gesagt, es wird persönlich. Mit bloßen Händen quetsch ich das Leben aus dir heraus 3, oder sollte ich dich lieber Samael nennen? Samael Deafwater?“

3 fand, dass der Octoling Mundgeruch hatte und sein Inkisch einen peinlichen Akzent, der seine Rede weitaus weniger bedrohlich klingen ließ als vermutlich gedacht. Ob er ihm das sagen sollte? Die Hände des Octarianer legten sich um 3s Hals und drückten zu. Der Inkling starrte in diese grauen, hasserfüllten Augen, in denen er Tränen zu sehen glaubte.

Es kostete 3 viel Kraft, aber er schaffte es, einen gezielten Tritt in den Unterleib des Octoling zu setzen, nur leider brachte das nichts – die Kampfmontur war zu dick. Der Kommandeur lachte kalt. Er lachte auch dann noch, als ein Schuss die Luft zerriss, dann nicht mehr.

Seine Augen weiteten sich vor Verblüffung und er keuchte auf. Sein Griff lockerte sich um 3s Hals, kurz darauf ließ er los.

3 sprang sofort zurück. Sich den Hals reibend, streckte er seine Waffe von sich, die Mündung fand schnell denjenigen, der geschossen hatte.

„Überrascht mich zu sehen, 3?“

Der Agent rührte keinen Muskel, zu seinen Füßen lag der verwundete Kommandeur. Träge breitete sich sein rotes Blut auf dem grauen Boden aus. Eine Kugel hatte ihren Weg in seinen Rücken gefunden, seine Augenlider flatterten. „Bald … bin ich …“

3 sah zu, wie das Leben aus den sturmgrauen Augen des Octoling wich. Langsam hob er den Blick zu dessen Mörder. „Wie ist es so, seine eigene Art zu erschießen?“, fragte er tonlos in Inkisch, denn dafür reichte sein Octo nicht aus.

Noctiluca steckte die N-Zap '85 weg und zuckte mit den Schultern. „Es ist genauso, wie einen Inkling zu erschießen. Es ist traurig und ich hasse es.“ Er deutete auf den Wels, 3 folgte seinem Fingerzeig. „Schnapp dir den Wels, wir müssen hier weg. Im Gegensatz zu dir hatte ich leider keinen Schalldämpfer.“

3 verschwendete keine Zeit, ging zu dem Tank und analysierte seine Funktionsweise. Offenbar war auch dieser nur mit Schlüsselkarte zugänglich. Als er sich umdrehte, um sich die Karte des Kommandeur zu holen, hielt Noctiluca sie ihm bereits entgegen.

„Danke“, sagte 3 knapp.

„Gern geschehen, Samael.“

3 zog die Karte durch den Schlitz und stieg eine Leiter nach oben. „Nenn mich nicht so.“

Der junge Octoling zuckte nur mit den Schultern. „Wie du meinst.“

3 öffnete den Deckel, beugte sich nach innen, griff vorsichtig nach dem Elektrowels, der ihm neugierig entgegen kam. Das Süßwasser schadete 3 nicht, schlecht wäre es nur, wenn er hinein fiele. Schließlich hob er den Wels heraus.

Vor der Tür schien ein Tumult auszubrechen. 3 dachte angestrengt darüber nach, wie sie von hier verschwinden sollten.

„Mach dir nicht zu viele Gedanken, ich hab alles im Griff“, beschwichtigte Noctiluca ihn, während der Inkling wieder von der Leiter stieg. Der Octoling ging seelenruhig zur Tür und öffnete sie einen Spalt.

„Agent 8 vor Ort! Sondereinsatz, räumt diesen Sektor, Sondereinsatz!“

3 jedoch verstand nur das Wort Einsatz, da Noctiluca natürlich Octo sprach, er wartete angespannt ab, was als nächstes passieren würde.

Schließlich winkte Noctiluca ihn zu sich und die beiden verließen den Raum. Noctiluca hatte noch immer die Schlüsselkarte des Kommandeur. Der junge Octoling trug ein Funkgerät bei sich in das er sprach. „Deserteur in Sektor 1A/EW! Deserteur erschossen, vermutete Tat: Beihilfe zur Entwendung des Elektrowels. Wels befindet sich in meiner Obhut. Eindringling geflohen, ich wiederhole, Eindringling geflohen! Letzte Sichtung im Sektor 3C/LR. Alle Einheiten zu 3C/LR!“

3 verstand fast kein Wort, aber als er sah, wie alle Octarianer um sie herum kopflos zu den Ausgängen stürzten, nahm er an, dass Noctiluca alle zu einem anderen Einsatzpunkt beorderte

„3! Luca befiehlt die Truppen zu einem anderen Sektor und verkauft den Kommandeur als Deserteur! Er behauptet, der Kommandeur habe dir geholfen. Diese Geschichte wird nicht lange funktionieren, beeilt euch!", schallte Aiolis Stimme aus dem Funkgeräte an 3s Weste. Er bestätigt nur mit einem Roger, während sich das ungleiche Paar ihren Weg bahnte.

Schweigend verließen die beiden unbehelligt das Gebäude, um sie herum brach das Chaos aus. Octolinge schrien Befehle, schnallten sich Waffen um, holten Magazine und Munition, prüften ihre Montur, Oktorekruten fuhren auf ihren Maschinen in Eile zu dem beorderten Einsatzort.

3 fragte sich wie es kam, dass Noctiluca so viel Einfluss haben konnte. Wer war er? Welche Rolle spielte er in diesem Krieg?!

Nachdem sie das Gebäude verlassen hatten, bei einem unbewachten Hinterausgang, wandte Noctiluca sich zu 3 um. „Samael, wir müssen per Supersprung in den ersten Okto-Distrikt.“

3 verzog genervt das Gesicht. „Nenn mich nicht –!“

„Ich nenne dich so, weil es vermutlich bald niemanden mehr gibt, der dich so nennen wird“, sagte Noctiluca ernst und sah 3 fest in die Augen.

War das Trauer in dessen Blick? Bedauern? Beides? 3 brauchte einige Sekunden, was der Octoling ihm damit sagen wollte. Ganz langsam verstand er es.

„Es tut mir so leid, Samael … Octario ist gut, sehr gut. Er hat immer noch Kontaktmänner in Inkopolis. Ich denke, dein Käpt'n hat in all den Jahren vergessen, mit wem er es da zu tun hat.“ Noctiluca schlug die Augen nieder.

3 spürte, wie seine Sicht verschwamm, spürte wie seine Knie weich wurden. Nicht jetzt! Das war ein schlechter Zeitpunkt, die Nerven zu verlieren!

„Ich muss nach Hause“, sagte 3 nüchtern, obwohl ihm danach war sich zu übergeben, obwohl ihm schwindelig wurde und der kalte Schweiß auf seiner Stirn stand.

Noctiluca nickte. „Sobald wir den Wels abgegeben haben.“

3 warf einen Blick auf das Tier, das er im Arm hielt und ihn arglos ansah. Es konnte nicht schwer gewesen sein sie zu entführen. Diese Tiere empfanden wohl einfach keine Angst. Genauso wenig wie 3s Eltern, als sie vermutlich dem Feind die Tür geöffnet hatten, ohne es zu wissen.

„Gib ihn mir. Ich kann ihn zum Außenposten bringen und du gehst mit den anderen Agenten nach Hause“, schlug Noctiluca vor und streckte seine Hand aus.

3 schüttelte den Kopf und machte einen Schritt zurück. „Das ist meine Mission und ich bringe sie zu Ende. Wir gehen zurück in den ersten Okto-Distrikt!“, entschied er und ignorierte den Kloß in seinem Hals.

Noctiluca hielt ihm die Hand noch einen Moment entgegen, ehe er sie zurückzog und nickte. „Verstehe. Dann los.“

Zusammen sprangen sie per Supersprung zurück. Während des Fluges versuchte 3 nicht über seine Eltern nachzudenken. Es gelang ihm nicht.

 

Nachwort:

Damit der Plot nicht ganz so linear ist, hab ich mich dazu entschieden, diesen Teil der Geschichte zu beleuchten, aber keine Sorge, Limone kommt nicht zu kurz.

Jetzt kommen wir zu Etwas, das ich im letzten Kapitel bereits verschlafen habe: die Kanji (Schriftzeichen), die ich benutze, um die Namen einiger Charaktere zu schreiben – z.B. Tenten.

Wie Tenten schon selbst erklärt hat, bedeutet ihr Namen HimmelHimmel. Ihr Kanji kann in der On-Lesung als „ten“ gelesen werden.

Jetzt kommen wir zu den Namen Akashou (赤蛸) und Kuroshou (黒蛸 ). bedeutet rot, die Kun-Lesung lautet „aka“. bedeutet Oktopus, viele kennen den Oktopus im Japanischen als Tako, das ist die Kun-Lesung. In der On-Lesung steht „shou“. bedeutet schwarz, in der Kun-Lesung „kuro“.

Ich habe mir überlegt, den Octarianern japanische Namen mit entsprechenden Kanji zu geben und den Inklingen eben eher westliche.

3s echter Name Samael Deafwater hat natürlich auch eine Bedeutung. Samael bedeutet aus dem Hebräischen übersetzt „das Gift Gottes“. Deaf ist tatsächlich kein Schreibfehler, sondern bezieht sich auf das englische Wort für „taub“.

Warum Agent 8 keinen japanischen Namen hat, dazu kommen wir schon noch zu sprechen :] Sein Name kommt aber aus dem Lateinischen und bedeutet „Nachtleuchten“.

Wie immer hoffe ich, dass Euch das Kapitel gefallen hat! Ich habe versucht, möglichst viel zu beschreiben, ohne das Tempo aus dem Kapitel zu nehmen und die Handlung unnötig zu strecken. Ob mir dies gelungen ist oder nicht, entscheidet natürlich Ihr ^^

Octarianer vs. Salmoniden


 

F Ü N F – Octarianer vs. Salmoniden
 

Nachts zuvor, beim Widerstand, 00:57
 

Limone stand wie zur Salzsäule erstarrt da, Noctiluca kam um dem Tisch herum und zog sie in eine feste Umarmung.

„Limette! Da bist du ja endlich. Hat Tenten sich wieder Zeit gelassen, ja?“

Die Salmon Runnerin zischte nur leise, um ihren Unmut kundzutun, ehe sie sich einen klapprigen Stuhl an den Tisch zog und leise in Octo mit den anderen beiden Octolingen redete.

Der Raum, in dem sie sich befanden war ziemlich klein, mit einer Funzel auf dem Tisch, die alles in unstetes Licht tauchte. Die Wände waren aus den Stein; es sah so aus, als wäre dieser Raum direkt hineingegraben worden. Der Tisch und die Stühle hatten das Flair eigentlich Treibholz zu sein, aus dem jemand verzweifelt was gemacht hat. Wie hatte Noctiluca es nur angestellt, diesen Raum auf die Beine zu stellen?

Limone erwiderte Noctilucas Umarmung und atmete tief seinen Geruch ein. Sie liebte seinen Geruch, ob sie es sich eingestehen wollte oder nicht. Der Octoling ließ sie wieder los, die Hände auf ihren Schultern und machte einen Schritt zurück.

„Du weißt, wie viel mir diese Sache bedeutet“, sagte er mit leiser Stimme.

Limone nickte, sie fühlte sich müde und erschöpft. Es war ein langer Tag gewesen und das, was noch vor ihr lag würde mordsgefährlich werden. „Wie willst du es angehen, Luca? Du bist der Insider.“

Er nickte und wies an den Tisch. „Zuerst stell ich dir meine Leute vor. Tenten kennst du ja schon, der junge Mann hier heißt 歯 (Yowai) und diese junge Dame ist 阿須多 (Asta). Wie ich wünschen sie sich eine friedliche Lösung, aber so ganz wird sich das nicht bewerkstelligen lassen. Ein bisschen Krieg für den Frieden ist wohl unvermeidlich …“ Noctiluca schüttelte bedauernd den Kopf.

Limone sah sich die anderen beiden Octolinge an. Yowai hatte ganz weiße Tentakel mit grauen Punkten und sturmgrauen Augen. Astas Tentakel waren gelb und ihre Augen orangefarben; sie trug eine Cappi, auf der sie eine Sonnenbrille geschoben hatte. Beide Octolinge trugen, im Gegensatz zu Noctiluca, Zivil-Kleidung. Grüßend hoben die beiden stumm eine Hand, aber ihre Gesichter blieben misstrauisch – Limone konnte es ihnen nicht verdenken. So musste sich Noctiluca bei ihrem Großvater und 3 gefühlt haben.

„Schön“, Noctiluca klatschte in die Hände, „fangen wir an. Limone muss vorbereitet werden. Tenten“, er wandte sich der Salmon Runnerin zu, „du weißt, was zu tun ist.“

Limone sah verdutzt zwischen den beiden Parteien hin und her, Tenten nickte nur. „Was hat sie denn zu tun?“

Ihr Verbündeter zog einen weiteren, nicht sehr vertrauenserweckenden Stuhl an den Tisch und bedeutete Limone sich zu setzen. „Ich sagte ja schon, dass dein Octo leider zu auffällig ist, um als geborener Octarianer durchzugehen. Tenten wird dir helfen, eine passende Vergangenheit zurecht zu schneidern und an deinem Octo arbeiten.“

Limone setzte sich, der Stuhl ächzte. „Gut und warum Tenten?“

Das Octoling-Mädchen räusperte sich. „Weil wir dich als Salmon Runnerin verkaufen werden.“

Limone blinzelte, sie verstand nicht sofort.

„Die Octarianer aus dem Untergrund haben nur wenig bis gar keinen Kontakt mit uns Octolingen aus dem Salmoniden-Viertel. Wir sind im Grunde eine Art mit zwei verschiedenen Kulturen und auch unsere gemeinsame Sprache hat sich unterschiedlich entwickelt. Das kommt dir zu Gute, Inkling, denn dein schlechtes Octo können wir als Dialekt verkaufen.“

„Mein Octo ist nicht schlecht!“, grummelte Limone beleidigt und lehnte sich verärgert zurück – der Stuhl knarzte bedrohlich.

Tenten kratzte sich am Kinn. „Na ja, es gibt schon einen Grund, warum ich gerade Inkisch mit dir rede …“

Limones Lippen wurden zu einem schmalen Strich. „Das ist nicht nötig, oder hat Luca dir nicht erzählt, dass ich prima Octo verstehe und auch lesen kann?!“

Tenten schnalzte mit der Zunge, ehe ihre Miene sich aufhellte und sie listig grinste. „Scho, dawei tät dir dess nu a recht wensch nutze, Pixen, weil ma Octo gar so anderscht is als dess, woss dir dei Oida glernt hott ...“

Limones Gesicht blieb starr. Es stimmte, sie verstand Tenten tatsächlich sehr schlecht und wenn sie in diesen Dialekt so schnell sprach wie vorhin Inkisch bekäme Limone nur die Hälfte mit. Zugeben wollte sie das trotzdem nicht …

Tenten verdrehte die Augen. „Stolzes Volk, ihr Inklinge … Aber selbst Yowai und Asta haben eine Weile gebraucht mich zu verstehen. Dafür verstehe ich sie manchmal auch ziemlich schlecht. Wie gesagt, das ist unser Vorteil, denn die Octarianer wissen kaum wie mein Dialekt klingt, also kannst du auch nicht auffliegen. Allerdings möchte ich dir einige Begrifflichkeiten beibringen – sicher ist sicher.“

Limone nickte stumm. Wenn Tenten ihr helfen konnte eine glaubwürdige Tarnung aufzubauen, dann war ihr das nur recht. Wer könnte das besser, als ein Octoling?
 

Obwohl sie erst seit einer Stunde die Köpfe zusammensteckten fiel Limone fast schlafend vom Stuhl. Der Tag zollte seinen Tribut, sie war schon seit sieben Uhr morgens wach gewesen und jetzt war es bald zwei.

Tenten musterte Limone eingehend, nachdem sie ihren letzten Satz zweimal wiederholt hatte. „Gut, ich sehe schon, wir müssen das zu späterer Stunde weiterführen.“

Limone unterdrückte ein Gähnen. „Ich muss gestehen, es war ein sehr langer Tag für mich … Nur ein paar Stunden Schlaf, dann bin ich wieder voll einsatzfähig!“

Noctiluca und die beiden anderen Octolinge beugten sich am Tisch neben ihnen über Pläne, Bücher und Notizen. Trotz Limones immer größer werdender Müdigkeit hatte sie eine Frage, die ihr auf der Zunge brannte.

„Wie hat Luca euch alle gefunden? Ich meine, er wird ja wohl kaum herumgelaufen sein und gefragt haben, wer Interesse an einer Verschwörung gegen Octario hat.“

Tenten sah von ihrem Buch auf, in dem grob skizziert Limones neuer Lebenslauf stand. „Nein, er war etwas subtiler. Yowai und Asta sind Teil seines Splatoons, sie kennen sich schon seit der Akademie, also schon lange. Sie sind zusammen zu Soldaten ausgebildet worden. Und ja“, sie sah Limone schief grinsend ins Gesicht, „sie haben Inklinge erschossen, denn das war ihre Aufgabe.“

Limone sah dabei zu Noctiluca hinüber, der von dem Gespräch nichts mitbekam. Sie sah, wie er seine Stirn in Falten legte und angeregt mit den anderen beiden diskutierte. Sie sah seine aufrichtige Leidenschaft, die sie von Anfang an in den Bann gezogen hatte. Sie dachte daran wie sie sich kennen gelernt hatten, wie er sich geweigert hatte auf sie zu schießen, obwohl sie ihren Zielkonzentrator auf ihn gerichtet hatte und Aioli aus dem Funkgerät plärrte, dass sie endlich abdrücken solle. Es fiel Limone schwer, sich einen Noctiluca vorzustellen, der Kuttelfischs Agenten niederschoss.

„Ich war natürlich nicht dabei, aber es gab wohl einen Schlüsselmoment … Noctiluca hörte auf, stur Befehle auszuführen und fing an, nachzudenken. Denken ist bei Octarianern aber nicht gern gesehen, denn es heißt dort einer für alle. Individualität ist Octario ein Gräuel, in seinen Augen macht das nur Probleme, und wenn wir ehrlich sind …“, Tenten kicherte ausgelassen, „hat er damit wohl gar nicht so unrecht.“

„Verstehe. Wie habt ihr euch kennengelernt, wenn Octarianer und Salmon-Run-Octolinge nicht viel miteinander zu tun haben?“ wollte Limone neugierig wissen. Ihre Müdigkeit hatte etwas nachgelassen. Es gab einiges, das Noctiluca immer für sich behalten hatte und Limone brannte darauf mehr zu erfahren.

„Octarianer verhandeln mit Salmoniden“, erklärte Tenten gerade heraus.

Limone sah sie ungläubig an. „Ernsthaft? Aber Salmoniden sind doch nur –!“

„Dumme Fische, die versuchen unsere Küstenlinien einzunehmen?“, beendete Tenten amüsiert Limones Satz. „Da liegst du leider ziemlich falsch. Salmoniden haben Technologie, gut funktionierende Technologie und sie haben Nahrung. Dinge, die den Octarianern nur geringfügig zur Verfügung stehen.“

Limone verstand, so war das also. Octario trieb Handel mit den Salmoniden, aber zwei Aspekte ließen sie mit einem Fragezeichen zurück. „Schön und gut, aber was bitte hat Octario, das den Salmoniden nützen könnte und wo kommen die Salmon Runner ins Spiel?“

Tenten klappte das Buch zu, offenbar hatte sie es vorerst aufgegeben, Limone ihre neue Octoling-Identität näher zu bringen. „Octario hat Land.“

Limone machte ein abfälliges Geräusch. „Unfruchtbares Land, Felsenküste und öde Sandstrände!“

„Das macht nichts, es ist immer noch Land, das die Salmoniden für sich beanspruchen dürfen, wenn sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen –, das wäre die Lieferung von unbefruchteten Salmonideneiern und –“

„Ach, das sind diese orangefarbenen Eier, die ich in den Okto-Distrikten manchmal gesehen habe … Die gibt es auch in Inkopolis, mir schmecken sie nur nicht“, murmelte Limone leise.

Tenten nickte. „Wir Salmon Runner nutzen sie auch als Nahrungsmittel, sie sind sehr nahrhaft und wir verkaufen sie an Händler in Inkopolis. Wir Salmon Runner sind aber eigentlich hinter den goldenen Eiern her … Wie dem auch sei … Die Salmoniden brauchen Land, ihre Jungen schlüpfen dort, deswegen ist Octario trotz allem ein interessanter Verhandlungspartner.

Die zweite Bedingung ist der Austausch und die Lieferung von Technologie.“

Limone kratzte sich an einem Tentakel und rieb sich die Augen. Irgendwie taten sich gerade Welten auf, von denen sie – wohlbehütet in Inkopolis – keine Ahnung hatte und wenn sie nichts davon geahnt hatte, dann wussten alle anderen Inklinge auch nichts davon.

„Tja, und jetzt kommen wir Salmon Runner ins Spiel. Salmoniden sind keine harmlosen Zeitgenossen. In ihrem Territorium sollte man wissen, wo man nichts zu suchen hat denn bisweilen“, Tenten beugte sich verschwörerisch nach vorn, „schnappen sie sich alles, das sie zu fassen kriegen. Zack!“ Beim letzten Wort schlug sie vor Limones Nase ihre Hände zusammen. Limone schreckte japsend zurück und wäre beinahe vom Stuhl gefallen.

„Tenten, was erzählst du da wieder für Sachen?!“, fragte Noctiluca verärgert und half Limone, sich wieder richtig hinzusetzen.

Die Salmon Runnerin zuckte ausgelassen mit den Schultern. „Sie wollte doch wissen, was die Octarianer mit den Salmoniden am Hut haben.“

„Ach so …“, Noctiluca runzelte die Stirn. „Das ist auch so eine Sache für sich.“

„Sekunde, ihr helft den Octarianern?!“, fiel es Limone wie Schuppen von den Augen.

Tenten verzog mit bitterer Miene den Mund. „Salmon Runner haben nicht viel im Vergleich zu Inklingen in Inkopolis. So viel anders als die Octarianer leben wir gar nicht und wir haben auch nicht viel mit den Inklingen in Inkopolis zu tun und das gilt für alle Salmon Runner. Octario hat meinem Volk, vornehmlich den Octolingen, viel versprochen, sobald er die Macht über das Land an sich gerissen hat. Ich muss zugeben …“, Tenten sah recht unglücklich bei diesen Worten aus, „dass Salmon-Run-Octolinge aber auch die Inklinge nicht unbedingt die höchste Bildung haben … Viele können nicht mal lesen. Octario ist gerissen und es war bestimmt nicht besonders schwer, haltlose Versprechungen zu machen, die meine Leute begeistert schluckten.“

Limone rieb sich übermüdet die Schläfen, jedes Zahnrad fand seinen Platz. Octario hatte nicht einfach die Elektrowelse geklaut und setzte darauf, dass die kommende Energiekrise ihm in die Arme spielte. Nein, er hatte schon Jahre zuvor im Detail an seinem Gegenschlag gearbeitet. Er hatte die Salmoniden und Salmon Runner auf seine Seite gezogen, er hatte sich Technologie besorgt, welche die Inklinge nicht kennen können und er wusste, dass die Aquamarine zu dünn besetzt war, um eine ernsthafte Bedrohung zu sein. Limone musste sich eine schmerzhafte Wahrheit eingestehen: ihr Großvater hatte den Feind maßlos unterschätzt!

„Sieht übel aus, nicht wahr?“

Tentens Worte holten Limone aus ihrer frustrierten Trance heraus. Die Salmon Runnerin sah diesmal nicht schadenfroh aus – ihr war der Ernst der Lage schon so viel länger bewusst.

„Wieso bist du auf Lucas Seite und nicht bei deinem Volk?“ Ging diese Frage zu weit? Mochte sein, aber Limone musste sie stellen und sie war zu müde, um sich jetzt über Höflichkeiten den ohnehin schon angeschlagenen Kopf zu zerbrechen.

„Als meine Eltern von Salmoniden getötet wurden gab es nur noch mich. Und ich hatte das Gefühl, dass es mehr im Leben geben musste, als Salmonideneier zu sammeln und eines Tages von einem Grablax gefressen zu werden.

Als Octario an die Tür klopfte, dachte ich, dass meine Gebete erhört worden wären. Seine Versprechungen klangen toll in meinem Ohren!“ Tenten schüttelte verärgert den Kopf.

„Aber ich lag falsch! Ich hab mich einlullen lassen und lag mit allem falsch! Ich lernte Noctiluca bei einem Einsatz kennen. Ich sollte ihn, Yowai und Asta zu einem Salmoniden-Verhandlungspartner bringen – keine große Sache, aber ohne Ortskenntnisse nicht ganz ungefährlich.

Luca fragte mich, ob ich an all das glaubte, das Octario versprach. Ich bejahte das … Durch die Blume erklärte er mir, dass solche Verhandlungen immer mit Versprechungen einhergehen, die am Ende nicht eingehalten werden. Anfangs wollte ich das nicht wahr haben. Octario sollte doch derjenige sein, der unserem Leid ein Ende setzt! Aber umso mehr Luca erzählte, desto mehr verstand ich, dass ich mich an eine falsche Hoffnung klammerte.“ Tenten lehnte sich tief seufzend zurück. Die Erinnerung an diese Zeit schien sehr schmerzhaft für sie zu sein. Tentens Blick ging in die Ferne, ihre Miene wirkte traurig und gebrochen. Am liebsten hätte Limone ihr die Hand auf die Schulter gelegt, aber das schien ihr unangebracht und sie stand dem Octoling-Mädchen nicht nahe genug, um sich so etwas zu erlauben.

„Wir blieben in Kontakt“, erzählte Tenten weiter. „Sie brachten mir Lesen und Schreiben bei, ich beschäftigte mich mit Geschichte und den verschiedenen Ansichten, die unsere Welten trennen.

Aber ich hatte recht, zu guter Letzt … Es gibt mehr im Leben, als eines Tages von einem Grablax gefressen zu werden, und ich bin bereit für dieses Leben zu kämpfe!“

Limone nickte anerkennend. Tenten hatte es bestimmt nicht leicht gehabt, weder als Salmon Runner noch als Undercover-Agent. Ihr Leben war von Verlusten geprägt und der unerschütterlichen Hoffnung, es einmal besser zu haben. Sie war stark, zumindest sah Limone das so, sogar stärker als Limone selbst.

„Du solltest dich hinlegen“, sagte Noctiluca sanft und berührte Limone sacht an der Schulter. Sie nickte erschöpft – der Input war heute ziemlich enorm.

Yowai und Asta erhoben sich, der Tisch wurde weggeräumt, die Stühle zur Seite gestellt. Noctiluca holte eine Matratze, die an eine der Wände gelehnt hatte. Er bereitete Limone die Lagerstätte, dann wandte er sich verlegen ihr zu.

„Ich weiß, es macht nicht viel her … Das muss eine Umstellung für sich sein, so vom Luxus auf das hier …“

Yowai und Asta kicherten leise, Limone ignorierte es geflissentlich. „Das ist völlig okay. Ich glaube daran, dass wir eines Tages alle in einem bequemen Bett schlafen können.“

Noctiluca und Tenten wünschten ihr noch eine gute Nacht. Limones Partner erklärte ihr noch, wann Tenten morgen hier aufschlagen würde, dann gingen sie. Als sie weg waren, fiel Limone erschöpft auf die Matratze. Sie hatte sich kaum ausgezogen, als sie auch schon schlief wie ein Stein.

 
 

~~~

 

Ein Klingeln, das sich einfach nicht ignorieren ließ, riss Limone schließlich unsanft aus dem Schlaf. Grummelnd wollte sie nach dem Wecker greifen, aber ihre Hand streifte über rauen Stein – und das Klingeln hörte nicht auf. Limone machte langsam die Augen auf und sah sich träge um.

Wo zum roten Fisch bin ich denn hier gelan..., ging es ihr durch den verschlafenen Kopf, ehe Limone einfiel, was gestern alles geschehen war.

Das Klingeln war immer noch da. Limone griff nach dem Squidphone und schaute nach, wer ihr um sechs Uhr morgens eine Nachricht nach der anderen schickte. Natürlich, Aioli – wer sonst?!
 

Aioli:

„Limone, lebst du noch oder hat dieser listige Octoling dir etwas angetan?! Wenn dem so ist, dann werd ich ihn vierteilen und in heißem Knoblauchöl braten!“

06:04
 

Limone verdrehte die Augen, schrieb ihr aber sofort zurück.

 

Limone:

„Alles gut, Aioli. Ich kann dir nicht schreiben woran wir arbeiten. Zu riskant, aber sei versichert – es läuft gut.

Was treibst du denn schon zu so früher Stunde?“

06:06

 

Aioli:

„Geheimen Kram, wie bei dir! 3 macht sich auf dem Weg zu du-weißt-schon-wohin. Opa und ich haben ein Auge auf ihn.

Drück uns die Daumen!“

06:07
 

Limone kaute nervös auf ihren Lippen herum. Nr. 3 machte sich also auf den Weg zum zweiten Okto-Distrikt.

Sie konnte Noctilucas Worte nicht vergessen, er hatte sie gewarnt, dass es von jetzt an ein steiniger Weg werden würde …

Plötzlich klopfte es laut an der Tür. Limone zuckte heftig zusammen und erstarrte. Reflexartig raffte sie die Decke um sich, als könnte sie diese vor einem Feind schützen. Ganz abgesehen davon, dass es einfach lächerlich aussah.

„Limone, ich bin etwas früher gekommen als geplant! Ich muss jetzt reinkommen, sonst macht mich die Tiefsee-Bahn platt!“

Die Tür öffnete sich ächzend und ein Octoling-Mädchen mit orangefarbenen Tentakeln kam schnell herein – Tenten.

Limone ließ entspannt das Laken sinken. Sie musste zugeben, sie war noch nicht bereit sich so vor Noctiluca zu präsentieren. Oder einem Feind.

„Tja, tut mir leid, dass ich einfach so hereinplatze. Luca hat erzählt, dass im zweiten Okto-Distrikt ganz schön was los ist. So langsam packt die Octarianer die Kriegslust, wir sollten dich einschleusen, bevor Octario zu misstrauisch werden könnte, um Neulinge einfach so aufzunehmen und wir wollen doch nicht, dass du dich großartigen Tests unterziehen musst“, erklärte Tenten und wartete ungeduldig darauf, dass Limone sich anzog. Limone musste gestehen, dass ihr das Zähneputzen fehlte. Nachdem sie fertig war, wurde die Matratze an ihren Platz geschoben und der Tisch sowie zwei Stühle wieder herausgezogen.

Tenten und Limone setzten sich, es wurde Zeit, weiter an Limones Identität zu feilen.

 
 

~~~

 

Cephalon HQ, 6:43 Uhr
 

Octario spielte gut gelaunt mit einer Schneekugel, während Noctiluca ihm gegenüber Platz nahm. Sie befanden sich in Octarios großzügigem Büro, das die Ausmaße eines Wohnzimmers hatte. Die Front hinter Octarios Schreibtisch bestand aus großen Fenstern, so dass man einen Panorama-Blick auf die Stadt darunter hatte. Alles war metallisch, irgendwie ungeschickt zusammengeschraubt, auch der Schreibtisch war nicht schön, nur funktional. Überall standen Gerätschaften herum, denn Octario untersuchte gerne verschiedenste Technologien.

„8, ich muss sagen, ich bin angetan, ja, ich bin angetan. Du machst großartige Arbeit, du hast es tatsächlich geschafft, dass eine von Kuttelfischs Enkelinnen dir aus dem Tentakel frisst!“

Noctiluca lehnte sich selbstzufrieden zurück. „Es war sehr viel einfacher als gedacht. Nur Aioli traut mir nicht, aber … wen kümmert das schon. Limone ist das Gehirn von den beiden. Kuttelfisch gibt sich hart, aber er hat keinen blassen Schimmer, mit wem er es zu tun hat, sonst würde er nicht einen 14-jährigen Agenten losschicken!“

Octario stellte die Schneekugel ab und sah zu, wie der künstliche Schnee auf das Häuschen rieselte. „Zu meinem Bedauern ist dieser Kinder-Agent eine sehr viel ernstere Bedrohung als gedacht. Keine Ahnung, wo Kuttelfisch diesen kleinen Soziopathen ausgegraben hat, aber darin war er ja schon immer ein Ass.

8, ich habe Informationen für dich.“ Er winkte eine Octarianerin zu sich, die seit geraumer Zeit eine Akte in den Händen hielt. Nun trat sie an den Tisch heran und überreichte sie, sich verbeugend, Octario. Der Anführer der Octarianer schob die Akte über den Tisch Noctiluca zu, der sie mit der Hand bremste. Octario bedeutete ihm, sie sich anzusehen.

Noctiluca klappte die Akte auf, als erstes sprang ihm ein Bild von Agent 3 ins Gesicht – in Kampfmontur, mit dem Heldenkleckser in der Hand und einer verbissenen Miene zur Schau stellend. Darunter befanden sich tabellarische Daten, wie Geburtstag, Geburtsort, Geschlecht, der richtige Name, besuchte Schulen – einfach alles.

„Ich habe mir die Freiheit genommen, etwas nachzuforschen. Bin mir sehr sicher, dass Kuttelfisch sich nicht die Mühe gemacht hat oder gar nicht die Möglichkeiten dazu. Es tut gut, Freunde in Inkopolis zu haben, findest du nicht, 8?“

Noctiluca nickte schweigend, während er sich jede Information über 3 einprägte, die es zu sehen gab.

„Kuttelfisch hat sich zwar darum bemüht, 3s Eltern umzusiedeln – auch wenn sie keine Ahnung haben, warum sie plötzlich in einer viel schickeren Gegend wohnen dürfen, aber nun ja – einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul heißt es so schön. Ich habe Deafwaters Eltern ausfindig gemacht, schon gestern.“

Octario ließ diesen Satz gut gelaunt in der Luft schweben, griff mit seinem Tentakel nach der Teetasse und nahm einen kleinen Schluck.

Noctiluca wusste, was das bedeutete. Octario hatte 3s Eltern nicht einfach nur gefunden …

„8, bleib an der Sache dran. Ich will wissen, was dieser alte Kuttelfisch in seiner Hütte ausheckt! Ach ja, und ich will noch etwas …

Ich will diesen Agenten 3 am Boden sehen, in tausend Teile zersprungen. Es wäre langweilig ihn einfach nur zu töten.“

Noctiluca lächelte bösartig, er konnte sich vorstellen, was sein Anführer für 3 geplant hatte.

„Ich will diesen Burschen, der die Frechheit hatte meine Leute zu töten, von innen heraus zerstören. Wenn erstmal seine Seele ein völliges Wrack ist, kann ich ihn vielleicht sogar für meine Zwecke missbrauchen. Für Deafwater muss Kuttelfisch der Feind werden, verstanden 8?!“

„Ja, großer Octario!“, rief Noctiluca und salutierte auf dem Stuhl.

Octario nickte zufrieden. „Gut. Begib dich jetzt zum zweiten Okto-Distrikt. Jemand hat mir gesteckt, dass 3 sich auf den Weg dorthin macht. Sieh zu, dass du sein Vertrauen gewinnst, und wenn das bedeutet, dass er den Wels bekommt, den wir dort lagern. Was auch immer nötig ist, tu es, damit er dir vertraut! Kollateralschäden lassen sich nicht vermeiden, außerdem dient es dem großen Ganzen.“

Noctiluca zögerte, nur eine einzige Sekunde, aber er zögerte und dem Anführer der Octarianer war das nicht entgangen. Seine giftgrünen Augen wurden schmal.

„Was ich jetzt nicht brauchen kann, 8, sind falsche Empathien. Ich habe nicht so viel Zeit und Ressourcen in dich investiert, damit du diese wichtige Mission in den Sand setzt. Du wirst diese Mission erfüllen, koste es was es wolle – verstanden?!“

Noctiluca straffte seine Schultern und stand auf. „Verstanden!“

 

Nachwort:

Ich gebe sofort zu, das hier ist ein Laberkapitel geworden ^^“ Aber da war einfach so viel Info und der Zeitpunkt hat einfach gepasst … Im nächsten Kapitel möchte ich wieder mehr Handlung und weniger Dialoge einbringen.

Wie immer komme ich noch kurz zu den Namen unserer beiden Nebencharaktere Yowai und Asta zu sprechen.

bedeutet Zahn, Kun-Lesung Yowai

阿須多 ist etwas komplexer = Winkel, On-Lesung „a“. = unter allen Umständen, On-Lesung „su“. = viel, On-Lesung „ta“. Asta. Da das u in „su“ ohnehin stumm ist, bilde ich es in der romanischen Schrift nicht ab, damit Leser erst gar nicht in Versuchung kommen können.

Wie immer hoffe ich, dass Euch das Kapitel trotzdem gefallen hat, trotz eigentümlichen Zeitsprung und vielen Dialogen. Wie immer würde ich mich über Anregungen, Kritik, Lob oder ähnliches freuen :3

Süßwasser vs. Salzwasser


 

S E C H S – Süßwasser vs. Salzwasser

 

Beim Widerstand, 09:04 Uhr
 

Limone war gerade dabei sich erneut ihre neue Identität einzuprägen, als ihr Squidphone vibrierte.
 

Aioli:

„Komm zum ersten Okto-Distrikt. 3 und der andere Typ da sind hier!“

09:04
 

Tenten sah Limone fragend an, als sie das Handy wegsteckte und aufstand. „Vielen Dank, Tenten. Die Arbeit ruft, ich erkläre dir alles, wenn wir uns wiedersehen.“

Limone wollte gerade nach dem Notizbuch greifen, als die Salmon Runnerin Ihr Handgelenk festhielt.

„Das geht leider nicht. Diese Informationen dürfen auf keinen Fall in falsche Hände geraten. Wenn du alles im Kopf hast, wird dieses Notizbuch ohnehin zerstört.“

Limone verstand und zog die Hand zurück. Als sie vor dem Ausgang stand, zögerte sie. „Wie komme ich …“

„Wieder hier raus?“ Tenten lachte amüsiert. „Warte noch ein paar Minuten, dann kommt die Tiefsee-Bahn vorbei. Danach bring ich dich zum Gleis am Salmoniden-Viertel, von dort kannst du ja den Supersprung nutzen.“

Limone nickte dankbar.

 
 

~~~

 

Erster Okto-Distrikt, Aquamarine HQ, 09:33 Uhr
 

Limone landete möglichst elegant im ersten Okto-Distrikt, unweit von Kuttelfischs Hütte entfernt. Sie hatte diesen albernen Wunsch gut vor Noctiluca dazustehen, auch bei einem Supersprung.

Aioli kam ihr sofort entgegen gestützt und zog sie in eine alles erdrückende Umarmung. „Limone! Weißt du, was für Sorgen ich mir gemacht habe?!“

Limone ächzte, erwiderte aber lächelnd die Umarmung. „Ja, du hast es mir im Minutentakt geschrieben. Ich bin auch sehr froh, dich wiederzusehen.“

Aioli ließ sie los und musterte Limone eingehend. „Wie ist es so bei den Octarianern?“

„Weiß ich noch nicht. Ich bereite mich mit Lucas Leuten noch darauf vor eingeschleust zu werden. Im HQ erkläre ich dir und Opa alles. Wo ist …“ Ihr Blick strich über die felsige Landschaft bis sie Noctiluca entdeckte, der neben 3 stand. 3 hatte einen kleinen Elektrowels im Arm – sehr gut.

Zusammen mit Aioli ging Limone zu ihnen hinüber. Limone grüßte die beiden Agenten herzlich. 3s Augen blieben starr und ausdruckslos. Limone runzelte die Stirn – offenbar stimmte etwas nicht.

„Wir müssen zu Samael nach Hause“, sagte Noctiluca sofort, der ein genauso ernstes Gesicht machte. Limone sah ihn verdutzt ab –, zu wem nach Hause?

„3 ist Samael“, erklärte Aioli leise. Sie sah ihre Cousine bang an. „Wir befürchten etwas Schlimmes …“

Limone sah zwischen ihren Verbündeten hin und her und versuchte das Gesagte zu sortieren. 3 war Samael und bei ihm zu Hause war etwas Schlimmes passiert …

„Seit wann wissen wir deinen Namen?“, fragte sie schließlich ihren Agenten.

Aioli nickte grimmig zu Noctiluca.

Der Octoling räusperte sich. „Octario hat seine Hausaufgaben gemacht. Er weiß viel über euren Agenten, wahrscheinlich sogar mehr als Käpt'n Kuttelfisch. Octario hat Samaels Eltern ausfindig machen lassen …“

Limone starrte Noctiluca entsetzt an. „Wie lange weißt du das schon?!“

„Erst seit heute morgen“, murmelte er niedergeschlagen.

Kuttelfisch kam aus seiner Hütte geeilt, sein Gesicht vor Sorge zerfurcht. Er steuerte auf 3 zu und deutete auf den Wels. „Um ihn werde ich mich kümmern. Geh du mit Limone und Aioli zu dir nach Hause“, befahl er.

3 übergab den Wels und sah die anderen an. „Seid ihr so weit?“

„Ich komme mit“, meinte Noctiluca entschlossen. 3 widersprach nicht, Kuttelfisch war bereits auf dem Weg zur Hütte.

Nachdem allen klar war, zu welcher Adresse sie springen mussten, machten sie sich los.

 
 

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Seeengel-Klamm, Vorort Inkopolis, 09:54 Uhr
 

3 wollte seinen Schlüssel ins Schloss schieben, als er merkte, dass die rot lackierte Tür bereits offen war. Sie standen vor einem kleinen Häuschen, das sich in einem der Vororte Inkopolis' befand. Es war aus Steinen gefertigt, die passgenau aufeinander lagen, ohne Mörtel oder Ähnlichem. Die Steine waren auch nicht bearbeitet. Es handelte sich um eine alte Bauweise, die sich seit einigen Jahren wieder großer Beliebtheit erfreute. Dieses Häuschen war teuer gewesen, aber Kuttelfisch hatte sich nicht lumpen lassen. Dass die Familie Deafwater hierher gezogen war, wurde geheim gehalten, aber offenbar nicht geheim genug …

Leise quietschend schwang die Tür nach innen auf.

Als 3 einen Blick hineinwarf warf, sprang ihm das Chaos entgegen. Es war alles kurz und klein geschlagen worden, einfach alles. Der junge Inkling bekam die Tür kaum aufgeschoben, weil ein Stuhl sich darin verkeilt hatte.

Als Limone, Aioli und Noctiluca folgten, herrschte bedrücktes Schweigen – niemand sagte ein Wort.

3 wühlte sich durch den Schutt, schob sich an zerbrochenen Bilderrahmen vorbei, drückte die Couch zur Seite, trat über Scherben und zerschlagenes Mobiliar. Seine Gedanken kreisten sich ausschließlich um seine Eltern, den Albtraum um ihn herum ignorierte er.

Die vier gingen durch das ganze Haus, jeder Raum war ein Schlachtfeld, die Küche demoliert, die Sanitären Anlagen herausgerissen, die Betten aufgeschlitzt, die Habseligkeiten überall verstreut. Es roch nach Kupfer. 3 kannte diesen Geruch nur allzu gut, er roch ihn immer, wenn er einen Octarianer erschoss – der Geruch von Blut.

Als sie 3s Zimmer erreicht hatten, sahen sie, dass ein Zettel über seinem Bett hing.

 
 

Samael, unser geliebter Sohn,

die See ist so salzig.

 

3 nahm den Zettel in die Hand und las ihn ein paar Mal, schon bald würde nichts mehr darauf zu lesens ein, denn er war mit der Tinte seiner Eltern geschrieben worden und die Tinte von Inklingen verschwand nach einiger Zeit. Es war also noch nicht lange her gewesen, dass seine Eltern entführt worden waren.

Die See ist so salzig

„Das waren nicht die Octarianer ...", sagte Noctiluca in die Stille, nachdem er den Zettel ebenfalls gelesen hatte.

Limone sah ihn fragend an. „Was meinst du, natürlich waren das die Octarianer! Octario ist dafür verantwortlich!“

„Ja das schon“, Noctiluca hob ein Familienfoto von 3 auf, auf dem er mit seinen Eltern am Strand saß und lachte, „aber Octario kann die Octarianer nicht nach Inkopolis schicken, ohne dass das auffällt.“

„Wie hat er das denn dann nur gemacht?!“, wunderte Aioli sich und kratzte sich am Kopf.

„Er hat nichts gemacht, er hat machen lassen.“

„Von wem“, wollte 3 mit eisiger Stimme wissen, den Zettel in seiner Faust.

Noctiluca sah ihm in die bernsteinfarbenen Augen. „Kamabo Corporation.“

3 sah, dass Limone und Aioli offenbar nicht wussten, was das für eine Firma sein sollte und er selbst war nicht minder ratlos.

Limone richtete ihre goldenen Augen auf 3. „Samael, ich …“

Er hob eine Hand. „Nenn mich nicht so. Samael gibt es nicht mehr, Samael ist heute gestorben. Eigentlich war er schon fort, als ich mich dazu entschieden habe mit euch zu arbeiten.“ 3 ließ eine Welle von tiefem Rot über seine cyanblauen Tentakel fließen, bis sie sich schwarz gefärbt hatten mit dunkelroten Ausläufen. „Wenn ihr mich bei einem Namen nennen wollt, nennt mich Akashou.“

Noctiluca blinzelte langsam und legte das Foto in seiner Hand vorsichtig auf auf einer halbwegs stehende Sitzgelegenheit ab. „Wer war Samael Deafwater?“

Limone und Aioli sahen ihn verdutzt an.

3 antwortete kurz angebunden: „Der Enkel eines Veteranen. Ich wusste schon immer, dass es die Octarianer noch gibt … Was spielt das noch für eine Rolle …“, 3 richtete sich an Noctiluca, „wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass meine Eltern noch leben?“

Der Octoling sah zerknirscht drein, seine königsblauen Tentakel bekamen schwarze Flecken. „Nicht sehr hoch …“

„Was ist Kamabo?“, hakte 3 weiter nach.

„Limone sollte es halbwegs mitbekommen haben“, sagte Noctiluca.

Limone sah überrascht aus. "Wie? Ach so, und wann hab ich das?"

„Die Tiefsee-Bahn. Sie gehört der Kamabo Corp., aber das ist nur ein Deckmantel.

Kamabo Corp. ist eine Art Zusammenschluss, ich weiß nicht wer da alles mitmischt, aber Octario ist ein großer Fisch in diesem Teich.“

„Okay, Moment!“ Aioli hob ihre Hände. „Ist das überhaupt eine Firma?“

Noctiluca sah sie achselzuckend an. „Jaein, es ist eine Scheinfirma.“

„Sind Inklinge Teil davon?“, fragte 3.

„Nein, sie sind eine der wenigen Spezies, die nichts damit zu tun haben. Aber es geht um das, worum es immer geht: Geld und Macht. Octario verspricht beides, er mischt schon lange bei Kamabo mit. Ihr erratet niemals, wer hauptsächlich mit Kamabo zu tun hat!“ Noctiluca lächelte verbittert.

Die drei Agenten schüttelten nur die Köpfe.

„Die Quallen.“

Aiolis Mund klappte auf, eine Weile blieb er offen, bis sie sich wieder gefangen hatte. „Du verarschst uns! Quallen?! Okay, als nächstes erzählst du uns, dass die hier auch die Bude zerlegt und 3s Eltern entführt haben!“

Noctiluca fing an, die Familienfotos einzusammeln, sein Blick hatte etwas traurig schmerzliches dabei. Manchmal strich er mit den Fingern über die Bilder oder strich scharfkantige Scherben herunter. „Die Quallen sind keine so harmlose Spezies, wie ihr denkt. Die haben eine Menge Dreck am Tentakel und es kümmert sich nicht so sehr, wer hier der größte Hai im Becken ist. Die Quallen wollen einfach nur ihre Ruhe und wenn sie den Eindruck haben, dass die Octarianer die nächste herrschende Spezies werden könnte, dann ist ihnen das genauso recht und stellen sich eben mit denen gut.“

„Diese verdammten Opportunisten!“, schrieb Aioli aufgebracht und hätte wohl am liebsten etwas zerschlagen, wenn nicht schon alles hier Kleinholz wäre.

3 war überrascht, dass sie das Wort überhaupt kannte. Bis jetzt war ihm Aioli nicht besonders clever vorgekommen, das schien mehr Limones Part zu sein.

„Zugegeben, die Quallen haben vermutlich wirklich nicht hier randaliert, das traue ich mehr den Ruderschnecken zu … Aber egal, wer es war, Kamabo hat seine Finger im Spiel und damit ist noch eine Partie mit eingestiegen, die uns große Probleme machen kann. Ich hab es euch ja gesagt“, Noctiluca reichte 3 alle Bilder, die er hatte finden können, „Octario holt zum ultimativen Gegenschlag aus. Es sieht ziemlich düster aus für die Inklinge … Und die Aquamarine ist gerade nicht in ihrer Blüte …“

Limone kam zu 3 herüber und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wenn du aussteigen möchtest …“

3 schnaubte verächtlich. „Wir wussten alle, dass das passieren kann! Käpt'n Kuttelfisch hat mich über die Risiken genau informiert. Ich werde nicht klein bei geben, nicht jetzt, ganz besonders nicht jetzt!“

Limone sah ihn noch eine Weile schweigend an, Aioli wirkte vor allem niedergeschlagen, Noctiluca hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

Schließlich legte der Octoling 3 die Hände auf die Schulter. „Akashou, bei uns Octarianern würde man sagen, dass du aus dem richtigen Haifischzahn geschnitzt bist. Wenn es eine Möglichkeit gibt, deine Eltern noch zu retten, werde ich nichts unversucht lassen! Limone und ich kümmern uns darum, dir und der restlichen Aquamarine so viele Infos zu liefern wie es geht. Je mehr du weißt, desto besser kannst du Octario in die Flanken fahren.“ Dann trat er einen Schritt zurück und wandte sich den Squid Sistern zu, unter seinen Schuhen knirscht ein zerbrochener Bilderrahmen. „Limone, Aioli. Euer Käpt'n muss wissen, auf was für einen Krieg er sich da vorbereiten muss.“

„Das weiß er!“, rief Aioli felsenfest entschlossen.

Noctiluca zog eine Augenbraue hoch. „Über Kamabo und die Salmoniden scheint er nichts zu wissen …“

Jetzt sah Aioli tatsächlich etwas verlegen aus. „Bald weiß er es … Er wird wissen, was zu tun ist.“

„Machen wir uns bereit“, sagte Noctiluca und atmete tief ein. Er sah noch einmal zu 3 hinüber, der seine Familienfotos fest an sich drückte. „Akashou … Gib gut auf sie Acht … Du musst wissen, mir war es nie vergönnt, noch etwas von meinen Eltern zu besitzen. Mir bleiben nur meine Erinnerung …“

3 dachte über die Worte des jungen Octolings nach, plötzlich legte er die Bilder auf die Seite und holte sein Squidphone heraus.

Noctiluca runzelte die Stirn. „Was hast du vor?“

3 winkte seine Verbündeten zu sich. „Es ist jederzeit möglich, dass wir uns in dieser Konstellation nicht mehr wiedersehen.“ Er hielt das Handy weit von sich und zog die anderen so zu sich, damit sie auf dem Display zu sehen waren.

Aioli grinste begeistert, murmelte aber aus dem Mundwinkel. „Verstößt das nicht gegen unser Sicherheitsprotokoll?!“

„Wenn dich einer fragt, waren wir nur bei Starfish Bucks“, sagte Limone und grinste schief.

„Und die Trümmer im Hintergrund?“, fragte Noctiluca prustend.

„#itsbeenlikethis“, sagte 3 trocken und drückte auf den Auslöser.

 
 

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Cephalon HQ, 18:12 Uhr

 

Zusammen mit Octario ging Noctiluca durch die Hallen, in denen die Schusswaffen hergestellt wurden.

„Vielleicht fragst du dich, wo wir all die Ressourcen dafür herbekommen“, meinte Octario guter Dinge.

Noctiluca schwieg.

„Kamabo gewährt uns einen großzügigen Vorschuss … Wie dem auch sei … Sag mir, 8. Sind die Netze ausgeworfen?“

Der junge Octoling sah grinsend zu seinem Anführer, seine spitzen Zähne glänzten im künstlichen Licht des Untergrunds. „Ja, und die Fische schwimmen geradewegs hinein.“

Octario brummte zufrieden und nahm einen der Oktokleckser in den Tentakel. „Gut, sehr gut. Bring sie auf die richtige Spur, 8. Das ist sehr wichtig, das ist jetzt eine Frage des Timings …“

Octario richtete die Waffe auf einen Oktorekruten, einem Tentakel auf winzigen Beinchen, der seines Weges ging. Mit einem gezielten Schuss erledigte Octario ihn.

„Denk immer dran, 8. Zum Wohle aller müssen wir Opfer bringen, ohne zu zögern.“

„Ja, großer Octario.“



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